Akiba ben Josef - Rabbi Akiba
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Akiba Rabbi, auch: Akiba Sohn Josephs. Hervorragende Persönlichkeit der jüdischen Religions- und Volksgeschichte im 1. Jahrh. n., bedeutender Gesetzes-und Volkslehrer, welcher der geistigen Tätigkeit seines Volkes durch Eröffnung neuer Lehrweisen einen früher kaum geahnten Aufschwung verliehen und neue Schöpfungen auf ihrem Gebiete hervorgerufen hat.
I. Abkunft, Stand, Bildung, Familie, Eigenschaften, Schule und Schüler, pädagogische Grundsätze. Die Anfänge seiner Lebensgeschichte sind dunkel, eine spätere Zeit hat darüber verschiedene Nachrichten. Man erzählt, Akiba war heidnischer Abkunft, trat als Hirte in Dienst des reichen Jerusalemiters Calba Schebua, und hatte das Glück, sich der Liebe der Tochter seines Herren, der Rahel, zu erfreuen. Sie versprach ihm unter der Bedingung ihre Hand, wenn er den Hirtenstab mit dem Gelehrtenstand vertausche und gleich andern berühmten Männern ein Gesetzes- und Volkslehrer werde. Es war dies kein geringes Opfer, da er bis dahin, nach eigener Aussage, als entschiedener Feind der Gelehrtenklasse lebte. In einem Alter von 40 Jahren, ungefähr 15 Jahre vor der Zerstörung des Tempels, suchte er einen Lehrer auf und widmete sich mit einem Feuereifer dem Studium des Gesetzes. Die berühmten Schulen damaliger Zeit in Palästina waren die des Elieser ben Hyrkanos und die des Nahum aus Gimso. Erstere vertrat das rein traditionelle System und lehrte die Halacha, ohne sie jedes Mal auf die Bibel zurückzuführen; dagegen gehörte die andere derjenigen an, die für die Tradition Begründungen in der Schrift suchte und nach einem Ausgleich des mündlichen Gesetzes mit dem schriftlichen strebte. Beide besuchte er, erstere gegen 13 J. und lernte von der einen die Halacha an sich und von der andern die Zurückführung derselben auf die Bibel, Richtungen, die entschieden auf seine tiefe Innerlichkeit wirkten und den Grund zu seiner späteren Tätigkeit legten. Neben diesen verfehlte er nicht, auch die andern berühmten Lehrer zu hören: den Nehunja ben Kanah, den R. Gamliel, den R. Tarphon u. a. m. Zu Kollegen hatte er die ausgezeichneten Männer R. Elieser ben Asaria, R. Jehuda ben Baba, R. Jesebab, R. Jochanan ben Nuri, R. Jose Haglili, R. Ismael, R. Simon ben Nanes u.a.m. Sein Geist entwickelte sich nur langsam, aber desto intensiver und reichhaltiger. So sehen wir ihn nach mehreren Jahren als einen berühmten Gesetzes- und Volkslehrer tätig. Eines Tages verstand er seinen Lehrer R. Elieser bei einem Halachastreit so sehr in die Enge zu treiben, dass R. Josua letzterem zurief: »Siehe, dass ist das Volk, das du verachtest!« Ein anderes Mal, als er wegen Verspätung nicht mehr in das Lehrhaus treten konnte und draußen blieb, wurde er im Laufe verschiedener Halachadiskussionen vermisst. Da bemerkten einige ihn und riefen: »Die Halacha ist draußen! Die Thora ist draußen!« Akiba wurde hereingeholt und erhielt den Ehrenplatz vor R. Elieser. Gegen den Willen ihres Vaters vermählte sie sich nun mit ihm und zeigte sich stark genug, die Folgen ihrer Tat, die Verstoßung aus dem Elternhause und die drückende Armut im Eheleben zu ertragen. Beide lebten in tiefer Dürftigkeit, aber friedlich und ergeben. Kaum hatten sie ein Bund Stroh zu ihrem Lager, aber auch dieses zuletzt nur halb, da sie eine Hälfte einer armen Wöchnerin schenkten. Die Not stieg so hoch, dass diese edle Frau ihre eigenen Haarflechten zur Fristung des Lebens verkaufte. Oft beruhigte Akiba sie: »Wenn ich reich werde, kaufe ich dir ein goldenes Jerusalem.« In späteren Jahren erhielt sie den schönen Schmuck, auf den die Frau des Patriarchen R. Gamliel neidisch war und die von ihrem Manne darüber eine Zurechtweisung erhielt. Nach einer anderen Erzählung erlaubte sie ihm abermals seine Studien in den Gelehrtenschulen zu verlängern, von wo er sie erst nach 12 Jahren wieder aufsuchte. Ein zahlreicher Schülerkreis umgab ihn, gegen 300 Mann. Er hatte die Freude, endlich auch von dem Vater seiner Frau, dem reichen Calba Schebua, als Schwiegersohn anerkannt und reich beschenkt zu werden. Rührend ist seine Erkenntlichkeit gegen seine Frau, die ihm so viele Opfer gebracht hatte. Bei seiner Rückkehr aus den Lehrschulen, als sie sich ungeduldig vorgedrängt hatte und von seinen Schülern wegen ihrer ärmlichen Kleidung nicht erkannt und zurückgestoßen wurde, rief er diesen zu: »Machet Platz, denn alles, was ich und ihr seid, verdanken wir ihr! « So war noch später sein Spruch: »Wer ist reich, der eine Frau besitzt, die schöne Tugenden hat.