Das Gebet und der Priestersegen (15) — תפילה וברכת כוהנים

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Gesetze über das Gebet und den Priestersegen enthaltend zwei Gebote: 1) Daß man Gott jeden Tag durch Gebet diene, 2) Daß die Ahroniden täglich dem Volk Israel Segen ertheile, deren Erläuterung in nachfolgenden Capiteln gegeben wird.

Erstes Capitel.

1) Es ist ein Gebot der Schrift, täglich zu beten, indem es heißt: »Ihr sollt dem Ewigen, Eurem Gott, dienen« (2 B. M. XXIII, 25), welchen Ausspruch die Tradition, dahin erklärte, daß damit das Gebet gemeint sey; denn es heißt wiederum: »Und Ihm von ganzen Herzen zu dienen«, woraus die Weisen den folgerechten Schluß ziehen: kein anderer Dienst wird mit dem Herzen vollzogen, als der Dienst des Gebetes. Die Form desselben aber, wie auch die Zeit zum Beten, sind in der Lehre nicht bestimmt.

2) Daher sind auch, Frauen und Sklaven zum Beten verpflichtet; denn dies ist ein Gebot, welches nicht von der Zeit abhängt, und die Verpflichtungen, welche es auferlegt, bestehen vielmehr darin, daß der Mensch täglich flehen und beten solle; blos hätte man zu beobachten — zuerst zum Ruhme des Heiligen, gelobt sey Er, Etwas ‏zu‎ sagen, dann seine Bedürfnisse inbrünstig zu erflehen, und dann mit Lob und Dank den Ewigen zu preisen für alles Gute, das Er uns gespendet, — ein Jeder nach seinen Kräften.


3) Wem nun die Gabe der Beredsamkeit eigen war, der pflegte sein Herz häufiger zu ergießen; wem die Gewandtheit der Sprache abging, der sprach so gut er es vermochte, und zu jeder ihm beliebigen Zeit. Ebenso verhielt es sich mit der Zahl der Gebete; Jeder betete so viel er konnte. Der Eine betete einmal täglich, der Andere wiederum mehrere Male; Alle pflegten aber mit nach dem heiligen Tempel hingewandtem Antlitz zu beten, wo sie sich auch befinden mochten. Dergestalt verfuhr man von unserem Lehrer Moses, — bis Esra.


4) Als zur Zeit des Wüthrichs Nebukadnezar die Israeliten in die Gefangenschaft geführt wurden, da vermischten sie sich mit Persern, Griechen und anderen Völkern; und die ihnen, in jenen heidnischen Länderm geborenen Kinder — sprachen keine reine Sprache mehr; so daß die »Mundart« eines Jeden ein Gemisch von Wörtern verschiedener Idiome war, und wenn sie sich vernehmen ließen, konnte sich keiner in einer Sprache fehlerfrei ausdrücken: wie es ausdrücklich heißt: »Und die Hälfte ihrer Kinder sprach asdodisch, (chaldaisch), und Verstand nicht ebräisch zu sprechen; und so ging es auch mit anderen Sprachen« (Nehemia XIII, 24). Wenn daher ein Solcher betete, so war seine Sprachkenntniß nicht ausreichend, um in der heiligen Sprache seine Wünsche auszudrücken, oder den Ewigen zu preisen, ohne in das Gebet verschiedene andere Sprachen einzumischen. Als Esra und seine Gerichtsversammlung dieses sahen, da erhoben sie sich und verfaßten achtzehn Segnungsformeln, nach folgender Ordnung: die ersten drei enthielten den Preis des Ewigen, die letzten drei hingegen Danksagungen, die mittleren aber — enthielten Bitten in Betreff aller derjenigen Gegenstände, welche unseren menschlichen Bedürfnissen, so bei jedem Einzelnen, wie auch bei ganzen Gemeinden, als Grundlage dienen konnten, — damit sie geordnet seyen im Munde Aller, und man sie sich einprägen könne; so daß das Gebet des Sprachunkundigen, ein ebenso vollkommenes seyn sollte, wie das Gebet des gewandtesten Redners. Auf diese Weise wurden auch alle andere Segnungs- und Gebetsformeln eingeführt, die noch jetzt in ganz Israel angenommen sind; mit dem Zwecke nämlich, daß der Inhalt aller Gebete im Munde des Unkundigen geordnet sey.

5) Hiemit wurde vorgeschrieben, daß die Zahl der Gebete der Zahl der Opfer entspreche; - nämlich zwei Gebete täglich, für die zwei täglichen Opfer; an den Tagen aber, wo außerdem noch ein Mussaph-(Zugabe-) Opfer dargebracht wurde, führte man noch ein drittes Gebet ein, anstatt dieses Opfers. Das Gebet nun, welches das tägliche Morgenopfer ersetz, wird das Morgengebet, dasjenige, welches das Nachmittagsopfer ersetzt, wird das Mincha- (Vesper-) Gebet, und dasjenige, welches das Mussaph-Opfer ersetzt — das Mussaph-Gebet genannt.

6) Ebenso bestimmte man noch, daß ein Jeder auch Abends ein Gebet verrichte, indem auch die Glieder des täglichen Mincha-Opfers, noch im Laufe des ganzen Abends, am Feuer dampften, wie es heißt: »Dies ist das Ganzopfer....« (3 B. M. VI, 2). Ebenso heißt es in den Psalmen: »Abends, Morgens und Nachmittags, flehe ich und stöhne: und Er wird meine Stimme hören», (Psalmen LV, 18). Das Abendgebet ist aber keineswegs so eine Pflicht, wie das Morgen- und Mincha- Gebet; doch ist es in ganz Israel, durchgängig in allen Wohnplätzen des Volkes, Sitte geworden, Abends zu beten, was man späterhin auch allgemein als Pflicht anerkannte.


7) Man hat auch noch ein Gebet, nach dem Mincha Gebete, nahe vor Sonnenuntergang, eingeführt; dasselbe findet aber blos am Fasttage statt, auf daß am Fasten mehr Gebetsergießungen statt finden möchten. Dieses Gebet heißt das Schlußgebet, was auf die Stelle sich bezieht: »Die Pforten des Himmels schließen sich hinter der Sonne, die sich nun verbirgt«; da dieses Gebet, (wie bereits erwähnt), nur nahe vor Sonnenuntergang statt findet.


8) Demnach haben wir drei Alltags-Gebete, nämlich das Abend-; Morgen- und Nachmittagsgebet; am Sabbat aber, wie auch an Fest- und Neumondstagen, deren viere; die drei Alltags-Gebete und das Mussaph-Gebet. Am Versöhnungstage aber — fünfe, nämlich: diese vier — und das Schluß-Gebet.


9) Man darf keines von diesen Gebeten hinwegnehmen, wohl aber hinzufügen. Will der Mensch den ganzen Tag beten, so stehts ihm frei; alle Gebete, die er außerdem noch hinzufügt, werden angesehen, als bringe er freiwillige Opfer dar. Es ist aber dann nöthig, in jede der mittleren Segnungsformeln etwas ihr Entsprechendes einzuschalten. Hat man auch nur in eine der mittleren Segensformeln etwas Eigenes eingeschaltet so ist damit hinreichend an den Tag gelegt, daß es blos ein freiwilliges, und kein Pflichtgebet war. Von den ersten drei Segensformeln, wie von den letzten dreien, darf man nie eine weglassen, noch hinzusetzen, noch auch an denselben irgend eine Aenderung treffen.


10) Eine ganze Gemeinde darf kein freiwilliges Gebet beten, weil eine ganze Gemeinde auch kein freiwilliges Opfer darbringt. Ebenso darf eine einzelne Person nicht zwei Mussaph-Gebete beten, eines als Pflicht des Tages und eines‎ als freiwilliges, da es nicht erlaubt war, freiwillige Mussaph-Opfer darzubringen. Es gab unter den Geonim solche, die annehmen, daß es an Feier-und Sabbat-Tagen, nicht erlaubt sey, freiwillige Gebete zu beten: weil man an diesenTagen keine freiwilligen Opfer darbringen durfte, sondern blos die auf die Feier des Tages bezüglichen.

Zweites Capitel.

1) Zur Zeit des Rabbi Gamliel nahmen die Gottesläugner überhand, drängten die Israeliten sehr und verleiteten sie, von Gott abtrünnig zu werden. Da jener nun erkannte, daß dieser Umstand wichtiger sey, als alle Bedürfnisse des Menschen, so beschloß er, im Verein mit seiner Gerichtsversammlung, noch eine Segensformel einzuführen, die dass Gebet zum Ewigen, um Vernichtung der Gottesleugner enthielt, und welche Formel er auch in das große Gebet einschal- tete, damit auch sie im Munde Aller fertig sey. Demzufolge beträgt die Anzahl aller Segensformeln im Gebete - neunzehn.

2) Beim täglichen Gebete spricht Jedermann diese neunzehn Segensformeln nach der Ordnung, aber nur dann, wenn seine Gedanken geordnet sind, und sein Sprachorgan dies mit Leichtigkeit bewerkstelligen lauenkann. Wer aber beschäfigt und zerstreut ist, oder wessen Zunge nicht geläufig, der bete blos die ersten drei Segensformeln, dann eine als kurzen Inbegriff aller mittleren, und dann die drei letzten: womit denn seine Pflicht als erfüllt zu betrachten ist.

3) Folgendes ist die Segensformel, welche unsere Weisen verfaßte und als Inbegriff aller mittleren Gebetsformeln angeordnet haben — O. Ewiger, unser Gott, Verleihe uns die Erkenntniß, Deine Wege zu begreifen, lenke unsere Herzen zur Gortesfurcht, stehe uns bei als Verzeiher und Erlöser, entferne von uns alle Schmerzen, segne unsere Felder, sammle die in den vier Erd-Enden Zerstreuten; die Irregeleiteten lasse wieder gelangen zu Deiner wahren Erkenntniß, über die — Böswilligen aber erhebe Deine züchtigende Hand, erfreue die Frommen durch die Wiedererbauung Deiner Stadt, durch die Wiederherstellung Deines Tempels, durch das wiederauf‎blühende Glück Deines Knechts David, und durch das neue Aufleuchten Deines Gesalbten, des Sohnes Jissais! Erhöre uns bevor wir flehen, wie es heißt: »Und bevor sie mich anrufen, — werde ich ihnen Gehör geben; kaum haben sie gesprochen, so werde ich sie auch schon vernommen haben« (Jesaias LXV, 24); denn Du bist es, Der zu jeder Zeit gewährt; Erlöser und Erretter von allen Drangsalen, gepriesen seyest Du, Ewigen der Du Gebete erhörest.


4) Dies gilt jedoch blos unim Sommer; im Winter aber bete man kein solches kurzes Gebet, (Habinenu), weil man dann, beim Segen des Jahres, um Regen flehen muß. Derselbe Fall tritt auch ein am Schlusse des Sabbats und der Festtage, wo dieses kurze Gebet (Habinenu) deshalb nicht genügt, weil man bei der Formel »Der Du in Gnaden Vernunft uns verleihest«, das Absonderungsgebet, (Habdala), zu beten verpflichtet ist.


5) An Sabbaten und Festtagen finden, bei jedem der vier Gebete des Tages, sieben Segensformeln statt; nämlich die ersten drei alltäglichen, die letzten drei, und eine mittlere, welche sich auf die Bedeutung des Tages bezieht. Am Sabbat schließe man die mittlere Formel mit: »Der Du den Sabbat heiligest«, — an den Feiertagen mit: »Der Du heiligest, das Volk Israel und die Feiertage«. Fällt aber der Sabbat mit den Feiertagen zusammen, — so schließe man: »Der Du heiligest den Sabbat, Israel und die Feiertage.« Am Neujahrsfest schließe man: »Du König der ganzen Erde, der du heiligest Israel und den Erinnerungstag«. Fällt der Neujahrstag mit dem Sabbat zusammen, so schließe man: »Du König der ganzen Erde, der Du heiligest den Sabbat, Israel und den Erinnerungstag.«

6) Dieses bezieht sich nur auf die Abend-, Morgen- und Nachmittags-Gebete Das Zugabegebet am Neujahrstage aber, besteht aus neun Segnungen, nämlich: aus den drei ersten alltäglichen, drei letzten, und außerdem noch drei mittleren. Die erste unter den drei mittleren Segensformeln betrifft die göttliche Weltbeherrschung die zweite, — die Erinnerung, oder die Vorsehung, und die dritte — die Bedeutung des Hörnerblasens. Der Schluß einer jeden dieser Gebetsformeln — muß ihrem Inhalte entsprechen.

7) Am Versöhnungstage bete man, bei jedem der fünf Gebete, sieben Formeln, nämlich: die gewöhnlichen ersten drei, die letzten drei, und eine mittlere, über die Bedeutung des Tages. Alle diese mittleren Gebetsformeln schließe man milden Worten: »König der ganzen Erde, der Du heiligest Israel und den Versöhnungstag«. Fällt dieser mit dem Sabbat zusammen, so schließe man alle mittleren Formeln mit den Worten — »Du König der ganzen Erde, der Du heiligest den Sabbat, Israel und den Versöhnungstag«.

8) Dies gilt nun blos von alljährlichen Fasttagen, am Fasttage des Jubiläums aber, bete man im Mussaph-Gebtete neun Formeln, wie man am Neujahrstage dieses Zugabegebet verrichtet, und zwar ganz dieselben Formeln, nicht mehr und nicht weniger. Man darf dieselben aber nur dann beten, wenn man wirklich das Jubiläum feiert (im gelobten Land).

9) Bei jedem dieser Gebete sage man vor der ersteren Segensformel: »Gott, öffne meine Lippen, auf daß mein Mund Dein Lob verkünde«; und am Schluß des Gebets sage man: «Mögen meine Worte Wohlgefallen finden« u. s. w. Dann trete man rücklings zurück.

10) An Neumonden und an Zwischenfeiertagen bete man Abends, Morgens und Nachmittags neunzehn Segensformeln, wie an allen übrigen Tagen; blos in der Formel über Wiederherstellung des Gottesdienstes (Retzee) sage man: »Unser und unserer Väter Gott, es möge aufsteigen und gelangen etc.« Im Mussaph der Zwischenfeiertage bete man — wie an den Feiertagen selbst; am Neumondstage bete man sieben Segensformelm die ersteren drei , die letzten drei und eine mittlere, über die Bedeutung des Neumonds-Opfers, und schließe mit: »Der Du heiligest Israel und den Neumond«.

11) Fällt der Sabbat mit einem Zwischenfeiertage, oder mit dem Neumond zusammen, so bete man Abends, Morgens und Nachmittags sieben Segnungen, wie an gewöhnlichen Sabbattagen, blos in der Tempeldienstformel sage man: »Es möge aufsteigen und gelangen...« Im Mussaph-Gebet fanges man, bei der mittleren Segensformel, mit der Bedeutung des Sabbat’s an; schließe ebenfalls mit der Bedeutung des Sabbat's,‎ und in Mitte dieser Segnung erwähne man die Heiligkeit des Tages; und schließe‎ an Neumondstagen mit »Der Du heiligest,‎ den Sabbat, Israel und den Neumond«; an den Zwischenfeiertagen aber schließe man, wie an allen Feiertagen, die mit dem Sabbat zusammenfallen.

12) Fällt ein Feiertag auf den Sonntag, so bete man in der Nacht vom Sabbat,‎ zum Sonntag, bei der vierten Segensformel: »Du hast uns kund gethan Deine gerechten Gesetze, und uns gelehrt — die Gebote Deines Willens auszuüben, hast uns die Heiligkeit des Sabbat’s, die Ehrbarkeit des Feiertags, und die Opferfreude der Wallfahrtszeit gegeben, hast einen Unterschied zwischen der Heiligkeit des Sabbats und zwischen der des Feiertags gemacht, den siebenten Tag von den sechs Werkeltagen abgesondert, uns Zeiten zur Freude und Feste zur Wonne gegeben, Ewiger, unser Gott. u.s.w.« Am Schluß des Sabbat's und am Schluße der Feiertage des ganzen Jahres, schalte man das Absonderungsgebet (Abschieds-, Abscheidungs-Gebet, Habdala) in die Formel: »Der Du gnadenreich u. s. w.« ein, obgleich man außerdem beim Kelche dies Gebet verrichtet.

13) Am Einweihungs- und Purimfeste — füge man zur Dankformel —noch Worte über die Wunderthaten, ec. hinzu. Fällt dieses Fest mit dem Sabbat zusammen, so wiederhole man die Worte über die Wunderthaten im Mussaph-Gebete ebenso, wie in allen anderen.

14) An allen Fasttagen, und wäre es auch nur ein Einzelner, der da fastet, — hat man zu der Formel: »Der Du das Gebet erhörest,« noch die Worte »o antworte uns...«, einzuschalten. Der Vorbeter hat daraus eine besondere Segnungsforsmel, zwischen den Formeln, über die Erlösung und über die Heiligung, zu machen. Er schließe dieselde mit den Worten: »Der antwortest zur Zeit des Drangsals«. Demnach hat er also zwanzig Segnungsformeln zu beten. — Am neunten Tage des Monats Ab, (dem Zerstörungstage von Jerusalem), hat man bei der Formen: »Der Du Jerusalem erbauest« hinzuzufügen: «Erbarme Dich Ewiger, unser Gott über uns, wie über Dein ganzes Volk Israel und über Deine Stadt Jerusalem, die trauernde Burg« u. s. w.

15) Den ganzen Winter hindurch — hat man bei der zweiten Segensformel zu sagen: »Der Du den Regen heruntersendest«, im Sommer aber »der Du den Thau herabschickst.« Wann fängt man an »der Du den Regen herunter sendest« zu sprechen? Antwort: Vom Mussaph-Gebet des letzten Tages des Laubhüttenfestes an, bis zum Morgengebet des ersten Tages des Pessachfestes. Aber mit dem Mussaph-Gebete des ersten Tages des Pessachfestes fängt man statt dessen an: »Der Du den Thau herunterschickest...«, zu sagen.

16) Vom siebenten Tage im Monate Cheschwan an, bete man noch um Regen bei der Segensformel über das Gedeihen der Felder, und zwar, so lange man in der zweiten Gebetsformel des Regens Erwähnung thut. Dies gilt aber blos im heiligen Lande, in Babylonien (Sinaar) hingegen, so wie in Syrien und Aegypten, in den umliegenden Gegenden, und drgl. Ländern, fange man erst am sechzigsten Tage, nach dem Einritt des herbstlichen Jahresviertels an, um Regen zu beten.

17) In Gegenden, die des Regens im Sommer bedürftig sind, z. B. auf den Inseln in fernen Meeren, bete man um ‎‎Regen, so oft man dessen benöthigt ist, und zwar in der Segensformel »der Du Gebete erhörest«. An Orten, wo man jeden Festtag zwei Tage lang feiert, fange man erst beim Mussaph-Gebet des achten Tages des Laubhüttenfestes an: »Der Du den Regen heruntersendest« zu sagen, was man dann den ganzen Winter hindurch fortsetzt.

18) Das ganze Jahr hindurch wird die dritte Segnungsformel mit: »Du heiliger Gott« beschlossen, und die eilfte - mit »König, der Du Recht und Gerechtigkeit liebest.« An den 10 Tagen aber, vom Neujahrstage bis zum Schluße des Versöhnungstages, beschließe man die 3-te Segnungsformel mit »o Du heiliger König», und die 11-te »Du König der Gerechtigkeit.«

19) Es giebt Orte, wo es Sitte ist, an den genannten 10 Tagen in die erste Segensformel die Worte ,»gedenke unserer zu Leben», - in die zweite: »wer ist wie Du, o Vater der Barmherzigkeit, u. s. w.«, und in die Dankformel «erinnere Dich Deines Erbarmens u. s. w.« einzuschalten. Auch fügt man gewöhnlich zur letzten Segensformel die Worte hinzu »in das Buch des Lebens....« Ebenso giebt es Orte, wo man an den genannten 10 Tagen noch in die dritte Segensformel einschaltet »und also thue Deine Furcht auf alle Deine Geschöpfe u. s. w.« Aber am Neujahrs- und Versöhnungstage, ist es schon zur allgemeinen Sitte geworden, zur dritten Segensformel die Worte »thue Deine Furcht...«, hinzuzufügen

Drittes Capitel.

