Über das gesäuerte und ungesäuerte Brot (8) — חמץ ומצה

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Abhandlung vom Gesäuerten und Ungesäuerten, enthaltend acht Vorschriften, von denen drei Gebote und fünf Verbote sind, nämlich: 1) vom vierzehnten Tage Mittags an nichts Gesäuertes zu essen; 2) an diesem Tage allen Sauerteig wegzuschaffen; 3) sieben Tage lang nichts Gesäuertes zu essen ; 4) während derselben nichts zu essen, was mit Gesäuertem vermischt ist; 5) während derselben nichts Gesäuertes bei sich sehen zu lassen; 6) während derselben nichts Gesäuertes bei sich finden zu lassen; 7) in der Nacht zum Pessagh-Feste ungesäuertes Brod zu essen; 8) in derselben Nacht die Geschichte des Abzugs aus Aegypten zu erzählen; deren Auseinandersetzung in folgenden Capiteln enthalten ist.

Erstes Capitel.

1) Wer am Pessagh-Feste, d. h, vom Beginne der Nacht zum fünfzehnten, bis zu Ende des einundzwanzigsten Tages im Monat Nissan, muthwilliger Weift ein Quantum gesäuerten Brodes, von der Größe einer Olive, ißt, verwirkt die Strafe der Ausrottung, denn es heißt: (2 B, Mosis Xll, 15) „Denn wer Gesäuertes ißt, soll ausgerottet werden"; thut er es nur aus Versehen, so muß er das bestimmte Sühnopfer darbringen. Es ist völlig gleich, ob man es ißt, oder in Flüssigkeiten austöst, und mit diesen vermischt trinkt. 2) Selbst die Benutzung des Gesäuerten ist am Pessagh-Feste verboten, denn es heißt: (2 B. M. XIII, 3) „Es soll nichts Gesäuertes gegessen werden", d. h. es soll nichts damit vorgenommen werden, was der: Genuß zur Folge haben könnte. Wer am Pessagh-Feste Gesäuertes in seinem Bereiche hält, überschreitet, wenn er es auch nicht gewußt, dennoch zwei Verbote, nämlich das, welches lautet: „Es werde kein Sauerteig in deinem ganzen Gebiete gesehen," (2 B. M. XIII, 19) und das Verbot: „Kein Sauerteig werde in euren Häusern g'funden" (2 B. M. XIII, 7). In Betreff der diesen Verboten beigelegten Bedeutung, — ist es gleichgiltig, ob es sich um Gesäuertes handelt, oder um den Sauerteig selbst, welcher zum Säuern: dient. 3) Auf die Ueberschreitung der Verbote: „Es werde nicht gesehen" u. s. w. und: „Es werde nicht gefunden" steht noch nicht die Geißelung, es sey denn, daß man das Gesäuerte am Pessagh-Feste gekauft, oder mit seinem Gesäuerten irgend eine Handlung vorgenommen hätte; hat aber Jemand vordem Pessagh-Feste Gesäuertes, und schafft es vor Beginn desselben nicht hinweg, sondern läßt es in seinem Bereiche liegen, so ist er, obschon er dadurch zwei Verbote verletzt, nach dem Ausspruche der Thora noch nicht der Geißelung verfallen, weil er keine eigentliche Handlung begangen, vielmehr trifft ihn blos die Geißelung des Ungehorsams. 4) Gesäuertes, weiches das Pessagh-Fest überdauerte, darf auch in Zukunft nie mehr benutzt werden. Es ist dies eine Strafe, welche die Schriftgelehrten Demjenigen auferlegen, welcher die Verbote: „Es werde nicht gesehen" und „Es werde nicht gefunden" übertreten hat, und die selbst dann noch ihre Giltigkeit behalt, wenn jener es aus Versehen oder gar gezwungen gethan hätte, — und zwar um zu verhüten, daß Niemand das Pessagh-Fest über — Gesäuertes in seinem Gebiete halte, in der Absicht, es nach dem Feste zu benutzen. 5) Gesäuertes, das am Pessagh-Feste mit etwas Gleichartigem oder Nichtgleichartigem gemischt wurde, bewirkt, selbst wenn es ein noch so kleines Quantum wäre, daß diese Speise zu einer verbotenen wird. Das einem Israeliten zugehörige Gesäuerte aber, welches das Pessagh-Fest überdauert hat, nachdem es zuvor in entsprechende oder nicht entsprechende Speisen gemischt worden war, darf, obschon die Benutzung des einfachen Gesäuerten für sich bestehend verboten ist, dennoch nach Ablauf des Pessagh-Festes gegessen werden; denn die Strafe sowohl, wie das Verbot, beziehen sich nur auf den Genuß des eigentlichen Gesäuerten, alles damit Vermischte aber, darf nach dem Pessagh-Feste genossen werden. 6) Die Ausrottung steht nur auf den Genuß des eigentlichen Gesäuerten. Wer aber mit Gesäuertem Vermischtes, als babylonische Brühe, medisches Bier und andere derartige Speisen, genießt, bei denen das Gesäuerte nur eine untergeordnete Rolle spielt, wird nur mit Geißelung, aber nicht mit Ausrottung bestraft, denn es heißt: „Ihr dürft nichts Gesäuertes essen" (2 B. M. XII, 20). Jedoch gilt das nur für den Fall, daß in einer Mischspeise, auf ein Quantum von je drei Eiern gleich, so viel Gesäuertes, wie eine Olive groß, in der dazu gehörigen Zeit genossen worden wäre; nur dann wird nach den Bestimmungen der Thora an dem, welcher jenes Quantum gnossen, die Geißelung vollzogen. Enthält aber die Mischspeise nicht so viel Gesäuertes, daß davon ein Quantum, wie eine Olive groß, in jenem Verhältniß zur Mischspeise genossen werden könnte, so ist ihr Genuß zwar untersagt, wer aber trotz dem davon genießt, wird nicht gegeißelt, sondern erleidet nur die Züchtigung des Ungehorsams. 7) Die Thora verbietet, am Pessagh-Feste selbst die kleinste Quantität von Gesäuertem zu essen, denn es heißt: „Es soll nicht gegessen werden". Die Strafe der Ausrottung oder die Darbringung eines Opfers verschuldet aber nur Derjenige, welcher davon das bestimmte Maaß, nämlich ein Quantum von der Größe einer Olive, genießt. Wer muthwilliger Weise ein Quantum genießt, welches weniger als eine Olive ausmacht, der wird mit der Geißelung des Ungehorsams gezüchtigt. 8) Man darf am Vierzehnten von Mittag an, d. h. von der siebenten Stunde des Tages, kein Gesäuertes mehr essen; wer zu dieser Zeit dem zuwider handelt, verschuldet nach den Bestimmungen der Thora die Geißelung, denn es heißt: „Du sollst dabei kein Gesäuertes essen" (5 B. M. XVI, 3) nämlich beim Pessagh-Opfer, worüber sich die Tradition folgendermaaßen ausspricht: „Du sollst von der Stunde ab, in welcher die Schlachtung des Pessagh-Opfers vorgenommen werden kann, also von Mittag an, kein Gesäuertes mehr essen". 9) Die Gelehrten haben den Genuß des Gesäuerten schon mit Beginn der sechsten Tagesstunde untersagt, damit der Genuß des Gesäuerten nicht zu nah an die, von der Thora verbotene, Zeit grenze. Demnach ist der Genuß und die Benutzung des Gesäuerten vom Anfange der sechsten Stunde an, bis zur siebenten, nur in Folge einer Satzung der Schrift gelehrten verboten; den übrigen Theil des Tages aber, mit der siebenten Stunde beginnend, waltet das Verbot der Thora ob. Während der fünften Stunde darf das Gesäuerte zwar nicht gegessen werden, diese Bestimmung hat aber nur den Zweck, vorzubeugen, daß an einem trüben Tage nicht etwa eine Verwechslung zwischen der fünften und sechsten Stunde entstehe; die bloße Benutzung des Gesäuerten aber, ist während dieser Stunde noch gestattet. Aus diesem Grunde werden Hebe-, Dankopfer-Kuchen und anderes geweihtes Gesäuertes, noch aufs Ungewisse hin während der fünften Stunde gehalten, d. h. weder gegessen noch verbrannt, bis die sechste Stunde eintritt, wo alsdann Alles verbrannt wird. 10) Hieraus ergiebt sich nun, daß am Vierzehnten, bis zu Ende der vierten Stunde, der Genuß des Gesäuerten erlaubt ist, daß man es ferner während der fünften Stunde zwar nicht essen, wohl aber anderweitig benutzen darf, wogegen Derjenige, welcher während der sechsten Stunde davon ißt, mit der Züchtigung des Ungehorsams gestraft wird. Wer aber nach Beginn der siebenten Stunde, und später — davon ißt, verfällt der Geißelung.

Zweites Capitel.