« Von seiner Familie kennt man einen Sohn R. Simon, der ihm gestorben war, eine Tochter, die er verheiratet hatte, und einen Sohn R. Josua, wohl R. Josua ben Korcha. Akiba war groß an Gestalt und von vorzüglichen Eigenschaften eines Volkslehrers: sanftmütig, versöhnlich gegen Unbillen. Stets wollte er nur der Letzte sein, und als ihm einst R. Elieser entrüstet zurief: »Nicht einmal zum Rinderhirt taugst du!«, antwortete er: »Auch nicht zum Schafhirt!« Ihn selbst hörte man oft ausrufen: »Wie viele Akibas auf der Straße! « R. Jochanan ben Nuri erzählt: »Mehrere Mal erhielt Akiba von mir vor R. Gamliel die Geißelstrafe, aber desto größer war seine Liebe gegen mich! « Seine Schule war in Bne Berak, südöstlich von Joppe, und zu seinen Schülern zählte man die später berühmten Gesetzeslehrer R. Mair, Juda ben Itai, Jose ben Halephta, Simon ben Jochai, R. Elasar ben Schemua, R. Elieser Sohn Jakob, R. Jochanan Hassandlar u. a. m. Über seine Studien und seine Lehrweise lauten die Berichte: Akiba war ein wohlverwahrter Schatz. Er glich einem Arbeiter, der seinen Kasten nimmt und aufs Feld geht. Findet er Weizen, er legt ihn hinein; findet er Gerste, er legt sie hinein; Dinkel, er legt sie hinzu; Bohnen und Linsen, er legt sie auch dazu. Aber, sobald er nach Hause kommt, ordnet er die verschiedenen Fruchtarten. So verfuhr R. Akiba, er machte zur Lehre die Abschnitte, Ringe, und teilte sie nach Fächern. Seine eigenen pädagogischen Lehren sind: »Ein Abschnitt täglich«; »Ergreifst du wenig, hast du etwas, viel, bleibt dir nichts«; »Lerne aus einem korrekten Buche, denn der Fehler, sobald er sich eingeschlichen, sitzt fest«; »Drehe den Satz oft um, damit du den Schüler schärfst«. Viel hielt er auf den Umgang mit den Gelehrten, um aus ihrem Leben zu lernen. Gegen die Ansicht seiner Zeitgenossen hielt er den Erwerb der Lehre größer als die Tat. In seinen Fragen deutete er die Antwort seinen Schülern an und oft vollzog er selbst eine Handlung, um seinen Jüngern das Gesetz anzugeben. In seinen Vorträgen vor dem Volke gebrauchte er zur Ausschmückung der Rede die Hyperbel, um die Aufmerksamkeit zu spannen.
II. Seine Lehrtätigkeit in der Halacha und Agada, ihre Gegner und Kämpfe, Würdigung und Verdienste. Von seiner Tätigkeit als Gesetzeslehrer nennen wir erst: A. das Gebiet der Halacha. In derselben steht er an der Spitze der Lehrer, die eine Zurückführung der Tradition auf die Bibel, um in ihr die Gründe für sie nachzuweisen, versuchten. Für jede Halacha wurde ein Nachweis oder wenigstens eine Anknüpfung an das schriftliche Gesetz aufgesucht, wodurch die Kluft zwischen dem schriftlichen und dem mündlichen Gesetze ganz schwinden sollte, eine Lehrweise, die schon seine Vorgänger oft angewendet haben, aber nicht immer durchführen konnten. Als solche Nachweise galten: a.der einfache Wortsinn der Schrift; b.deren doppelte Ausdrucksweise; c.die Zeitform der Verba; d.der Gebrauch der Partikel: »auch, wohl, ebenso«; »nur, jedoch«; »mit, bei, gegen«; »oder« und der für die Binde- und Trennungspartikel gebrauchte Buchstabe; e. die Angabe einer anderen Leseart, wo oft die aktive Form eines Verbs in eine passive verwandelt wird; f. die Anlehnung und Unterschiebung unter ein anderes schriftliches Gesetz, wo das fragliche mündliche Gesetz mitbegriffen sein soll. Neben dieser Zurückführung der Halacha auf den Bibelvers suchte er auch durch Folgerungsschlüsse eine Halacha durch die andere zu begründen. Sonst urteilte er nach allgemeinen Normen oder suchte das einzelne dem Allgemeinen unterzuordnen. In strittigen Fällen wählte er, ähnlich seinem Lehrer R. Josua, den Weg der Mitte. Doch verstand er es, auch seinen Gegner so in die Enge zu treiben, dass dieser von seiner Meinung von selbst abstand. Ausgerüstet mit solchen geistigen Waffen scheute er es nicht, oft das von seinen Vorgängern Verbotene zu erlauben. Streng und erschwerend war er besonders in Rechtssachen. Dagegen gehörte er in peinlichen Sachen zu denen, die für die Abschaffung der Todesstrafe auftraten. Sein weiteres Verdienst um das mündliche Gesetz ist seine durchgreifende Systematisierung und Einteilung desselben nach Fächern, nach Masechtot, und kleineren Abschnitten, durch Inhalt und Zahlen kennbar gezeichnet. Doch dürfen wir auch nicht seine Gegner verschweigen, auf die er mit seiner Methode und seiner ganzen Lehrtätigkeit stieß und mit denen er nicht geringe Kämpfe zu bestehen hatte. Wir nennen von denselben R. Elieser ben Hyrkanos, R. Jose, den Galiläer, erst auch R. Tarphon, R. Elieser ben Asaria und R. Ismael. »Und wenn du den ganzen Tag deutest und deutest, du kannst dem Schriftworte nichts hinzufügen oder abnehmen!