1) Das Morgengebet beginne man mit Sonnenaufgang; die ganze Zeit aber, während welcher allein man es Verrichten darf, dauert bis zu Ende der vierten Tagesstunde, also eint Drittel des ganzen Tages. Wenn man diese Zeit absichtlich, oder in Folge eines Irrthums versäumte, und jenes Gebet erst in dem Zeitraume von der vierten Stunde, bis zu Mittag, verrichtete, so hat man zwar der Pflicht des Betens im Allgemeinen Genüge geleistet, aber nicht des zeitmäßigen So wie nämlich das Gebet überhaupt ein Gebot der Schrift ist, ebenso ist es auch eine durch die Ueberlieferung uns zu Theil gewordene Vorschrift, dasselbe zu der Zeit zu verrichten, welche unsere Weisen und Propheten dafür beistimmten.

2) Wir haben bereits oben erwähnt, daß das Mincha-Gebet dem täglichen Nachmittags-Opfer, der Zeit nach, entsprechen da aber dieses Nachmittags-Opfer jeden Tag — dreißig Minuten nach der neunten Tagesstunde dargebracht wurde, — so bestimmte man auch, daß das Mincha-Gebet — dreißig Minuten nach der neunten Tagesstunde zu beginnen habe; und dasselbe Gebet, um diese Zeit — wird das kleine Mincha-Gebet genannt. Weil jedoch am Tage vor dem Pessachfeste, wenn derselbe auf einen Freitag fällt, das tägliche Nachmittags-Opfer dreißig Minuten nach der sechsten Tagesstunde dargebracht wird, so bestimmte man auch, daß, wenn Jemand das Mincha-Gebet dreißig Minuten nach der sechsten Tagesstunde beginnt, er seiner Pflicht genügt habe, und daß um diese Zeit die Verpflichtung zum Mincha- Gebet eintrete. Das um diese Stunde verrichtete Gebet, heißt nun das große Mincha-Gebet.

3) Mehrere Männer pflegten zugleich, das große und dass kleine Mincha-Gebet, zu verrichten, so daß das eine von beiden, als freiwillige Darbringung galt. Einige von den Geonim aber lehrten, daß man nur das große Mincha-Gebet als freiwillige Darbringung betrachten dürfe. Dies geht auch schon daraus hervor, daß das große Mincha-Gebet nur eines außerordentlichen Falles willen angeordnet wurde. Hat man jedoch das große Mincha-Gebet der Pflichterfüllung wegen verrichtet, so darf man das kleine nur als eine freiwillige Darbringung betrachten.

4) Aus Obigem geht nun: hervor, daß die Zeit des großen Mincha-Gebets von dreißig Minuten nach der sechsten, bis dreißig Minuten nach der neunten Tagesstunde sich ausdehne. Die Zeit des kleinen Mincha-Gebets hingegen — erstreckt sich von der zweiten Hälfte der zehnten Stunde, bis fünf Viertelstunden vor Tagesschluß; jedoch kann man das Gebet auch bis zu Sonnenuntergang verrichten.

5) Die Zeit des Mussaph-(Zugabe-)Gebets ist — vom Schluß des Morgengebets. an, bis zur siebenten Tagesstunde. Wer dasselbe jedoch nach der siebenten Tagesstunde verrichtet, sogar wenn er die Zeit muthwilliger Weise versäumt haben sollte, kommt desohngeachtet seinen Verpflichtungen, in Bezug
auf dieses Gebet, hinreichend nach: weil dasselbe im Nothfalle den ganzen Tag über verrichtet werden kann.

6) Die Zeit des Abend-Gebets erstreckt sich vom Beginne der Nacht, bis zur Morgenröthe. Das Gebet an und für sich aber, ist nicht als Pflichterfüllung, sondern nur als freiwillige Darbringung zu betrachten. Die Zeit des Schlußgebets (am Versöhnungsfeste) wird durch den Umstand bedingt, daß dasselbe kurz vor Sonnenuntergang beendigt werden muß.

7) Wer ein Gebet vor der, für dasselbe — festgesetzten Zeit verrichtet, erfüllt seine Pflicht dadurch nicht, sondern muß dasselbe noch einmal, und zwar zur gehörigen Zeit, beten. Wenn man jedoch in dringenden Fällen das Morgengebet gleich nach der Morgendämmerung betet, so ist das wohl als eine Erfüllung der Pflicht zu betrachten. Das Gebet der Sabbat-Nacht hingegen, kann man sogar am Freitag, vor Sonnenumtergang, verrichten. Ebenfalls kann man, das Gebet des Sabbat-Ausgangs noch am Sabbat verrichten, denn, da das Abendgebet überhaupt eine freiwillig ‏Darbringung‎ ist, so braucht man es mit der dafür bestimmten Zeit nicht so genau zu nehmen; blos hat man den Satz: »Höre Israel« zur gehörigen Zeit, nämlich sobald die Sterne am Himmel erscheinen, zu lesen.

8) Wer die zu einem Gebet bestimmte Zeit vorsätzlich verstreichen ließ, der kann sein Vergehen durch kein Ersatzgebet wieder gutmachen. Geschah es aber in Folge eines Versehens, oder war man gezwungen und durch den Drang der Umstände genöthigt, es zu unterlassen: so hole man es beim nächstfolgenden Gebete nach, und zwar so, daß man zuerst das für diese Zeit verordnete, und dann erst das Ersatzgebet verrichtet.

9) Wenn z. B. Jemand irrthümlicher Weise das Morgengebet nicht bis zur Mittagszeit verrichtet, — so halte er ein zwiefaches Mincha-Gebet, zuerst nämlich das für die Nachmittagszeit, und dann — das zum Ersatz für das Morgengebet bestimmte. Hat man aus Versehen das Nachmittagsgebet nicht vor‎ ‎Sonnenuntergang verrichtet, so bete man ein doppeltes Abendgebet, und zwar das erste als Abendgebet, und das andere als Ersatz für das Mincha-Gebet. Hat man endlich das Abendgebet bis zur Morgenröthe versäumt, so verrichte man ein zwiefaches Morgengebet, das erste nämlich für den Morgen und das andere als — Ersatz für das Abendgebet.

10) Hat man aber zwei aus einander folgende Gebete versäumt, so ist nur das zweite zu ersetzen, z. B. wenn Jemand irrthümlicher Weise, weder das Morgen-, noch das Mincha-Gebet verrichtete: so liegt ihm ob, ein zwiefaches Abendgebet zu halten, wovon das erstere, für den Abend, und das zweite als Ersatz für das Mincha-Gebet gilt. Das versäumte Morgengebet aber, kann nicht mehr nachgeholt werden, weil dies für dasselbe bestimmte Zeit schon abgelaufen ist; und so verhält es sich auch mit den anderen Gebeten.

11) Kommen auf dieses Weise dass Mincha- und das Mussaph-Gebet zusammen, so verrichte man zuerst das Mincha-Gebet, Und dann erst das Mussaph-Gebet. Jedoch giebt es Gelehrte, welche es nicht für angemessen halten, daß dieses von Seiten einer ganzen Gemeinde geschehe, damit man dadurch nicht irre werde.

Vierte Capitel.

1) Das Gebet, obgleich durch die Zeit geboten, bedingt außerdem noch fünf unumgängliche Erfordernisse. Die Reinigung der Hände, die Bedeckung der Blößen, die Reinigung des Ortes, wo das Gebet statt findet, die Entfernung der zerstreuenden Gegenstande, und die Inbrunst des Herzens.

2) In Betreff der Reinigung der Hände finden folgende Bestimmungen statt. Man benetzt die Hände mit Wasser bis zum Gelenk, und verrichtet alsbald das Gebet. Befindet sich aber Jemand, wenn die Zeit zum Beten eintritt, unterwegs, und es ist kein Wasser vorhanden, so kommt es darauf an, ob zwischen ihm und dem Wasser blos eine Strecke von vier Mil, oder achttausend Ellen, sich befindet, in welchem Falle er verpflichtet ist, bis zum Wasser zu gehen, dort die Hände zu waschen, und dann zu beten. Ist aber die Entfernung größer, so findet blos die Verpflichtung statt, die Hände mit Spänen, Sand, oder an einem Balken abzuwischen, worauf dann das Gebet statt finden kann.

3) Obige Verpflichtung tritt jedoch nur dann in Kraft, wenn‎ das Wasser sich vor dem Gehenden befindet; ist es hinter ihm, so ist er nur dann verpflichtet umzukehren, wenn es bis zu einer Mil entfernt ist. Beträge die Entfernung mehr als eine Mil, so wischt man blos die Hände rein, um beten zu können.

4) Hingegen besteht die Verpflichtung zum bloßen Waschen der Hände, nur bei den nicht am Morgen statt findenden Gebeten. Beim Morgengebete hingegen, hat man Gesicht, Hände und Füße zu waschen, um beten zu können. Ist aber Jemand (beim Morgengebet) vom Wasser entfernt, so wischt er blos seine Hände ab, und betet darnach.

5) Alle als unrein Erklärten haben auch blos ihre Hände zu waschen, ebenso wie die Reinen, und können alsdann ihr Gebet verrichten; denn die völlige Untertauchung, obgleich sie möglicherweise ausgeführt werden könnte, um die gesetzlich erklärte Unreinheit aufzuheben, ist beim Gebete nicht nothwendig *).

*) Der Schluss dieses Paragraphen, wie‏ auch die wei folgenden, sind als ‎dem Zwecke eines Schulbuches nicht entsprechend, hier weggelassen.‏

7) In Betreff der Bedeckung der Blößen finden folgende Bestimmunan statt: Eigentlich muß außer der beim Lesen des Satzes: »Höre Israel« festgesetzten Bedeckung der Blößen, beim Gebet - auch noch die Brust bedeckt werden. Hat man jedoch die Brust nicht bedeckt, oder war man gezwungen es zu unterlasse, oder hat man Nichts, womit man sie bedecken könnte, so ist schon jene ursprüngliche Blößenbedeckung hinreichend. Von vorn herein aber, — darf man dies nicht thun;

8) In Betreff der Reinlichkeit des Ortes, wo das Gebet statt findet, ist folgendes festgesetzt. Man darf das Gebet nicht an einem unsaubern Orte, nicht in einer Badstube, — nicht an einem Misthaufen u. s. w. verrichten. In zweifelhaften Fällen muß man vor dem Gebet den Ort untersuchen. Im Algemeinen aber muß man sich in dieser Hinsicht an die Bestimmungen, welche beim Lesen des Satzes: »Höre Israel« getroffen wurden, auch beim Beten halten. Ebenso ist das Maaß der Entfernung von unreinen Gegenstände, wie auch von Leichen und Körperblößen ganz dasselbe, wie auch beim Lesen des Abschnitts: »Höre Israel«.

9) Wenn Jemand sein Gebet verrichtet, und nachher an dem Platze, wo dasselbe statt fand; etwas Unreines wahrnimmt, so muß er zur Strafe dafür, daß er den Ort nicht vor dem Gebete untersuchte, dasselbe Gebet noch einmal an einem reinen Orte verrichten. Ist man aber im Gebete begriffen, während man das Unreine bemerkt, so verändere man — wo möglich — seine Stellung so, daß der unreine Gegenstand vier Ellen hinter dem Betenden bleibe: ist es aber nicht möglich, so trete man in diese Entfernung seitwärts, und erst wenn auch dies nicht angeht, breche man das Gebet ab. Die Größten unter unseren Weisen pflegten sogar nicht in einem solchen Hause zu beten, wo man Bier braute, oder Fische einsalzte, solange der chemische Prozeß dauert, weil an solchen Orten ein übler Geruch zu herrschen pflegt, obgleich der Ort rein bleibt.

10) In Betreff der zerstreuenden Gegenstände ist Folgendes bestimmt. Wenn Jemand eine Nothdurft verspürt, darf er nicht beten, und wenn er es dennoch thut, so ist sein Gebet verabscheut, und er hat nachher von Neuem das Gebet zu verrichten. Wenn der Drang nun nicht heftig war, hat er zwar nicht nöthig, ein zweites Gebet zu verrichten, jedoch darf Niemand sich von vorn herein anders zum Gebet anschicken, als bis er sich in aller Hinsicht gereinigt, und alle zerstreuenden Gegenstände beseitigt hat.

11) Es gilt als sehr unanständig, während des Gebetes wissentlich zu gähnen, sich zu dehnen, u. s. w. Kommt aber Einem dies unwillkührlich an, so bleibt es ohne Folgen. Wem sich, während des Gebets, der Speichel im Munde ansammelt, der entferne ihn mittelst eines Tuches, oder eines Gewandes. Wem aber dies beunruhigend, oder störend wird, der speie hinter sich. *)

*)Der Schluß dieses Parageaphen, wie auch die drei folgenden, sind als ‎für den Schulunterricht nicht geeignet, und blos kleine casuistische Fälle ent‎haltend, hier übergangen.‏

15) In Betreff der Inbrunst des Herzens ist Folgendes bestimmt. Jedes Gebet, welches ohne Andacht statt findet, ist nicht als Gebet zu betrachten. Hat Jemand sein Gebet ohne Andacht verrichtet, so muß er dasselbe nochmals andächtig wiederholen. Findet Jemand, daß seine Gedanken verwirrt, und sein Herz abgewendet ist, so ist es ihm verboten zu beten, bis sein Geist sich beruhigt. Daher darf Jemand, der von der Reise kommt, und müde oder leidend ist, nicht früher beten, als bis er sich beruhigt hat. Die Weisen sagten, man möge drei Tage anhalten, bis man völlig gerastet und seinen Geist beruhigt habe, und dann erst beten.

16) Unter Andacht versteht man, daß der Betende alle fremden Gedanken ans seinem Herzen verbanne, und sich, als vor der Gottheit stehend, betrachte. Daher ist es nöthig, vor dem Anfang des Gebetes kurze Zeit niederzusitzen, und das Herz für die Andacht zu stimmen, dann aber sanft, und mit flehendem Tone, das Gebet zu sprechen. Keineswegs aber soll man das Gebet als eine Last betrachten, die man je eher desto lieber abschüttelt, — weshalb es auch nöthig ist, auch nach dem Gebete etwas niederzusitzen, und dann erst sich zu entfernen. Die Frommen früherer Zeiten pflegten eine Stunde vor dem Gebete, und eine Stunde nach dem Gebete zu verweilen, auch eine Stunde mit dem Gebete selbst zuzubringen.

17) Ein Betrunkener darf nicht beten, weil bei ihm keine Andacht statt finden kann. That er es dennoch, so ist sein Gebet verabscheuungswürdig, und er hat es deshalb zu wiederholen, sobald er wieder nüchtern geworden. Wer blos einen kleinen Rausch hat, darf zwar eigentlich auch nicht beten, that er es indeß, so wird sein Gebet als solches betrachtet. Wen bezeichnet man als einen Betrunkenen? Antwort: Denjenigen, welcher nicht im Stande seyn würde, vor einem Könige zu sprechen, während Derjenige, welcher nur einen kleinen Rausch hat, dies wohl noch ohne Fehler bewirken könnte. Im Allgemeinen jedoch darf Niemand beten, der ein Viertel Maaß Wein getrunken, bevor nicht sein Rausch vorüber ist.

18) Eben so wenig ist es gestattet, das Gebet zu beginnen: mitten im Gelächter, bei leichtsinnigen Handlungen, unter frivolen Gesprächen, unter Zanken oder bei Verdruß, sondern blos bei Worten der Thora. Selbst bei gerichtlichen Verhandlungen, wiewohl dieselben als zur Thora gehörig angesehen werden, ist es verboten, das Gebet zu beginnen, da die Gedanken des Betendem in solchem Falle, zu sehr mit der obschwebenden Streitfrage beschäftigt sind. Es ist deshalb nur bei solchen Worten der Thora gestattet, das Gebet zu beginnen, welche kein besonderes Nachdenken erfordern, z. B. bei den bestimmten Traditionen, die blos für gewisse Tage im bestimmten Gebete , z. B. das Zugabegebet am Neumondstage und die Feiertagsgebete muß man zuvor durchgehen, und dann erst verrichten, damit man während derselben sich nicht zu unterbrechen brauche. Befindet sich Jemand an einem Orte, wo seine Sicherheit gefährdet ist, z. B. wo wilde Thiere, oder Räuber sich aushalten, und die Zeit des Gebetes nahet heran, so spreche er blos, eine Segensformel, nämlich: »Der Bedürfnisse Deines Volkes Israel sind viele, sein Verstand aber ist zu ohnmächtig: daher möge es Dein Wille seyn, Ewigen unser Gott, einem Jeden unter uns zu seiner Nahrung zu verhelfen, und jedem Körper das ihm Fehlende zu geben. Es geschehe, was Dir wohlgefällig ist. Gelobt seyst Du, Ewiger, der Du das Gebet erhörest!« Diese Segensformel kann man auch unterwegs gehend sprechen. Gestatten es die Umstände nur irgend, dabei stehen zu bleiben, so thue man es. Sobald man aber einen bewohnten (sicheren) Ort erreicht, und sich wieder beruhigt hat, verrichte man das gehörige, aus neunzehn Segensformeln bestehende Gebet.

Fünftes Capitel.

1) Wiederum acht Dinge hat der Betende besonders zu berücksichtigen und zu beobachten, deren Unterlassung jedoch, im Falle einer Entfernung, eines Zwanges oder eines Vergehens, nicht hinderlich seyn würde; nämlich: die aufrechte Stellung, die Richtung des Gesichts gegen den Tempel, die Haltung des Körpers, die Anordnung der Kleider, die des Ortes, wo man betet, der Ton der Stimme, die Verbeugung und das Niederknieen.

2) In Betreff der aufrechten Stellung ist Folgendes festgesetzt. Man darf eigentlich das Gebet nicht anders als stehend verrichten. Befindet man sich auf einem Schiffe, oder in einem Wagen, so stehe man beim Gebet auf, sobald dies irgend möglich ist, wo nicht, so verrichte man das Gebet sitzend. Ein Kranker kann das Gebet sogar, auf einer Seite liegend, verrichten, darf aber überhaupt nur dann beten, wenn er seine Gedanken zur Andacht zu stimmen im Stande ist. Ebenso ist ein Durstiger oder Hungriger zur Kategorie des Kranken zu rechnen, so daß beide nur dann zu beten verpflichtet sind, wenn sie ihre Gedanken zur Andacht stimmen können, wo nicht, so mögen sie erst dann beten, wenn sie gegessen und getrunken haben. Ist Jemand im Reiten begriffen, so steige er beim Gebete nicht ab, wenn auch eine Person zur Hand seyn sollte, welche das Thier unterdessen halten könnte; vielmehr verrichte man dann das Gebet sitzend, damit die Gedanken nicht gestört werden.

3) Das Gesetz über die Richtung gegen den Tempel befiehlt jedem, außerhalb Israels Befindlichen, sein Antlitz dorthin zu wenden, jedem Dortigen aber nach Jerusalem, und wiederum jedem hier Wohnenden, nach dem Tempel, denen aber, die sich im Tempel selbst befinden, ihr Angesicht nach dem Allerheiligsten zu richten. Ein Blinder, ein der Weltgegenden Unkundiger, oder ein zu Schiffe sich Befindender, erhebe sein Herz zu dem Herrn und bete.

4) Die Haltung des Körpers beim Gebete verlangt, daß man die Füße neben einander halte, die Augen niederschlage, als blicke man zur Erde, das Herz nach oben richte, als stände man im Namen Gottes da, die rechte Hand auf die linke lege, und wie ein Knecht vor seinem Herrn, voll Furcht, Achtung, und Angst dastehe, nicht aber mit in die Seite eingestemmten Händen.