1) Es ist ein Gebot der Thora, alles Gesäuerte noch vor der Zeit hinweg zu schaffen, mit welcher das Verbot des Genusses in Kraft tritt. Denn es steht geschrieben: „Am ersten Tage müßt ihr wegschaffen den Sauerteig aus euren Häusern" (2 B. M. XII, 15). Die Tradition lehrt nämlich, daß mit der Bezeichnung „am ersten Tage" hier der vierzehnte gemeint sey. Den Beweis hierzu liefert die Stelle der. Thora: „Schlachte nicht beim Gesäuerten, das Blut meines Opfers" (2 B. M. XXIV, 25), mit andern Worten, Schlachte nicht das Pessagh-Lamm, während das Gesäuerte noch existirt. Das Pessagh-Lamm aber wird am Vierzehntem Nachmittags geschlachtet. 2) Worin besteht nun die in der Thora erwähnte Wegschaffung des Gesäuerten? Man vernichte es gleichsam im Gedanken, achte es dem Staube gleich und nehme an, daß man in seinem Gebiete nichts Gesäuertes mehr habe, und daß das Gesäuerte, welches etwa dennoch dort übrig geblieben seyn könnte, dem Staube gleich, also ganz und gar unnütz sey. 3) Die Schriftgelehrten dagegen haben angeordnet, daß man dem Gesäuerten an verborgenen Orten und Löchern nachspüre, diese Orte genau untersuche und, wo sich mir etwas Gesäuertes vorfindet, dasselbe hinwegschaffe. Auch haben sie bestimmt, daß diese Nachsuchungen und die Entfernung des Gesäuerten bei Nacht, mit Beginne des Abends zum Vierzehnten, und zwar bei Kerzenlicht stattfinden sollen, weil Jedermann Nachts zu Hause ist, und das Kerzenlicht die Nachsuchung begünstigt. Schon am Schlusse des dreizehnten Tages müssen die bestimmten Lehrstunden aufhören; auch darf kein Gelehrter um diese Zeit die Lectüre eines Buchs beginnen, denn man könnte unversehens sich dabei zu lange aufhalten, und in Folge dessen es unterlassen, die Nachsuchung des Gesäuerten schon mit Eintritt der dazu festgesetzten Zeit zu beginnen. *) Die Nachsuchung darf nicht bei Mond-, Sonnenoder Fackelbeleuchtung vorgenommen werden, sondern nur beim Kerzenlicht; dies gilt jedoch nur, wenn es sich um Winkel und verborgene Räume handelt; eine Vorhalle hingegen, wenn sie hell ist, kann auch bei Tage untersucht werden. In dem mittleren Raume eines Hofes bedarf es gar keiner Nachforschung, weil da häufig Geflügel hinkommt, welches alles Gesäuerte, das dorthin fällt, aufpickt. 5) Befindet sich in der Mitte eines Hauses, zwischen zwei Nachbaren, ein Loch, so untersuchen beide dasselbe, so weit ihre Hände reichen, und beide erklären das sich etwa noch weiterhin (innerhalb des Loches) vorfindende Gesäuerte in ihren Gedanken, — als nicht vorhanden. Befindet sich aber das Loch zwischen dem Gebiete eines Israeliten und dem eines Heiden, dann untersuche man es überhaupt gar nicht, denn der Heide könnte glauben, daß der Israelit auf diese Weise einen Zauber über ihn übe; vielmehr verzichte man in Gedanken darauf, was vollkommen genügt. An Orten, wohin schon an und für sich kein Gesäuertes kommt, ist die Untersuchung nicht nöthig. 6) Löcher in der Wand eines Hauses, ganz oben oder ganz unten, das Dach eines Seitengebäudes, ein Viehstall, Hühnerställe, ein Strohschuppen, Oel- oder Wein-Magazine, aus denen Nichts zum Hausgebrauch genommen wird, und ein Behälter mit großen Fischen, braucht nicht durchsucht zu werden, es sey denn, daß Gesäuertes dorthin bestimmt gebracht worden wäre. Ein Bierkeller, ein Weinlager, aus dem der Hausbedarf entnommen wird, eine Vorrathskammer, in welcher sich kleine Fische befinden, ein Holzstall, eine Vorrathskammer mit gepökeltem Fleische, Vertiefungen in den Wänden in mittlerer Höhe, und ähnliche Räume, müssen untersucht werden, weil man nach solchen Orten Gesäuertes zu bringen pflegt. Hieraus geht aber hervor, daß, wenn man mit Bestimmtheit weiß, daß man nach einem Orte nichts Gesäuertes gebracht, die Untersuchung dieses Ortes auch nicht nöthig ist. Die Nachsuchung in einem Keller wird nur an den beiden außern Fässerreihen, nämlich an den obersten und den zunächst darunter liegenden, angestellt. 7) Man braucht nicht der Besorgniß bei sich Raum zu geben, daß möglicher Weise durch ein Wiesel Gesäuertes nach einem Orte verschleppt worden seyn könnte, wohin sonst dergleichen nicht zu kommen pflegt; denn wenn hinsichtlich zweier Häuser eine derartige Besorgniß obwaltete, so könnte sie auch zwischen zweien Städten stattfinden, und so fort ohne Ende. Hat Jemand zehn Brode übrig gelassen, findet aber in der Nacht zum Vierzehnten bei der Nachsuchung nur noch deren neun vor, so lasse er das nicht unbeachtet, sondern stelle vielmehr eine neue Untersuchung an, weil hier die Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß ein Wiesel oder eine Maus Etwas verschleppt haben. 8) Sieht Jemand nach geschehener Nachsuchung eine Maus mit Brod im Maul ins Haus laufen, so ist er verpflichtet eine zweite Nachsuchung zu veranstalten. Findet er nun auch in der Mitte des Zimmers Brocken, so lasse er sich dennoch dadurch nicht zu der Voraussetzung verleiten, daß die Maus dieses Brod aufgefressen habe, weil schon Brocken herumliegen; vielmehr ist anzunehmen, daß sie das Brod nach einem Loche, oder einem Fenster, geschleppt habe, und daß die vorgefundenen Brocken sich schon früher an derselben Stelle befunden haben, weshalb es Pflicht ist, in solchem Falle eine zweite Durchsuchung vorzunehmen. Hat man das Gesäuerte nicht in dem einen Zimmer gefunden, so untersuche man das ganze Haus; findet man aber das Stück Brod, welches die Maus im Maule hielt, als sie ins Zimmer lief, so braucht man die Untersuchung nicht fortzusetzen. 9) Wenn Jemand ein Kind, mit einem Stück Brod in der Hand, in ein bereits durchsuchtes Zimmer eintreten sieht, geich hinterdrein geht, — und Krumen am Boden liegen sieht, s ist eine neue Untersuchung nicht nöthig: weil man dann immer annehmen kann, daß das Kind das Brod verzehrt, und Krumen habe fallen lassen, denn es ist Kindern eigen, beim Essen Krumen fallen zu lassen; eine Maus aber pflegt keine Krumen liegen zu lassen. Finden sich aber keine Krumen vor, so muß die Untersuchung von Neuem beginnen. 10) Hat Jemand neun Parthieen ungesäuerten Brodes und eine gesäuerten hingelegt, und eine Maus, welche hinzuläuft, schleppt Etwas davon nach einem bereits untersuchten Zimmer, ohne daß man weiß, ob es Gesäuertes oder Ungesäuertes war, so muß eine neue Untersuchung stattfinden, weil bei dem gegenseitigen Verhältniß der Dinge, welchen ein bestimmter Raum zuertheilt ist, die Quantität nicht in Betracht kommt. 11) Sind hingegen zwei Parthieen Brod vorhanden, die eine aus Gesäuertem und die andere aus Ungesäuertem bestehend, und ebenso zwei Häuser, von denen das eine durchsucht und das andere undurchsucht ist, und es kommen zwei Mäuse, von denen die eine gesäuertes und die andere ungesäuertes Brod hinwegschleppt, ohne daß man wüßte, in welches Haus die Maus mit dem gesäuerten Brode gelaufen ist; oder wenn zwei durchsuchte Häuser und ein Haufen gesäuerten Brodes vorhanden sind, und eine Maus schleppt Etwas davon hinweg, ohne daß man wüßte, in welches Haus sie gelaufen; oder wenn man auch wüßte, in welches Haus sie gelaufen, jedoch bei der Nachsuchung Nichts, oder nur ein einziges Brod findet; oder wenn neun Parthieen ungesäuerten und eine einzige gesäuerten Brodes vorhanden wären, ein Brod davon aber weggenommen wurde, ohne daß man wüßte ob es ein gesäuertes oder ein ungesäuertes gewesen, und eine Maus dieses eine Brod nach einem durchsuchten Hause schleppte, so ist in allen diesen Fällen keine zweite Nachsuchung mehr nöthig, weil hier keine bestimmte Basis vorhanden ist, auf welche sich etwaige Zweifel beziehen könnten. 12) Legt Jemand Gesäuertes in einen Winkel, und findet es alsdann in einem andern Winkel wieder; oder findet man an dem Orte, an dem man neun Brode niedergelegt, später deren zehn vor; oder schleppt eine Maus Gesäuertes hinweg, und es ist zweifelhaft, ob sie nach dem Zimmer lief oder nicht, so muß eine zweite Nachsuchung vorgenommen werden. 13) Wenn eine Maus mit Brod im Maul in ein Haus läuft, und dann wieder eine Maus, ebenfalls mit Brod, aus demselben heraus kommt, so werden beide Mäuse nur als eine einzige angesehen, und es bedarf keiner weitern Nachsuchung. Ist die erste hinein laufende Maus schwarz und die zweite, welche herausläuft, weiß, so ist eine nochmalige Nachsuchung nöthig. Läuft eine Maus mit Brod im Maul in das Haus, während ein Wiesel ebenfalls mit Brod im Maul aus demselben kommt, so ist ebenso eine nochmalige Nachsuchung nöthig. Kommt das Wiesel und hält eine Maus mit einem Brode im Maule, dann bedarf es keiner zweiten Nachsuchung, denn das Brod ist dasselbe, welches die Maus früher im Maule hatte. Kriecht eine Schlange mit Brod im Maule in ein Loch, so hat man nicht nöthig einen Beschwörer herbeizuholen, um sie wieder herauszulocken. 14) Wenn ein Quantum Gesäuertes, wie eine Olive groß, sich am obern Gebälke befindet, so ist man verpflichtet, eine Leiter herbeizuschaffen und dasselbe herabzunehmen, weil von oben uvermuthet herabfalle könnte. Gesäuertes hingegen, das sich in einer Grube befindet, ist man nicht verpflichtet herauszuholen, sondem es genügt, wenn man es in seinen Gedanken als nichtig erklärt. 15) Ein Stück Sauerteig, welches bestimmt ist, als Sitzunterlage zu dienen, wird, sobald es mit Lehm überzogen worden, als aufgegeben angesehen, und man darf das selbe behalten. Wenn sich in den Spalten eines Backtrogs Teig vorfindet, so muß derselbe, wo davon soviel als eine Olive groß vorhanden, entfernt werden. Wenn sich davon weniger vorfindet und nur dazu dient, Risse am Backtroge zu verschließen, oder ein Loch zu verstopfen, so wird es der Geringfügigkeit wegen als aufgegeben betrachtet; dient es aber nicht zu solchem Zwecke, dann muß es entfernt werden. Sind zwei Stückchen, je von der Größe einer halben Olive, mit einander durch einen Teigstreifen verbunden, so kommt es darauf an, ob beim Wegnehmen des Streifens auch jene beiden Stückchen mit entfernt werden, oder nicht; im ersteren Falle muß der Teig weggethan werden, im andern aber ist das nicht erforderlich. 16) Dies bezieht sich aber nur auf einen Backtrog; in einem Zimmer hingegen, — müssen solche Stückchen hinweggeschafft werden, selbst dann, wenn sie sich nicht gleichzeitig mit dem Streifen entfernen lassen, weil sich sonst beide Stücken leicht zu einem Ganzen vereinigen könnten. Ist eine halbe Olive im Zimmer, und eine halbe Olive auf dem Boden, oder eine halbe Olive im Zimmer, und die andere Hälfte in der Halle, oder eine halbe Olive im äußern und eine halbe Olive im innern Zimmer, so braucht man solche an den Wänden, am Gebälk oder am Boden klebende halbe Oliven, nicht hinwegzuschaffen, sondern es genügt, wenn man auf dieselben in seinen Gedanken verzichtet. 17) Wenn Jemand am Vierzehnten ein Haus vermiethet ohne darüber, ob es durchsucht worden sey oder nicht, bestimmte Erklärung abzugeben, so muß man das Erstere annehmen, und es ist aus diesem Grunde nicht nöthig, eine Nachsuchung anzustellen. Ist es sogar wahrscheinlich, daß der Vermiether keine Nachsuchung veranstaltete, während blos eine Frau oder ein Kind erklären, daß sie ihrerseits eine Nachsuchung veranstaltet, so kann man diesen Glauben beimessen. Denn wenn es sich um die Wegschaffung des Gesäuerten handelt, kann man Jedermann als glaubwürdig ansehen, und Jedermann ist befähigt eine solche Nachsuchung zu veranstalten, selbst Weiber, Knechte und Kinder; jedoch muß das Kind schon den hinreichenden Verstand besitzen. 18) Vermiethet Jemand ein Haus und der Vierzehnte ist herangekommen, bevor die Schlüssel überantwortet werden konnten, so liegt die Nachsuchung dem Vermiether ob; trat aber der Vierzehnte ein, nachdem die Schlüssel bereits abgegeben waren, dann hat der Abmiether die Nachsuchung zu bewirken. Giebt ein Vermiether sein Haus für durchsucht aus, während sich später das Gegentheil herausstellt, so liegt dem Abmiether die Untersuchung ob, und die Uebereinkunft wird dadurch selbst an solchen Orten nicht ungiltig, wo es üblich ist, die Häuser gegen Erstattung eines bestimmten Lohnes durchsuchen zu lassen; denn dieser übt ja dadurch ein Gebot der Schrift aus. 19) Wer sich während der dreißig, dem Pessagh-Feste vorausgehenden Tage, einschiffen oder einer Karavane anschließen will, muß zuvor eine Nachsuchung anstellen; früher als am dreißigsten Tage vor Pessagh, ist dies jedoch nicht nöthig. Hat man die Absicht, noch vor dem Pessagh-Feste wieder nach Haus zurückzukehren, so muß man erst die Untersuchung anstellen, und dann abreisen, denn man könnte ja möglicher Weise vor dem Pessagh-Feste, erst nach Einbruch der Dämmerung zurückkehren, so daß dann keine Zeit mehr übrig bliebe, daß Gesäuerte zu entfernen; hat man aber nicht die Absicht, früher zurückzukehren, so ist auch die Untersuchung nicht nöthig. Richtet Jemand während der dreißig Tage vor Pessagh sein Haus zum Magazin ein, so muß er zuvor die Untersuchung veranstalten, und dann erst seine Vorräthe dorthin schaffen. Hat aber Jemand die Absicht, dies früher als dreißig Tage vor Pessagh zu bewirken, so muß er das Haus, nur in dem Falle zuvor untersuchen, wenn er das Haus noch vor dem Pessagh-Feste wieder zu reinigen denkt. Ist dies aber nicht der Fall, so hat man nicht nöthig eine Untersuchung vorzunehmen.

Drittes Capitel.