«, riefen ihm unwillig R. Jose Haglili und R. Elieser b. A. »Ich kann es nicht länger ertragen, Akiba! Wie lange wirst du willkürlich Dinge zusammenstoppeln? «, lautete der erbitterte Ruf R. Tarphons gegen ihn. R. Ismael ist gegen seine Folgerungen und Schriftdeutungen und erklärt ihm gegenüber seine Schriftbeweise für gewöhnlichen Sprachgebrauch. R. Dosa Sohn Hyrkan entgegnet R. Akiba: »Du bist der Mann, dessen Ruf von einem Ende der Welt zum anderen dringt, nicht einmal zum Rinderhirt bist du fähig! « R. Jose Haglili, der siegreiche Gegner R. Akibas, wird von R. Tarphon »der gehörnte Widder« genannt, der den unbezwingbaren, nach allen Seiten stoßenden Widder (Akiba) machtlos macht. Sein Schüler Nehemiä aus Emmaus verwirft die Deutung der Partikel im Sinne von »mit«, die immer den Einschluss einer Person oder eines Gegenstandes mit andeuten soll, da ihm dieselbe in Bezug auf den Vers: »Den Ewigen deinen Gott sollst du ehrfürchten« anstößig erschien, als wenn göttliche Verehrung auch anderen Personen gehörte. Doch brach sich seine Lehr- und Deutungsweise Bahn und bewirkte einen neuen Aufschwung. R. Tarphon hat diese neue Lehrweise plötzlich so umgestaltet, dass er in Lobeserhebungen ausbricht: »Heil dir Abraham, unser Vater, Akiba kommt von dir her!« »Tarphon sah und vergaß es, aber Akiba verstand dasselbe durch seine Deutung herauszubringen und es stimmt mit der Halacha vollständig. Wahrlich, wer von dir sich trennt, scheidet gleichsam von seinem Leben.« Deutlicher noch haben wir diese Umwandlung seiner Gegner in den Worten R. Josuas: »Wer nimmt dir den Staub von deinen Augen, R. Jochanan ben Sakai? Oft sprachst du: >Diese Halachoths haben keine Bibelstellen für sich!< Siehe Akiba findet dieselben! « Oft entfernte sich R. Tarphon aus dem Lehrhause und überließ R. Akiba die weitere Ausführung der Halacha-Erklärung. »Wenn R. Akiba fehlt, hieß es nun allgemein, fehlt die Halacha und kann nicht entschieden werden.« So galt er gleich Esra als der Restaurator des Gesetzes, der Feststeller der Halachoths, Agadoths und des Midrasch, und mit R. Ismael wird er zu den »Vätern der Welt« gezählt. Seine Aussprüche erhielten auch gegen die eines seiner Kollegen Gesetzeskraft. Man führt seine Halachoths an ohne die Einrede seiner Gegner, und entscheidet eine Majorität gegen ihn, so gelten doch seine Lehren als Norm für eine spätere Zeit. Diese Verehrung R. Akibas war bei den Späteren noch viel größer. »Das Herz, der Verstand der ersten ist weit wie die Pforte der Tempelhalle, das ist Akiba.« (Erubin 43.) Rab (Akiba aus Areta), ein Lehrer des 3. Jahrh. sagt: »R. Akiba verstand jedes Strichelchen und Pünktchen in der Schrift zu deuten.« »Schwach wurde die Kraft Moses vor den Erklärungen eines R. Akiba.« R. Simon ben Lakisch, ebenfalls ein Lehrer des 3. Jahrh., tut den bildlichen Ausspruch: »Gott zeigte Adam jede Generation mit ihren Lehrern, als dieser R. Akiba sah, freute er sich über ihn und seine Lehre.« »Lasset Akiba, der seines Gleichen nicht in Palästina gelassen!«, lautete die Entgegnung an den Neffen R. Josuas, der in Babylonien gleich Akiba die Neumonds und Festtagsbestimmungen vornehmen wollte. »Ich gebe dir von gewürztem Wein zu trinken, das sind die großen Mischnas; die des R. Akiba.« B. Seine Agada und ihre Gegner. Ein fast ebenso großes Gebiet seiner Lehrtätigkeit ist das der Agada. Die Agada beschränkt ihre Jünger nicht auf das Gegebene, die festen Normen der Halacha, sondern lässt ihnen freien Spielraum, umfasst Göttliches und Weltliches und will, dass der Mensch aus sich heraus Gott, Welt und sich selbst erkenne. In ihr ergehen sich die Lehrer nach ihren freien, subjektiven Ansichten und wir können sie daselbst in ihrer wahren Gestalt sehen, nicht was sie mussten, sondern was sie wollten, wie sie lebten und wirkten. So sind es auch die agadischen Lehren des R. Akiba, die ihn nach seiner inneren und äußeren Gestalt geben: wie er gedacht, gefühlt, gelebt, gewirkt, gekämpft und gelitten, bis ein heiliges Märtyrertum sein Leben geendet und seine Tätigkeit besiegelt hat. Gott, Mensch, Israel, Freiheit, Weltregierung, göttliche Vorhersehung, Böses, Übel, Nächstenliebe, Heidentum, Sünde, Buße, Sühne, Studium der Thora, Arbeit, Armut, Wohltun, Geselligkeit, Ehe, Weib, Familie, Religion, Gesetze, Gebet, Shabbath, Fest, Jenseits, Mystik u. a. m. Alles wird in den Kreis seiner Betrachtung gezogen, von ihm durchdacht und gelehrt. a. Gott und Welt. Hier beschränkt er sich darauf, die Begriffe von Gott seinem Verhältnisse zur Welt zu läutern und die biblischen Ausdrücke vor Missdeutung zu schützen. »Denn mich sieht nicht der Mensch und lebt«, wahrlich, bemerkt hierzu R. Akiba, auch nicht einmal die Engel am Gottesthrone und will dadurch jede leibliche Vorstellung von Gott negieren. Gegen den Ausspruch seines Freundes Pappus, dass die Worte in Hiob 23.13: »und er als