5) Unter Ordnung der Kleider versteht man ihre Reinlichkeit und Gefälligkeit, denn es heißt: Beuget euch vor Gott in der Schönheit des Heiligthums. Während des Gebetes halte man keine Last, bete nicht mit entblößtem Haupte oder barfuß, und zwar aller Orten, wo es Sitte ist, vor vornehmen Leuten nicht anders als in Beschuhung zu stehen. Niemals aber halte man beim Beten weder Denkbinden (Tefilin) noch Gesetzrollen (Tora) in der Hand, weil die dabei erforderliche Behutsamkeit die Andacht stört, noch Gefäße oder Gold; wohl aber ist’s erlaubt, beim Laubhüttenfeste den Palmenzweig in der Hand zu halten, da dieses Tagespflicht ist. Die Last auf dem Haupte, welche weniger als 4 Maaß enthält, lasse man nach hinten herabfallen, die mehr, lege man zur Erde und bete dann. Sitte der Gelehrten und ihrer Schüler ist es, blos im Weihungskleide gehüllt zu beten.

6) Der Ort beim Beten sey eine Vertiefung, und so, daß das Gesicht zur Wand gekehrt sey, wie auch bei geöffnetem Fenster, oder geöffneter Thüre, die im Hause gen Jerusalem liegen; denn es heißt (Daniel 6, 11): »Und die Fenster waren gen Jerusalem hin geöffnet«. Man bestimme ferner immer einen Ort zum Gebete, und halte dies weder in einer Ruine, noch hinter einer Synagoge, es sey denn, daß man in letzterem Falle das Gesicht nach derselben wende. Neben einem im Gebete Stehenden zu sitzen, ist ebenso wenig erlaubt, als bei ihm vorbeizugehen, es sey denn in einer Entfernung von vier Ellen.

7) Beim Gebete stehe man weder auf einer drei noch mehre Fuß hohen Erhöhung, Balken, Brett oder Stuhl. Ein hohes Gebäude von 4 Quadratellen im Umfang, — das bestimmendes Maaß eines Hauses ist — darf als ein oberer Stock angesehen, und zum Gebete benutzt werden; ebenso wenn es mit einer Umzäunung versehen ist, auch ohne 4 Quadratellen Umfang zu haben: weil dann die Abschüssigkeit nicht zu merken ist, und die Erhöhung einen eigenen Bereich bildet.

8) Arbeiter, die sich auf der Spitze eines gewöhnlichen Baumes, oder hoch an einer Wand zur Zeit des Gebetes besfinden, sollen hinabsteigen, um zu beten, und zur Arbeit zurückkehren; ausgenommen ist der Oliven- und Feigenbaum, auf welchen, wegen des mühsamen Herab- und Hinaufsteigens, das Gebet erlaubt ist. Arbeiten sie blos für Kost, so beten sie dreimal täglich, jedesmal das volle Gebet von neunzehn Segenssprüchen; arbeiten sie aber um Lohn, so sprechen sie blos das kurze Gebet «Habinenu«. In beiden Fällen aber kömmt es ihnen nicht zu, als Vorbeter aufzutreten, oder den priesterlichen Segen mit der Hand zu ertheilen.

9) Die Tonhaltung in der Stimme verlangt, daß man weder schreie im Gebete, noch daß man blos im Innern bete; man spreche vielmehr die Worte zwar aus, aber leise, damit der Betende sie selbst höre, keinesweges aber so laut, daß auch Andere seine Stimme hören. Dem Kranken, oder dem, der nicht anders andachtig seyn kann, ist zwar lautes Beten erlaubt, jedoch nicht in der Gemeindeversammlung, damit er die Anderen nicht störe.

10) Das Verbeugen und Niederknieen anlangend, hat der Betende in jedem Gebete fünf Mal das Knie zu beugen; nämlich: bei Anfang und Ende des ersten Segensspruches, und des Huldigungssegensspruches, wie auch beim Schlusse des Gebets, indem man drei Schritte rückwärts geht, den Friedensgruß zuerst links und dann rechts giebt, zuletzt — aber das Haupt mit einer Verbeugung erhebt. Die ersten vier Verbeugungen geschehen immer bei dem Worte «gelobt«, das Erheben des Hauptes beim Worte «Gott«. Dies gilt für gewöhnliche Personen. Der Hohepriester verbeugt sich am Anfang und Ende jedes Segenspruches. Der König bleibt vom ersten Segensspruche an gebeugt, bis zum Ende seines Gebetes.

11) Weshalb giebt man den Friedensgruß zuerst zur Linken? Weil diese des gegenüberstehenden Rechte ist. Stände man nun vor dem Könige, so müßte man die Abschiedsverbeugung zuerst zur Rechten und dann zur Linken des Königs machen; die Verordnung der Weisen aber lautet dahin, sich beim Gebete, wie beim Könige zu benehmen.

12) Jede Verbeugung soll alle Wirbel des Rückgrats bewegen, und dabei mag der Körper einen Bogen darstellen. Beugt man sich wenig, wenn dieses mit Anstrengung verbunden ist, so daß der Betende dem sich ganz Bückenden gleich zu achten wäre, so ist auch dies hinreichend.

13) Das Knieen wird wie folgt vollzogen: Nach dem Aufheben des Kopfes, bei der fünften Verbeugung, knieet man hin und berühret die Erde mit dem Gesichte, wodann die beliebigen Bitten verrichtet werden. Ueberall, wo von Verbeugung die Rede ist, versteht man darunter ein Beugen der Kniee nebst den Wirbeln, wo von Bücken — hinneigen des Gesichte zur Erde, unter Niederknieen aber das Ausbreiten der Hände und Füße in der Art, daß man mit dem ganzen Gesichte die Erde berührt.

14) Hinsichtlich des Niederknieens, nach dem Gebete, begnügen sich einige mit einem bloßen Bücken, andere hingegen knieen völlig nieder. Dies auf Steinen, außerhalb des des Tempels, zu thun - ist verboten, wie wir in der Abhandlung über den Götzendienst bereits erklärt. ‏Ein angesehener Mann darf nur dann aufs Gesicht fallen, wenn er sich bewußt ist, so fromm wie Josua zu seyn; sonst beuge er nur ein wenig sein Gesicht und berühre nicht damit die Erde. Es steht frei, an einem Orte zu beten, und am andern aufs Gesicht zu fallen.

15) Allgemeine Sitte ist es unter den Israeliten, daß man weder am Sabbat, noch an Feiertagen, noch an den Neujahrs- oder Neumondstagen, noch am Makkabäerfeste (Chanuka), Purimfeste(Losungsfest), wie auch nicht am Nachmittagsgebete zum Vorabend des Sabbats und der Feiertage, noch in den Abendgebeten überhaupt — auch nicht an gewöhnlichen Tagen — auf das Gesicht falle. Doch giebt es manche, die beim Abendgebete wohl aufs Gesicht fallen. Blos am Versöhnungstage allein thue es ein jeder, und zwar bei jedem einzelnen Gebete, weil dieser ein Tag des Flehens, Betens und Fastens ist.

Sechstes Capitel.

1) Es ist dem Israeliten verboten, hinter der Synagoge, während die Gemeinde ihr Gebet verrichtet, wegzugehen, den Fall etwa ausgenommen, da er eine Last trägt, oder wenn die Synagoge von zwei Seiten Thüren hat: weil man alsdann glauben könnte, daß der Vorübergehende nicht hinweggeht, sondern von einer andern Seite in die Synagoge zu treten wünscht. Ebenso verhält es sich, wenn in der Stadt zwei Synagogen vorhanden sind: weil man alsdann glauben könnte, daß der an der einen Vorübergehende sich nach der anderen begeben wolle, die er gewöhnlich zu besuchen pflege. Ebenso darf derjenige, welcher die Stirndenkbinde (Tefilin) angelegt hat, an einer Synagoge vorübergehen, wenn auch jene Ausnahms-Bedingungen da nicht Statt finden: weil die Denkbinde selbst gleichsam Zeugniß ablegt, daß man eher einer guten That nachgehe, als sich des Gebets entschlagen wolle.

2) Wer das Gebet mit der Gemeinde verrichtet, dehne dasselbe nicht zu weit aus: was ihm aber freisteht, wenn er allein betet. Nach dem Gebet aber bleibt es einem Jeden überlassen, sogar ein Sündenbekenntniß, wie am Versöhnungsstage, im Stillen abzuhalten. Ebenso darf man zu jedem der mittleren Segenssprüche Worte von entsprechendem Inhalte hinzufügen.

3) Dies kann man in folgender Weise bewirken. Wem Jemand erkrankte, der kann bei Gelegenheit des Segensspruchs für Kranken-Herstellung, je nach seiner Fähigkeit, um Erbarmen für jenen Kranken flehen. Wem es an Nahrungsmitteln fehlt, der kann seine Bitten und Wünsche der Segens-Formel über die jährliche Ernte hinzufügen, und so fort bei jedem von den mittleren Segenssprüchen. Ueberdies kann man bei dem Segensspruche: »Der Du das Gebet erhörest« um Gewährung sämmtlicher Bedürfnisse bitten. Keineswegs aber ist es gestattet, dies bei den drei ersten, oder bei den drei letzten Segensformeln zu thun.

4) Es ist dem Israeliten verboten, nach Sonnenaufgang irgend Etwas zu genießen, oder eine Arbeit zu unternehmen, bevor er das Morgengebet verrichtet. Ebenso wenig ist es ihm alsdann gestattet, zu seinem Genossen sich zu begeben, um denselben zu begrüßen, bevor er sein Morgengebet verrichtet. Auch soll man keine Reise antreten ohne vorher gebetet zu haben. Wohl aber steht es jedem frei, vor dem Zugabe-, wie auch vor dem Mincha Gebet Etwas zu genießen, oder eine Arbeit zu unternehmen; jedoch ist es untersagt, sich kurz vor dem Mincha-Gebete zu einer vollen Mahlzeit niederzusetzen

5) Sobalt die Zeit des großen Mincha-Gebetes eintritt, begebe man sich nicht in die Badstube, selbst wenn es nur geschehe, um sich in Schweiß zu bringen, ohne vorher gebetet zu haben: denn man könnte in Ohnmacht fallen und auf diese Weise das Gebet vernachlässigen. Ferner darf man sich nicht zum Essen niedersetzen, wäre es auch nur ein bloßer Zubiß, weil man dadurch zu sehr abgelenkt werden könnte; ebenso ist es untersagt, um diese Zeit gerichtliche Verhandlungen vorzunehmen, selbst wenn der Urtheilsspruch schon nahe bevorstehen sollte: weil das Urtheil möglicher Weise noch umgestoßen, die Angelegenheit sonach verzögert, und das Gebet auf diese Weise vernachlässigt werden könnte. Ebenso setze man sich um diese Zeit bei einem Haarscheerer nicht nieder, ohne vorher gebetet zu haben, selbst dann nicht, wenn man sich nur einfach das Haar abscheeren lassen wollte: weil zu besorgen steht, daß die Scheere zerbrechen könnte. Ferner gehe man kurz vor dem Minchagebet nicht in seine Gerberei, ohne vorher gebetet zu haben, weil zu besorgen steht, daß man einen Fehler an der Arbeit bemerken, sich damit beschäftigen, und so vom Gebet abgehalten werden könnte. Hatte man aber bereits eins von diesen Geschäften angefangen, so unterbreche man sich nicht, sondern beschließe dasselbe und verrichte dann das Gebet.

6) Was wird nun als Anfang der Beschäftigung betrachtet? Antwort: Beim Scheeren, das Umlegen des Scheerhemdes, beim Baden, das Ablegen des zunächst auf dem Körper besfindlichen Kleides; beim Gerben, das Umbinden des Schutzes, wie es bei den Handwerkern üblich ist; als Anfang des Essens aber — gilt bei den Bewohnern des Landes Israel das Waschen der Hände und, bei den Babyloniern — Ablegen des Gürtels; endlich aber als Anfang einer Gerichtsverhandlung — die Umhüllung der Richter mit dem Weihekleide und ihr Niedersitzen. Hatten die Richter sich lange vorher niedergesetzt, so gilt als Anfang das Vorberingen der Klage von Seiten einer der streitenden Parteien.

7) Obgleich das Abendgebet ein freiwilliges ist , spreche doch Niemand, der von seinem Geschäfte nach Hause zurückkehrt: ich werde zuerst Etwas essen, ein wenig schlafen und dann beten; denn der Schlaf könnte ihn überwältigen,‎ ‎so daß ihm die ganze Nacht darüber verginge. Daher hat man vorher vielmehr das Abendgebet zu verrichten, und soll dann erst essen, trinken oder schlafen. Vor dem Morgengebet aber es ist erlaubt, sich scheeren zu lassen und in die Badstube zu gehen: denn die Weisen haben dieses Verbot, nur mit Bezugnahme auf die Zeit, vor dem Mincha-Gebet ergehen lassen, weil zu dieser Zeit die meisten Menschen dorthin sich zu begeben pflegen. Am Morgen aber ist dies etwas ganz Ungewöhnliches, weshalb auch in dieser Beziehung keine Bestimmung getroffen wurde.

8) Wer mit dem Studium des Gesetzes beschäftigt ist, während die Zeit des Gebets herannaht, unterbreche sein Studium und bete. War aber das Studium seine einzige Beschäftigung, so daß er mehr keine andere Arbeit, als das Studium der Thora kennt, und hatte er sich zur Zeit des Gebetes gerade ins Studium der Thora vertieft: so unterbreche er sie nicht, — indem das Studium der Thora viel wichtiger ist, als das Gebot zu beten. Derjenige, welcher sich mit Gemeindeangelegenheiten beschäftigt, wird demjenigen gleichgeachtet, welcher sich mit dem Studium der Thora beschäftigt.

9) Der Betende unterbreche sein Gebot nur im Falle einer Lebensgefahr. Sah Jemand Schlangen oder Skorpionen auf ihn zukommen, so kommt es darauf an, ob ihr Biß im Lande tödtlich zu wirken pflegt, in welchem Falle er das Gebet abbreche und hinwegeile. Sind sie aber dort nicht bösartig, so unterbreche man das Gebet nicht.

10) Frauen, Knechte und Minderjährige sind zum Gebet verpflichtet, wer aber den Abschnitt »höre Israel « nicht zu lesen nöthig hat, ist auch vom Gebet überhaupt befreit. Auch sind Diejenigen, welche einen Todten begleiten, selbst wenn man ihrer zur Bestattung nicht bedarf, frei vom Gebet.

Siebentes Capitel.

1) Als die Weisen diese Gebete anordneten, führten sie zugleich auch noch andere Segenssprüche ein, welche jeden Tag gesprochen werden müssen. Wenn man sich nämlich Abends zu Bett begiebt, sage man: »Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Du Fesseln des Schlafes meinen Augen anlegst, und sanften Schlumer auf meine Blicke niedersendest, zugleich aber auch das innere Auge erleuchtest. Es sey einst Wille vor Deinem Angesichte, o Ewiger, mein Gott, daß Du mich vor bösen Gedanken, wie auch vor bösen Zufällen errettest. Möchten mich weder böse Träume noch böse Gedanken erschrecken, möchte mein Ruhebett vor Dir unversehrt bleiben, erhebe mich wieder zum Leben und zum Frieden, und erleuchte meine Augen, damit ich nicht den Todesschlaf schlafe. Gelobt seyst Du, Ewiger, der Du das ganze Weltall mit Deiner Ehre erleuchtest.«

2) Darauf lese man den ersten Theil des Abschnitts »höre Israel« und überlasse sich dann dem Schlafe*). Ueberwältigt Jemand der Schlaf zu sehr, so lese er wenigstens den ersten Vers hiervon, oder ein paar andere Verse des göttlichen Erbarmens, und schlafe alsdann ein.

*) Den Anforderungen der Sittlichkeit gemäß sind hier einige Worte weggelassen.

3) Beim Erwachen vom Schlafe spreche man, noch im Bette liegend, folgenden Segen: »mein Gott, die Seele, welche Du mir eingepflanzt, ist rein; Du hast sie erschaffen, gebildet und mir eingehaucht; Du erhältst sie in mir, Du wirst sie einst von mir nehmen, aber auch in späterer Zukunft mir wiedergeben. So lange jedoch die Seele in mir ist, bringe ich Dir meinen Dank dar, Ewiger, mein Gott, Herr alles Erschaffenen. Gelobt seyst Du, Ewiger, der Du die Seelen den todten Körpern wiedergiebst.«

4) Sobald man den Hahn krähen hört, spricht man folgenden Segensspruch:

»Gelobt seyst Du, Ewiger unser Gott, König der Welt, der Du dem Innern das Vermögen gegeben, zu unterscheiden zwischen Tag und Nacht.«

Beim Ankleiden bete man folgenden Segensspruch:

»Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Du die Nackten kleidest!«

Beim Anlegen der Kopfbedeckung spricht man:

»Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Israel mit Herrlichkeit krönt.«

Wenn man mit der Hand über die Augen fahrt — sage man:

»Der Du die Blinden sehend machst.«

Setzt man sich aufs Bett, so spricht man:

»Der Du die Gefangenen befreiest.«

Wenn man sich mit den Füßen, aus dem Bett aussteigend, auf die Erde stellt:

»Der Du die Erde über dem Wasser ausgedehnt hast«

Wenn man steht:

»Der die Gebückten aufrichtet.«

Beim Händewaschen:

»Der uns geheiligt durch seine Gebote, und uns befohlen die Hände zu waschen.«

Beim Waschen des Gesichts:

«Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Du die Binde des Schlafes mir von den Augen genommen, und die des Schlummers von meinen Blicken; es sey Dein Wille, Ewiger, mein Gott und meiner Väter Gott, mich an gute Thaten, und nicht an böse oder Sünden zu gewöhnen; und lasse über mir einen guten Genius, aber keinen bösen walten; stärke mich vielmehr in Deinen Geboten und laß mich Antheil nehmen an Deiner Lehre, lasse mich Gunst, Gnade und Barmherzigkeit finden vor Deinen Augen, wie auch vor den Augen Aller, die mich sehen, und schenke mir stets Deine Gnade. Gelobt seyst Du, Ewiger, der Du Gnade übest!«‎

5) * ..... Nach der körperlichen Reinigung spricht man:

«Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Du den Menschen in Weisheit erschaffen, und in ihm Oeffnungen und Höhlungen geschaffen hast. Offenbar ist es, und vor dem Throne Deiner Herrlichkeit bekannt, daß wenn eine von diesen sich öffnen, oder eine von jenen sich schließen würde, der Mensch sich alsdann unmöglich erhalten, noch vor Dir bestehen könnte. Gepriesen seyst Du, Ewiger, der Du allem Fleische Heilung spendest, und wunderbar waltest.«

*)‎Der Anfang dieses Paraptaphen ist als heutzutage überflüssig, und für ‎die Schule nicht geeignet, weggelassen‏

6) Beim Umlegen des Gurtes spricht man den Segensspruch:

»Der Du Israel mit Heldenthum umgürtest.« Beim Anziehen der Schuhe: »Der Du mich mit allen Bedürfnissen versorgtest.« Schickt man sich zur Reise an, so spricht man: »Der Du die Schritte des Menschen lenkst.« Und täglich spricht man die Segenssprüche: »Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, Konig der Welt, dafür daß Du mich nicht als Heiden geschaffen!« »Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, daß Du mich nicht als Weib geschaffen! Gelobt seyst Du Ewiger unser Gott, König der Welt, daß Du mich nicht als Knecht geschaffen!«

7) Diese 18 Segenssprüche haben keine bestimmte Ordnung, sondern sie werden je nach den Umständen, und zwar nur aus bestimmte Veranlassung gesprochen, wenn man, z. B. nach dem Aufstehen den Gurt umlegt, spreche man den Segen: »Der Du Israel mit Heldenthum umgürtest»; hört man den Hahn krähen, so spreche man den Segen: »Der Du dem Innern das Vermögen gegeben« u. s. w. Ist die Veranlassung zu einem solchen Segensspruche nicht vorhanden, so wird derselbe auch nicht gesprochen.