1) Bei der Nachforschung und den Haussuchungen in der Nacht zum Vierzehnten, wird alles Gesäuerte aus Löchern, abgelegenen Orten und Winkeln hervorgeholt, dann an einem bestimmten Orte zusammengelegt, wo es bis zum Beginn der sechsten Tagesstunde liegen bleibt, und alsdann vermiethet wird; will es Jemand schon während der Nacht zum Vierzehnten fortschaffen, so steht ihm dies frei. 2) Das Gesäuerte, welches man in der Nacht zum Vierzehnten noch zurückläßt, um davoll am andern Morgen, bis zu Ende der vierten Stunde, zu zehren, darf nicht vereinzelt und zerstreut an verschiedenen Orten herumliegen, vielmehr muß es in einem Geschirre, oder in einem dazu eigends bestimmten Winkel, unter Beobachtung der nöthigen Vorsicht, verwahrt werden; denn wenn man damit unvorsichtig verfährt, und es sich alsdann findet, daß Etwas davon fehlt, so muß man darnach suchen, und weil es von den Mäusen verschleppt seyn könnte, eine zweite Haussuchung veranstalten. 3) Fällt der Vierzehnte auf einen Sabbat, so muß die Nachsuchung in der Nacht zum Vorabende des Sabbats, d. h. in der Nacht zum Dreizehnten vor sich gehen, wobei man jedoch so viel Gesäuertes an einem wohlverwahrten Orte aufheben muß, als nöthig, — um davon bis zu Ende der vierten Stunde am Sabbat-Tage zu zehren; den Rest aber schaffe man noch vor Eintritt des Sabbats hinweg. Bleibt aber am Sabbat, nach Ablauf der vierten Stunde, noch Gesäuertes übrig, so gebe man es auf, halte es bis zu Ausgang des ersten Feiertags mit einem Gefäße überdeckt, und schaffe es alsdann fort. 4) Hat Jemand mehrere Laibe Hebe-Brod, deren Verbrennung ihm am Vorabende zum Sabbat obliegt, so lege er bei dieser Gelegenheit nicht reine und unreine Hebe zusammen, vielmehr sondere man reine, unreine und zweifelhafte von einander, und verbrenne jede Gattung für sich. Aber blos von der reinen Hebe lasse man so viel übrig, als man bis zu Ende der vierten Stunde des Sabbats nöthig hat. 5) Wer, aus Vergeßlichkeit oder muthwilliger Weise, es verabsäumte, in der Nacht zum Vierzehnten die vorgeschriebene Nachforschung zu halten, thue es am Vierzehnten selbst, Morgens; unterblieb es jedoch um diese Zeit, so thue er es zur Zeit der Hinwegschaffung; unterblieb es auch hier, so thue man es während des Festes; ist es während des Festes nicht geschehen, so thue man es nach demselben, damit Nichts von Dem Gesäuerten, welches das Pessaghfest überdauerte, übrig bleibe, da dessen Benutzung ja schon ohnehin verboten ist. 6) Wer in der Nacht zum Vierzehnten, oder an diesem Tage selbst, oder auch während des Festes, Nachsuchung hält, spreche, ehe er damit den Anfang macht, folgenden Segen: "Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch seine Gesetze geheiligt, und uns die Fortschaffung Des Gesäuerten geboten", — worauf man die Nachsuchung selbst beginnt und alle Orte, wohin man sonst Gesäuertes zu bringen pflegt, einer sorgfältigen Untersuchung unterwirft, wie es bereits oben angegeben worden. Geschieht aber die Nachforschung erst nach dem Feste, so wird der Segen nicht gesprochen. 7) Nach Beendigung der Untersuchung hat man, dafern dieselbe in der Nacht zum Vierzehnten, oder an diesem Tage selbst vor der sechsten Stunde, vor sich ging, Alles, was sich an Gesäuertem etwa noch vorfinden sollte, dem Untersuchenden aber nicht zu Gesicht kam, aufzugeben, was man mit folgenden Worten thut: „Alles Gesäuerte, das sich in meinem Gebiete noch vorfinden sollte, ohne daß ich es gesehen hätte, sey aufgegeben und dem Staube gleichgeachtet". Geschieht die Nachsuchung aber erst nach Beginn der sechsten Stunde, oder noch später, so kann der Suchende es nicht mehr aufgeben, denn mit Eintritt des Verbots aller Benutzung, hat auch für ihn das Recht der Verfügung über das Gesäuerte ein Ende erreicht. 8) Wenn daher Jemand unterließ, vor der sechsten Stunde das, ihm nicht zu Gesicht gekommene Gesäuerte als nichtig zu erklären, und er findet, nachdem dieselbe bereits eingetreten, daß er es zwar früher im Sinne gehabt, aber während da zur Fortschaffung bestimmten Zeit vergessen und nicht fortgeschafft habe, so hat er das: „Es soll nicht gesehen werden", und das: „Es soll nicht gefunden werden" übertreten; denn er hat es ja weder fortgeschafft noch aufgegeben; und wenn er es auch zu dieser Stunde noch aufgeben wollte, so könnte ihm dies doch Nichts mehr helfen, da es nicht mehr zu seiner Verfügung steht. Die Schrift nämlich betrachtet ihn in solchem Falle nur in sofern als Besitzer des Gesäuerten, als er sich der Übertretung der Verbote „Es soll nicht gesehen werden" und „Es soll nicht gefunden werden" schuldig machen könnte, weshalb er auch zu jeder Zeit, wo er Gesäuertes findet, verpflichtet ist, es hinwegzuschaffen; findet man es an einem Feiertage, so bedecke man dasselbe mit einem Gefäße, und verbrenne es am Abend; ist es Geweihtes, so braucht es nicht mittelst eines Gefäßes überdeckt zu werden, weil ohnedies Jedermann sich davon fernhalten wird. 9) Wenn Jemand vor der, zum Fortschaffen des Gesäuerten bestimmten, Zeit ausgegangen ist, um eine anderweitige Pflicht zu üben, oder einem Fest-Mahle, z. B. einer Verlobung oder einer Hochzeit beizuwohnen, sich jedoch dabei erinnert, daß er noch Gesäuertes zu Hause habe, so muß er, wenn es möglich ist, umzukehren und nach der Hinwegschaffung des Gesäuerten, seine Pflicht noch auszuüben, dies auch thun; im entgegengesetzten Falle, — muß er das zurückgelassene Gesäuerte, in seinen Gedanken, als nichtig erklären. Ist Jemand in der Absicht ausgegangen, seinen Nebenmenschen aus Feindeshand, einer Ueberschwemmung, aus dem Feuer oder von einem Einsturz zu retten, so genügt die Nichtigkeits-Erklärung im Geiste. Geht aber Jemand in seinem eigenen Interesse aus, und erinnert sich, daß er daheim Gesäuertes habe, so ists seine Pflicht, schleunig zurückzukehren. Wie groß muß das Quantum von Gesäuertem seyn, um die Verpflichtung zur Rückkehr zu bedingen? Ein Quantum von der Größe eines Ei's; weniger kann im Geiste aufgegeben werden. 10) Hat Jemand beim Ausgehen eingemengten Teig zu Hause zurückgelassen, erinnert sich dessen erst nachdem er ausgegangen, und während er vor seinem Lehrer sitzt, sich ihm gleichzeitig aber dir Besorgniß aufdrängt, daß der Teig vor seiner Nachhausekunft sauer werden könnte, so ist's seine Pflicht, ihn in Gedanken für nichtig zu erklären, ehe er noch sauer geworden. Hat er aber den Teig bereits sauer werden lassen, so nützt ihm auch die Nichtigkeitserklärung Nichts, und er hat alsdann die Verbote: „Es soll nicht gesehen werden" und „Es soll nicht gefunden werden" übertreten; sobald er aber nach Hause kommt, ist's seine Pflicht, das Gesäuerte unverzüglich zu entfernen. 11) Auf welche Weise bewirkt man die Fortschaffung? Man verbrennt es, oder man zerbröckelt und streut es in die Luft, oder man wirft es ins Meer; ist das Gesäuerte schon hart geworden, - und muß man deshalb voraussetze, daß sich dasselbe nicht leicht im Meerwasser auflöse, so zerbröckele man dasselbe ehe man es ins Meer wirft. Gesäuertes, vorüber ein Gebäude eingestürzt ist, und welches sich demzufolge drei Handbreiten tief, oder auch mehr, unter dem Schutte befindet, wird als fortgeschafft angesehen. Ist aber die sechste Stunde noch nicht eingetreten, so soll man es in seinen Gedanken aufgeben. Das Gesäuerte, welches man vor Eintritt der sechsten Stunde einem Nicht-Israeliten übergab, braucht nicht fortgeschafft zu werden. Hat man Gesäuertes vor der sechsten Stande verbrannt, so darf man sich der Kohlen während des Festes bedienen. Fand aber die Verbrennung erst nach der sechsten Stunde statt, so darf man, weil die Benutzung bereits untersagt war, damit weder Ofen noch Küchenheerd heizen, noch auch damit backen oder kochen. Geschieht dies aber dennoch, so ist sowohl das Brod, als auch das Gericht, welche damit bereitet worden, zu jeder Benutzung unerlaubt. In gleicher Weise ist auch die Benutzung der Kohlen von solchem Gesäuerten verboten, weil es zu einer Zeit verbrannt wurde, wo dessen Benutzung bereits untersagt war.

Viertes Capitel.

1) Es steht in der Thora geschrieben: „Es soll bei dir kein Gesäuertes gesehen werden" (2 B. M. XIII, 7), was man aber so deuten könnte, als wenn Derjenige, welcher was verbirgt, oder einem Nicht-Israeliten zur Aufbewahrung übergiebt, kein Uebertreter des Gesetzes wäre, weshalb der Zusatz noch beigefügt ist: "Es soll kein Sauerteig in euren Häusern gefunden werden", (ebend.XII, 19) das sich also auch auf Diejenigen bezieht, welche das Gesäuerte zur Verwahrung abgeben, oder verbergen. Daraus könnte man aber wiederum den irrigen Schluß ziehen, als wenn nur Derjenige ein Uebertreter des Gesetzes wäre, der das Gesäuerte im Hause hat, nicht aber der es fern vom Hause, etwa im Felde oder in einer anderen Stadt verwahrt hat, — deshalb sind auch die näher bezeichnenden Worte beigefügt „in deinem ganzen Gebiete", also in Dem ganzen, zu deiner Verfügung stehenden Bereiche. Dies könnte nun aber noch zu der Meinung Veranlassung geben, daß man selbst das Gesäuerte eines Nicht-Israeliten, oder Geheiligtes — aus seinem Bereiche hinwegzuschaffen verpflichtet sey: weshalb wiederum die Worte: „Es soll bei Dir nicht gesehen werden" darauf Hinweisen, daß bloß das, was dem Eigenthum ist, nicht bei dir gesehen werden darf, wohl aber das Eigenthum eines Andern, oder das des Himmels. 2) Aus Obigem ist also deutlich zu ersehen, daß Derjenige, welcher in stillem Bereiche das, einem Israeliten gehörige Gesäuerte liege läßt, sey es nun verborgen, sey es in einer andern Stadt, oder sogar bei einem Nicht-Israeliten verwahrt, das Verbot: „Es soll nicht gesehen werden" und „Es soll nicht gefunden werden" übertreten habe; ebenso ist daraus zu ersehen, daß hingegen das Geheiligte, oder einem Nicht-Israeliten angehörende Gesäuerte, das sich bei einem Israeliten, ja sogar in dessen Zimmer befindet, nicht entfernt zu werden braucht, weil es nicht sein Eigenthum ist. Ja selbst, wenn das Gesäuerte einem ansäßigen, und unter israelitischer Botmäßigkeit stehenden Fremdling gehörte, so ist der Israelit dennoch nicht verpflichtet, es am Pessaghfeste aus seinen, Bereiche fortzuschaffen. Dagegen ist es Pfiicht, vor dem Gesäuerten eines Nicht-Israeliten eine Scheidewand von zehn Handbreiten Höhe zu errichten, weil man sonst veranlaßt werden könnte? davon Etwas zu nehmen. Keineswegs ist's aber erforderlich vor dem Gesäuerten, welches geheiligt ist, eine Scheidewand zu errichten, weil man ohnedies schon gewohnt ist, sich davon fern zu halten, um jede Veranlassung zur Veruntreuung zu vermeiden. 3) Wenn ein Nicht-Israelit einem Israeliten Gesäuertes zur Verwahrung übergiebt, und dieser für dessen Erhaltung haftet, so daß er, wenn es verloren ginge oder gestohlen würde, den Werth bezahlen müßte, so ist er verpflichtet, es fortzuschaffen, denn, da er dafür haftet, so ist es gleichsam sein Eigenthum; hat er aber nicht für dessen Erhaltung einzustehen, so, kann er es immer liegen lassen, und »nach dem Pessaghfeste davon essen, weil sich in solchem Falle das Gesäuerte gleichsam im Bereiche des Nicht-Israeliten befindet. 4) Wenn ein mächtiger Nicht-Israelit einem Israeliten Gesäuertes zur Verwahrung übergiebt, und dieser weiß, daß, wenn es verloren ginge oder gestohlen würde, er dafür bezahlen müßte, da dem Nicht-Israeliten Gewaltmaaßregeln zu Gebote stehen, ihn dazu zu zwingen, wenn er auch dafür früher keinerlei Gewährleistung übernommen, so ist's seine Pflicht — es fortzuschaffen; denn die, dem Mächtigern zu Gebote stehenden Gewaltmaaßregeln, gelten gleichsam als eine Gewährleistung von Seiten des Israeliten, weshalb das Gesäuerte als sein Eigenthum angesehen wird. 5) Wenn ein Israelit Gesäuertes bei einem Nicht-Israe- liten verpfändet, und ihm dabei sagt: „Wenn ich dir nicht am so und so vielten Tage, von heute an gerechnet, das geliehene Geld zurückbringe, so gelte das Gesäuerte — als wenn es schon von heute ab dein Eigenthum gewesen wäre", — dann ist es als zur Verfügung des Nicht-Israeliten gestellt anzusehen, und darf nach dem Pessaghfeste genossen werden, nur muß die gestellte Frist vor dem Pessaghfeste abgelaufen seyn. Sind aber dabei nicht ausdrücklich die Worte gebraucht worden: „So sey das Gesäuerte schon von heute ab dein Eigenthum", so gilt es nur als ein, beim Nicht-Israeliten verwahrtes — Gut, und darf nach dem Pessaghfeste nicht benutzt werden. 6) Wenn sich ein Israelit und ein Nicht-Israelit zusammen einschiffen, und der Israelit besitzt, bei Beginn der fünften Stunde, Gesäuertes, so kann er es dem Nicht-Israeliten verkaufen, oder es ihm schenken, und von ihm nach dem Pessaghfeste wiedererwerben, nur muß die Schenkung ohne irgend einen Vorbehalt stattgefunden haben. 7) Es ist einem Israeliten gestattet, zu einem Nichte- Israeliten zu sagen: Warum kaufst du blos für hundert Sus, kaufe lieber für zweihundert; oder: Warum kaufst du bei einem Nicht-Israeliten, kaufe lieber bei einem Israeliten, denn es könnte sich ja ereignen, daß ich es nach dem Pessaghfeste brauche, dann würde ich es von dir wieder zurückkaufen; dagegen darf man aber nicht unter sonstigem Vorbehalt verkaufen, oder verschenken. Thut dies aber Jemand dennoch, so übertritt er die Verbote: „Es soll nicht gesehen werden" und „Es soll nicht gefunden werden". 8) Durch Mischung des Gesäuerten unter andere Speisen, — macht man sich der Übertretung der Verbote „Es soll nicht gesehen werden" und „Es soll nicht gefunden werden" schuldig; solche Mischspeisen sind: Pöckelfleisch, babylonische Brühe, medisches, aus Mehl bereitetes Bier, und andere gleichartige Gegenstände; Mischungen von Gesäuertem hingegen, welche ungenießbar sind, dürfen während des Pessaghfestes gehalten werden. 9) Wenn z. B. Jemand, sey es auch nur eine Stunde vor der Fortschaffungszeit, Mehl und Häute in den Gerbertrog thut, so darf er sie das Pessaghfest über darin halten; sogar wenn man keine Häute in den Gerbertrog thut, während blos das Mehl schon drei Tage vor der, für das Fortschaffen bestimmten Zeit, hineingethan worden war, so darf man es ebenfalls halten, weil es da beim Beginn des Festes bereits verdorben, und übelriechend seyn mußte; sind aber, seit man es hineinlegte, noch keine drei Tage verflossen, so muß man es hinwegschaffen. 10) Ebenso darf man Augen salbe, Pflaster, Umschläge und Theriak, (Heilmittel gegen den Biß giftiger Thiere), wenn man etwas Gesäuertes darunter gethan, am Pessaghfeste halten, weil das Gesäuerte darin bereits sein ursprüngliches Aussehen verloren hat. 11) Brod, welches schimmelig, und selbst zum Fraß für Hunde untauglich geworden ist, ebenso, ein Erweichungsmittel, welches angefangen hat einen üblen Geruch zu verbreiten, braucht man nicht fortzuschaffen. Wäsche, die mit Waizenstarke gestärkt wurde, und Pappen, welche vermittelst Kleister aus Gesäuertem zusammengeklebt wurden, ebenso andere Gegenstände dieser Art, darf man am Pessaghfeste halten, und es kann in Betreff derselben von den Verboten „Es soll nicht gesehen werden" und „Es soll nicht gefunden werden" keine Rede seyn, da die äußere Form des Gesäuerten hier schon gar nicht mehr vorhanden ist. 12) Eine Substanz, der Gesäuertes beigemischt wurde, und welche, entweder für keinen Menschen genießbar, oder auch nicht für Alle genießbar ist, als: Theriak und dergleichen, darf, wennschon es nicht untersagt ist, dieselbe zu halten, vor Ablauf des Pessaghfestes nicht genossen werden; dies Verbot bleibt aber selbst dann in Kraft, wenn die Beimischung an Gesäuertem auch noch so gering seyn sollte.