einer, wer entgegnet ihm« Gott als den willkürlich und unbeschränkt Handelnden darstellen, bemerkt er: »Nicht so, denn er richtet alles nach Recht und Wahrheit! « Ebenso setzt er die Gottähnlichkeit des Menschen in die ihm verliehene sittliche Freiheit, das Gute oder das Böse zu wählen, gegen die Lehre des R. Pappus, dass dieselbe sich auf die Ähnlichkeit des Menschen mit den Engeln beziehe. Die Worte: »Gott redete zu Moses« drücken nach ihm die Unmittelbarkeit der göttlichen Offenbarung an Moses mit Ausschluss aller Mittelbarkeit durch Engel u.v.m. aus, was wahrscheinlich gegen die gnostische Annahme gilt, das Gesetz sei den Israeliten durch den Demiurgos gegeben worden. Bedeutender sind seine Aussprüche über: b. Vorsehung und Weltregierung Gottes, Böses und Gutes. Gott und menschliche Freiheit, strenges Gericht und die Güte Gottes, diese scheinbaren Gegensätze, die im Heidentume streng geschieden werden, sind im Judentume keine Widersprüche in Bezug auf Gott. »Alles, sagt er, ist (Gott) offenbar, aber Freiheit existiert; die Welt wird nach Güte gerichtet, doch alles nach der Menge der Tat.« »Alles ist (dem Menschen) nur als Pfand gegeben, und ein Netz ist über alle Lebenden ausgebreitet; der Laden ist geöffnet, der Kaufmann leiht, das Buch aufgeschlagen, die Hand verzeichnet, wer borgen will, borgt, aber die Kassierer fordern täglich ein, nehmen Zahlung vom Menschen, ohne oder mit seiner Zustimmung, denn sie sind zuverlässig; der Rechtsspruch ist ein Rechtsspruch der Wahrheit und alles wartet des Mahles (der Vergeltung).« Dieses Resümee der jüdischen Vorsehungslehre wird durch die vielen Lehren, in denen er offen das Heidentum bekämpfte, noch klarer. »Ziehet ihr euch nicht Verdammnis zu, wenn ihr wohltätig seid, die Armen stützet, den Leidenden helfet, da diese durch Gott zu Not und Leiden verdammt sind?« war die Frage des Tinius Rufus an ihn. Er antwortete: »Wenn ein König über seinen Sohn wegen eines Fehls Leiden verhängt, wahrlich er will nur die Besserung desselben und wird dem nicht abhold sein, der ihm seine Prüfungstage zu erleichtern suchte; so sind wir Söhne Gottes, denen Gott nicht zürnt, wenn sie ihren leidenden Brüdern beistehen! « So machte ihn das Glück des Frevlers und das Leiden der Gerechten nicht irre an der gerechten göttlichen Vorsehung; seine Lehre darüber war: »Wenn dies dem Frevler gegönnt ist, was erst dem Gerechten! « oder: »Ist das Böse eingetroffen, so kann auch das Gute nicht allzu fern bleiben!« So glaubte er an kein absolutes Übel und betrachtete das Böse nur als scheinbar, das nicht das Böse, sondern das Gute, die Besserung des Menschen, zu seinem Endziele hat. Man kennt seinen Spruch darüber: »Alles, was dich trifft, ist zum Guten! « »Die Heiden«, sprach er oft, »so Strafe über sie kommt, fluchen ihren Göttern, aber wir preisen in Glück und Unglück unsern Gott und rufen: Gepriesen sei der Richter der Wahrheit! « Er besucht seinen kranken Lehrer R. Elieser und ruft ihm die Trostworte zu: »Leiden sind Liebesboten zu unserer Besserung! « Dem R. Gamliel stirbt der Sohn und er verweigert die Annahme jedes Trostes. R. Akiba redet ihn an: »Alles ist uns nur zur Verwahrung gegeben, heil dir, wenn du das zur Verwahrung Gegebene, deinen Sohn, so rein abgeben konntest! « Weiter lehrte er im Hinblick auf Israels Leiden: »Die Israeliten sind Söhne der Freien, denn sie sind die Söhne Abrahams, Isaaks und Jakobs, die um ihre Güter gekommen sind.« Die Leiden sind zu unserer Besserung. »Schön ist die Armut der Tochter Jakobs, wie ein rotes Halsband an einem weißen-Rosse.« (Midr. r. 3 M. Absch. 3 5.) Überhaupt denkt er das wahre Gute, die Glückseligkeit, als Lohn und Folge des Guten nur im Jenseits. »Damit es dir gut gehe, und du lange lebest«, d. h. in der Welt, die nur gut ist. »Den Frevlern geht es im Diesseits wohl, weil sie im Jenseits nichts erhalten, dagegen empfangen die Gerechten doppelt im Jenseits.« (Midr. r. 3 M. Absch. 2.7; 2. M. Absch. 33. Chagiga 15.) Nicht minder groß sind seine Lehren über c. Mensch, Israel und Heidentum. Die Würde und Bestimmung des Menschen und Israels liegen nach ihm nicht so sehr in den ihnen verliehenen Vorzügen, als vielmehr in dem Bewusstsein derselben. Der Lehrsatz darüber ist: »Liebe war es, dass Gott den Menschen in seinem Ebenbilde geschaffen; größer wurde sie, dass er ihn wissen ließ: er sei im Ebenbilde Gottes geschaffen.« »Liebe war es, dass Israel Söhne Gottes genannt wird; größer wurde sie, dass er es wissen ließ, es sei Söhne Gottes.« »Liebe war es, dass er Israel das Kleinod, die Lehre, gab; größer wurde sie, dass er es wissen ließ, er habe ihm das Kleinod, die Lehre, gegeben.