8) Schlief man z. B angekleidet, so spreche man nicht beim Aufstehen: »Der Du die Nackten kleidest.« Geht man barfuß, so spreche man nicht: »Der mir alle meine Bedürfnisse giebt.« Am Versöhnungstage, am neunten des Monats Ab, wo das Waschen nicht statt findet, spreche man ebenso wenig den « Segensspruch vom Waschen der Hände, als den: »Der Du die Binde des Schlafes von meinen Augen genommen.«

Hat man seine Nothdurft noch nicht verrichtet, so spreche Man nicht den Segen: »Der Du den Menschen in Weisheit erschufst« u. s. w Und ebenso verhält sich’s mit allen diesen Segenssprüchen.

9) Es ist zwar in den meisten israelitischen Städten Sitte, diese Segenssprüche hinter einander in der Synagoge herzusagen, ohne alle Rücksicht darauf, ob eine Verpflichtung dazu vorhanden sey oder nicht; aber dies geschieht nur in Folge eines Irrthums, und man thut nicht wohl daran, es nachzuahmen, vielmehr spreche man nur dann einen Segen, wenn die Verpflichtung dazu eintritt.

10) Steht Jemand früh auf, um die Thora zu lesen, bevor er das: »Höre Israel« gesprochen, so soll er, gleichviel ob es die geschriebene oder mündliche war, zuerst die Hände waschen, drei Segenssprüche sprechen, und dann erst lesen, nämlich, erstens: »Der uns geheiliget durch seine Gebote, und uns befohlen, die Thora zu studiren, mache, o Ewiger, unser Gott, die Worte Deiner Lehre angenehm in unserem Munde, wie auch im Munde Deines ganzen Volkes Israel«; zweitens: »Mögen wir, unsere Kinder und die Nachkommen Deines ganzen Volkes, stets Deinen Namen kennen, und Deine Thora studiren. Gelobt seyst Du, Ewiger, der Du Dein Volk Israel Gesetze lehrest«; drittens: »Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns aus allen Völkern erkoren, und uns seine Lehre gegeben. Gelobt seyst Du, Ewigen der Du uns die Lehre gegeben«.

11) Jeder ist verpflichtet täglich diese drei Segenssprüche zu beten, und dann etwas aus der Thora zu lesen; bereits ist es allgemein angenommen, die Segenssprüche der Priester zu lesen; an manchen Orten liest man den Abschnitt:
«Gebiete den Kindern Israel«, u. s. w. Noch an andern Orten liest man Beides zusammen, aber auch Abschnitte und Abhandlungen aus der Mischna und aus den Beraithoth

12) Denen spenden die Weisen besonders Lob, die jeden Tag die Psalmen, vom: »Das Lob Davids« an, bis zum Schluß der Psalmen lesen. Es ist aber schon längst allgemeine Sitte, vor und nach diesen Psalmen noch andere Verse zu lesen, voran aber eine Segensformel zu schicken, welche mit den Worten: »Gesegnet sey, Der da sprach« anfängt, und ebenso auch am Schluß eine andere Segensformel folgen zu lassen, welche mit den Worten: »Es werde gelobt« anfängt. Erst alsdann spricht man den Segen über, die Lesung des »Höre Israel» welche auch sofort vorgenommen wird.

13) Es giebt Städte, wo es gebräuchlich ist, jeden Tag nach der Segensformel: »Es werde gelobt«, das Lied vom rothen Meere zu recitiren, und erst alsdann den Segen über das »Höre Israel« zu sprechen. An andern Orten wiederum ist es Sitte, das Lied: »Vernehmet ihr Himmel« zu lesen. Wiederum giebt es einzelne Personen, welche beide obengenannte Lieder zugleich recitiren. Alles kommt hierbei nur auf den Gebrauch an.

14) Jeder Israelit ist verpflichtet, je hundert Segenssprüche innerhalb vierundzwanzig Stunden zu sprechen, nämlich: die in diesem Capitel ausgeführten drei und zwanzig, dann die der Lesung des »Höre Israel« vorangehenden, und nachfolgenden, welche, die vom Abend und die vom Morgen zusammengenommen, sieben ausmachen. Bei dem Umnehmen des Schaufäden-Kleides (Talith) spricht man wieder den Segen: »Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt,‏ ‎Der uns geheiligt durch Seine Gebote, und uns befohlen‏ ‎das Schaufäden-Kleid (Talith) umzulegen«. Beim Anlegen der The‎philin spricht man: »Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, ‎König der Welt , Der uns geheiliget durch Seine Gebote, ‎und uns befohlen Thephilin anzulegen«. Dann folgen die‏ ‎drei täglichen Gebete, von welchen jedes achtzehn Segensformeln enthält; also, die seither genannten zusammengenom‎men, sechsundachtzig an der Zahl. Zu diesen kommen nun‏ ‎noch diejenigen, welche bei den zwei täglichen Mahlzeiten ge‎sprochen werden, hinzu, und zwar sieben Sprüche bei jeder‏ ‎Mahlzeit, zusammen also vierzehn, nämlich: ein Segenspruch‏ ‎beim Waschen der Hände, einer vor dem Essen, drei nach‏ ‎dem Essen, und zwei über den Wein, vor und nach dem Essen,‏ ‎folglich alle zusammengerechnet hundert Segenssprüche.‏

‎15) Zu unserer Zeit, wo auch die Segensformel wegen der Atheisten ins Gebet ausgenommen worden, und auch noch im Segen über die Mahlzeit die vierte Formel »der Gute und Wohlthuende« vorkommt, haben wir fünf Formeln über die Zahl. An Sabbaten und Feiertagen an welchen nur Gebete von sieben Formeln verrichtet werden, oder auch an Wochentagen, die aber keine Gelegenheit darbieten, um Jemand zu den oben aufgezählten dreiundzwanzig Segenssprüchen zu verpflichten, z. B. wenn man eine Nacht nicht ‏schläft,‎ oder den Gurt nicht losbindet u. dgl, muß man die Zahl hundert bei dem Genusse der Früchte ergänzen.

16) Dies kann geschehen indem man Grünes genießt, wo man das ganze Quantnum in mehrere Teile theilt, um sie in kleinen Zwischenräumen zu genießen, und auf diese Weise die Segenssprüche vor und nach dem Genusse wiederholen zu können, bis die Zahl von hundert voll ist.

17) Die Ordnung der Gebete ist folgende: Des Morgens erhebe sich der Mensch frühzeitig, und spreche die obenangeführten Segensformeln, recitire dann die oben bezeichneten Psalmen, nebst den sie begleitenden zwei Segenssprüchen, halte hinauf die Lesung des »Höre Israel« nebst den dazu gehörigen Segnungen, überspringe aber dabei die Heiligung der ersten Segnung vor dem »Höre Jsrael«, indem ein einzelner die Heiligung nicht sprechen darf. Indem man nun auf diese Weise mit: »Der Israel erlöst« diese Lesung beschließt , erhebe man sich alsbald, um das Gebet unmittelbar auf die Erlösung folgen zu lassen, weil dasselbe doch nur stehends verrichtet werden darf, wie eben erklärt werden. Nach Beendigung des Gebetes setze man sich, falle auf’s Angesicht, bitte zu Gott, was Alles noch immer sitzend geschieht, erhebe dann das Haupt wieder bei fortgesetzten Bitten und lese den Psalm: »Lob Davids», spreche dann je nach Vermögen stehende Worte, und gehe seinen Geschäften nach.

18) Beim Mincha Gebet beginne man sitzend mit dem Psalme; »Lob Davids«, dann stehe man auf, um das eigentliche Mincha Gebet zu verrichten, nach dessen Beendigung man wieder aufs Angesicht fällt, Bitten an Gott richtet, das Haupt erhebt, unter fortgesetztem Flehen, je nach Kräften. Darauf kehre man zu seinen Geschäften zurück. Beim Abendgebete fange man mir der Lesung des »Höre Israel« an, und zwar mit Hinzufügung der vorangehenden und nachfolgenden Segenssprüche, lasse das Gebet wieder unmittelbar auf die Erlösung folgen, verrichte dasselbe stehends, setze sich aber nach dessen Beendigung ein wenig nieder, und gehe erst alsdann hinweg. Wer nach dem Abendgebete stehende Worte spricht, ist besonders znu loben. Obgleich man nach den Worten: »Der Israel erlöset« noch die Segensformel: »Laß uns ruhen« spricht, so ist dies nicht als eine Unterbrechng zwischen der Erlösung und dem Gebete zu betrachten, da beide bloß als eine einzige lange Segnung gelten.

Achtes Capitel.

1) Das Gebet einer ganzen Gemeinde wird immer vom Schöpfer erhört; der Heilige, gelobt sey Er, verachtet das Gebet der Menge nicht, wenn auch in derselben viele Sünder sind; daher ist es gut , wenn ein Jeder sich der Gemeinde anschlösse, auf daß er nicht allein das Gebet verrichte, sondern, wenn es, ihm nur möglich ist, mit der Gemeinde. Stets aber gehe jeder Jude Morgens und Abends in die Synagoge, denn das Gebet wird bloß in der Synagoge zu jeder Zeit erhört. Derjenige, welcher an seinem Orte eine Synagoge hat, aber dennoch nicht mit der Gemeinde sein Gebet verrichtet, heißt ein schlechter Nachbar (Einwohner).

2) Es ist die Pflicht eines jeden Juden in die Synagoge eilend zu gehen, denn es heißt: (Hos.‎ VI, 2) Wir wollen uns beeilen, den Ewigen zu erkennen. Beim Weggehen hingegen aus der Synagoge mache man keine beflügelten Schritte, sondern man gehe langsam aus derselben. Wenn man in die Synagoge gekommen, schreite man in derselben so weit vor, als das Interwall zweier gegenüberstehenden Thüren einnimmt, und bete alsdann, da man die Vorschrift zu erfüllen hat: »Zu hüten die Pfosten meiner Thüren.«

3) Das Beth-Hamidrasch steht in geheiligter Beziehung der Synagoge voran; die großen Gelehrten pflegten nur an dem Orte, wo sie sich mit der Thora beschäftigen, zu beten, obgleich an ihrem Wohnorte mehrere Synagogen waren. Jedoch hat jenes nur dann den Vorzug, wenn man in demselben das Gebet mit der Gemeinde zusammen verrichten kann.

4) Das Gebet der Gemeinde wird auf folgende Weise abgehalten: Eine Person betet laut, und die andern müssen stillschweigend zuhören; dies geschieht aber nicht anders, als vor einer Versammlung von nicht weniger als zehn erwachsenen freien Männern, unter welchen der Vorbeter als Mitglied zu betrachten ist. Wenn einige von den Zehnen ihr Gebet schon vorhin verrichtet, sich also ihrer Pflicht entledigt haben, können sie doch als Ergänzung zu der gesetzlichen Zahl der zehn mitgerechnet werden; jedoch nur in dem Falle, wenn die Meisten der zehn noch nicht gebetet haben. Man darf auch weder die Heiligung sprechen, noch zur Thora-Lesung, bei Segenssprüchen vor und nach derselben, schreiten, wenn die Versammlung nicht aus zehn Individuen besteht; die Zahl muß ebenfalls bei der Lesung der Haftara aus den Prophe‎ten beobachtet werden.

2) Ebenso darf man nur vor einer Gemeinde von wenigstens zehn Personen den Segensspruch: »Höre Israel« öffentlich hersagen, so daß ihn Alle hören, und dann mit Amen einfallen können; diese Vortragart eben heißt: die Anstimmung des »Höre Israel. « Auch darf nicht die Weihung vor weniger als zehn Personen gesprochen werden, ganz so haben die Ahroniden, bei der Ertheilung ihres Segens mit der Hand, auf die gesetzliche Anzahl der Gebetgemeinde zu sehen; sie selbst können auch mit in dieser Zahl begriffen ‏seyn; denn jede Versammlung von zehn Israeliten wird schon Gemeinde genannt, wie es heißt (4. B. M. XIV, 27): »Wie lange wird noch die so böse Gemeinde« etc.; wo doch nur von zehn die Rede war, indem Josua und Kaleb von diesen ausgenommen waren.

6) Auch jede andere öffentliche Heiligung darf nur vor einer solchen vollzähligen Israeliten-Gemeinde vollzogen werden, denn es heißt (3. B.M. XXII, 32). »Und ich werde geheiligt werden inmitten der Kinder Israel«. Sämmtliche oben angeführte, heilige Handlungen dürfen, wenn einmal bei einer Versammlung von zehn männlichen Individuen vorgenommen, von dem Rest vollendet werden, im Fall während der Verrichtung sich einige entfernt haben. — Diese Entfernung ist jedoch gegen das Gesetz.

7) Sämmtliche Mitglieder der Betgemeinde müssen sich an einem und demselben Orte befinden, wie auch der Gemeinde Vorbeter bei ihnen seyn muß. Ist ein kleiner Hof von einer Seite nach einem größern zu ganz geöffnet, und befinden sich im größern neun Mitglieder, im kleinern aber bloß einer, so können sie beiderseits zu einander gezogen werden; waren aber neun Männer im kleinen Hofe und Einer im größern, so dürfen sie nicht zur Vollzahl zusammengerechnet werden. Befand sich die Gemeinde im größern und der Vorbeter im kleinern Hofe, so ist die Handlung gesetzlich; war die Gemeinde im kleinern und der Vorbeter im größern, so haben sie sich ihrer Pflicht nicht entledigt; denn der Vorbeter wird als durch den Raum von ihnen abgeschieden, und folglich nicht als zu ihnen gehörig betrachtet, da der große Hof an den kleinern gränzend, nach beiden Seiten hin Verlängerungen bildet,‎ während im erstern Falle der kleine nicht als getrennt vom größern, sondern nur als eine Vertiefung desselben angesehn wird.

8) Wenn der große Hof schmutzig ist, so ist es verboten auch im kleinern zu beten, oder das »Höre Israel« zu lesen; ist aber bloß der kleine schmutzig, so darf man im größeren beten, oder das »Höre Israel« sagen, — da dieser als getrennt vom kleinern zu betrachten ist; außer etwa — es dränge ein übler Geruch vom kleinern Hof in den größern.

9) Der Gemeinde-Vorbeter hilft gleichsam der Menge ihrer Pflicht nachkommen, nämlich, wenn er betet und jene zuhörend mit Amen nach jedem Segensspruch einfällt, wird sie ebenfalls als mitbetend betrachtet; jedoch gilt dies nur für denjenigen, der nicht selbst zu beten versteht: wer es aber kann, kommt seiner Pflicht nicht anders nach, als wenn er selbst. betet.

10) Mit dem Gebete wird es jedoch nur an gewöhnlichen Tagen so strenge genommen, nicht aber am Neujahrs- und Versöhnungstage im Jubeljahre, an welchen beiden Tagen der Gemeinde-Vorbeter sowohl für die Kundigen, als der Schrift Unkundigen betet; diese Ausnahmen finden statt, weil die Segenssprüche an diesen Tagen sehr lang sind, und die meisten Schriftkundigen nicht im Stande wären, ihre Gedanken, so lange als der Vorbeter, zur Andacht zu stimmen.
Es steht daher an diesen beiden Tagen sogar dem Schriftkundigen völlig frei, sich auf den Vorbeter zu verlassen, da er, nach dem vorhergegangenen Satz, der Pflicht des Selbstbetens enthoben ist.

11) Man darf als Gemeinde-Vorbeter nur den, sowohl an Gelehrsamkeit, als durch Handlungen Vorzüglichsten, einsetzen. Besonders noch ist ein bejahrter Mann vorzuziehen; man muß sich aber bemühen als Gemeinde-Vorbeter einen Mann zu bestimmen, der eine angenehme Stimme hat und gut zu recitiren versteht. Ein bartloser Jüngling hingegen, und mag er noch so gelehrt seyn, trete nie als Gemeinde-Vorbeter auf, weil dieses die Ehre der Gemeinde beeinträchtigen könnte; aber man darf wohl das »Höre Israel« anstimmen, sobald man das dreizehnte Lebensjahr erreicht.

12) Ebenso wenig darf ein mit einem mangelhaften Sprachorgan Behafteter als Vorbeter fungiren, ein solcher, der etwa den Aleph wie Ain, oder Ain wie Aleph ausspräche, oder überhaupt die Buchstaben nicht deutlich und verständlich hervorbringen könnte. Der Lehrer darf einen seiner Schüler zum Vorbeter bestimmen; und dieser auch in jenes Gegenwart das Gebet verrichten. Ein Blinder darf sowohl das »Höre Israel« vortragen, als auch als Gemeinde-Vorbeter eingesetzt werden. Derjenige aber, dem die Schultern entblößt sind, darf zwar das »Höre Israel« anstimmen, jedoch nicht eher als Vorbeter auftreten, als bis er dieselben bedeckt hat.

Neuntes Capitel.

1) Die Ordnung des Gemeinde-Gebetes ist: des Morgens sitze die ganze Gemeinde, der Vorbeter trete an die Bundeslade, so daß er sich in der Mitte der Versammlung befinde, beginne alsdann die Heiligung zu sprechen, worauf die ganze Versammlung aus allen Kräften spricht: »Amen, der Name des Herrn sey gelobt ewig und immerdar«, und am Schlusse der Heiligung spreche die ganze Versammlung abermals »Amen«. Der Vorbeter fahre fort: »Preiset Gott den Gepriesenen«, worauf die Versammelten antworten: »Gelobt sey Gott, der ewig und immerdar gelobt wird.« Dann bete er mit lauter Stimme das »Höre Israel«, wobei nach jedem Segensspruche die Versammlung mit Amen einfällt. Wer aus der Gemeinde zu loben und mit dem Vorleser zu beten versteht, der lese bis jener den Segensspruch: »Der Israel erlöset hat« spricht.

2) Darauf erheben sich alle Anwesenden und beten leise. Der des Gebetes Unkundige bleibe schweigend stehen, bis der Vorbeter mit den Uebrigen leise das Gebet geendigt. Jeder dieser Betenden gehe dann drei Schritt rückwärts und bleibe an dem Orte, wo er hingelangt, stehen.

3) Nachdem auch der Vorbeter drei Schritte rückwärts gegangen und stehen geblieben, beginnt er von Neuem mit lauter Stimme die 18 Segenssprüche für diejenigen zu beten, die noch nicht gebetet, wobei alle Andern stehen, hören und nach jedem Segensspruche mit »Amen« antworten, und zwar alle ohne Ausnahme, ganz gleich ob sie schon ihrer Pflicht nachgekommen, oder nicht.

4) Im dritten Segensspruche spricht der Vorbeter die ‎Heiligkeit, bei welchen Worten jeder seine frühere Stelle ein‎nehmen darf. Kommt der Vorbeter zu den Worten: »Wir‏ ‎huldigen« und beugt sich, so verbeuge sich die ganze Versammlung ein wenig, wie sich ziemt und spreche: »Wir huldigen Dir, Ewiger unser Gott, und Gott jedes Geschöpfes,‏ ‎unser Schöpfer und Schöpfer alles Anfanges. Lob und Preis‏ ‎Deinem großen und heiligen Namen, daß Du uns geschafen und erhalten. Also erhalte uns gnädig fernerhin und‏ ‎bringe die Verbannten nach Deinem Heiligthum, um Deine‏ ‎Gesetze zu ehren und Dir mit Aufrichtigkeit zu dienen, und‏ ‎Deinen Willen mit lauterm Herzen zu erfüllen, weshalb wir‏ ‎Dir huldigen«. Der da wiederholt: »Wir huldigen, wir huldigen«, den bringe man zum Schweigen.

5) Hat der Vorbeter das ganze Gebet geendigt, so setze er sich, falle auf das Gesicht, neige sich ein wenig mit der ganzen Versammlung, und bete auf dem Gesicht liegend mit derselben, erhebe dann das Haupt und bete sitzend ein wenig, Mit lauter Stimme, dann stehe der Vorbeter allein auf und spreche zum zweiten Male die Heiligung, worauf die Versammlung wie früher antwortet. Darauf spricht jener stehend, während die übrigen sitzend mit ihm lesen: »Und der Barmherzige«..., dann: »Lob des David«, ferner: »Und der Erlöser wird kommen nach Zion«, »Und ich dieses» ec. »Du bist heilig«, ferner: »Einer rief dem Andern zu: Heilig, heilig, heilig«; dann endigt der Vorbeter: »Die Heiligkeit« und die Gemeinde antwortet: »Heilig, Heilig« dreimal. Der Vorbeter liest dann wiederum die »Heiligkeit« in chaldäischer Uebersetzung und spricht: »Und der Geist hat mich erhoben» was er gleichfalls in solcher Uebersetzung liest, dann endlich: »Gott wird bis in alle Ewigkeit thronen« was ebenfalls chaldäisch gelesen wird , damit die Versammlung es verstehe.