Fünftes Capitel.

1) Das Verbot des Gesäuerten am Pessaghfeste, beziehe sich nur auf die fünf Getraidearten, nämlich: auf zwei Waizengattungen: Weizen und Spelt — und drei Gerstengattungen: Gerste, Hafer und Roggen. Auf Hülsenfrüchte aber, als: Reis, Hirse, Bohnen, Linsen und dergleichen, flndet es keine Anwendung. Wenn man daher sogar Reismehl und dergleichen mit siedendem Wasser verknetet, und so lange mit Tüchern bedeckt, bis es, dem gesäuerten Teige gleich, aufgeht, so darf man es dennoch genießen, weil dies nicht eigentlich sauer geworden, sondern mehr in Fäulniß übergegangen ist. 2) Sogar die fünf Getraidearten, wenn sie blos mit Fruchtsaft, ohne alle Beimischung von Wasser eingeknetet sind, gehen nie in Säuerung über, und folglich darf man sie genießen selbst wenn ein solcher Teig den ganzen Tag liegt, bis er aufgeht, weil Säfte keine Säuerung herbeiführen, sondern den Teig nur in Fäulniß setzen. Unter Säften versteht man: Wein, Milch, Honig, Baumöl, Aepfel- und Granatensaft, und andere Gattungen von Most, Oel, und sonstigen flüssigen Substanzen. Nur darf denselben durchaus kein Wasser beigemischt werden; ist dies nur im Mindesten der Fall, dann tritt die Säuerung ein 3) Man darf weder Waitzen, z. B. Graupen, noch Mehl wie z. B. Klößchen, in Wasser kochen; thut man es, dann tritt ein vollkommener Säuerungsproceß ein, indem nämlich diese Substanzen während des Kochens zerbersten. Man darf nicht Teig in Oel auf der Pfanne schmoren, wohl aber darf man Brod und geröstetes Mehl kochen. Macht man eine größere Quantität Wasser kochend und wirft dann Mehl hinein, so ist dies erlaubt, weil es, ehe die Säuerung eintreten kann, schon in die Kochhitze übergeht. Indessen in Sinaar, in Spanien, und im ganzen Abendlande ist es angenommen, dies dennoch zu verbieten, weil der Fall eintreten könnte, daß das Wasser einmal doch nicht die gehörige Siedhitze hätte. 4) Es ist erlaubt, Korn oder Mehl in Säften zu kochen. Ebenso ist der, mit Säften eingeknetete Teig, wenn man ihn auch in Säften kocht, oder in Oel auf der Pfarrne schmoret, zu genießen erlaubt, weil Säfte keine Säuerung herbeiführen. 5) Man darf nicht das Mehl von, am Feuer gerösteten jungen Aehren in Wasser kochen, denn es könnte kommen, daß dieselben nicht gut geröstet waren, und so, das Mehl beim Kochen sauer würde. Wenn man neue Töpfe mit Mehl einreibt, so koche man in derselben blos Mehl von zerriebenem ungesäuerten Backwerk; geröstete Aehren aber darf man hierzu nicht verwenden, weil es sich treffen könnte, daß sie nicht gut geröstet wären, und das, von ihnen gewonnene Mehl, in Säuerung überginge. 6) Es ist nicht erlaubt am Pessaghfeste Gerste mit Wasser zu waschen, weil die Körner sich leicht auflockern, und zu säuern anfangen. Ist es aber geschehen, und sie ist so weich geworden, daß sie sich auf dem Rost, der zum Kuchenbacken bestimmt ist, spaltet, so ist der Genuß derselben verboten; ist aber die Gerste nicht bis zu diesem Grade erweicht, so ist deren Genuß erlaubt. 7) Waizen aber darf man, um ihn vom Schmutz zu reinigen, waschen, jedoch muß derselbe unmittelbar darauf gemahlen werden, wie dies bei seinem Wesen überhaupt üblich ist. Es ist aber in ganz Israel, in Sinaar, im gelobten Lande, in Spanien und in den Städten des Abendlandes Brauch, den Waizen nicht zu waschen, weil man ihn leicht zu lange stehen lassen, — und derselbe so in Säuerung übergehen könnte. 8) Findet man in einem gekochten Gerichte geborstene Gersten- und Waizenkörner, so ist dasselbe verboten, weil dann Gesäuertes beigemischt ist; sind aber diese Körner nicht zerborsten, so nehme man sie heraus und verbrenne sie, das Gericht aber kann man alsdann gmießen, weil ein eingeweichtes, aber nicht zerborstenes Korn, nach der Bestimmung der Thora nicht entschieden als etwas Gesäuertes gilt, sondern diese Ansicht nur von den Schriftgelehrten herrührt, weil geschrieben sieht: „Beobachtet die ungesäuerten Kuchen" (2 B. M. XII, 17) was soviel sagen will, als: Ihr sollt in Betreff der ungesäuerte Kuchen alle Vorsicht anwenden, und sie vor dem Sauerwerden in jeder Hinsicht in Acht nehmen. 9) Daher haben die Weise geboten, sorgfältig darüber zu wachen, daß auf das, zur Kost währed des Pessaghfestes bestimmte Getraide, nachdem es geschnitte, kein Wasser gegossen werde, damit dasselbe auf diese Weise vor dem Sauerwerden bewahrt bleibe. Getraide, welches in einen Fluß fiel, oder worauf Wasser gekommen, darf eben so wenig aufbewahrt, als genossen werden: vielmehr verkaufe man es entweder einem Israeliten, und theile ihm den Vorfall mit, damit er darauf bedacht sey, es vor dem Pessaghfeste zu verzehren, oder man verkaufe es an Nicht-Israeliten in kleinen Portionen, dergleichen man noch vor dem Pessaghfeste verzehren kann: weil im entgegengesetzten Falle zu besorgen wäre, daß der NichtJsraelit es wieder an einen Israeliten verkaufen mochte. 10) Getraide, worauf das Wasser einer Traufe fällt, kommt nicht zur Säuerung, so lange dasselbe tropfenweis darauf herabträufelt, selbst wenn dies den ganzen Tag dauern sollte. Fiel das Wasser der Traufe nicht mehr darauf hinab, — und das Getraide blieb darnach noch so lange Zeit liegen, als zum Sauerwerden erforderlich ist, so ist der Genuß desselben untersagt. 11) Es ist nicht erlaubt, am Pessaghfeste eine große Quantität Teig zuzurichten, weil da leicht die Säuerung eintreten könnte, vielmehr richte man auf einmal immer nur soviel zu, als zur Erfüllung der Chala-Pflicht erforderlich ist. Ferner darf man den Teig nicht mit heißem Wasser, auch nicht einmal mit, an der Sonne erwärmtem, oder am selbigen Tage geschöpften, sondern nur mit solchem Wasser einrühren, welches über Nacht gestanden. Rührte man aber den Teig mit heißem, an der Sonne erwärmten, oder an selbigem Tage geschöpftem Wasser ein, dann ist derselbe verboten. 12) Eine Frau darf weder im Sonnenscheine, noch auch unter freiem Himmel an einem trüben Tage, wo auch die Sonne nicht scheint, sitzen und kneten. Auch ist's ihr untersagt, den Teig stehen zu lassen, während sie sich mit andern Dingen beschäftigt. Auch ist's Vorschrift, daß sie beim Kneten und Backen zwei Gefäße mit Wasser vor sich habe, das eine, um daraus die Kuchen anzufeuchten, das andere, um darin die Hände zu kühlen; handelt sie dawider, und knetet im Sonnenschein, oder kühlet sie die Hände nicht ab, oder bereitet sie einen großem Teig, als zur Erfüllung der Chala-Pflicht erforderlich ist, so wird dadurch noch kein Verbot, in Betreff des so bereiteten Brodes, bedingt. Das, zur Erfüllung der Chala-Pflicht erforderliche Quantum, — beträgt drei und vierzig und ein Fünftel Eier, wobei aber nur das Volumen jedes Ei's, nicht dessen Gewicht, in Betracht kommt. 13) So lange die Beschäftigung mit dem Teige dauert, und sollte dies auch den ganzen Tag währen, wird derselbe nicht sauer. Nimmt man die Hand davon hinweg, und läßt den Teig so lange liegen, bis, wenn darauf mit der flachen Hand geschlagen wird, dieser Schlag hörbar ist, so ist der Teig bereits sauer, und muß sogleich verbrannt werden. Ist der Schlag auch nicht hörbar, der Teig hat aber so lange gelegen, daß ein Mensch während dieser Zeit eine Mil Weges hätte zurücklegen können, so ist er sauer, und muß verbrannt werden. Der gleiche Fall tritt ein, wenn die Oberfläche des Teiges bleich wird, wie das Angesicht eines Menschen, dem die Haare zu Berge stehen, wodann man davon nicht mehr essen darf; doch würde die Uebertretung dieses Verbots noch nicht die Ausrottung nach sich ziehen. 14) Ist von zwei Quantitäten Teig, an denen man zu arbeiten aufgehört, welche zu gleicher Zeit geknetet wurden, und welche beide zur Zeit nicht bearbeitet werden, bei der einen der Schlag hörbar, und bei der andern nicht: so müssen beide verbrannt werden, — denn man hat sie als vollkommen Gesäuertes anzusehen. 15) Man darf am Pessaghfeste nicht Kuchen, zu Figuren geformt, bereiten, weil die Frauen sich dabei lange aufhalten, und der Teig indessen sauer wird. Deshalb ist es aber Bäckern, welche in ihrem Handwerk geübt sind, und die Arbeit schnell verrichten, erlaubt, solche Kuchen zu bereiten. Haushaltungen aber, dürfen dergleichen, selbst nicht in Formen bereiten, weil dies dazu führen könnte, daß Manche dieselben auch ohne Formen bereiten, und sich dabei so lange aufhalten würden, bis die Kuchen sauer geworden sind. 16) Das Wasser, welches zum Reinigen der Hände und des Troges; in welchem man geknetet, dient, wie auch dasjenige, welches man während des Knetens brauchte, muß auf einen abschüssigen Boden gegossen werden, damit es sich nicht irgendwo ansammele — und sauer werde. 17) Man darf nicht Kleie einrühren, um sie den Hühnern vorzusetzen, weil sie sehr leicht sauer wird; wohl aber' darf man sie abbrühen, und dann vorsetzen. Indeß ist's allgemeiner Brauch, die Kleie auch nicht einmal zu brühen, weil der Fall eintreten könnte, daß das Wasser nicht ganz siedend wäre. 18) Es ist gestattet, Kleie oder Mehl für die Hühner einzukneten, und dieselben alsbald damit zu füttern, oder es ihnen vorzustellen und dabei zu stehen, damit der Teig nicht so lange liegen bleibe, als man Zeit braucht, um ein Mil Weges zurückzulegen. So lange die Hühner daran picken, oder so lange Derjenige, welcher den Teig hält, denselben mit der Hand öfters umwendet, wird derselbe nicht sauer. Sobald die Hühner zu fressen aufhören, spüle man das Gefäß mit Wasser aus, und schütte dieses Wasser auf einen abschüssigen Boden. 19) Frauen dürfen die Kleie, deren sie sich im Bade bedienen, nicht einweichen, und in der Hand dahin bringen, sondern können sich nur trocken damit einreiben. Ebensowenig darf man Waizen kauen, um ihn auf eine Wunde zu legen, weil derselbe in der Folge sauer werden könnte. Man darf kein Mehl in Charosseth thun. Ist es geschehen, so muß derselbe sogleich verschüttet werden, weil er schnell sauer wird. Ebenso wenig ist's gestattet, Mehl in den Senf zu mischen; ist dies dennoch geschehen, so muß die Mischung sogleich verzehrt werden. 29) Es ist erlaubt — in den Teig Gewürz, Sesam, Kümmel und dergleichen zu thun. Ebenso darf man mit Wasser und Oel, oder mit Honig und Milch, einen Teig einrühren, oder damit die Kuchen anfeuchten. Am ersten Tage darf man nur mit Wasser einkneten oder anfeuchten, nicht um der Besorgniß willen, daß es sauer werden könnte, sondern damit das, an diesem Tage Gebackene, Noth-Brod sey. Dagegen ist's aber nur am ersten Tage nöthig, auf diese Weise ein Zeichen der Erinnerung an das Noth-Brod, an den Tag zu legen. 21) Es ist erlaubt, in ein irdenes Gefäß, in dem man kaltes Gesäuertes aufbewahrte, kaltes Ungesäuertes zu thun; ausgenommen hiervon, ist indeß das Gefäß, worin man den Sauerteig, oder den Charosseth aufbewahrt, weil deren Säuerung schnell erfolgt. Der Trog, worin man Gesäuertes einknetet und sauer werden läßt, ist einem, für den Sauerteig bestimmten Gefäße gleichzuachten, und man darf sich desselben aus diesem Grunde am Pessaghfeste nicht bedienen. 22) Man darf auf einer thönernen Platte, auf welcher man das ganze Jahr hindurch gesäuerte Kuchen backt, am Pessaghfeste kein Ungesäuertes backen. Legt man reichlich Kohlen darauf, und glüht auf diese Weise die Stelle, wo man sonst das Gesäuerte zu bereiten pflegt, gehörig durch, so darf man darauf Ungesäuertes backen. 23) Eiserne und steinerne Gefäße, die man zum Sieden von Gesäuertem, als erste Gefäße, unmittelbar ans Feuer zu stellen pflegte, als: Kochtöpfe und Kessel, lege man in ein großes Gefäß mit Wasser, so, daß das Wasser über dieselben hinweggehe, lasse dieselben dort so lange sieden, bis sie das Eingesogene ausschwitzen, spüle sie darauf mit kaltem Wasser ab, wo man sich derselben alsdann zu Ungesäuertem bedienen kann. Ebenso siede man bei Messern, Klinge und Heft besonders in einem ersten Gefäße*) ab, worauf man sich derselben zu Ungesäuertem bedienen darf. 24.) Metallene, steinerne und silberne Gefäße, so wie *) Man versteht nämlich unter einem "ersten Gefäße", ein solches, welches unmittelbar am Feuer stand, wogegen dasjenige, in welches man den Inhalt des ersten ausleert "das zweite" genannt wird. solche, welche man zu Gesäuertem als zweite Gefäße gebraucht, z. B. Schalen und Becher, lege man in ein großes Gefäß, übergieße sie mit siedendem Wasser, und lasse sie in demselben liegen, bis sie ausschwitzen, spüle sie alsdann ab, und bediene sich derselben zu Ungesäuertem. 25) Irdene Gefäße, welche man zu Gesäuertem in heißem Zustande verwendete, mögen dieselbe nun als erste Gefäße, z. B. als Töpfe, oder als zweite Gefäße, z. B. als Schüsseln, gedient haben, dürfen nicht mehr zu Ungesäuertem verwendet werden, gleichviel ob sie mit Blei überzogen, also glasirt sind, oder auch nur aus schlechtem Thon bestehen; vielmehr stelle man sie bei Seite, und bediene sich ihrer erst nach dem Pessaghfeste wieder zum Kochen. 26) Wenn man beabsichtigt, ein erstes Gefäß abzusieden, jedoch zur Aufnahme desselben kein hinreichend großes Geschirr finden kann, so bilde man von außen um dasselbe eine Einfassung von Lehm, deren oberer Rand die Mündung des Gefäßes überrage, fülle diese Einfassung mit Wasser, so daß es über den Rand derselbe laufe, bringe es zum Sieden, was schon genügt, und spüle nachher die Gefäße aus, worauf man dieselben zu Ungesäuertem benutzen darf.