« Das Wecken und Wachhalten dieses Bewusstseins, darin bestand sein Kampf gegen Heidentum und Aberglauben. Bereits brachten wir oben seine Zurückweisung der heidnischen Annahme, dass Leidende ewig zum Leiden verdammt seien, indem er den Menschen in seiner Würde als Sohn Gottes fasste. Ein anderes Mal sieht er einen Heiden auf Gräbern fastend Tage und Nächte zubringen, um Totenbeschwörungskünste zu treiben, er bricht in Schluchzen aus, »wie groß, wenn solche Entsagung dem Heiligen zugewendet wäre!« Auf die Frage: »Warum Gott nicht die Götzen vernichte?«, war seine Antwort: »Weil Sonne, Mond und Sterne für die Welt notwendig sind.« Die Natur folgt ihren Gesetzen, aber die Frevler werden zur Rechenschaft gezogen (Aboda sara 54). Auf die Erzählung, dass Kranke Heidentempel aufsuchen und gesund sie verlassen, bemerkte er: »Warum sollte das nicht vorkommen, wenn die Krankheit grade ihre Krisis hatte, als der Kranke sich im Götzentempel befand.« Gegen den astrologischen Wahnglauben war sein Wort.: »Israel stehe unter seinem Planet.« Zur Fernhaltung jedes Aberglaubens lehrte er: »Wer nach Zeiten und Stunden rechnet und spricht: heute ist es heilvoll auszugehen usw., ist ein Zeitdeuter, der das Verbot der Zauberei übertritt. Bei diesem Abscheu vor Aberglauben und Heidentum verstand er die Sache von der Person zu trennen und war bereit, auch Gutes von den Heiden zu lernen. Auf seinen Reisen hatte er Gelegenheit, manche schöne Sitte bei den Heiden zu bemerken und sie seinen Israeliten zu empfehlen. »In drei Sachen liebe ich die Meder: Das Fleisch schneiden sie auf dem Tisch, sie küssen nur die Hand und sie halten ihre Ratsversammlungen auf dem Felde.« In seinem Vortrag über Elternverehrung stellte er einen Heiden Bendama als Muster auf. Von seinen Disputationen mit Heiden weiß der Talmud vieles zu erzählen, aber noch mehr, wie er sich mehrere von ihrer Rede- und Denkweise merkte, um damit manches Schwierige im Gesetz zu erklären. Er zählte zu seinen Schülern Männer heidnischer Abkunft. So einen Ammoniter, einen Proselyten Ägypter, den berühmten Aquila, Akyles, u. a. m. Weiter hielt er den Betrug auch gegen einen Heiden als gesetzlich verboten und erklärte die von heidnischen Gerichtsbarkeiten ausgestellten Schuldscheine und andere Dokumente für rechtsgültig. Eine wahrhafte Frische atmen seine Worte über: d.Religion, Nächstenliebe und Wohltätigkeit, Menschenleben, Mord, Kollisionsfälle. Die Hauptstücke der Religion sind nach ihm die Gottes- und Nächstenliebe. Die Liebe zu Gott, die den Tod für ihn nicht scheut, erscheint ihm als die Spitze des religiösen Lebens. Auf einer anderen Stelle sagt er: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! « Dieses Gebot ist das Grundgesetz der Thora, damit du nicht sagest, weil ich verachtet worden, werde der andere mit mir verachtet; weil ich beschimpft bin, werdet der Nächste mit beschimpft. Wohltätigkeit empfiehlt er in vielen Lehren als einen Wert, der vom Tode rettet. Andererseits mahnt er den Empfänger vor Missbrauch der Almosen. »Wer Almosen nimmt und nicht deren nötig hat, stirbt nicht früher, bis er verarmt und auf die Gaben der Menschen angewiesen wird.« Das Menschenleben ist nach ihm ein Heiligtum, die Wohnstätte der Gottähnlichkeit, und der Mord gleichsam eine Verminderung derselben. In Kollisionsfällen war seine Lehre: »Dein Leben geht dem deines Nächsten vor.« e. Arbeit, Ehe, Frau, Shabbath, Feste, Beschneidung, Gebet, Studium der Thora, Sünde, Buße, Sühne, Jenseits u.a.m. Die Arbeit, lehrt er, ehrt den Mann, und dies ist ihr Vorzug. Ferner: »Unterziehe dich jeder Arbeit, wenn noch so niedrig, und sprich nicht: >Ein Priester bin ich, ein großer Mann!«< In der Ehe sieht er das sittliche Prinzip sich zu verwirklichen: die Ausrottung der Unzucht und die Erhaltung der Keuschheit. »Entweihe nicht deine Tochter, sie der Unzucht hinzugeben.« Gegen dasselbe handelt der, welcher seine erwachsene Tochter nicht verheiratet. »Mann und Weib, Gott in ihrer Mitte.« Seine Sprüche über die Ehrenhaltung der Frau sind: »Wer auf den baldigen Tod seiner Frau wartet, um sie zu beerben, oder eine andere Frau zu heiraten, stirbt früher und wird von ihr begraben.« »Wegen der tugendhaften Frauen in Ägypten erhielten unsere Väter die Erlösung daselbst.