6) Diese vor und nach der Heiligkeit gesprochenen Verse mit ihrer Uebersetzung werden «Ordnung der Heiligkeit« genannt. Endlich bete der Vorleser mit flehenden Worten die Verse der Erbarmung, spreche die Heiligung, woran die ganze Versammlung wie oben antworte und auseinander gehe.

7) Wer beim Flehen spricht: »Der sich des Nestes der Vögel erbarmt, daß man nicht die Mütter nebst den Jungen nehme, oder daß man nicht ein Thier mit seinem Jungen an demselben Tage schlachte, Der erbarme sich unser«, und dergleichen mehr, - den bringe man zum Schweigen. Denn diese Gebote sind nur Befehle, aber keinesweges Zeichen der Barmherzigkeit, denn wären diese Gebote aus Barmherzigkeit erlassen, so würde uns das Schlachten überhaupt nicht erlaubt sein. Desgleichen gebe man Gott nicht zu viele Beiwörter, wie z. B: Gott der Große, der Starke, der Furchtbare, der Mächtige, der Unerschütterliche, der Gewaltige, sondern nenne ihn wie Moses, — Friede sey mit ihm; denn Niemand vermag Gottes Lob zu erschöpfen.

8) Beim Nachmittagsgebete lese der Vorbeter sitzend mit der Versammlung: »Woh denen, die in Deinem Hause wohnen« »Lob des David« u. s. w., stehe dann auf und spreche die Heiligung, worauf die Uebrigen sich ebenfalls erheben, wie gewöhnlich antworten, und Alle zusammen leise beten. Als dann bete der Vorbeter von Neuem mit lauter Stimme wie des Morgens, bis das Gebet beendigt, worauf alle aufs Gessicht fallen und flehen. Darauf erhebe er mit den Anderen sein Haupt, flehe sitzend wie des Morgens, erhebe sich, spreche die Heiligung, worauf die Versammlung in gewohnter Weis antwortet, und dann an ihre Geschäfte geht.

9) Des Abends sitze die Gemeinde, nur der Vorbeter stehe und spreche: »Er der Barmherzige« u.s.w. »Lobet Gott den Gelobten«, worauf Alle antworten: »Gelobt sey Gott, der bis in alle Ewigkeit gelobt wird.« Dann spricht er das »Höre Israel« und die Heiligung; worauf Alle aufstehen und leise beten. Wenn sie geendigt, spricht er die Heiligung und sie gehen auseinander. Des Abends wiederholt der Vorbeter das Gebet nicht mit lauter Stimme, da zu demselben Niemand verpflichtet ist, und er die Segenssprüche nicht unnütz sprechen soll.

10) Am Sabbatabende lese der Vorbeter, nachdem er mit der Versammlung leise gebetet, das Gebet mit lauter Stimme, bete jedoch nichts sieben einzelne Segenssprüche, sondern einen aus denselben zusammengesetzten, wie folgt: »Gelobt‎ seyst Du, Ewiger, unser Gott, Gott unsrer Ahnen, Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jacobs, großer, allmächtiger und furchtbarer Gott, erhabener Gott, der durch seine Barmherzigkeit Himmel und Erde gegründet, durch sein Wort die Vorfahren gesegnet, durch seinen Spruch Todte erwecket, heiliger Gott, der seines Gleichen nicht hat, seinem Volke an seinem heiligen Sabbat Ruhe schenkt, an seinen Kindern Wohlgefallen findet in der ihnen gegebenen Ruhe. Lasset uns Jhm mit Furcht und Angst dienen und seinen Namen preisen, jeden Tag und immerdar aus der Fülle des Segens, den Gott der Ehren, den Herrn des Friedens, den Heiliger des Sabbats und Segner des Siebenten, der die Ruhe bringt dem mit Glückseligkeit erfüllten Volke, zum Andenken der Schöpfung. Unser Gott und Gott unserer Ahnen, habe Wohlgefallen an unserer Ruhe u. s. w. Gelobt seyst Du, Ewiger, Heiliger des Sabbat’s«. Alsdann folge die Heiligung, und die Gemeinde gehe auseinander.

11) Die Weisen haben jene Ordnung für den Sabbat-Abend deshalb getroffen, weil am Abende des Sabbats die Meisten der Gemeinde nach der Synagege, Einzelne aber spät kommen, und im Falle des unbeendigten Gebetes allein in der Synagoge zurückbleiben müssen, dadurch aber in Gefahr gerathen könnten; deswegen muß der Vorbeter sein Gebet wiederholen, damit das ganze Volk in der Synagoge bleibe, bis auch der Verspätete sein Gebet verrichtet und mit den Andern zugleich fortgeht.

12) Fällt daher ein Feiertag, der Versöhnungstag oder der Erste eines Monats, auf einen Sabbat, so soll der Vorbeter, zur Nacht im Segensspruche, dieser Feier nicht erwähnen sondern schließe blos mir den Worten: »Der den Sabbat heiligt«, weil dieser Segensspruch keine Feiertagspflicht ist.

13) Am Sabbat und Feiertage spreche der Vorbeter, nach geendigtem Morgengebet, mit lauter Stimme die »Heiligung«, dann: »Lob des Davids» dann wieder die »Heiligung«, bete‎ ‎das Mussaph-Gebet (Zugaben-Gebet) erst leise, dann laut wie des Morgens und spreche die Heiligung, worauf die Versammlung auseinandergeht. Er spreche also nicht die »Heiligkeit« und das »Flehen« nach dem Morgengebete, wie an den Wochentagen, wohl aber vor dem Abendgebete, so das er liest: »Lob des Davids«, »Die Ordnung des Tages«, »Worte des Flehens«, »die Heiligung« das Nachmittagsgebet, leise und laut, dann wieder die Heiligung.

14) Am Ersten jeden Monats und an den Zwischenfeiertagen sage man die Ordnung der Heiligkeit vor dem Zugaben-Gebete; am Ende des Sabbats sage man die Ordnung des Tages auch nach dem Abendgebete, und spreche dann die‎ ‎Heiligung, woraus man das Scheidegebet verrichtet.

Zehntes Capitel.

1) Wer ohne Inbrunst gebetet, muß das Gebet mit Andacht wiederholen, war er aber beim ersten Segensspruch andächtig, so wird er von der Wiederholung befreit. Wer sich in einem der ersten drei Segenssprüche irrt, muß wieder von vorn anfangen, wer sich in einem der letzten drei Segenssprüche irrt, muß wieder vom Segen über den Tempeldienst beginnen; beging man den Irrthum in einer der mittlern Segensformeln, so hat man bloß dieselbe Segensformel zu wiederholen, und dann das Gebet nach der Ordnung fortzusetzen; ebenso verhält es sich,‎ wenn der Gemeinde-Vorbeter bei der lauten Wiederholung des Gebetes sich irren sollte.

2) Irrt sich aber der Gemeinde-Vorbeter beim stillen Gebete, so braucht er, nach meiner Ansicht, nicht das Gebet zu wiederholen, da dies die Gemeinde zu lange aufhalten dürfte, und er ohnehin das Gebet nachher laut beten muß; jedoch ist zu bemerken, daß er der Wiederholung des Gebets blos dann überhoben ist, wenn er sich nicht in den ersten drei Segenssprüchen irrt; ereignet sich der Irrthum aber in den ersten drei, so muß er ganz wie der Privatmann, das Gebet von vorn anfangen.

3) Hat sich der Gemeinde-Vorbeter geirrt, und kommt er dadurch in eine solche Verwirrung, daß er nicht weiß, von wo anzufangen; und hat er in Folge dessen einige Zeit ganz stille gestanden, so muß ein Anderer seine Stelle einnehmen; ereignete sich der Irrthum in der die Atheisten betreffenden Segensformel, so warte man gar nichtz; sondern stelle sogleich einen andern hin, aus Besorgniß, es könne ihm ein gottloser Gedanke in den Kopf gekommen seyn; dies findet jedoch nur dann statt, wenn er die Segensformel noch nicht angefangen; hat er sie aber bereits begonnen, so ist man verpflichtet, eine Pause auf die Fortsetzung der Formel zu warten. Das Substitut darf im vorkommenden Falle sich nicht lange nöthigen lassen, seinen Vorgänger zu ersetzen.

4) Dieser zweite hat sich nach Folgendem zu richten: Hat der Vorgänger sich in einer der mittlern Segensformeln geirrt, so fängt er von derselben Segensformel an; geschah der Irrthum in einer der drei ersten Segensformelm so fängt der zweite das Gebet ganz von vorn an; irrte sich der erste Vorbeter in einer der letzten Segensformelm so muß der Nachfolger von der Segensformel über den Tempeldienst anfangen.

5) Der da sagt: Ich will nicht vor die Bundeslade treten, weil ich bunte Kleider anhabe, darf dieses Gebet nicht mehr, selbst in weißen Kleidern nicht vortragen; - sagt Jemand: Ich will nicht vortreten, weil ich Sandalen anhabe so darf er es auch nicht ohne Schuhbedeckung thun.

6) War Jemand in Zweifel, ob er schon gebetet oder nicht, so darf er das Gebet nur in dem Falle halten, wenn er es als freiwillige Gabe darbringt; denn wenn ein Privatmann auch den ganzen Tag freiwillige Gebete verrichten wollte, so ist es nicht gegen das Gesetz; wer aber während des Betens sich erinnert, daß er sein Gebet schon abgehalten, so muß er sogar in mitten der Segensformel abbrechen; geschah es aber beim Abendgebet, so breche er nicht ab, da dieses Gebet von vornherein blos als freiwillige Darbringnng gehalten wird.

7) Wer irrthümlicher Weise am Sabbat ein Wochengebet verrichtet, hat seine Pflicht nicht erfüllt; bemerkt er seinen Irrthum während des Gebets, so endige er die angefangene Segensformel und fange darauf das Sabbat-Gebet an. Dies hat seine Anwendung bloß auf das Abend-, Morgen- und Nachmittagsgebet, im Zugabengebet hingegen muß er sogar inmitten der Segensformel abbrechen. Ebenso ist es, wenn Jemand das Wochengebet in der Meinung vollendet, es wäre ein Zugabengebet; er hat alsdann das Zugabengebet von Neuem zu halten, ganz gleich es sey am Sabbate, am Feiertage oder am Neumondstage.

8) ‎Wer im Winter irrthümlicher Weise weder den Spruch‏ ‎»Der den Regen heruntersendet«, noch »der den Thau herunterschickt« spricht, muß das Gebet von vorn anfangen; that er aber bloß des Thaues Erwähnung, so bedaf es keiner Wiederholung Wer hingegen im Sommer irrthümlicher Weise spricht: »Der den Regen herunterschickt«, muß das Gebet wiederholen; vergaß man bloß des Thaues Erwähnung zu thun, so nöthige man den Betenden nicht, das ganze Gebet zu wiederholen; da der Thau vom Himmel nicht vorenthalten wird, und es dieserhalb keiner Anflehung bedarf.

9) Wer in der Segensformel für die Jahresernte vergessen um Befruchtung zu flehen, thue das, wenn er sich dessen vor der Formel «Erhörer des Gebets« erinnert, in dieser Formel selbst; erinnert er sich aber dessen erst nach dieser Formel, so fange er wieder vom Segensspruche für die Jahresernten an; erinnert er sich dessen aber nicht eher, als nach Beendigung des ganzen Gebetes, so fange er dieses von vorn an, und verrichte also noch einmal das Gebet.

10) Hat Jemand irrthümlicher Weise die Formel: »Es möge aufsteigen und gelangen« etc. zu sagen vergessen, so ist in Betracht zu ziehen, ob er sich dessen vor Beendigung des Gebetes erinnert; in diesem Falle fange er von der Formel über den Tempeldienst an, und schalte jenes Gebet ein; wenn er aber sich dessen nach Beendigung des Gebetes erinnert, so muß er das ganze Gebet wiederholen. Hat aber Jemand die Gewohnheit nach dem Gebete Worte des Flehens zu sprechen, und bemerkt er den Irrthum zwar schon nach dem Gebete, aber noch bevor er von der Gebetstelle gegangen, so hat er bloß von der Formel über den Tempeldienst wieder anzufangen.

11) ‎Dieses Alles findet nur an den Zwischenfeiertagen, ‎oder am Morgen- oder Nachmittagsgebet des Neumondtages, seine‏ Anwendung; hat man aber jene Formel am Abendgebet des Neumondstages zu sprechen unterlassen, so ist man nicht gehalten das Gebet zu wiederholen.

12) Jede Verpflichtung der Wiederholung des Gebetes für den Privatmann, trifft auch den Vorbeter der Gemeinde, sobald er sich während des lauten Gebetes geirrt; er ist aber von der Wiederholung befreit, wenn er den Irrthum im Morgengebet am Neumondstage beging. Der Gemeinde-Vorbeter braucht alsdann nicht das Gebet von Neuem anzufangen, wenn er die Formel »es möge aufsteigen und gelangen« zu sagen vergessen, und dessen sich erst nach Beendigung des Gebetes erinnert, da er dadurch die Gemeinde zu lange aufhalten würde, und er doch noch des Neumonds im Zugabengebete Erwähnung thun muß.

13) Beschloß Jemand in den zehn Tagen, von Neujahr bis zum Versöhnungsfest, irrthümlicherweise die dritte Segensformel mit den Worten »Heiliger Gott«, so muß er das Gebet von vorn anfangen; endigte er irrthümlicherweise die eilfte Segensformel mit den Worten: »Du, Recht und Gerechtigkeit liebender König», so hat er nur dieselbe Segensformel zu wiederholen, und sie mit den Worten, »Du König der Gerechtigkeit« zu schließen, alsdann setzt er das Gebet nach der Ordnung fort; erinnert man sich aber des Fehlers erst nach dem Schlusse des ganzen Gebetes, sey es ein Privatmann, oder der Gemeinde-Vorbeter, so fange man das Gebet von vorn an.

14) Hat Jemand irrthümlicher Weise die Abschiedsworte in der Formel: »Der Du uns Erkenntniß verleihest« nicht gesprochen, so kann er das Gebet fortsetzen, ohne es wiederholen zu brauchen; ebenso verhält es sich, wenn man die Worte: »Ueber die Wunder« am Einweihungs- und Loosesfeste, oder die Worte: »Antworte uns etc. etc.«,‎ an einem Fasttage ausgelassen hat; man ist alsdann ebenfalls nicht gehalten, das Gebet zu wiederholen, gleichviel, es sey ein Privatmann, oder der Gemeinde-Vorbeter. Hat man sich des Fehlers erinnert, bevor man von der Gebetsstelle gegangen, so spreche man die Worte: «Antworte uns, denn Du erhörest das Gebet, erlösest und errettest zu jeder Zeit des Drangsals und des leidens; es mögen Dir angenehm seyn die Worte meines Mundes etc.«

15) Hat Jemand am Freitage das Nachmittagsgebet zu halten vergessen, so verrichte er ein doppeltes Abendgebet zum Sabbat, ebenso thue er dies in demselben Falle am Feiertage; hat Jemand das Nachmittagsgebet am Sabbat und Feiertage vergessen, so bete er zum Ersatz ein doppeltes Abendgebet am Ausgange dieser heiligen Tage; und zwar spreche er nur im ersten Abendgebete die Abschiedssormel, nicht aber im zweiten; hat er diese Abschiedsformel in beiden, oder in keinem von beiden gesprochen, so hat er dennoch seiner Pflicht genügt. Wenn jedoch Jemand im ersten die Abschiedsworter nicht gesprochen, es aber im zweiten gethan, so muß er noch ein drittes Abendgebet halten: weil das erste als Ersatz nicht gilt, da er es vor dem pflichtmäßigen Abendgebet gehalten. Diejenigen, welche zwei Gebete verrichten, selbst wenn es das Morgen- und das Zugabengebet sind, mögen solche nicht ununterbrochen aufeinander folgen lassen, sondern eine Pause zwischen beiden beobachten, auf daß sie ihre Gedanken sammeln könnten.

16) Es ist jedem Einzelnen aus einer, zum Gebete versammelten Gemeinde, verboten, sein Gebet allein vor allen Uebrigen zu verrichten; wenn Jemand in die Synagoge tretend, die Gemeinde schon im stillen Gebete antrifft, so kann er allein zu beten anfangen, wenn er noch mit seinem Gebete fertig werden kann, bis der Gemeinde-Vorbeter die Heiligung beginnt; möge aber im entgegengesetzten Falle warten, bis der Gemeinde-Vorbeter das laute Gebet anstimmt, und spreche still mit ihm die Worte, bis jener zur Heiligung gelangt, falle alsdann mit der Gemeinde ein und setze das Gebet allein fort. Hat Jemand sein Gebet früher als der Gemeinde-Vorbeter begonnen, und letzterer die Heiligung angestimmt, so unterbreche er das Gebet nicht, um mit der Gemeinde die Heiligung zu sagen, eben so wenig darf er bei den Worten:.»Amen, es sey der Name des Herrn gelobt etc.« sein Gebet unterbrechen, geschweige denn durch irgend einen andern Segensspruch.

Eilftes Capitel.

1) Orte, wo sich zehn Israeliten befinden, muß ein Haus bestimmt werden, in dem man zur Zeit das Gebet verrichten könne; eine solche Stätte heißt: Bethh-Ha-knesseth (Synagoge, Versammlungshaus). Die Gemeindeglieder können einander zwingen, Beiträge zum Aufbau einer Synagoge zu liefern, und eine Gesetzesrolle sammt den Propheten und Hagiographen zu kaufen.

2) Eine Synagoge muß nur auf der höchst gelegenen Stelle einer Stadt erbaut werden, denn es heißt (Sprüche Salomonis Cap. I, 21): »An den erhabensten Stellen der geräuschvollen Straßen ruft sie.« Auch muß das Gebäude an Höhe alle andern Häuser der Stadt übertreffen, denn es heißt, (Esra IX, 9): »Das Haus unseres Gottes hoch zu erheben.« Die Thüren der Synagoge müssen nach Osten gewandt seyn, denn es heißt: (4 B.M. III, 38) «Und die da ruhen vor dem Stiftszelt nach Osten«. In der Synagoge muß auch eine Lade errichtet werden, in welche die Gesetzrollen gestellt werden können. Diese Bundeslade muß sich auf der Seite der Synagoge befinden, wohin man in jeder Stadt das Gesicht zum Gebete richtet, so daß das Angesicht des Volkes während des Betens zur Bundeslade gewandt sey.

3) In der Mitte der Synagoge muß eine Erhöhung errichtet werden, auf die sich der die Thora Vorlesende, oder eine Predigt Haltende, stellen kann, um sich auf diese Weise Allen Vernehmbar zu machen.

4) Das Volk sitzt in der Synagoge in folgender Ordnung: die Aeltesten sitzen mit dem Angesichte zur Gemeinde, und mit dem Rücken zur Wand der Bundeslade gewandt, die ganze Gemeinde aber sitzt reihenweise hinter einander, mit dem Angesichte zur Gebetsseite, zu den Aeltesten und zugleich zur Bundeslade; der Gemeinde-Vorbeter steht beim Gebete vor der Bundeslade, mit dem Gesichte zur heiligen Seite, so wie es die Uebrigen thun.

5) Man muß die Synagoge und das Beth-Hamidrasch ehrsam halten, sie immer fegen und reinigen lassen.
In Spanien und den übrigen Abendländern, sowie auch in Sinaar und im gelobten Lande, ist es für ganz Israel Sitte, in den Synagogen Glasleuchter anzubringen, und auch auf dem Boden Teppiche zum Sitzen zu haben; in den Synagogen der nördlichen Staaten aber sitzt man auf Stühlen.