Sechstes Capitel.

1) Es ist eine Vorschrift der Thora, in der Nacht zum Fünfzehnten Ungesäuertes zu essen, denn es steht geschrieben: „Am Abende sollt ihr Ungesäuertes essen". (2 B. M. XII, 18); und dies gilt an allen Orten, und für alle Zeiten. Diese Vorschrift hat die Thora — nicht mit Bezugnahme auf das Pessaghopfer, gegeben, sondern, als eine besondere Satzung; dieselbe gilt für die ganze Nacht. Während der übrigen Fest-Tage aber, — ist der Genuß des Ungesäuertem Jedermanns Belieben anheimgestellt, und man esse Ungesäuertes — wann man Lust hat; im andern Falle aber auch Reis, Hirse, geröstete Aehren oder Obst. Die eigentliche Verpflichtung, findet also blos während der Nacht zum Fünfzehnten statt, und man genügt derselben, so bald man davon soviel gegessen, als das Quantum einer Olive ausmacht. 2) Wer Ungesäuertes verschlingt, hat seiner Pflicht Genüge gethan, was aber nicht der Fall ist bei Demjenigen, welcher die bittern Kräuter verschlingt. Wer aber Ungesäuertes, und bittere Kräuter zusammen verschlingt, hat der Verpflichtung in Betreff des Ungesäuerten Genüge geleistet, nicht aber der Verpflichtung zum Genuß von bittern Kräutern, weil diese neben dem Ungesäuerten nur als Nebensache gelten. Hat Jemand Beides mit einer Zwiebelhaut u. dgl. umwickelt und dann verschlungen, so hat er sich auch der Verpflichtung zum Genuß des Ungesäuerten nicht entledigt. 3) Hat Jemand Ungesäuertes gegessen, ohne der Verpflichtung zum Genusse desselben eingedenk zu seyn, z. B. gezwungen durch Heiden oder Räuber, so hat er dieser Verpflichtung dadurch dennoch Genüge gethan. Hat ein, mit der fallenden Sucht Behafteter, in unzurechnungsfähigem Zustande ein Quantum Ungesäuertes, so groß wie eine Olive, genossen, dann ist er verpflichtet, sobald ihm die Besinnung wiederkehrte, davon nochmals zu essen; denn das erste Mal geschah es ja in einem Zustande, wo er überhaupt von allen Verpflichtungen frei war. 4) Man genügt der Verpflichtung zum Genuß des Ungesäuerten nur, wenn man von einer der fünf Getraidearten ißt; denn es steht geschrieben: „Du darfst in dieser Zeit kein Gesäuertes essen; sieben Tage lang sollst du Ungesäuertes essen" (5 B. M. XVI, 3), — also nur Substanzen, welche sauer werden können, müssen an diesen sieben Tagen pflichtmäßig ungesäuert genossen werden. Durch den Genuß anderer Substanzen aber, als: Reis, Hirse und Erbsen, leistet man dieser Pflicht also nicht Genüge, weil dieselben auch überhaupt nicht sauer werden können. 5) Wenn Jemand einen Teig aus Waizen und Reis bereitet, so kann man, sobald das Getraide darin zu schmecken ist, durch ben Genuß desselben seiner Verpflichtung Genüge leisten. Ebenso ist dies mit dem, für die Hunde bestimmten Teige der Fall, wenn auch die Hirten davon essen. Genießen die Hirten aber nicht von diesem Teige, dann taugt er auch nicht — der Pflicht Genüge zu leisten, weil ein solcher Teig nicht eigends als Ungesäuertes behandelt wird. Mit Säften eingeknetetes Ungesäuertes, ist wohl zur Erfüllung der Pessaghpflicht geeignet. Dagegen darf man es nicht mit Wein, Oel, oder Milch einkneten, damit es als Noth-Brod gelten könne, wie bereits oben erwähnt worden ist. Knetet Jemand dennoch das Ungesäuerte mit diesen Flüssigkeiteil ein, so genügt er dadurch nicht seiner Verpflichtung. Eben so wenig kann dies durch den Genuß von Brod aus grober oder feiner Kleie geschehen; dagegen kann das mit feiner und grober Kleie geknetete, und zu Brod verbackene Mehl, zur Pflichterfüllung dienen. Auch ist sehr gesäubertes Mehl erlaubt und geeignet zur Erfüllung der Pessagh-Verpflichtung, ohne daß der Einwurf, als sey dies kein Noth-Brod, hierbei zu beachten wäre. 6) Mag nun das Ungesäuerte in einem Ofen oder in einem Kessel bereitet seyn, nämlich so, daß man entweder früher den Teig in den Kessel thut und denselben dann erhitzt, oder — den Kessel zuerst erhitzt, und dann den Teig hineinthut, — ja selbst wenn es auf bloßem Boden gebacken worden, ist es geeignet bei der Pflichterfüllung verwendet zu werden: was sogar dann noch der Fall ist, wenn es nicht, recht durchbacken worden wäre; nur darf es nicht so zäh seyn, daß sich, wenn es gebrochen wird, Teigfäden davon ziehen. Man kann seiner Pflicht auch mit einem eingeweichten Kuchen genügen, wenn derselbe nur nicht ganz zerstossen ist, nicht aber mittelst des gekochten Ungesäuerten, weil dies gar keinen Brodgeschmack mehr hat. 7) Es ist nicht gestattet, durch den Geruch von verbotenem Ungesäuerten, z. B. von Unverzehntetem, erstem Zehent, von dem die Priester-Hebe noch nicht abgenommen, oder geraubtem Brode, seiner Verpflichtung nachzukommen. Als Regel gilt hier, daß man mit allen Speisen, die ein Mahlzeit-Schlußgebet erfordern, seiner Pessagh-Pflicht genügen kann, nicht aber mittelst solcher Speisen, auf welche ein Tischgebet nicht folgt. 8) Priester entsprechen ihrer Verpflichtung, durch den Genuß von Chala (Teig-Hebe), und Theruma (Priester-Hebe), obschon dies keine Speise ist, die Jedermann essen darf. Ebenso erfüllt man in Jerusalem seine Pflicht durch den Genuß von Ungesäuertem vom zweiten Zehent; aber selbst in Jerusalem nicht durch den Genuß des Ungesäuerten von Erstlingen, denn Erstlinge dürfen nicht in allen Wohnorten genossen werden, wohingegen der zweite Zehent ausgelöst und überall genossen werden darf: es heißt aber „In allen euren Wohnsitzen sollt ihr Ungesäuertes essen" (2 B. M. XII,; 20) , woraus hervor geht, daß man nur mit solchem Ungesäuerten, das überall genossen werden kann, sich seiner Pflicht entledigen darf. 9) Mit Kuchen von einem Dankopfer und mit den Fladen eines Nasirs, wenn man dieselben auch zu eigenem Gebrauche verfertigte, kann man seiner Verpflichtung nicht Genüge leisten; denn es ist gesagt: „Ihr sollt Acht haben auf das Ungesäuerte" (2 B. XII, 17), woraus hervorgeht, daß man nur mit Ungesäuertem, das eigends als solches betrachtet worden, seiner Pflicht nachkommen kann, nicht aber mit solchem, das blos als Opferkuchen gegolten. Wurden die Kuchen und Fladen aber zum Verkaufe angefertigt, dann kann man mittelst derselben seiner Pflicht genügen, denn Derjenige, welcher dergleichen zum Verkaufe anfertigt, hegt zugleich gewiß die Absicht, falls sie unverkauft bleiben sollten, sie selbst zu benutzen; aus diesem Grunde werden dieselben aber schon bei der Anfertigung als eigends zu Ungesäuertem bestimmt, betrachtet, und folglich sorgfältig vor aller Säuerung in Acht genommen. 10) Jedermann, sogar Weiber und Knechte, sind verpflichtet, Ungesäuertes zu essen. Sobald ein Kind im Stande ist Brod zu essen, gewöhne man es an die Erfüllung der Gesetze, und lasse es ein Quantum Ungesäuertes, so groß als eine Olive, essen. Für einen Kranken, oder für einen alten Mann, der unfähig ist Etwas zu zerkauen, weiche man Plätzchen in Wasser, und gebe ihnen dieselbe zum Genuß, nur dürfen die Plätzchen noch nicht ganz aufgelöst seyn. 11) Die Satzung der Schriftgelehrten verbietet, nachdem Genusse des Ungesäuerten noch irgend Etwas zum Nachtisch zu genießen, selbst nicht geröstete Aehren, Nüsse und dergleichen, so, daß Derjenige, welcher Ungesäuertes genossen, und darauf noch andere Speisen, Früchte und dergleichen zu sich nimmt, am Ende seiner Mahlzeit von neuem Ungesäuertes, soviel als eine Olive betragt, essen, und alsdann abbrechen muß. 12) Die Weisen haben verboten, am Vorabende zum Pessagh-Fefte Ungesäuertes zu genießen, damit ausschließend der Abend selbst durch den Genuß desselben gefeiert werde; auch haben sie bestimmt, daß Derjenige, welcher dieses Verbot übertritt, die Geißelung des Ungehorsams zu ertragen habe. Ebenso darf man am Vorabende zum Pessagh-Feste mit der Vesperzeit Nichts mehr essen, damit man sich zum Genusse des Ungesäuerten mit der gehörigen Eßlust niedersetze; einstweilen ist es indeß gestattet, etwas Obst oder Grünes zu genießen, jedoch darf man sich damit nicht den Magen füllen. Die Weisen der Vorzeit pflegten, am Vorabende zum Pessagh-Feste, sich der Speisen zu enthalten, um das Ungesäuerte mit Eßlust zu genießen, und auf diese Weise das Gebot mit Eifer zu erfüllen. An den Vorabenden der Sabbate und anderer Feiertage hingegen, darf man unausgesetzt bis zum Dunkelwerden essen.