« Seine Lehren über Shabbath, Beschneidung, Studium der Thora und Jenseits bitte ich in den betreffenden Artikeln hier und im Tanach (Bibel) Lexikon dieses Werkes nachzulesen. Von seinen Lehren über die Feste bringen wir die schöne symbolische Deutung der Darbringung des Omer, der Erstlingsgarbe, am Pessachfest als Zeichen des Dankes und der Bitte: »Gott möge die Früchte des Feldes segnen«; die der zwei Brote am Wochenfest: »Gott möge die Baumfrüchte segnen«; die der Wasserlibation am Laubhüttenfeste: »Wegen des Segens des Regens im Jahre. « Im Gebete will er Andacht haben und erlaubt in Fällen, wo dieselbe bei dem Achtzehngebet unmöglich ist, die kürzere Form desselben zu beten. Die Sünde entsteht nach ihm in Folge der menschlichen Willensfreiheit, daher sie nur beim Menschen und nicht beim Tier angetroffen wird. Der Sünder kann durch Besserung seines Wandels Versöhnung erlangen. »Wie zerbrochene Gold- und Glasgefäße wieder umgeschmolzen und ganz werden können, so auch der, welcher gesündigt.« »Wohl Euch Israeliten, vor wem ihr euch reiniget und wer euch reinigt, euer Vater im Himmel!« »Wer da spricht: >ich sündige und tue Buße, ich sündige und tue Buße<, dessen Sünden kann der Versöhnungstag nicht versöhnen.« Eine weitere Lehre war die, dass Gott nur die Sünden gegen ihn, aber nicht gegen seinen Nebenmenschen vergibt, bis er sich mit letzterem versöhnt hat. Aber auch mit diesen Agadaaussprüchen, besonders mit denen über Gott und Welt, die gleichsam den mystischen Teil derselben bilden, stieß er auf Widerspruch bei seinen Kollegen. R. Jose, der Galiläer, R. Elieser ben Asaria, R. Ismael u. a. m. traten als Gegner derselben auf und er musste sich von ihnen manchen Tadel gefallen lassen. Akiba erklärt, dass Elia ben Berachei im Buche Hiob Bileam und der von Moses verurteilte Shabbathschänder Zelophchad war, worauf ihm R. Elieser zuruft: »Akiba, so oder so, du wirst einst darüber Rechnung ablegen.« Ebenso war es R. Ismael, der ihm auf seine Auslegung der Psalmworte: »Speise der Vornehmen aß der Mann, das ist die Speise der Engel,« zurief: »Akiba du irrest, Engel essen und trinken nicht!« Eine weitere Deutung in Daniel 7 zieht ihm den Verweis R. Jose, des Galiläers, zu: »Wie lange noch, Akiba, wirst du die Gottheit profanieren!« Auch R. Elieser ben Asaria entgegnete ihm: »Was hast du, Akiba, bei der Hagada, mache dich an die Halachoths der Negaim und Ohaloth!« Noch im 3. Jahrh. bemerkt R. Jochanan gegen seine Annahme, das Geschlecht der Israeliten, die in der Wüste unter Moses starben und die zehn Stämme sind vom Jenseits ausgeschlossen, »lasset ihn, den R. Akiba, mit seiner Frömmigkeit.« (Sanh. 101.) Doch waren dies im Ganzen nur einzelne Abschweifungen von seiner gewöhnlichen nüchternen Denk- und Lehrweise, von denen er wohl später abgekommen sein mag. Wir lesen auch von ihm Zurückweisungen ähnlicher Ausschreitungen von Seiten seiner Kollegen Ben Asai und Ben Soma, die er gegen sie gerichtet hatte. Die Mischna spricht das Urteil auch über den mystischen Teil seiner Agadoths, dass er von denen, die sich mit der Geheimlehre beschäftigten, der Einzige war, der in Frieden einzog und in Frieden auszog.
III. Weitere Tätigkeit, Einfluss und Bedeutsamkeit. Mit diesen Lehren entwickelte R. Akiba seine bedeutende Tätigkeit. In der Halacha werden seine Entscheidungen denen seiner Vorgänger entgegengestellt und vorgezogen. In der Gesetzeskunde haben sich seine Bestimmungen über und gegen die früherer Lehrer, deren gesetzliche Normen durch ihn Gesetzeskraft verlieren, erhoben. Dieselben werden in ihrem Zusammenhange: »Mischna des R. Akiba« genannt, während letztere »Mischna rischona« erste Mischna oder »die Mischna der ersteren« heißt. Diese seine Entscheidungen wurden in die späteren Halachasammlungen Sifra, Sifri und Tosephta als anonyme, d. h. allgemein anerkannte Halachoths aufgenommen. Bei dieser neuschöpferischen Tätigkeit in der Gesetzeskunde verstand er auch eine praktische Wirksamkeit zu entfalten, die ihn nicht bloß als den Helden auf dem Gebiete der Halacha, sondern auch zum Volksliebling stempelte. Es war eine Verehrung für ihn bei seinen Kollegen, Schülern und dem Volke, die selten einem Gesetzeslehrer zuteil geworden. Diesen seinen bedeutenden Einfluss verwendete er erst zur Unterstützung der Bestrebungen des Patriarchen R. Gamliel, Einheit in der Lehre und den Entscheidungen der Gesetzeslehrer zu erzielen. So sehen wir ihn bei der Wiedereinsetzung R. Gamliel tätig. Später entzweit ein Halachavortrag R. Gamliel mit seinem Schwager R. Elieser. Die Majorität entscheidet gegen letzteren und verfügt über ihn den Bann. Keiner wagte es, diesem angesehenen Gesetzeslehrer den über ihn verhängten Bann anzukündigen. R. Akiba übernimmt die traurige Botschaft und führt sie auf eine geschickte, die Ehre des Mannes höchst berücksichtigende Weise, aus. Er vergisst aber auch später nicht den Verbannten, sammelt auf die Nachricht von dessen Krankheit seine Kollegen und gemeinschaftlich statten sie ihm einen Krankenbesuch ab. Dieser machte ihnen über ihr Verfahren, ihn mit seiner Gesetzeskunde vernachlässigt zu haben, Vorwürfe und prophezeite ihnen einen unnatürlichen Tod. R. Elieser