6) Man darf sich in den Synagogen oder dem Beth-Hamidrasch nicht leichtsinnig benehmem wie z. B. Scherz, Spott und leeres Geschwätz treiben, auch darf man daselbst weder essen, noch trinken, noch sich mit seinem Putz beschäftigen, auch nicht schlendern, oder gar im Sommer vor der Sonne und im Winter vor dem Regen Schutz suchen. Den Gelehrten nebst Schülern ist es jedoch erlaubt, im Nothfalle, in diesen heiligen Stätten zu essen und zu trinken.

7) Man darf in ihnen auch keine Rechnungen machen, außer etwa, wenn sie gottgefällige Handlungen betreffen, wie z. B. bei der Almosenkasse, bei der Einlösung Gefangener und dergl. Ebenso wenig darf man in ihnen Leichenreden halten, außer etwa, wenn ein allgemeiner Trauerfall vorkommt, wie z. B. wenn die größten Gelehrten der Stadt betrauert werden, bei welcher Gelegenheit die ganze Gemeinde sich zur Leichenrede versammelt.

8) Hat die Synagoge, oder das Beth-Hamidrasch, zwei entgegengesetzte Thüren, so bediene man sich deren nicht als Passage, um dadurch seinen Weg abzukürzenz es ist überhaupt verboten, in diese geheiligten Häuser zu treten, wenn es nicht einer gottgefälligen Handlung wegen geschieht.

9) Wer in die Synagoge treten muß, um sein Kind, oder seine Kameraden herauszurufen, lese vorerst Etwas beim Eintritt, oder theile Jemand irgend Etwas aus der Lehre mit, und rufe alsdann den Benöthigten heraus , damit er nicht bloß seiner eignen Bedürfnisse wegen in die Synagoge gekommen sey. Versteht er aber nichts von der Lehre, so sage er vorher einem der lernenden Kinder: lies mir den Vers vor, bei welchem du stehen geblieben, oder er bleibe daselbst eine Weile unthätig und gehe dann seinen Weg; denn schon das bloße Verweilen in der Synagoge gehört zu den gottesgefälligen Handlungen, indem es heißt, (Psalm LXXXIV, 5): «Heil denen, die in Deinen Häusern sitzen ec.«

10) Wer aber des Gebetes oder des Lernens wegen ins Haus getreten ist, kann wohl durch die entgegengesetzte Thür hinausgehen, um sich den Weg kürzer zu machen. Ist es schon Jemand erlaubt in die Synagoge zu treten, so kann er es auch mit dem Stocke, in Schuhen, im Mantel, ja selbst mit Staub auf den Füßen thun, es ist ihm sogar erlaubt in derselben auszuspeien wenn es nöthig ist.

11) Synagogen und Beth Hamidrasch, die verfallen stind, behalten noch ihre Heiligkeit, denn es heißt, (3 B. M. 26,3). »Und ich werde verwüsten eure Heiligthümer«; also selbst nach der Verwüstung sind sie als Heiligthümer zu betrachten. Und wie man ihnen Ehrfurcht zollen muß bei ihrem guten Zustande, ganz so muß man es auch nach ihrem Einsturz thun, ausgenommen etwa das Fegen und das Reinigen derselben mit Wasser. Wächst aus ihren Ruinen Gras, so reiße man es aus, lasse es aber daselbst liegen, damit das Volk dei dessen Anblick ergriffen, und dadurch zu ihrer Wiederherstellung angeregt werde.

12) Man darf keine Synagoge abreißem um eine andere auf derselben Stelle, oder auf einer andern zu bauen, sondern früher muß man die neue bauen und dann das alte Gebäude niederreißen; denn es könnte der Gemeinde das Unglück arriviren, den Wiederaufbau der Synagoge nicht ausführen zu können; sogar die einzelnen Wände müssen früher neben den alten neu ausgeführt werden, und dann dürfen erst die alten abgerissen werden.

13) Dies findet jedoch nur dann Statt, wenn das Fundament nicht schadhaft geworden, und die Wände nicht einzustürzen drohen; ist aber das Fundament, oder sind die Wände so schadhaft, daß sie zusammenzufallen drohen, so darf man sie ohne Weiteres niederreißen, in welchem Falle aber der neue Bau sogleich angefangen, und Tag und Nacht fortgesetzt werden muß, denn es könnten mißliche Zeitumstände kommen, und den Synagogenbau verhindern.

14) Es ist erlaubt aus einer Synagoge ein Beth-Hamidrasch, aber nicht aus einem Beth-Hamidrasch eine Synagoge zu machen: indem die Heiligkeit des Beth-Hamidrasch größer ist, als die der Synagoge, und man Heiligthümer nur verherrlichen, nicht aber erniedrigen darf. Auf diese Weises dürfen Gemeinde-Mitglieder, die eine Synagoge verkaufen, für den Erlös derselben eine Bundeslade anschaffen; haben sie aber eine Bundeslade verkauft, so dürfen sie für dieses Geld Hüllen oder Futterale für die Gesetzesrolle machen lassen; veräußern sie die Hüllen oder Futterale der Gesetzesrollen, so dürfen sie dafür einzelne Bücher aus dem Pentateuch kaufen; wollen sie diese verkaufen, so müssen sie für deren Erlös eine Gesetzesrolle anschaffen; wenn aber eine Gesetzesrolle veräußert wird, so darf statt deren nur eine andere neue angeschafft werden, denn es giebt keine höhere Heiligkeit, als die — der Gesetzesrolle; ebenso verhält es sich mit ihrem Zubehör.

15) Ganz so ist es, wenn die Gemeinde Geld gesammelt, um ein Beth-Hamidrasch oder eine Synagoge zu bauen, oder dafür eine Bundeslade , eine Hülle, ein Futteral, oder eine Gesetzesrolle zu kaufen, und sich dann eines andern besinnt, so darf sie dann ihren Entschluß nur in steigender Beziehung zur Heiligkeit, nicht aber in herabsteigender verändern. Hat man dasjenige, wozu das Geld bestimmt war, zu Standegebracht so kann man mit dem nachgebliebenen Gelde machen, was man will. Das Zubehör der Synagoge wird gleich, wie die Synagoge selbst betrachtet; der Vorhang der Bundeslade, worin sich die Gesetzesrollen befinden, sind so heilig, als die Hüllen selbst. Hat man jedoch bei ihrer Weihung Bedingungen gemacht, so ist diesen nachzukommen.

16) Wenn, wie früher angeführt wurde, es erlaubt ist, eine Synagoge zu verkaufen, so hat dies bloß auf Synagogen in Dörfern Bezug; solche Bethäuser sind auch bloß für die Dorfbewohner selbst erbaut, also gleichsam zum eigenen Bedarf bestimmt, sie dürfen daher mit bloßer Zustimmung aller Gemeinde-Mitglieder verkauft werden; eine Stadt-Synagoge aber, bei deren Erbauung man das ganze Israelitenthum vor Augen hatte, und in der jeder Fremde betet, ist gleichsam als das Eigenthum des ganzen Israels zu betrachten, und darf nie verkauft werden.

17) Wenn Dorfbewohner ihre Synagoge verkaufen wollen‎ um für deren Erlös entweder eine andere zu erbauen, oder eine Bundeslade oder Gesetzesrolle anzuschaffen, so müssen sie mit dem Käufer die Abmachung treffen, daß er aus ihr weder eine Badstube, noch eine Gerberei, noch ein Tauchbadehaus, noch eine Wäscherei mache; haben jedoch die sieben Vorsteher der Stadt, mit Autorisation der ganzen Gemeinde, die Synagoge mit der ausdrücklichen Bedingung verkauft, daß der Käufer aus ihr eine der oben genannten Anstalten machen darf, so steht es ihm frei, das zu thun.

18) Ebenso ist es, wenn die sieben Vorsteher der Stadt, mit Autorisation der Gemeinde die Bestimmung treffen, den Rest des Gemeindegeldes zu nicht geheiligten Zwecken zu gebrauchen, wo das Geld auch, als eine solche Bestimmung habend, betrachtet wird; nachdem also, so viel nöthig war, von diesen Geldern zum Bau einer neuen Synagoge, oder zum Ankauf einer Bundeslade, einer Hülle, eines Futterals, oder einzelner Bücher aus dem Pentateuch, oder einer Gesetzesrolle genommen wird, darf man mit dem nach dem Ankauf gebliebenen Rest, gemäß getroffener Uebereinkunft, machen was man will.

19) Hat die ganze Gemeinde, oder der größte Theil derselben, einen Mann zum Bevollmächtigten gewählt, so hat Alles, was er gethan, volle Giltigkeit; er darf allein die Synagoge verkaufen, verschenken, oder nach seinem Gutdünken und seiner Einsicht in Bedingungen eingehen.

20) ‎Ganz wie es der Gemeinde erlaubt ist, eine Syna‎goge zu verkaufen, so können sie dieselbe auch verschenken;‏ ‎denn hätte die Gemeinde dadurch keinen Nutzen, so thäte‏ ‎sie es wohl nicht. Man darf aber eine Synagoge weder ver‎miethen, noch verpfänden. Werden Synagogen niedergerissen,‏ ‎um sie neu aufzubauen, so darf man zwar die Ziegelsteine,‏ ‎das Holz und die Erde, verkaufen, vertauschen oder verschenken, ‎aber nicht verleihen; denn deren Heiligkeit wird nur durch‏ ‎den gleichen Werth an Geld, oder durch einen andern, dem‏ ‎Verkauf gleichkommenden, Vortheil aufgehoben.‏

‎21) Der Marktplatz einer Stadt hat, obgleich das Volk an Festtagen und allgemeinen Versammlungen, wenn die Synagoge die große Menge nicht fassen kann, daselbst ihr Gebet verrichtet, doch keine Heiligkeit: denn dieses ist nur etwas Zufälliges, und der Ort nicht zum Gebet geweiht; ebenso haben einfache Häuser oder Höfe, wo das Volk sich manchmal zum Gebet versammelt, keine Weihe, da sie nicht zum Gebete bestimmt sind; in ihnen wurde gebetet, gleich wie Jedermann sein Gebet zu Hause verrichtet.

‎Zwölftes Capitel.

‎1) Unser Lehrer Moses verordnete dem Volke Israel, jeden Sabbat, Montag und Donnerstag, Morgens die Thora zu lesen, auf daß sie nicht drei Tage, ohne das Gesetz gehört zu haben, verlebten. Esra setzte noch die Verordnung hinzu, der Trödler wegen auch zum Nachmittagsgebet am Sabbat. die Thora zu lesen; es ist auch seine Vorschrift, daß am Montag und Donnerstag drei verschiedene Menschen aus der Thora, und zwar nicht weniger als zehn Verse, vorlesen sollen.

2) Folgende sind die Tage, wann vor der Gemeinde die Vorlesung aus der Thora abgehalten wird: am Feier-, Neumonds- und Festtage, am Einweihungs- (Chanuka) und Loosesfeste, und am Montage und Donnerstage jeder Woche; Parallelstücke aus den Propheten liest man bloß an den Sabbaten, Feiertagen und am neunten Ab.

3) Man darf aus der Thora öffentlich nicht anders vorlesen, als in Gegenwart von wenigstens zehn erwachsenen freien Männern, und zwar nicht weniger als zehn Verse. Ein Vers, welcher anfängt: »Und er sprach« wird auch mitgerechnet. Der Lesenden dürfen nicht weniger als drei seyn; man darf in einem Abschnitte nicht weniger als drei Verse vor dem Schlusse anfangen; ebenfalls darf man nicht weniger als drei Verse vor dem Schlusse des Abschnitts nachlassen; jeder Lesende wiederum darf nicht weniger als drei Verse lesen.

4) Ereignet sich’s, daß drei Personen nur zehn Verse lesen, so lesen zwei von ihnen zu drei und einer vier; sey nun der, welcher die vier liest, der erste, letzte oder mittlere, so hat dieser immer einen großem Verdienst.

5) Ein jeder der Lesenden rollt die Thora auseinander, blickt auf die Stelle, die er lesen soll, und spricht dann: »Lobet den Ewigen, den Gepriesenen;« worauf das Volk antwortet: »Gelobt sey der Ewige, der Gepriesene in Ewigkeit immerdar.« Dann spricht der Lesende wieder: «Gepriesen seyst Du Ewiger, unser Gott, König der Welt, Der Du uns vor allen Völkern erkoren, um uns Deine Thora zu geben; gelobt seyst Du, Ewiger, Der Du uns die Thora verliehen;« worauf das ganze Volk mit Amen einfällt. Nach diesem Segensspruche liest er, wieviel es ihm zukommt, rollt die Gesetzesrolle zusammen, und spricht wieder: »Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, Der uns seine Thora, die Lehre der Wahrheit gegeben, und ewiges Leben in uns gepflanzt; gelobt seyst Du, Ewiger; Geber der Thora.«

6) Der Vortragende darf nicht vorher zu lesen anfangen, als bis der Amens-Ruf der Gemeinde verhallt ist. Macht er im Lesen einen Fehler, sey es auch in der Aussprache eines Buchstaben, so wird er so lange unterbrochen, bis er ihn richtig macht. Zwei dürfen nicht auf einmal vorlesen, sondern bloß der dazu Bestimmte; blieb dieser in der Mitte stecken, so substituire ihn ein Anderer, der von der Stelle zu lesen anfängt , wo der frühere angefangen, und spreche dann den zweiten Segensspruch.

7) Der Vortragende darf nicht vorher lesen, bis ihn der Achtbarste der Gemeinde zu lesen aufgefordert; sogar der Vorbeter der Gemeinde, oder der Vorsteher der Synagoge, darf nicht früher lesen, als bis es ihm die Gemeinde oder der Vornehmste zu thun erlaubt hat. Während des Lesen muß noch Jemand neben dem Vortragenden stehen, ganz wie es der Schulaufseher neben den Lesenden thut.

8) Der Vortragende kann auch von einer Stelle zur andern überspringen, wie z. B. von dem Abschnitt «Nach dem Tode« bis zum «Nur am zehnten«, welches sich in dem Abschnitte «sprich zu den Ahroniden« befindet; keinesweges darf er aber Etwas auswendig vortragen, ja es ist sogar verboten, ein einziges Wort auszusprechen, wenn es nicht aus der Schrift abgelesen wird; bei dem Ueberspringen verweile er nicht länger, als der Uebersetzer Zeit braucht, um die Erklärung des Verses zu beendigen.

9) ‎Sobald der Vortragende die Thora zu lesen angefangen, ‎ist es verboten zu sprechen, selbst über Gesetze zu verhandeln;‏ ‎es ist vielmehr Pflicht, daß Alle anhören, schweigen, und ihr‏ ‎Herz dem Vortrage zuwenden; denn es heißt: (Negh. VIII, 3)‏ ‎»Und die Ohren des ganzen Volkes waren zum Buche der‏ ‎Thora.« Es ist ebenfalls verboten, während des Vortrages‏ ‎die Synagoge zu verlassen, was jedoch zur Zeit des Abwech‎selns der Vortragenden erlaubt ist. Wer sich aber immerwäh‎rend mit der Thora beschäftigt, und das Studium der Lehre‏ ‎gleichsam zu seinem Beruf gemacht, der darf auch während‏ ‎des Vortrages sein Studium der Gesetze fortsetzen.‏

‎10) Seit Esras Zeiten ist es Sitte, daß ein Uebersetzer dem Volke das aus der Thora Vorgetragene erkläre, damit es den Inhalt der Vorlesung verstehe. Der Vortragende liest also Verseweis, hält ein, bis der Uebersetzer den Vers erklärt, und setzt dann zu lesen fort ec. Der Vortragende darf dem Uebersetzer nicht mehr als einen Vers auf einmal lesen.

‎11) Der Vorlesende darf seine Stimme nicht höher erheben, als der Uebersetzer, ebenfalls darf der Uebersetzer nicht lauter sprechen, als der Vortragende; der Uebersetzer darf seine Erklärung nicht eher anfangen, als bis der Vortragende seinen Vers beendigt; eben so wenig darf der Vortragende einen neuen Vers beginnen, bevor nicht die Erklärung des Uebersetzers geendigt ist. Der Uebersetzer darf sich weder an eine Säule, noch an einen Pfosten lehnen, sondern muß von einem Propheten zum andern überzugehen, was jedoch bei den kleinen zwölf Propheten der Fall seyn kann; aber keinesweges darf man von dem Schlusse des Buches zum Anfange überspringen; wer solche Sprünge macht, darf auch nicht längere Pausen machen, als der Uebersetzer Zeit hat seine Erklärung zu machen.

14) ‎Der aus einem Propheten Vorlesende kann auch ‎drei Verse auf einmal dem Uebersetzer vortragen, dieser kann‏ ‎sie auch alle drei nach einander übersetzen. Sind jedoch die‏ ‎drei Verse aus drei verschiedenen Abschnitten, so lese er sie dem Uebersetzer nur einzeln vor.

15) Derjenige, welcher Parallelstellen aus den Propheten zu lesen hat, spricht zuerst den Segensspruch: »Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der da erwählt die Propheten«; nachdem spricht er wieder Segensformeln und schließt die erste mit den Worten: »Der Gott, der bewährt ist in allen Seinen Worten«; die zweite mit den Worten: »Der da Jerusalem erbaut«; die dritte mit: »Schild Davids«; die vierte mit dem Inhalt der Tagesheiligung, ganz wie im Gebete. Fällt der Neumond auf den Sabbat, so erwähnt der aus den Propheten Vorlesende in diesem Segensspruche auch der Neumondsfeier, ganz wie er es im Gebete thut.

16) Die Zahl der Vorlesenden ist für den Sabbatmorgen sieben, für den Versöhnungstag sechs, für die Feiertage füns; man darf diese nicht vermindern, wohl aber vergrößern; für Neumonds- und Zwischenfeiertage vier, am Sabbat und Versöhnungstage zum Minchagebet, am Montag und Donnerstag des ganzen Jahres, am Chanuka und Purim Morgens, wie auch an den Fasttagen Morgens und zum Minchagebete, — ,ist die Zahl drei, nicht weniger und nicht mehr.

17) Ein Weib darf der Gemeinde nicht vorlesen, weil dies die Ehre der Gemeinde schmälern würde; ein Unmündiger, der vorzulesen versteht und auch weiß, wem der Segensspruch gilt, kann zur Zahl der Vorlesenden gezogen werden; ebenso kann der Vorleser der Parallelstellen zur Zahl gerechnet werden, da er doch auch aus der Thora lesen muß; hat aber der Vorbeter zwischen dem die Thora Beschließenden und dem aus den Propheten Vorlesenden, durch die Heiligung den Vortrag unterbrochen, so wird letzterer nicht zur Zahl gezogen. Ist in der Gemeinde nur Einer, der vorzulesen versteht, so tritt er vor, liest, geht zurück herunter, kommt dann wieder heraus ec., bis er die Zahl der Vorlesenden der Tagespflicht gemäß ausfüllt.

18) Bei jeder der obgedachten Vorlesungen muß vorher ein Ahronide, dann ein Levit, dann erst ein Israelit zur Lesung vorgerufen werden; es ist jetzt allgemein Sitte, daß sogar ein unwissender Ahronid beim Vortrag den Vorzug vor einem großen Gelehrten habe, der bloß Israelit ist; letzteren Fall abgerechnet, wird dieser Vorzug dem Gelehrtesten ertheilt; andererseits wieder wird der Letzte, der die Gesetzesrolle zusammenrollt, gleichsam wie alle zusammengenommen belohnt; daher ist es Sitte, daß die Lesung des Schlusses im Abschnitte, von einem Aeltesten der Gemeinde bewerkstelligt wird.

19) Ist kein Ahronide gegenwärtig, so ersetzt ihn ein Israelit, nach ihm aber darf kein Levit zur Lesung auf die Bimah steigen; ist kein Levit gegenwärtig, hat der erste Ahronid auch die folgende Stelle anstatt des Leviten vorzutragen; aber noch ein Ahronid darf nach dem ersten nicht auf die Bimah steigen, weil man denken könnte, der erste sey unzulässig gewesen, und man habe daher einen andern aufgerufen; ebensowenig dürfen zwei Leviten nacheinander die Thora vorlesen, weil man glauben könnte, einer von ihnen sey unzulässig gewesen.