Siebentes Capitel.

1) Es ist ein Gebot der Thora, in der Nacht zum Fünfzehnten des Monats Nissan, von den Wundern und Großthaten zu erzählen, durch welche die Erlösung unserer Vorfahren aus Egypten bewirkt wurde; denn es steht geschrieben: „Seyd eingedenk des Tages, an welchem ihr aus Egypten zoget" (2 B. M. XIII, 3), ganz so wie es vom Sabbat heißt: „Sey eingedenk des Sabbats" (2 B. M. XX, 8). Woraus geht aber hervor, daß dies grade in der Nacht zum Fünfzehnten geschehen müsste? Eine andere Stelle der Thora berichtet ergänzend: „Du sollst deinem Sohne an jenem Tage verkünden und sagen": deswegen geschah' es" (2 B. M. Xlll, 9), also in der Zeit, wo bittere Kräuter und Ungesäuertes bereits vor dir liegen. Dies behält selbst dann seine Giltigkeit, wenn man keinen Sohn hat: ja sogar große Gelehrte müssen vom Ausgange aus Egypten erzählen, und je umständlicher Jemand die, auf dieses Ereigniß sich beziehenden, Begebenheiten erzählt, um so größeres Lob verdient er. 2) Es ist eine, durch das Gesetz gebotene Pflicht, den Kindern davon zu erzählen, auch wenn sie es nicht verlangen, denn es steht geschrieben: „Du sollst deinem Sohne verkünden" (2 B. M. XlII, 8). Der Vater passe seinen Vortrag des Fassungskraft des Sohnes an; wenn derselbe z. B. noch klein und unverständig ist, so sage er zu ihm: Mein Sohn, wir Alle waren einst gleich dieser Magd oder diesem Knechte in Egypten geknechtet: aber in dieser Nacht war es, wo der Heilige, gelobt sey Er, uns erlöste und der Freiheit zurückgab. Ist der Sohn größer und verständiger, so erzähle man ihm, was uns in Egypten begegnete, und welche Wunder für uns durch Moses, unsern Lehrer, verrichtet wurden; und auf diese Weise richte man sich überhaupt immer nach dem Verstande des Kindes. 3) Es ist nöthig, in dieser Nacht irgend etwas Ungewöhnliches vorzunehmen, damit die Kinder es sehen und fragen: Warum ist diese Nacht unterschieden von allen übrigen Nächten? Dies aber bietet Gelegenheit, ihnen zu antworten, und zu erzählen, dies oder jenes sey vorgefallen, dies und jenes habe sich zugetragen. Worin soll nun aber diese ungewöhnliche Handlung bestehen? Man vertheile unter sie geröstete Mandeln und Nüsse, man lasse den Tisch vor dem Essen hinwegnehmen, einer hasche dem Andern das Ungesäuerte aus den Händen u. s. w. Hat Jemand keinen Sohn so frage ihn seine Frau, hat er auch keine Frau, so frage ihn sein Tischgenosse: Warum ist diese Nacht u. s. w. Dies müßte selbst dann geschehen, wenn Alle zusammen Schriftgelehrte waren. Ist Jemand auch nur ganz allein, so frage er sich selbst: Warum ist diese Nacht unterschieden? 4) Der Erzählende hat dann mit dem Unlöblichen anzufangen, und mit dem Rühmenswerthen zu schließen. Er fange nämlich, damit an, zu erzählen, wie unsere Vorfahren zu den Zeiten Theragh's und noch früher, Gottesleugner waren, nach Eitlem jagten, und dem Götzendienst nachbuhlten, und schließe mit der Erzählung von der Annahme der wahren Religion, wie Gott uns an sich zog, aus der Zahl der im Irrthum Befangenen aussonderte, und uns zur Anerkennung seiner Einheit führte. Dann fange man damit an, zu erzählen, wie wir die Sklaven des Pharao in Egypten waren, und wie viel Böses er uns zugefügt, dann aber schließe man mit der Aufzählung der Wunder, und außerordentlichen Thaten, welche unsertwegen vollführt wurden, und endlich unsere Befreiung herbeiführten. Dies thue man, indem man die Stelle, welche anfängt: „Ein verlorner Aramäer war mein Ahnherr" (5 B. M. XXVI, 5) bis zu Ende des Abschnitts erläutert. Je weiter Jemand die Erläuterung dieses Abschnitts ausdehnt, desto größeres Lob gebührt ihm. 5) Wer in der Nacht zum Fünfzehnten nicht voll folgenden drei Dingen spricht, erfüllt nicht seine Pflicht; man soll nämlich sprechen: vom Pessagh-Lamm, vom Ungesäuerten und von den bittern Kräutern. — Das Pessagh-Lamm wird gegessen, weil Gott in Egypten über die Häuser unserer Vorfahren hinweggeschritten, denn es steht geschrieben: „So sprechet: ein Pessagh-Opfer ist es dem Ewigen" (2 B. M. XII, 27) u. s. w.; die bittern Kräuter werden gegessen, weil die Egypter unseren Vorfahren das Leben in jenem Lande verbitterten; das Ungesäuerte endlich, weil sie erlöst wurden. Alle diese Vorträge nennt man die Hagada (die Sage). 6) Die Israeliten aller Zeitalter müssen sich betrachten, als wenn sie selbst aus der Sklaverei in Egypten eben frei geworden wären, denn es steht geschrieben: „Und uns hat er hinweggeführt von dort, u. s. w." (5 B. M. V, 23). Darauf bezieht sich auch, was der Heilige, gelobt sey Er, in der Thora geboten: „Du sollst dich erinnern, daß du Sklave warst" (5 B. M. V, 15), — welche Worte folgenden Sinn Haben: so gut, als wenn du selbst Sklave wärest, und durch die Erlösung zur Freiheit gelangtest. 7) Deshalb soll man an diesem Abende beim Mahle wie ein freier Mann, nur an das Sopha gelehnt, essen und trinken. Auch muß ein Jeder, ganz gleich ob Mann oder Frau, in dieser Nacht vier Becher Wein leeren, nicht weniger. Selbst einem Armen, der von Almosen lebt, soll man nicht weniger als vier Becher Wein reichen. Das Maaß eines Bechers entspricht einem Quart. 8) Selbst der Aermste in Israel soll nicht essen, bevor er sich in seinem Lehnstuhl angelehnt. Eine Frau braucht sich nicht anzulehnen; gehört sie aber den höheren Ständen an, so ist dies nothwendig. Ein Sohn muß sich selbst in Gegenwart seines Vaters, und ein Bedienter selbst in Gegenwart seines Herrn anlehnen; wogegen sich ein Schüler in Gegenwart seines Lehrers nur dann anlehnen darf, wenn ihm dieser die Erlaubniß dazu ertheilt. Sich auf die rechte Seite anlehnen, ist nicht hinreichend, ebenso wenig, wer sich mit dem Nacken und mit dem Gesicht anlehnt. Wann eigentlich muß man sich anlehnen? Wenn man das erste Quantum Ungesäuertes, von der Größe einer Olive, ißt, und beim Trinken der vier Becher; ißt und trinkt Jemand angelehnt, die ganze Mahlzeit über, desto besser; thut er es nicht, dann hat dies auch Nichts auf sich. 9) Die vier Becher Wein müssen gemischt seyn, damit, das Trinken angenehm sey; die Mischung aber entspreche der Stärke des Weins, und dem Geschmacke des Trinkenden; doch darf jeder der vier Becher nicht weniger als ein Quart ungemischten Weins enthalten. Trinkt Jemand vier Becher ungemischten Weines, so hat er der Verpflichtung zum Genusse der vier Becher, Genüge geleistet, nicht aber der der Bezeigung des Freiheitsgefühls. Trinkt Jemand vier Becher gemischten Weines mit einem Male aus, fo hat er der Verpflichtung, seinen Freiheitssinn an den Tag zu legen, Genüge geleistet, nicht aber der Verpflichtung zum Genusse der vier Becher. Wenn Jemand den Inhalt der vier Becher nur zum große Theile leert, so erfüllt er dennoch seine Pflicht. 10) Ueber jeden der vier Becher spreche man einen besondern Segensspruch; beim ersten Becher den Weihe-Segen, des Tages; beim zweiten lese man die Hagada; beim drittem spreche man den Tisch-Segen; beim vierten beendige man das Halel-Gebet, und spreche den Segen des Liedes. Zwischen diesen Bechern darf man trinken, so oft man will; zwischen dem dritten und vierten aber nicht. 11) Den Charoseth-Brei haben die Schriftgelehrten, verordnet, welche damit den Zweck verbanden, an den Lehm zu erinnern, an welchem in Egypten gearbeitet wurde. Er wird folgendermaaßen bereitet: Man nehme Datteln, oder dürre Feigen, oder Rosinen und dergleichen, zerreibe sie, gieße Essig darauf, und thue Gewürze hinzu, gleichsam wie Stroh in den Lehm; dann gebe man diese Mischung in der Pessagh-Nacht auf den Tisch. 12) Der Genuß der bittern Krauter ist keine besondere Vorschrift der Thora, vielmehr hängt derselbe mit dem Genüsse des Pessagh-Lammes zusammen; denn es ist uns geboten, das Fleisch des Pessagh-Lammes zusammen mit Ungesäuertem, und bitteren Kräutern zu genießen. Die Schriftgelehrten hingegen haben angeordnet, daß man in dieser Nacht bittere Kräuter für sich allein genießen solle, wenn auch kein Pessagh Opfer vorhanden seyn sollte. 13) Unter den, in der Thora erwähnten, bitteren Kräutern sind zu verstehen: Lattich, Endivien, Andorn, Brachdistel und bitterer Koriander. Jede dieser fünf Kräuter-Arten wird bitteres Kraut genannt; ißt man so viel als eine Olive ausmacht von einem, oder von allen fünfen zusammen, so ist man seiner Verpflichtung nachgekommen; nur müssen sie frisch seyn. Wer deren Strunk genießt, erfüllt seine Pflicht, selbst wenn derselbe getrocknet ist. Sind sie aber abgebrüht, eingelegt oder gekocht, dann können sie nicht zur Pflichterfüllung dienen

Achtes Capitel.