stirbt. R. Josua löst den Bann von ihm, aber R. Akiba kann sich vor Schmerz nicht fassen, er schlägt sich wund, sein Blut strömt zur Erde. So folgt er der Leiche nach Lydda und hält ihm die Leichenrede. Glücklicher war er in der Beilegung eines wieder zwischen R. Gamliel und R. Josua ausgebrochenen Streites, betreffend eine Neumondsbestimmung, in Folge derselben sie sich nicht über die Bestimmung des Tages zum Versöhnungsfeste einigen konnten. Dass er in solchen Sendungen nicht das blinde Werkzeug R. Gamliels war, sondern die Aufrechterhaltung der Synhedrialbeschlüsse und die Befestigung der Einheit zum Ziele hatte, ersehen wir aus seinem Benehmen bei einer Zusammenkunft mit R. Gamliel, wo er gegen dessen Lehre und nach dem Beschluss der Mehrheit den Segen über die ihm gereichten Früchte sprach. R. Akiba erhält von ihm darauf den Verweis: »Wie lange, Akiba, wirst du dich unter die Streitenden mischen?« In späterer Zeit treffen wir ihn in Babylonien, wo er die Neumonds- und Festbestimmungen vornahm. Es war dies eine unerhörte Neuerung, da dieser Akt nur in Palästina vorgenommen werden durfte, aber man verteidigte diesen Schritt: »Lasset Akiba, er hinterließ keinen seinesgleichen in Palästina!« Als Lehrer glich er seinen Schülern gegenüber einem Vater. Er besuchte sie in ihrer Krankheit, verrichtete oft bei ihnen in Ermangelung eines Dieners die niedrigsten Arbeiten und war glücklich, sie wieder gesund zu sehen. Unermüdlich war er im Lehren, er sprach: »Man unterrichtet solange, bis der Schüler es fasst.« In der Mitte des Volkes wurde er als ein Versorger der Armen geliebt. Er selbst war sehr wohltätig und verwaltete das Amt eines Armenvorstehers. Vertrauensvoll lieferte man ihm den Armenzehnten zur Verteilung an die Armen ab. R. Akiba wurde daher »die Hand der Armen« genannt. Eine bedeutende Erweiterung erhielt sein Wirkungskreis, als er auf Reisen auch Juden anderer Länder aufsuchte. Man will diese Reisen in Verbindung mit den Vorbereitungen zum Barkochbaischen Aufstande, dessen Hauptagitator er mit war, setzen, jedenfalls waren sie von ungeheurer Wichtigkeit für denselben, da dadurch ihm leicht Subsidien von allen Seiten zufließen konnten. Diese Reisen waren nach Nehardea, Narda, in Babylonien, wo er die Neumondsbestimmungen vornahm; von da nach Gazaka, Gansak, im Talmud. Zur See reiste er nach Zephyrium in Sizilien und Magaza Cäsarea in Kappadocien. Weiter kam er nach Galatien, Arabien und Afrika, bis nach Äthiopien. Auch in Rom war er mit R. Gamliel und den anderen Gelehrten. Zu diesen Städten war die göttliche Vergeltung und der Trost Israels das Thema seiner Volksvorträge. In Gansaka predigte er von Hiob, seinen Leiden und seiner Wiederbefreiung von denselben, wie ihm alles doppelt wieder geworden ist, ein Bild für Israels Leiden und Hoffnungen. In der Nähe Roms macht der jubelnde Lärm der Hauptstadt auf seine Kollegen einen schmerzvollen Eindruck, sie erinnern sich der Zerstörung Jerusalems. Akiba tröstet sie und spricht, wenn es also den Übeltätern ergeht, wie erst seinen Frommen! Erfüllt von solchem Gottvertrauen verkündet er in Bezug auf Haggai 2. 6. eine nahe bevorstehende Umwälzung, die Israel wieder seine Selbstständigkeit und seinen Staat wiederbringen soll. Es war eine Volkssehnsucht, die alle Gemüter durchdrang und in ihm ihren Ausdruck fand. Akiba war so sehr Volksmann, dass er der erste von den Lehrern war, der sich für den Helden Barkochba erklärte, als derselbe sich an die Spitze des Aufstandes der Juden gegen die Römer stellte. Er erkannte ihn als den Gottesgesandten, Messias, vollständig an und wurde dessen Waffenträger.
IV. Seine Gefangennahme, letzte Unterredung und Tod. Die Anerkennung Barkochbas als den Verheißenen, von seinem Volke erwarteten Messias und seine persönliche Beteiligung an dem Aufstande waren nach der Besiegung desselben durch die Römer für sämtliche Gesetzeslehrer von den verhängnisvollsten Folgen. Man erkannte nun in ihnen den Mittelpunkt des ganzen Volkes, seines noch einigen festen Verbandes, den Herd des Aufstandes und beschloss ihre Vernichtung. Die hadrianischen Verfolgungsedikte, die jetzt den Rest des jüdischen Volkslebens ganz erdrücken sollten, waren mehr gegen das Leben der Gesetzeslehrer, als gegen das des Volkes gerichtet. Sie begnügten sich nicht mit dem strengen Verbot der religiösen Praxis des jüdischen Kultus, sondern setzten auch noch die Todesstrafe auf die Verkündigung von dessen Lehre. Die Volks- und Gesetzeslehrer erkannten bald, dass es auf ihr Leben und ihre fernere Tätigkeit abgesehen war, aber die meisten beschlossen, lieber das Leben zu opfern, als von ihrer Lehrtätigkeit zu lassen. Nur Einzelne, R. Jose ben Kisma, Pappus