20) Die Vorlesung aus der Thora, nach dem Gebete, geschieht in folgender Ordnung: Findet an dem Tage ein Zugabengebet (Mussaph) statt, so spricht der Vorbeter nach dem Schlusse des Morgengebetes die Weihung, nimmt eine Gesetzesrolle heraus, ruft die gesetzliche Anzahl Gemeindeglieder, nach einander auf, welche auf das Katheder steigen und aus der Thora vorlesen; nach Beendigung der Lesung wird Die Gesetzesrolle an ihre Stelle gebracht, abermals die Weihung gesprochen und darauf das Zugabengebet abgehalten. An den Tagen aber, wo Parallelstellen aus den Propheten gelesen werden, und zugleich auch das Zugabengebet stattfindet, ist es Sitte die Weihung zu sprechen, bevor der aus den Propheten Vorlesende vortritt; an vielen Orten aber ist es gebräuchlich, die Weihung nach der Beendigung der Parallelstelle zu sprechen.

21) Zum Minchagebet am Sabbate und Versöhnungstage beschließt der Gemeindevorbeter zuerst den Psalm: «Lob David’s«, und das zur Ordnung des Tages gehörige Capitel, spricht dann die Weihe, und nimmt die Rolle hervor; darauf treten die Vorlesenden aus und halten von der Bimah herab die Vorlesung; alsdann wird die Rolle zurück an ihre Stelle gebracht, abermals die Weihe gesprochen, und das Minchagebet abgehalten. Ebenso liest man an Fasttagen zum Nachmittagsgebet früher aus der Thora, spricht dann die Weihung und verrichtet das Minchagebet; an Feiertagen aber ist es nicht Sitte, zum Minchagebet die Thora zu lesen.


22) An einem Tage, an dem kein Zugabengebet stattfindet, spricht man die Weihung nach Beendigung des Morgengebetes, nimmt die Gesetzesrolle heraus, liest daraus vor, und bringt sie an ihre Stelle zurück, spricht dann abermals die Weihung, darauf erst trägt man den Psalm »Lob Davids«, und das Capitel zur Ordnung des Tages vor, ganz so, wie es an gewöhnlichen Tagen geschieht, spricht zum Beschlusse nochmals die Weihung, worauf auch das Volk auseinandergeht.

23) Man darf in Synagogen nicht aus einzelnen Büchern des Pentateuchs vorlesen, weil dies nicht zur Ehre der Gemeinde gereichte; auch darf man die Rolle nicht Angesichts der Gemeinde rollen, weil dies der Gemeinde zu lästig fiele, indem sie warten müßte, bis man die gehörige Stelle aufgefunden. Deshalb muß man, wenn zwei verschiedene Stellen aus der Thora gelesen werden sollen, auch zwei verschiedene Gesetzesrollen hervorholen; hingegen darf ein Vorlesender nicht einen und denselben Abschnitt, aus zwei verschiedenen Rollen ablesen, weil man dann denken könnte, die erste Gesetzesrolle sey unbrauchbar geworden, und man habe in der zweiten vorgelesen.

24) Man muß die Gesetzesrolle von Außen nach Innen zusammenrollen, bei der Befestigung aber geschieht es in der Richtung von Innen nach Außen zu; auch muß die Thora gegen die Naht zusammengerollt werden, damit, im Falle sie reißt, das Pergament nicht platze. Wenn man die Gesetzesrolle nach der Vorlesung aus der Bundeslade herausnimmt, um sie in ein anderes Haus zur Verwahrung zu bringen, so darf die Gemeinde nicht vor der Gesetzesrolle die Synagoge verlassen, sondern sie muß dieselbe in ehrerbietigem Nachfolgen bis zur Stelle, wo sie in Verwahrung gebracht werden soll, begleiten.

Dreizehntes Capitel.

1) Es ist überall bei den Israeliten Gebrauch, in jedem Jahre die Thora durchzugehen. Man beginnt am Sabbat nach dem Laubhüttenfeste und liest den Wochenabschnitt: »Am Anfange«; am zweiten Sabbat: »Dies sind die Begebenheiten des Noach«, am dritten: »Und Gott sprach zu Abraham: Gehe von dannen«, und so fort, bis man am Laubhüttenfeste die ganze Thora geendigt. An einigen Orten liest man auch drei Jahre an der Thora, was jedoch nicht allgemein angenommen ist.

3) Esra Verordnete, vor dem Wochenfeste die im Leviticus, vor Neujahr aber die im Deuteronomium enthaltenen Flüche zu lesen. Allgemein jedoch ist es angenommen , vor dem Wochenfeste: »In der Wüste Sinai«, nach den neunten Ab: »Und ich flehte», vor Neujahr: »Ihr steht«,und vor Pessach: »Gebiete dem Ahron« in einem gewöhnlichen Jahre zu lesen; um nun während eines Jahres die ganze Thora zu beendigen, und die Abschnitte zur festgesetzten Zeit zu lesen, giebt es Sabbate, an deren Morgen man zwei Abschnitte liest, z. B. »Die Frau welche empfängt«, mit: »Und dies sey das Gesetz des Aussätzigen«, oder »Wenn in meinen Gesetzen», mit: »Am Berge Sinai« u. dgl. m.

3) Wo man am Morgen des Sabbats aufgehört, liest man zur Mincha, am Montage, Donnerstage, und nächsten Sabbat weiter. Man liest, z. B. den ersten Sabbatmorgen: »Und am Anfange», und zur Mincha: »Dieses sind die Begebenheiten des Noach«, zehn oder mehre Verse, welche auch am nächsten Montage und Donerstage wiederholt werden; am nächsten Sabbate aber wird Dasselbe ebenfalls wiederholt, und der Abschnitt zugleich zu Ende gelesen. So liest man das ganze Jahr, und beschließt an jedem einzelnen Sabbat mit einem, dem Gelesenen entsprechenden, Propheten.

4) An den Monatsfesten liest der Erste drei Verse des Abschnitts: »Gebiete« (4 B. M. XXV), der Zweite wiederholt den gelesenen dritten Vers und liest die beiden ihm folgenden, damit noch drei Verse für den dritten Leser übrig bleiben, welche dieser liest, so wie auch: »Und am Sabbate«; der vierte liest: »Und an den Ersten eurer Monate«; fällt der erste Tag eines Monates auf einen Sabbat, so nehme man zwei Gesetzesrollen hervor, und lese aus der ersten die Ordnung dieses Sabbats, und aus der andern die Ergänzung: »Und an den Ersten eurer Monate.« Der Beschließende trägt darauf den Inhalt des Monats vor, und als Beschluß aus dem Propheten: »Und es sey an jeglichem Monate, dem Monate nach.« (Jesaias LXVI vorletzter Vers). Am ersten des Monats Ab, der ein Sabbat ist, lese man als Beschluß aus den Propheten: »Eure Monatsfeste und Feiertage hasset mein Gemüth« (Jes.I). Ist der erste eines Monats ein Sonntag, so lese man am vorhergehenden Sabbat, als Beschluß aus den Propheten: »Und Jonathan sagte zu ihm: Morgen ist der Monat« (1 B. Sam. XX, 18).

5) Der in der Thora Lesende beginne und ende mit etwas Angenehmem, aber im Abschnitte: »Vernehmet« lese der Erste bis: »Denket der Tage der Urzeit«, der Zweite von hier bis: »Und er erhebet ihn», der Dritte fahre fort bis: »Und Gott sah und ergrimmte«, der Vierte bis: »Wenn sie weise wären», der Fünfte bis: «Denn ich erhebe zum Himmel meine Hand», der Sechste endlich bis zu Ende des Gesanges. Hier breche man ab, damit die Moral dieser Verse das Volk zur Buße anrege.

6) Die letzten acht Verse der Thora dürfen in der Synagoge, vor weniger als zehn Personen, von der Bimah herab gelesen werden, obgleich sie der übrigen Thora, welche Moses nach dem Munde des Herrn verkündete, ihrem Inhalte nach nicht nachstehen; denn, weil sie von der Zeit nach dem Tode des Moses handeln, so haben sie dadurch eine andere Bedeutung erhalten.

7) Die im Leviticus enthaltenen Flüche dürfen nicht unterbrochen werden; darum lese sie Einer, beginnend mit dem vorangehenden, und schließend mit dem nachfolgenden Verse. Die Flüche des Deuteronomiums dürfen unterbrochen werden, doch ist es üblich, es nicht zu thun, sondern sie von Einem lesen zu lassen.

8) An Feiertagen und am Versöhnungsfeste unterbreche man die gewöhnliche Ordnung des Lesens, indem man von der Bedeutung dieser Tage, nicht aber nach der Sabbatsordnung liest; denn es ist eine Verordnung Mosis, am Feiertage über seine Bedeutung zu lesen, zu predigen und nachzudenken. Am Pessachfeste lese man den im Leviticus enthaltenen Abschnitt über die Feiertage, und zwar ist es Gebrauch am ersten Pessachtage zu lesen: «Ziehet und nehmet euch«, und aus den Propheten mit der Pessachfeier zu »Gilgal« zu schließen, am zweiten lese man: »Ochs und Schaaf«, und schließe mit der Pessachfeier «des Königs Joschiahu«, am dritten: »Heilig sey mir jeder Erstgeborene», am vierten: »Wenn du Geld leihst«, am fünften: »Haue dir etc.«, am sechsten: »Und die Israeliten sollen das Pessachopfer zu seiner Zeit bereiten«, am letzten: »Und als Pharao schickte», bis zu Ende des Liedes, nämlich bis: «Denn ich bin der Ewige, der dich heilet», und schließe aus den Propheten mit: »Und David sprach« (2 B. Samuel XXII), und am achten Tage endlich: »Jeder Erstgeborene«, schließe aus den Propheten mit: »Nah’ ist der Tag« (Jesaias X).

9) Zu Schawuot lese man den Abschnitt: »Der sieben Wochen«, und zwar, nach dem Gebrauche am ersten Schawuottage:« »Am dritten Monate«, und schließe aus den Propheten mit der Vision vom »Throne« (Jechesekiel), am zweiten aber, aus dem Abschnitte über die Feiertage: »Jeder Erstgeborene«, und schließe aus den Propheten mit einer Stelle aus Chabakuk.

10) Zu Neujahr lese man: »Im siebenten Monate, am ersten Tage des Monats«. Ueblich ist’s am ersten Tage zu lesen: »Und Gott dachte der Sarah«, und aus den Propheten zu schließen mit: »Und es war ein Mann aus den Höhen», am zweiten aber: »Und Gott prüfte den Abraham«, und aus den Propheten zu schließen mit: »Ist Ephraim mir ein theurer Sohn.«

11) Am Versöhnungstage Morgens liest man den Abschnitt »Nach dem Tode« (3 B.M. XVI, 1) und die Parallelstelle: »So spricht der Hohe und Erhabene.« (Jes. LVII) Zum Minchagebet liest man über die Blutschande, aus dem Abschnitte »Nach dem Tode«, damit ein Jeder, der sich in irgend einem der angeführten Fälle getroffen fühlt, sich seiner That erinnere, sich schäme, und sie auch büßend bereue; der dritte Aufgerufene liest ebenfalls daraus, und trägt dann als Parallelstelle den Propheten Jona vor.

12) An den beiden ersten Tagen des Laubhüttenfestes liest man aus dem Abschnitte über die Feiertage, welches wie folgt anfängt: »Ein Ochs, oder ein Schaaf, oder eine Ziege«; als Parallelstelle wird am ersten Tage gelesen: »Da kommt ein Tag des Ewigen« (Zach. XIV), am zweiten Tage: »Und sie versammelten sich zum Könige Salomo« (1 B. Könige VIII). Am letzten Tage liest man ans der Thora die Stelle: »Jeder Erstgeborene« (5 B. M. XV) und als Parallelstelle: »Und es war als Salomo beendigte« (1 B. Kön.VIII); den Morgen darauf liest man aus der Thora den Abschnitt: »Und dieses ist der Segen«, und als Parallelstelle: »Und Salomo stand auf« (1 B. Kön. VIII). Viele nehmen als Parallelstelle: »Und es war nach dem Tode Mosis« ( Josua I). An den übrigen Tagen des Laubhüttenfestes liest man über die Opfer dieses Festes.

13) Und zwar wie folgt: An jedem der Zwischenfeiertage liest man zwei Abschnitte, nämlich am dritten Tage, als dem ersten der Zwischenfeiertage liest der Ahronide: »Und am zweiten Tage« (4 B. M. XXIX), worauf der Levite von dem Verse: »Und am dritten Tage« anfängt. Alsdann liest der Israelitt »Und an dem dritten Tage« Der Vierte wiederholt dann die Verse: »Und am zweiten Tage«, »Und am dritten Tage«. Am vierten Tage, als dem zweiten der Zwischenfeiertage, liest man die Verse: »Und am dritten Tage«, »Und am vierten Tage«, und so weiter jeden Tag.

14) ‎An jedem der Feiertage, wie auch am Versöhnungs‎tage, und an allen sieben Tagen des Pessachfestes, nimmt ‎man Morgens zwei Gesetzesrollen hervor, wodann in der ersten‏ ‎die oben angeführten Abschnitte gelesen werden, und in der‏ ‎zweiten — über die Opferdardringung desselben Tages, aus dem 4 B. M. Derselbe, welcher über die Opfer liest, hat auch ‎die Parallelstelle aus den Propheten zu lesen.‏

15) An allen Tagen, so oft zwei oder drei Gesetzesrollen hervorgeholt werden, muß man, wenn sie nicht einzeln hervorgenommen werden, nach jedesmaliger Zurückbringung einer Gesetzesrolle die Weihung sprechen, und dann erst die Folgende hervorholen; ebenso muß man die Weihung bei der Zurückstellung der letztern sprechen; übrigens haben wir schon angeführt, wie die allgemeine, angenommene Sitte vorschreibt, daß die Weihung immer, nachdem der Beschließende gelesen, gesprochen werden muß, wodann die Parallelstelle aus den Propheten vorgetragen wird.

16) Fällt ein Sabbat auf die Zwischenfeiertage, sey es am Pessach oder Laubhüttenfeste, so lese man an diesem Sabbat den Abschnitt: »Sieh, Du sprichst zu mir« (2 B. M. XXXVI, 12) und als Parallelstelle am Pessach über die vertrockneten Gebeine (Jechesekiel XXXVII): und wenn der Sabbat auf‎ ‎den Feiertag selbst fällt »An dem Tage der Ankunft Goog’s« (Jechesekiel XXXVIII).

17) Am ersten Tage des Einweihungsfestes (Chanukka) liest man vom Anfange des Segens der Ahronidem bis zum Schlusse des am ersten Tage Opfernden (4 B. M. VI—VII), am zweiten Tage über das Opfer des zweiten Stammesfürsten (ebendas.), und so fort bis zum achten Tage; am achten liest man bis zum Schlusse der Opferbeschreibung, wie auch der ganzen Sidra, am Sabbat des Einweihungsfestes wird als Parallelstelle, über die Lichter, im Propheten Zacharias, gelesen. Fielen zwei Sabbate auf das Einweihungsfest, so liest man diese Stelle am ersten Sabbat, am zweiten aber, über die Lichter des Konigs Salomo. Derjenige, welcher aus der Thora über die Einweihung des Stiftszeltes liest, liest auch die Parallelstelle aus dem Propheten; am Purimfeste zum Morgengebete liest man: »Und es kam Amalek« (2 B. M. XVII).

18) Am neunten Ab liest man zum Morgengebete: »Wenn Du Kinder erzeugst« (5 B.M.IV), und als Parallelstelle: »Versammeln, versammeln werde Ich sie, spricht der Ewige« (Jerem. VIII); zum Nachmittagsgebete trägt man: »Und Moses flehte« vor (2 B. M. XXXII), ganz wie an den übrigen Fasttagen. An den Fasttagen hingegen, die wir sonst noch wegen der traurigen historischen Ereignisse unserer Vorfahren abhalten, liest man zum Morgen- und Nachmittagsgebet Dasselbe, und zwar der erste vom Verse: »Und Moses flehte», vier Verse; der zweite und der dritte von: »Haue dir aus« bis: »Was ich mit dir mache.« An den Fasttagen aber, welche die Gemeinde sich selbst anordnet, etwa wegen Gottesplage, z. B. im Falle einer Hungersnot oder Pest und dergleichen, liest man die Segenssprüche und Flüche, damit das Volk Buße thue, und mit zerknirschtem Herzen dastehend, anhöre.

19) Es ist allgemeine Volkssitte, daß man an den drei Sabbaten vor dem neunten Ab, als Parallelstellen aus den Propheten Strafpredigten liest , nämlich am ersten. »Die Worte Jeremias (I.);‎ am zweiten: »Die Vision Jesajas (I); am dritten: »Wie wurde unkeusch die treu bewährte Stadt« (Jes. II). Am Sabbat nach dem neunten Ab: »Tröstet, tröstet mein Volk« (Jes. XL). In unserer Stadt ist es angenommene Sitte, an den Sabbaten vom neunten Ab an, bis zum Neujahr immer die Trostworte Jesajas als Parallelstellen, und am Sabbat zwischen dem Neujahrs- und Versöhnungstage den Abschnitt: »Kehre wieder Israel« (Hoseas XIV) zu lesen.

20) Fällt der Neumondstag des Adar auf einen Sabbat, so lese man den Abschnitt über die halbe Scheckel-Gabe, und als Parallelstelle über Jehojada den Ahroniden (2 B. Könige XI). Fällt dieser Neumondstag auf einen Wochentag, wenn auch am Freitage, so liest man jenen Abschnitt am Sabbat vorher. Am darauffolgenden Sabbat liest man: »Gedenke« (5 B. M. XXV) und als Parallelsteller »Ich habe dessen gedacht, was dir Amalek gethan», (1 B. Sam. XV). Als darauf folgender Sabbat wird derjenige verstanden, in dessen Woche das Purimfest fällt, und sollte dieses selbst am Freitage seyn. An dem dritten Sabbate liest man über die rothe Kuh, und als Parallelstelle: »Und Ich werde euch besprengen« (Jechesekiel XXXVI). Als dritten Sabbat versteht man den, dem vierten unmittelbar vorangehenden; am vierten aber liest man: »Dieser Monat« (2 B. M. XII), und als Parallelstelle: »Am ersten Tage des Monats« (Jechesekiel XLV); als vierter Sabbat ist nur derjenige anzunehmen, auf dessen Woche der Neumondstag des Nissan fällt, und sollte es auch der Freitag seyn.

21) Folglich ist zu schließen, daß manches Mal ein Zwischen-Sabbat zwischen dem ersten und zweiten, oder dem zweiten und dritten stattfinden müsse, oft aber auch zwei solcher Zwischen-Sabbate, zwischen diesen dreien; zwischen dem dritten und vierten hingegen kommt nie ein Zwischen-Sabbat vor.

22) Ein jeder von diesen vier Abschnitten wird in einer zweiten Gesetzesrolle, nachdem der ordnungsmäßige Abschnitt (die Sidra) in der ersten Gesetzesrolle gelesen wurde - recitirt; fiel auch der Neumondstag des Adar auf diesen Sabbat, und war gerade die bestimmte Sidra: »Und Du sollst gebieten« (2 B. M XXVII), so lesen Sechs vom Verse: »Und du sollst gebieten« an, bis: »Und du sollst ein kupfernes Becken machen;« dann liest der Siebente wiederum vom Verse: »Wenn du zählst« bis: »Und Du sollst ein Becken machen«; war aber als Sidra für diesen Sabbat der Abschnitt: »Wenn du zählst« selbst, so lesen Sechs diesen Abschnitt zu Ende, und dann fängt der Siebente in einer zweiten Rolle wieder vom ersten Verse an, und liest bis zum: »Und du sollst ein kupfernes Becken machen. «

23) Fällt der Neumondstag des Adar auf einen Sabbat, so hole man drei Gesetzesrollen hervor, lese in der ersten die bestimmte Sidra, in der zweiten den Abschnitt über den Neumond, in der dritten: »Wenn du zählst«. Ebenso werden, wenn der Neumondstag des Nissan auf den Sabbat fällt, drei Rollen hervorgeholt, wo dann in der ersten die bestimmte Sidra, in der zweiten über den Neumond, und in der dritten der Abschnitt: »Dieser Monat« (2 B. M. XII) gelesen werden.