1) Obige Vorschriften werden in folgender Ordnung vollzogen. Man fülle zuerst für Jeden einen Becher mit Wein, spreche darüber den Segen: „Der die Frucht des Weinstocks geschaffen hat", darauf die Weihe des Tages und den Zeitsegen, alsdann leere man ihn. Hierauf spreche man den Segen der Händewaschung, und wasche sich dabei die Hände, dann bringe man einen wohlbesetzten Tisch herbei, auf welchem bitteres und auch noch irgend ein anderes Kraut, Ungesäuertes, Charoseth, der Rumpf des Pessagh-Lammes und Fleisch vom Feiertags-Opfer des Vierzehnten, nicht fehlen dürfen. In unseren Tagen bringe man zwei Gattungen Fleisch, die eine zum Andenken an das Pessagh-Opfer, und die zweite zum Andenken an das Feiertags-Opfer auf den Tisch. 2) Man beginne nun mit dem Segen: „Der die Frucht der Erde geschaffen hat," nehme Kraut, tauche es in den Charoseth und verzehre davon soviel, als eine Olive groß; sowohl der Anordner, als auch die Tischgenossen müssen davon, jeder nicht weniger als das Quantum einer Olive ausmacht, verzehren; dann nehme man den Tisch nur vor Demjenigen hinweg, welcher die Hagada vortragt, und schenke den zweiten Becher ein, worauf der Sohn oder der Vorlesende fragt: „Warum ist dieser Abend von anderen Abenden verschieden? „An anderen Abenden tunken wir nicht ein Mal ein, diesen Abend aber zwei Mal, an anderen Abenden essen wir nach Belieben Gesäuertes und Ungesäuertes, an diesem aber nur Ungesäuertes; an anderen Abenden essen wir gebratenes, gargesottenes und gekochtes Fleisch, an diesem aber nur gebratenes; an anderen Abenden essen wir verschiedene Kräuter, an diesem nur bittere; an anderen Abenden speisen wir nach Belieben, entweder einfach sitzend oder angelehnt, an diesem Abend aber lehnen sich Alle, welche speisen, an. 3) In unseren Tagen sagt man nicht mehr: Diesen Abend nur Gebratenes; denn die Opfer sind nicht mehr gebräuchlich. Man fange dann mit der Erzählung des Unlöblichen an, und trage so die talmudische Erläuterung des Abschnittes: „Ein verlorener Aramäer war unser Ahnherr", bis zu Ende vor. 4) Man stelle wieder den Tisch vor den Vorleser, worauf dieser sagt: „Das Pessagh-Lamm, welches wir verspeisen, erinnert uns, daß Gott in Egypten über die Hauser unserer Vorfahren hinweggeschritten sey", wie geschrieben steht: „Und ihr sollt sagen: ein Ueberschreitungs-Opfer ist es dem Ewigen" (2 B. M. XII, 27). Darauf nehme der Vorleser das bittere Kraut zur Hand und sage: „Das bittere Kraut, welches wir essen, deutet darauf hin, daß die Egypter unseren Vorfahren das Leben in diesem Lande verbittert, denn es heißt: „Und sie verbitterten ihr Leben" (2 B. M. I, 14), Alsdann ergreife er das Ungesäuerte, und sage: „Das Ungesäuerte, welches wir genießen, erinnert uns daran, daß der Teig unserer Ahnen nicht Zeit hatte sauer zu werden, als ihnen der Heilige, gelobt sey Er, erschien, und sie auf der Stelle erlösete"; wie auch geschrieben steht: „Und sie bucken von dem Teige, den sie mit aus Egypten geführet" (2 B M. XII, 39). In unseren Tagen hingegen sage man: Das Pessagh-Lamm, welches unsere Vorfahren zu der Zeit, da noch der Tempel stand, gegessen haben, deutete daraufhin, daß der Heilige, gelobt sey Er, in Egypten über die Häuer unserer Vorfahren hinweggeschritten sey. 5) Dann füge man hinzu: „Deshalb sind wir verpflichtet zu danken, zu preisen, zu loben, zu verherrlichen, zu verehren, zu erheben, zu rühmen und Lob zu singen — Den, Der an unseren Vorfahren und an uns alle seine Wunder gethan, und uns aus der Knechtschaft zur Freiheit, aus der Trauer zur Freude, aus der Finsterniß zum Hellen Lichte geführet. Lasset uns ihm anstimmen das Halelujah; Halelujah! lobet ihn, Diener des Ewigen", bis zu der Stelle „den Kiesel in Quellen lebendigen Wassers;" alsdann schließe man mit den Worten: „Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns und unsere Ahnen aus Egypten erlöset hat, und uns diese Nacht erleben ließ, um in ihr Ungesäuertes und bittere Krauter zu essen". In unseren Tagen fügt man noch hinzu: „So möge denn der Ewige, unser Gott und Gott unserer Vater, uns auch andere Feste und Feiertage, welche noch bevorstehen, in Frieden erleben lassen, erfreut durch den Wiederaufbau Deiner Stadt und beglückt durch Deinen Dienst. Dort werden wir von den gewöhnlichen Opfern und den Pessagh-Opfern, deren Blut Dir zum Wohlgefallen an der Wand Deines Altars verspritzt wird, essen, und Dir dann ein neues Lied über unsre Befreiung und über die Erlösung unsrer Seele anstimmen. Gelobt seyst Du, Ewiger, der Israel erlöset." Dann spreche man den Segen: „Der die Frucht des Weinstocks geschaffen", und leere den zweiten Becher. 6) Hierauf spreche man den Segen der Händewaschung und wasche sich dabei zum zweiten Male die Hände, weil man wahrend des Lesens der Hagada der ersten Händewaschung schon ganz vergessen; man nehme zwei dünne Kuchen, breche den einen in zwei Hälften, lege die eine Hälfte auf den ganzen Kuchen und spreche darüber den Segen: „Der das Brod aus der Erde hervorgebracht." Warum aber spricht man hier nicht, wie an anderen Feiertagen, den Segen über zwei Brode? Weil dieses Brod als „Brod der Noth" bezeichnet ist; also wie der Arme ein halbes Brod zu essen pflegt, so genieße man auch an diesem Tage ein halbes Brod. Man umhülle dann das bittere Kraut mit Ungesäuertem, tauche es in den Charoseth-Brei und spreche: „Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, Der uns geheiliget durch seine Gesetze und uns anbefohlen hat, Ungesäuertes und bittere Kräuter zu essen," Hierauf genieße man es. Ißt Jemand Ungesäuertes, und bittere Kräuter, jedes für sich, so spreche er auch über jedes einen besonderen Segen. 7) Darnach spreche man den Segen: „Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, Der uns geheiligt hat durch seine Gesetze, und uns den Genuß des Opfers anbefohlen": und esse vom Fleische des Feiertag-Opfers, des Vierzehnten; alsdann spreche man den Segen; „Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch seine Gesetze geheiligt, und uns den Genuß des Pessagh-Lammes befohlen." Darauf esse man vom Rumpfe, des Pessagh-Lammes. Der Segen über das Pessagh-Lamm hebt nicht die Verpflichtung zum Segensspruch über das Opfer auf, und so umgekehrt. 8) In unseren Tagen, wo es keine Opfer mehr giebt, verfahre man auf folgende Weise: nachdem,man den Segen: „Der das Brod hervorgebracht" gesprochen, spreche man den zweiten Segen: „Der den Genuß des Ungesäuerten anbefohlen", tunke das Ungesäuerte in den Charoseth und verzehre es; dann spreche man den Segen: „Der den Genuß der bittern Kräuter anbefohlen", tunke das bittere Kraut in den Charoseth und verzehre es; nur halte man es nicht lange in den Charoseth, weil dadurch dem Kraute der bittere Geschmack benommen würde; dies ist eine Satzung der Schriftgelehrten. Dann umhülle man das bittere Kraut mit Ungesäuertem, tauche es in den Charoseth, und verzehre es ohne besonderen Segensspruch, zum Andenken an die Zeit des Tempeldienstes. 9) Hierauf lasse man sichs beim Mahle wohl seyn, und esse und trinke, was man will. Als letztes Gericht esse man, und wenn es auch nur soviel wäre, als eine Olive ausmacht, vom Fleische des Pessagh-Lammes, nehme aber nachher auch, nicht das Mindeste von anderen Speisen, zu sich. In unseren Zeiten esse man soviel, als eine Olive ausmacht, vom Ungesäuerten, nehme aber alsdann auch nicht das Mindeste, von anderen Speisen zu sich. Dies geschieht aber deshalb, damit man beim Schluß der Mahlzeit den Geschmack des Pessagh-Fleisches, oder des Ungesäuerten, im Munde behalte, weil der Genuß derselben geboten ist. 10) Darauf wasche man sich abermals die Hände, spreche beim dritten Becher den Mahlzeit-Schlußsegen und trinke ihn aus. Dann schenke man den vierten Becher ein, beendige dabei das Halel, spreche den Segen des Liedes, nämlich: „Es mögen Dich, Ewiger, alle Deine Werke preisen u. s. w." und dann den Segen: „Der die Frucht des Weinstocks geschaffen". Nachdem dies Alles geschehen, darf man die ganze Nacht hindurch, außer Wasser, nichts weiter genießen. Dann ists noch recht, einen fünften Becher einzugießen, und dabei den großen Halel, nämlich von der Stellen „Danket dem Ewigen, denn Er ist gut", bis zu der Stellen „An den Bächen Babels", zu recitiren. Jedoch ist der Genuß dieses Bechers nicht eine Pflicht, wie dies bei den vorhergehenden vieren der Fall ist. Man kann den Halel beendigen, wo man will, selbst wenn dies nicht an demselben Orte geschieht, wo man das Mahl gehalten hat. 11) An solchen Orten, wo es üblich ist, am Abend des Pessagh-Festes Gebratenes zu essen, da thue man es; wo dies nicht üblich ist, muß es auch unterbleiben, denn man könnte glauben, es sey Fleisch vom Pessagh-Opfer. Ein ganzes, gebratenes Lamm, darf an diesem Abend nirgends verspeist werden, weil dies das Ansehen haben könnte, als esse man Heiliges, außerhalb Jerusalem. Ist das Lamm aber zerlegt, oder fehlt daran ein Glied, oder ist ein Glied davon abgekocht, obgleich es noch mit dem übrigen Körper zusammenhängt, so darf man das Lamm an den Orten, wo es einmal üblich ist, verzehren. 12) Wer in der Pessagh-Nacht keinen Wein hat, spreche den Weihesegen beim Brode, wie das in solchen Fällen auch am Sabbat üblich ist. Im Uebrigen, befolge man die vorgeschriebene Ordnung. Hat Jemand kein anderes Kraut als das bittere, so spreche er bei Beginn der Mahlzeit über das bittere Kraut folgende zwei Segenssprüche: „Der Du die Frucht der Erde geschaffen" und „Der uns den Genuß der bitteren Krauter anbefohlen", worauf man davon genieß: Beim Schlusse der Hagada spreche man den Segen über das Ungesäuerte, esse davon, und dann abermals vom bitteren Kraute, jedoch ohne vorhergegangenen Segensspruch. 13) Wer vom eigends dazu sorgfältig vorbereiteten Ungesäuerten blos ein Quantum, von der Größe einer Olive, besitzt, der spreche, nachdem er den Genuß des, nicht so sorgfältig vor bereiteten Ungesäuerten beendet, den Segensspruch: „Der den Genuß des Ungesäuerten anbefohlen", nehme darauf das Quantum, von der Größe einer Olive, zu sich, und genieße nachher aber nicht das Geringste mehr. 14) Wer beim Essen eingeschlafen ist, darf, wenn er erwacht, nicht wieder zu essen anfangen. Ist ein Theil einer Gesellschaft beim Essen eingeschlafen, so ist es ihnen gestattet, nach ihrem Erwachen, das Mahl wieder zu beginnen; sind alte fest eingeschlafen, und erwachen aldann, so dürfen sie nicht mehr essen; waren sie aber nur eingeschlummert, so ist es ihnen gestattet. Text der Hagada, wie sie in Israel zu den Zeiten des Exils gebräuchlich ist. Beim zweiten Becher beginnt man mit den Worten: „In Eile gingen wir aus Egypten. Dieses ist das armselige Brod, welches unsere Väter im Lande Egypten genossen haben! — Wen es hungert, der komme, und esse mit uns. Wer dessen bedarf, der komme und feiere das Pessagh-Fest mit uns. Dieses Jahr hier, künftiges Jahr im Lande Israels! Und unsere Brüder, die an vielen Orten noch Knechte sind, mögen künftiges Jahr, frei dieses Fest feiern". Warum ist dieser Abend verschieden von allen anderen Abenden? An anderen Abenden brauchen wir nicht ein einziges Mal einzutunken; an diesem aber, zwei Mal. An anderen Abenden genießen wir, nach Belieben, Gesäuertes wie Ungesäuertes; an diesem aber, ausschließlich nur Ungesäuertes. An anderen Abenden genießen wir allerlei Kräuter, an diesem nur bitteres Kraut. An anderen Abenden speisen wir sitzend oder angelehnt; an diesem aber, allesammt angelehnt. Antwort: Knechte waren wir dem Pharao in Egypten; aber der Ewige, unser Gott, führte uns aus diesem Lande hinweg, mit kräftiger Hand, und mit ausgestrecktem Arme. Und hätte der Hochheilige, gelobt sey Er, unsere Väter nicht aus Egypten geführt, siehe, wir, unsere Kinder und Kindeskinder, wären dienstbar geblieben dem Pharao in Egypten. Deshalb haben wir, auch wenn wir alle Weise, Hochverständige, Greise und Kenner des Gesetzes wären, dennoch die Verpflichtung, den Auszug aus Egypten zu erzählen, denn je mehr sich Jemand befleißigt, viel vom Ausgange aus Egypten zu erzählen, desto lobenswerther ist er. Es trug sich dereinst zu, daß Rabbi Elieser, Rabbi Josua, Rabbi Eleasar, Sohn Asaria's, Rabbi Akiba und Rabbi Zarphon zu Tische in Bne-Berak saßen, und die ganze Nacht hindurch vom Auszuge aus Egypten erzählten, bis ihre Schüler kamen und zu ihnen sprachen: Lehrer! die Zeit zum Lesen des „Höre Israel" für den Morgen ist herangekommen. — Da sprach Eleasar, Sohn Asaria's, zu ihnen: Ich bin fast siebenzig Jahre alt geworden, und es ist mir nicht gelungen, den Beweis dafür zu liefern, daß man bei Nacht den Auszug aus Egypten erzählen müsse, bis Ben Soma Folgendes ermittelte: Es heißt nämlich: „Auf daß du des Tages deines Ausgangs aus Egypten all' die Tage deines Lebens gedenkest" (2 B. M. XVI, 3). Unter den Worten „Die Tage deines Lebens" würde man nur blos die Tage zu verstehen haben, wohingegen die Bezeichnung „All' die Tage deines Lebens" auch die Nächte mit umfaßt. Die Gelehrten aber behaupten, daß die Worte „Die Tage deines Lebens" auf die gegenwärtige Welt, dagegen „All' die Tage deines Lebens" auf die Zeit des Messias hinweisen. Gelobt sey der Allgegenwärtige, der Israel die Thora gegeben, gelobt sey Er! Viererlei Kindern gegenüber hat die Thora gesprochen: dem Weisen, dem Frevler, dem Einfältigen und dem, der nicht zu fragen versteht. Der Weise frägt: Welche Bedeutung haben die Zeugnisse, die Gesetze und die Rechte, welche der Ewige, unser Gott „uns" ertheilt hat? Darauf antworte ihm, den Gebräuchen des Pessagh-Festes gemäß: „Man beschließt nicht die Mahlzeit des Pessagh-Opfers mit einem Nachtische." Der Frevle spricht: Was bedeutet euch diese Handlung? Als bezöge sie sich nur auf euch und nicht auf ihn. Da er sich also von der Gesammtheit ausschließt, so leugnet er gleichsam die Grundsätze der Lehre. Stumpfe deshalb seine Zähne ab und sage ihm: „Das hier, was der Ewige mir gethan, als ich aus Egypten zog", also mir aber nicht ihm, so daß er, wenn er dabei gewesen wäre, dennoch der Erlösung nicht theilhaftiggeworden seyn würde. Wenn der Einfältige spricht: was bedeutet dieses? So sage ihm: „Mit starker Hand hat der Ewige uns aus Egypten, aus dem Hause der Sklaverei, geführt". Den, der nicht zu fragen weiß, mußt du selbst aufmerksam machen, wie geschrieben steht: „Du sollst deinem Sohne verkünden, daß es deshalb geschehe, weil Gott mir so gethan, als ich aus Egypten wanderte". Die Worte „du sollst verkünden deinem Sohne" könnte man so verstehen, als wenn dies vom Anfang des Monats Nissan an geschehen sollte, darum sagt die Schrift: „An jenem Tage." Die Worte „an jenem Tage" aber könnte man so auslegen, als wenn dies schon bei Tage geschehen müßte, wogegen nun die Worte „deshalb geschehe es" streiten, denn dieselben können nur auf eine Zeit sich beziehen, wo Ungesäuertes und bittere Kräuter genossen werden. Vor Zeiten fröhnten unsere Ahnen dem Sternendienst, jetzt aber hat uns der Allgegenwärtige Seinem Dienste zugeführt, wie auch geschrieben steht: „Josua sprach zum ganzen Volke: „Also hat der Ewige, der Gott Israels, gesprochen: Jenseits des Stromes wohnten eure Vorfahren von jeher; bis aus Theragh, bem Vater Abrahams und Nahors, dienten sie fremden Göttern. Und Ich nahm euren Ahn, den Abraham, von jenseits des Stromes, führte ihn durch das ganze Land Canaan, vermehrte seinen Saamen, schenkte ihm den Jsaac, dem Jsaac gab ich den Jacob, und den Esau; dem Esau schenkte ich das Gebirge Seir, daß er es besitze: Jacob und seine Söhne wanderten dagegen nach Egypten" (Josua XXIV,. 2 — 4). Gelobt sey, der eine solche Verheißung an Israel, seinem Volke, erfüllet, gelobt sey Er! Denn der Hochheilige, gelobt sey Er, hat das Ziel sich ersehen, wo er das in Erfüllung gehen lassen wird, was er unsrem Ahn, Abraham, zwischen den zerlegten Stücken des Opferthieres verheißen. Es steht nämlich geschrieben: „Und er sprach zu Abraham: wisse fürwahr, daß deine Nachkommen als Fremdlinge leben werden in einem Lande, das nicht ihnen gehört; man wird sie knechten und bedrücken vierhundert Jahre lang. Aber auch das Volk, welchem sie dienen, will ich richten und sie sollen alsdann auswandern mit großem Besitzthum" (1 B. M. XV, 13, 14). Diese Verheißung ist es, welche unseren Vorfahren und uns immer beigestanden; denn nicht etwa Einer nur stand wider uns auf, uns zu vernichten; zu allen Zeiten stand man wider uns auf, uns aufzureiben; aber der Hochheilige, gelobt sey Er, befreite uns aus ihren Händen. Gehet hin und leset, was Laban, der Aramaer, mit unserem Ahn Jacob vorhatte. Pharao hatte nur allein Männlichen den Tod bereitet, Laban aber strebte, Alles auszurotten, wie auch geschrieben steht: „Ein verlorener Aramäer war unser Ahnherr" (5 B. M. XXVI, 5). "Da wanderte er nach Egypten hinab und verweilte daselbst" Daraus geht nun aber hervor, daß er nicht nach Egypten wanderte, um daselbst sich niederzulassen, sondern blos um dort zu verweilen; wie denn auch geschrieben steht: (1 B. M. XLVII, 4.) „Und sie sagten zu Pharao: wir kommen, im Lande zu weilen, weil daheim keine Weide vorhanden ist für die Schafe deiner Knechte, weil schwere Hungersnoth im Lande Canaan ist. O so laß denn deine Knechte im Lande Gosen wohnen". „Mit wenigen Leuten", wie auch geschrieben steht: „Siebenzig Seelen stark wanderten deine Ahnen nach Egypten hinab, jetzt aber hat dich der Ewige, dein Gott, an Menge den Sternen des Himmels gleich werden lassen" (5 B. M. X, 22). „Und wurde daselbst zu einem großen Volke", daraus geht hervor, daß Israel daselbst als ein großes Volk angesehen war. „Mächtig", denn es steht geschrieben: „Und die Kinder Israel waren fruchtbar, vervielfältigten und mehrten sich, wurden über alle Maaßen mächtig, und das Land war ihrer voll" (2 B. M. I, 7). „Und zahlreich", wie es heißt: „Zu Myriaden wie Gewächse des Feldes, habe ich dich gemacht, du mehrtest dich und wurdest groß, du gingest einher in dem schönsten Geschmeide, die Brust gewölbt und mit wallendem Haar, doch warst du noch nackt und bloß" (Hesek. XVI, 7). „Die Egypter handelten schlecht an uns", wie auch geschrieben steht: „Wohlan, lasset uns das Volk überlisten, damit es sich nicht vermehre und sich, wenn Krieg kommen sollte, nicht zu unseren Feinden schlage, gegen uns in den Kampf ziehe, und aus dem Lande gehe" (2 B M I, 10). "Und sie quälten uns", wie es heißt: „Sie setzten über dieselben Frohnvögte, um sie durch Lastdienste zu quälen sie bauten große Provisionstädte für Pharao, nämlich Pithom und Raamses" (2 B. M. I, 11). „Und sie legten uns auf harte Arbeit", wie geschrieben sieht: "Und die Egypter hielten die Kinder Israels zur Arbeit an mit Härte" (2 B. M. I, 13). „.Und wir riefen an den Ewigen, den Gott unserer Ahnen", wie es auch an einer Stelle der Thora heißt: "Es war geraume Zeit später, als der König von Egypten starb, und die Kinder Israel über ihren schweren Dienst seufzten und flehten — und ihr Flehen stieg von der Arbeit zu Gott empor" (2 B. M. II, 23). „Und der Ewige erhörte unser Flehen", wie auch geschrieben steht: „Und Gott hörte ihr Geschrei, da dachte Er seines Bundes mit Abraham, Jsaac und Jacob" (2 B M. II, 24). „Er sah unser Elend", dies deutet auf die Beschränkung des ehelichen Lebens, wie auch geschrieben steht „Gott sah die Kinder Israel und er nahm es wahr" (2 B M. II, 25). „Und unsere Mühseligkeit", dies deutet auf die Kinder, wie es auch in der Thora heißt: "Jeden Sohn, der geboren wird, sollt ihr in den Strom werfen, aber jede Tochter sollt ihr leben lassen" (2 B. M. I, 22). „Und unser Drangsal", dies deutet auf den Frohnzwang, wie auch geschrieben steht: „Auch habe ich die Bedrückungen gesehen, welche die Egypter gegen sie ausübten" (2 B. M. III, 9). „Und der Ewige führte uns aus Egypten", nicht durch einen Engel, einen Seraph oder einen Gesandten, sondern der Hochheilige, gelobt sey Er, selbst in seiner Verherrlichung, wie es auch heißt: „Ich werde durchziehen das Land Egypten in dieser Nacht und ich werde erschlagen alle Erstgeborenen im Lande Egypten, vom Menschen bis zum Vieh, und über alle Götter Egyptens werde ich Strafgerichte ergehen lassen, Ich der Ewige" (2 B. M. XII, 12). „Mit kräftiger Hand", dieses deutet auf die Pestplage, wie geschrieben steht: „Siehe, die Hand des Ewigen fährt auf das Vieh auf dem Felde, auf Pferde, Esel, Kameele, Rinder und Schaafe, eine drückende Seuche, herab" (2 B. M. IX, 3). „Mit ausgestrecktem Arme", dies deutet auf das Schwert, wie es heißt: „Und sein Schwert war gezückt in seiner Hand, ausgestreckt über Jerusalem" (1 Chron. XXI, 16). „Mit furchtbaren Erscheinungen", dies deutet auf die Offenbarung der Gottheit, wie geschrieben steht: „Oder hat es je eine Gottheit versucht, hinzugehen, sich ein Volk, das sich in der Mitte eines andern befand, herauszusuchen durch Prüfungen, Wahrzeichen und Wunder, sowie durch Krieg, mit kräftiger Hand, mit ausgestrecktem Arme, auf so Erstaunen erregende Weise, wie dies der Ewige, euer Gott, an euch in Egypten vollführt vor euren Augen" (5 B. M. IV. 34). „Mit Wahrzeichen", dies deutet auf den Wunderstab, wie auch geschrieben steht: „Und diesen Stab nimm in deine Hand, und verrichte damit deine Wunder" (2 B. M IV, 17). „Und mit Wundern", dies deutet auf die Plage der Verwandlung in Blut, wo es heißt: „Und Wunder will ich zeigen am Himmel und auf der Erde: Blut, Feuer und Rauchsäulen" (Joel III, 3). Eine andere Auslegung: „Mit kräftiger Hand" deutet auf zwei Plagen; „mit ausgestrecktem Arm" deutet ebenfalls auf zwei; „mit furchtbaren Erscheinungen" deutet auf zwei: „mit Wahrzeichen" deutet auf zwei; „mit Wundern" deutet auf zwei. Das sind nun die zehn Plagen, welche der Hochheilige, gelobt sey Er, über die Egypter im Egyptenland verhängte, nämlich: Blut, Frösche, Ungeziefer, kriechendes Gethier, Seuchen, Aussatz, Hagelschlag, Heuschrecken, Finsterniß, Hinsterben aller Erstgeburt. Rabbi Jehuda stellte für dieselben Gedächtnißzeichen auf.