und andere mehr, waren der Ansicht, sich dem Drange des Augenblicks zu fügen. Chanina ben Teradjon, Akiba und andere mehr gehörten zu den ersteren, die ihre Lehrvorträge öffentlich fortsetzten. Rührend ist, wie R. Jose ben Kisma dem Chanina ben Teradjon und Pappus dem R. Akiba das Gefahrvolle ihrer Handlung vorstellten und sie baten, von derselben abzustehen. R. Akiba antwortete seinem Freunde Pappus durch ein Gleichnis: »Ein Fuchs am Ufer eines Stromes riet einst den in demselben scharenweise vor den Netzen ängstlich hin und her fliehenden Fischen, sich doch lieber zu ihm auf das Land zu begeben, um nebeneinander friedlich zu wohnen, da antworteten die Fische: >Schlaues Tier! An der Stätte unseres Lebens, im Wasser, sind wir in Furcht, an der des Todes, auf trockenem Lande, doch sicherlich.« Auch der auf dem Sterbebette liegende R. Elieser, den er mit seinen Kollegen besucht hatte, weissagte ihm einen unnatürlichen schrecklichen Tod. Ebenso sprach der sterbende Samuel der Kleine von schrecklichen Tagen, die über das Volk und seine Lehrer eintreffen werden. Doch auch er selbst war nicht blind gegen die Gefahr, er sah sein schreckliches Ende voraus, dennoch vermochte ihn nichts von der Erfüllung seiner heiligen Pflichten abzuschrecken. Bei der Nachricht des Märtyrertodes von R. Ismael und R. Simon beruhigte er seine trauernden Kollegen: »Diese beiden sind gestorben, damit sie nicht noch schrecklichere Tage erleben!« Die verhängnisvolle Zeit traf bald ein, Akiba wurde ins Gefängnis geworfen. Hier traf er mit seinem Freunde Pappus zusammen, der sich den Verfolgungsedikten nicht widersetzt hatte und doch gefänglich eingezogen wurde. »Pappus, was brachte dich hierher?«, fragte er erstaunt. Dieser entgegnete: »Heil dir, Akiba, dich hat man wegen der Thora gefangen, aber wehe mir. Ich bin hier in Folge eitler Gegenstände!« Aber selbst an diesem Orte setzte er seine Lehrtätigkeit fort. Auf fast unerklärliche Weise verstanden seine Schüler sich bei ihm Eintritt zu verschaffen oder auf anderem Wege seine Antwort über religiöse Fragen zu erhalten. Hier bestimmte er 3 Schaltjahre nacheinander. Seinem Schüler R. Jochanan aus Alexandrien erklärte er vom Fenster des Gefängnisses aus, dass der Akt der Entbindung von der Schwagerehe gültig ist. Rührend ist seine letzte Unterredung mit seinem Schüler R. Simon ben Jochai. R. Akiba verweigert ihm weitere Belehrung, aber dieser lässt sich nicht zurückweisen. Da seufzt er: »Mein Sohn, je mehr das Kalb saugen will, desto mehr möchte die Mutter es säugen!« Seine Lehren an ihn waren: »Bei wichtigen Sachen mache dich an einen großen Mann.«; »Unterrichte deinen Sohn in einem korrekten Buche.«; »Ein Gottesgebot und die Zunahme des Körpers, d.i. die Frucht und nicht den Lohn zu genießen.«; »Ein Gottesgebot und die Reinheit des Körpers d. i. eine Ehe mit Kindern!« Verständlicher sind uns seine letzten Lehren an seinen Sohn Josua: »Sitze nicht auf der Höhe der Stadt und lehre; wohne nicht in einer Stadt, an deren Spitze Gelehrte sind; betritt nicht dein Haus plötzlich; versage nie deinen Füssen die Schuhe; stehe früh auf und genieße etwas; mache deinen Shabbath zum Wochentage (in Bezug auf die Einfachheit der Lebensweise) und bedarf der Menschen nicht.« Endlich nahte seine letzte Stunde. T. Annius Rufus ließ ihm, um die Qual des Todes zu vergrößern, die Haut durch eiserne Striegel abschinden. Unter solchen schrecklichen Schmerzen erinnerte er sich des Schema-Gebetes, er sprach es laut und mit einer Freudigkeit, welche die Verwunderung der Anwesenden erregte. Rufus fragte ihn, ob er denn ein Zauberer wäre, oder noch größere Qualen herausfordere? Akiba antwortete: »Ich bin kein Zauberer, aber ich freue mich zu erfüllen, was mir immer als höchstes Ideal vorgeschwebt hat: das Gebot >Liebe den Ewigen, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen, deiner ganzen Seele und deinem ganzen Vermögen — d. i. auch wenn man dir dein Leben nehmen sollte!< Er sank unter dem Rufe: »Gott, der Eine!«, dem Bekenntnis des Glaubens an die Einheit des Gottes, zusammen. Tief erschütterte die Kunde seines Todes; die Trauer war allgemein. Josua aus Gerasa, der im Gefängnis um ihn war, nahm mit Hilfe eines Unbekannten den Leichnam und bestattete ihn ehrenvoll. Man fühlte tief den Verlust des großen Mannes, eine spätere Zeit tut noch darüber den Ausspruch: »Seit dem Tode R. Akibas sind die Ehren und Stützen der Thora vernichtet, die Quellen der Weisheit verstopft.« Über sein Märtyrertum erscholl die Himmelsstimme, Bathkol: »Heil dir, Akiba, du hauchtest deine Seele aus unter dem Rufe: echad, Gott der Eine! « »Heil dir, Akiba, du bist bestimmt für das Leben in der zukünftigen Welt! «