Rabban Gamliel sagt: Wer folgende drei Worte am Pessagh-Feste nicht ausspricht, der hat seinen Verpflichtungen nicht Genüge gethan, nämlich: das Pessagh-Lamm, das Ungesäuerte und die bitteren Kräuter. Warum genossen unsere Ahnen, zur Zeit, als noch der Tempel stand, das Pessagh-Lamm? Weil der Allgegenwärtige schonend an den Häusern unserer Ahnen in Egypten vorüberging, wie auch geschrieben steht: „Ein Vorüberschreitungsopfer sey es dem Ewigen, weil er schonend an den Häusern der Kinder Israels vorübergegangen, und unsere Häuser errettet, während er Egypten geschlagen. Da verneigte sich das Volk und bückte sich in Demuth" (2 B.M. XII, 27).


Warum essen wir Ungesäuertes? Weil nicht Zeit genug übrig war, daß der Teig unserer Vorfahren sauer werden könnte, als ihnen der König aller Könige, der Hochheilige, gelobt sey Er, erschien und sie erlösete, wie auch geschrieben steht: „Und sie buken aus dem Teige, den sie aus Egypten mitbrachten, ungesäuerte Kuchen, weil derselbe noch nicht hatte gesäuert werden können; denn sie wurden aus Egypten getrieben, so, daß ihnen keine Zeit übrig blieb; sogar Reisekost hatten sie sich nicht bereitet" (2 B. M. XII, 39). Woran soll uns der Genuß der bitteren Kräuter erinnern? Daran, daß die Egypter unseren Ahnen das leben in diesem Lande verbitterten, wie auch geschrieben steht: „Und sie verbitterten ihnen das Leben durch harte Arbeit in Lehm, durch Ziegelbrennen und allerlei Arbeit auf dem Felde; alle Dienstlasten, zu welchen sie angetrieben wurden, waren sehr schwer" (2 B. M. I, 14). Die Menschen aller Zeiten müssen sich betrachten, als wären sie selbst aus Egypten gegangen. Denn nicht unsere Ahnen allein, sondern auch wir selbst sind erlöset worden, wie geschrieben steht: „Und uns hat er weggeführet von dannen, um uns dorthin zu bringen und uns das Land zu schenken, das er unseren Ahnen zugeschworen" (5 B. M. VI, 23). Daher sind wir schuldig zu danken, zu preisen, zu loben, zu verherrlichen, zu erheben, zu rühmen, zu ehren und Lob zu singen Dem, der für uns, und für unsere Ahnen, alle diese Wunder gethan, und uns aus der Knechtschaft zur Freiheit, aus der Unterthänigkeit zur Erlösung, aus dem Jammer zur Freude, aus der Trauer zur Festlichkeit und aus der Finsterniß zum hellen Lichte geführt hat. So laßt uns denn ihm singen: Halelujah! „Halelujah, lobet Ihn, ihr Diener des Ewigen, lobet den Namen des Ewigen. Der Name des Ewigen sey gesegnet, u. s. w." — Bis zu der Stelle: „Und den Kiesel zum Quell lebendigen Wassers". Gelobet seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns mit unseren Ahnen aus Egypten erlöset, und uns diese Nacht erleben ließ, in welcher Ungesäuertes und bitteres Kraut genossen wird. So möge der Ewige, unser Gott, und Gott unserer Vater, uns auch die anderen Feste und Feiertage, welche uns bevorstehen, erleben lassen in Wohlseyn, in Freude über den Wiederaufbau Deiner Stadt, und in Frohlocken über Deinen Tempeldienst. Dort werden Wir genießen von den Opfermahlen und den Pessagh-Lämmern, deren Blut, Dir zum Wohlgefallen, an die Wand Deines Altars spritzen wird. Dort wollen wir Dir mit einem neuen Liede für unsere Befreiung und für die Errettung unserer Seele danken Gelobst seyst Du, Ewiger, der Israel erlöset. Ganz in derselben Ordnung, wie in der Nacht zum ersten Tage des Pessagh-Festes, trage man die Segenssprüche und die Hagada in der Nacht zum zweiten, außerhalb Palästina üblichen, Feiertage vor. Ebenso ist man in der zweiten Nacht zu den vier Bechern, und zur Beobachtung der anderen Herkömmlichkeiten, wie in der ersten Nacht, verpflichtet.