24) Fällt der Neumondsteg des Teweth aus einen Sabbat, so hole man ebenfalls drei Rollen hervor, lese in der ersten die bestimmte Sidra, in der zweiten über den Neumond, und in der dritten über die Einweihung des Stiftzeltes; fiel er aber auf einen Wochentag, so lesen drei den Inhalt des Neumonds, und ein vierter den Inhalt der Einweihung.

25) Wenn auch Jemand in der Gemeinde öffentlich die ganze Thora lesen hört, so ist es doch Pflicht, daß er auch für sich jede Woche, die für dessen Sabbat bestimmte Sidra lese, und zwar zwei Mal den ebräischen und ein Mal den chaldäischen Text; die Verse aber, aus welche keine chaldäische Uebersetzung vorhanden ist, wiederhole man drei Mal, bevor er diesen Abschnitt zusammen mit der Gemeinde liest.

Vierzehntes Capitel.

1) Am Morgen-,Zugaben-und Schlußgebete erheben die Ahroniden ihre Hände zum Segen; zu dem Nachmittagsgebete aber findet kein Händeerheben statt, weil zu dieser Stunde alle schon gegessen haben, weshalb zu befürchten ist, der Ahronide hätte Wein getrunken, da doch ein Berauschter den Segen nicht sprechen darf. Sogar an einem Fasttage ist das Händeerheben zu Mincha untersagt, aus Besorgniß der Verwechselung eines solchen Tages mit einem gewöhnlichen


2) Dies jedoch hat nur auf einen solchen Fasttag Bezug, an welchem zugleich Nachmittags- und Schlußgebet stattfinden, wie z. B. am Versöhnungstage und am Gemeinden-Fasttage; an einem gewöhnlichen Fasttage aber, an dem kein Schlußgebet stattfindet wie z. B. am neunten Ab, am siebenzehnten Thamus, an welchen das Nachmittagsgebet nahe vor Sonnenuntergang abgehalten wird, und dies demnach mehr dem Schlußgebet gleicht, keinesweges also mit einem alltäglichen Nachmittagsgebet verwechselt werden kann: darf auch das Händeerheben stattfinden. Hat jedoch ein Ahronide, ungeachtet der Sitte, die Bimah, zum Händeerheben am Nachmittagsgebete des Versöhnungstages, bestiegen, so vollziehe er den Segen: weil doch bekannt ist, daß bei ihm dann kein berauschter Zustand statthaben kann; ihn aber unverrichteter Dinge wieder herabsteigen zu lassen, ist nicht erlaubt, weil man dies dahin auslegen könnte, daß er unzulässig sey.

3) Das Händeerheben geschieht in folgender Ordnung: Sobald der Vorbeter zur Segensformel über den Tempeldienst gelangt, und das Wort »Genehmige« ausspricht, verlassen alle in der Synagoge sich befindenden Ahroniden ihre Plätze, und besteigen die Bimah, bleiben da mit dem Angesichte gegen die Bundeslade gerichtet, mit dem Rücken zum Volke, und mit nach dem Handblatte gebogenen Fingern stehen, bis der Gemeinde-Vorbeter die Dankformel beendigt, alsdann wenden sie ihr Gesicht gegen das Volk, dehnen ihre Finger, erheben die Hände bis an die Schultern, und fangen mit dem: »Es mag dich segnen« an; wodann der Vorbeter ihnen den Segen Wort für Wort vorsagt, und sie es wiederholen; denn es heißt: »Sage ihnen«, — also — bis man ihnen vorsagt. Haben sie den ersten Vers beendigt, so fällt das Volk mit Amen ein; dann fängt der Gemeinde-Vorbeter an, ihnen den zweiten Vers, Wort für Wort, vorzusagen, welches sie auch so wiederholen, bis der zweite Vers beendigt ist, und das Volk wieder mit einem Amen einfällt; ebenso ist’s beim dritten Verse.

4) Wenn die Ahroniden die drei Verse beendigt haben, setzt der Gemeinde-Vorbeter den letzten Segensspruch des Gebetes fort, nämlich: »Thue Frieden», wobei die Ahroniden ihr Gesicht wieder zur heiligen Lade wenden, ihre Finger wieder zusammenziehen, auch so bis zum Schluß dieser Segensformel verweilen, und dann erst zu ihrer Stelle zurückgehen.

5) Der Vorbeter darf nicht früher den Ahroniden vorsagen, als bis das Amen der Gemeinde verhallt; ebenso dürfen die Ahroniden nicht früher den Segen beginnen, als bis das Wort des Vorsagenden verhallt; ebenso darf die Gemeinde nicht früher mit dem Amen einfallen, als bis der Segen vom Munde der Ahroniden ausgesprochen ist; wiederum dürfen die Ahroniden nicht den zweiten Segen anfangen, bis das Amen der Gemeinde verhallt. Der Gemeinde-Vorbeter darf nicht mit den Uebrigen das Amen nach dem Segen der Ahroniden sprechen, damit dies ihn nicht zerstreue, und ihn vergessen machen könnte, welchen Vers er den Ahroniden vorzusagen habe.

6) Die Ahroniden dürfen ihr Gesicht nicht früher von der Gemeinde abwenden, als bis der Vorbeter die Formel: »Thue Frieden« begonnen; so dürfen sie auch die Bimah nicht eher verlassen, als bis jener diese Formel beendigt, auch ihre Finger nicht einziehen, bevor sie das Gesicht von der Gemeinde abgewendet. Es ist ebenfalls eine Verordnung, die sich von Esra her datirt, daß die Priester zum Segen mit Händeerhebung nicht in Schuhen kommen, sondern in Strümpfen.


7) Während die Ahroniden den Segen ertheilen, dürfen sie nicht auf das Volk sehen, noch irgend ihre Gedanken zerstreuen, sondern müssen mit zur Erde gesenkten Augen, als wenn sie mit dem Gebete beschäftigt wären, dastehen; auch darf Niemand ans dem Volke die Ahroniden während des Segens ansehen, damit diese dadurch nicht zerstreut werden, sondern hat die Gemeinde mit Andacht den Segen anzuhören; das Volk richte also zwar das Gesicht zu den Ahroniden, sehe sie aber nicht an.

8) Ist es nur ein einziger Ahronide, der den Segen ertheilt, so spricht er zuerst die vorangehende Lobpreisung Gottes, worauf der Gemeindevorbeter ihm Wort für Wort vorsagt, wie wir’s bereits erklärt haben. Wenn ihrer zwei oder mehrere sind, so sagen sie die Lobpreisung nicht früher, als bis ihnen der Vorbeter das Wort; »Ahroniden«! zuruft; darauf antworten sie, und fangen an den Segen zu ertheilen, indem sie Wort für Wort dem Vorbeter nachsagen.

9) Wie geschieht die Segensertheilung im Tempel? Die Ahroniden kommen, nachdem der Diensthaltende das bestimmte Morgenopfer gebracht, zum Segen hervor, wozu sie die Hände mit ausgedehnten Fingern in die Höhe über das Haupt erheben; hievon ist der Hohepriester ausgenommen, der seine Hände nicht über die Stirnbinde erheben darf; der Vorsagende recitirt ihnen den Segen, Wort für Wort, wie es überall geschieht, bis sie alle drei Verse beendigt, — das Volk aber fällt nicht mit Amen bei jedem Vers ein, da dieser Segen im Tempel nur einen Segensspruch bildet; — nach dem Schlusse dieses Segens jedoch ruft das Volk aus: »Gepriesen seyst Du Ewiger Gott, Gott Israels, von Ewigkeit in Ewigkeit, Amen«.

10) Daselbst spricht man auch den Namen Gottes ganz so aus, wie er geschrieben wird; er besteht nämlich aus den Buchstaben J, H, W. u. H; dies ist eben der ausführliche Name, von dem überall die Rede ist. Außerhalb des Tempels wird Gott nach einem Attribut benannt, nämlich durch A, D. Dies geschieht, weil man den Gottesnamen nach der Urschrift nur im Tempel allein aussprechen darf. Seit dem Tode Simons, des Frommen, haben die Ahronidem sogar auch im Tempel aufgehört, mit dem ausführlichen Namen den Segen zu sprechen; dies geschieht , damit nicht etwa ein unwürdiger und unachtbarer Mensch ihn auszusprechen lerne; die ersten Weisen pflegten diesen Namen nur in ihrer Schule den würdigen Schülern und Kindern zu lehren, und zwar nur ein Mal in sieben Jahren, um dadurch die Glorie des geehrten und gefürchteten Namens zu vergrößern.

11) Der Segen der Ahroniden wird überall nur in der heiligen Sprache ertheilt, denn es heißt: »So sollt Ihr die Kinder Israels segnen«; was nun durch die Traditon unsers Lehrers Moses, Friede sey mit ihm, so erklärt wurde: »so sollt ihr segnen« — stehends; »so sollt ihr segnen« — mit Händeerhebung; »so sollt ihr segnen« — in heiliger Sprache; »so sollt ihr segnen« — Antlitz gen Antlitz; »so sollt ihr segnen« — mit hoher Stimme; »so sollt ihr segnen« — mit dem ausführlichen Namen Gottes, letzteres aber nur im Tempel, wie bereits erwähnt.

12) Die Ahroniden dürfen nirgends eine Zugabe des Segens zu den drei Versen machen, wie z.B. »Der Ewige, der Gott eurer Vater, möge euch noch tausendmal so groß machen etc.«, und zwar weder mit lauter, noch mit leiser Stimme; denn es heißt: »Ihr sollt nicht zulegen zur Sache etc.«. Während der Priester zum Segenertheilen sich aufmacht, spricht er , indem er zu gehen anfängt: »Es möge ein Wille von Dir seyn, Ewiger, unser Gott, daß dieser Segen, den Du uns geboten dem Volke Israel zu ertheilen, ein vollkommener sey, und es sey darin weder Trug, noch Sünde, von jetzt, bis in Ewigkeit«; — bevor er das Gesicht zum Volke umwendet, um den Segen zu sprechen, sage er: ,,‎»Gelobt seysi Du, Ewiger, unser Gott , König der Welt, der uns geheiligt durch die Weihung Ahrons, und uns geboten, sein Volk Israel in Liebe zu segnen.« Daraus wendet er sich zur Gemeinde und fängt den Segen an. Nachdem er sich, nach dem Schlusse des Segens, wieder von der Gemeinde abgewendet, spricht er: »Wir haben gethan, was Du uns befohlen, thue Du uns jetzt, was Du uns versprochen, blicke hernieder von der Wohnstätte Deines Heiligthums im Himmel, und segne Dein Volk Israel.«

13) Das Umwenden der Ahroniden zur Gemeinde, um sie zu segnen, und auch das Abwenden von der Gemeinde nach dem Segen, geschehe nur rechts um; auch seyen alle Wendungem die ein Mensch je macht, nur rechts um.

14) ‎Im Tempel ertheilen die Ahroniden ein Mal des ‎Tages den Segen, und zwar besteigen sie nach dem beständigen Morgenopfer die Stufen der Halle, und verrichten den‏ Segen, wie wir oben erklärt. An andern Orten aber kann‏ ‎man ihn nach jedem Gebet ertheilen, ausgenommen hievon‏ ‎ist das Nachmittagsgebet. Man gebe sich überall Mühe, daß der‏ ‎Vorsagende ein gewöhnlicher Israelit sey , denn es heißt:‏ ‎»Sage ihnen», folglich muß der Vorsagende nicht ihr Mitglied seyn.‏

‎Fünfzehntes Capitel.

1) Sechs Dinge sind auf das Händeerheben hinderlich rückwirkend: 1) die Sprache, 2) körperliche Gebrechen, 5) Sündenhaftigkeit, 4) das Alter, 5) der Wein, 6) Unreinheit der Hände. Was die Sprache betrifft, so dürfen Ahroniden, die ein mangelhaftes Sprachorgan haben, wie z. B., wenn sie Buchstaben nicht gehörig aussprechen können, und etwa ein Aleph wie Chaim oder Chain wie Aleph, oder Sziboleth statt Schiboleth sprechen, zum Segen und Händeerheben nicht zugelassen werden; — ebenfalls werden von der Segnung Ahroniden ausgeschlossen, die eine schwere Mundart und Zungenbewegung haben, deren Diction also unverständlich ist.

2) Körperliche Gebrechen sind hinderlich; wenn ein Ahronide im Gesichte, oder an Händen und Füßen Fehler hat z. B. wenn er krumme oder steife Finger, oder Flechten auf den Händen hat; — dies Alles zieht die Augen des Volkes auf sich; ebenso sind zur Händeerhebung solche nicht zulässig, die während des Sprechens Speichel aus dem Munde lassen, oder die auf ein Auge blind sind, —waren aber die Personen mit den hier aufgezählten Gebrechen in der Stadt bekannt, so daß man an ihr Aeußeres gewohnt ist, so sind sie von der Segnung nicht zu beseitigen, da man sie nicht auffallend finden wird. Zu den Unzulässigen sind noch solche zu zählen, deren Hände buntscheckig, oder von Farben durchfressen sind; waren aber die meisten Stadtbewohner mit Farben-Arbeiten beschäftigt, so sind solche Fehler nicht in Betracht zu ziehen, da sie dann nicht die Aufmerksamkeit der Gemeinde auf sich ziehen.

3) Unter Sündhaftigkeit in diesem Falle ist zu verstehen, wenn je ein Priester einen Mord begangen; obgleich er Buße gethan, darf er Niemals die Hände zum Segen erheben, denn es heißt: »Eure Hände sind voll Blut, und wenn ihr eure Hände ausbreitet u. s. w.« (Jesaias I.). Ein Priester, der irgend einmal Götzen gedient, sey es aus Zwang oder Versehen, darf Niemals die Hände zum Segen erheben, denn es heißt: »Die Priester der Götzenaltäre mögen nicht aufsteigen«; die Segensertheilung aber ist ganz gleich, wie der Opferdienst im Tempel, denn es heißt: »Ihm zu dienen und in seinem Namen zu segnen«. Ebenso darf ein Priester, der wegen Götzendienst nur ein Gesetz verrathen hat, nie die Hände zum Segen erheben, auch wenn er nachher dafür Buße gethan. — Alle übrigen Sünden sind nicht hinderlich.

4) Das Alter ist in so fern ein Hinderniß, daß der noch bartlose Ahronide nicht segne. — Wein removirt einen Ahroniden vom Segensspruch: Wenn er ein Quart Wein auf ein Mal getrunken, so muß man warten, bis er verflüchtigt ist. Dies Gesetz gilt, weil die Segensertheilung dem Opferdienste ganz gleich ist. Trank er aber ein Quart Wein in zwei Malen, oder that Wasser darein, so ist er zulässig; hat er aber mehr als ein Quart getrunken, der Wein mag auch gemischt gewesen, oder auch in mehreren Prisen genommen seyn, so darf er doch nicht früher den Segen ertheilen, als bis sein Rausch weg ist. Unter Quart verstehen wir zwei Quadratfinger auf zwei und ‏1/2‎ und 1/3 Finger Höhe, mit dem Daumen gemessen. In der ganzen Thora, wo von dem Fingermaaße die Rede ist, versteht man nur den Daumen darunter.

5) Unreinheit der Hände heißt hier so viel, daß der Ahronide, ohne die Hände gewaschen zu haben, sie nicht zum Segen erheben darf, sondern er reinige sie bis zum Gelenke, ganz wie man sich zum Opferdienst heiligen muß, und spreche erst dann den Segen; denn es heißt: »Erhebt die Hände in Heiligkeit, und segnet den Ewigen«. Ein Entweihter darf die Hände nicht zum Segen erheben, weil er in der Priessterschaft nicht fungirt.

6) Hat ein Ahronide keins von diesen Hindernissen, so erhebe er die Hände zum Segen, er mag auch weder gelehrt noch fromm seyn, möge sein Nächster ihm sogar Uebles nachreden, oder er möge sonst in Geschäften nicht redlich seyn, so ist dies ihm nicht hinderlich. Denn jedem Ahroniden ist es von der Schrift her geboten, den Segen zu ertheilen; nun ist es doch jedenfalls verboten, einen Sünder zu bereden, noch eine Sünde zu begehen, indem er die Erfüllung der Gebote, (z. B. in Hinsicht des Segens), unterließe.

7) Du mußt aber nicht glauben, daß der Segen eines ordinären Menschen nichts helfen kann! — Die Erfüllung des Segens hängt ja nicht vom Ahroniden ab, sondern vom Heiligen, gelobt sey Er; denn es heißt: »Sie mögen meinen Namen auf die Kinder Israel thun, — und Ich werde sie segnen«, also der Ahronide erfüllt bloß die ihm auferlegte Pflicht; der Heilige aber, gelobt sey Dessen Name, segnet in Seiner Gnade das Volk Israel nach Seinem Willen.

8) Das Volk, welches sich im Rücken der Ahroniden befindet, ist nicht im Segen eingeschlossen, wohl aber diejenigen, welche sich an den Seiten befinden; ist eine Scheidewand zwischen den Ahroniden und den Gesegneten, und wäre sie auch eine eiserne, so sind diese mit inbegriffen, wenn ihr Gesicht nur zu den Ahroniden gekehrt ist.

9) Das Händeerheben findet in Gegenwart von Zehn statt, die Ahroniden selbst werden auch mitgerechnet; wenn in einer Synagoge sich nur Ahroniden befinden, so erheben Alle die Hände zum Segen, indem sie sowohl ihre Brüder im Norden, als im Süden.... in Gedanken haben; die Weiber und Kinder fallen mit Amen ein; bleiben da aber, außer den Segnenden, noch zehn Ahroniden übrig, so sprechen die zehn Amen, und die andern den Segen.

10) War in einer Gemeinde kein anderer Ahronide, außer dem Vorbeter selbst, so darf er zum Segen die Hände nicht erheben; ist er aber überzeugt, daß er den Segen ertheilen, und darauf zum Gebete ohne Irrthum wiederkehren kann, so ist solches ihm gestattet; ist aber in der Gemeinde gar kein Ahronide, so spreche der Vorbeter vor der Segensformel »Thue Friede», die Worte: unser Gott, und Gott unsrer Väter, segne uns mit dem dreifachen Segen, der geschrieben steht in der Thora, durch Deinen Knecht Moses, und ausgesprochen ist vom Munde Ahrons, und seiner Kinder, der Priester Deines heiligen Volkes, wie es auch heißt: »Es segne dich der Ewige und behüte dich, es erleuchte der Ewige dir Sein Angesicht, und habe für dich Gnade, es erhebe der Ewige Sein Angesicht über dich und thue dir Frieden; und sie sollen Meinen Namen auf die Kinder Israel thun, und Ich werde sie segnen«. Das Volk aber fällt nicht mit Amen ein, sondern er setzt die Formel: »Thue Friede« ohne Weiteres fort.

11) Wenn ein Ahronide, der in einer Synagoge die Hände zum Segen schon erhoben hat, nach einer andern Synagoge kommt, und die Gemeinde im Gebete noch nicht zum Ahroniden Segen gelangt ist, so erhebe er auch da die Hände und segne sie, wenn dies sogar mehrere Mal im Tage geschehen sollte. Ein Ahronide, der seinen Platz, als der Vorbeter schon die Tempeldienstformel angefangen, nicht verlassen hat, um zum Segenertheilen zu gehen, darf in diesem Gebete nicht auf die Bimah steigen; hat er sich aber zu gehen angeschickt, und ...ist er zur Bimah erst nach jener Formel gelangt, so besteige er sie immerhin und spreche den Segen.

12) Ein Ahronide, der nicht den Segen ertheilt, ist, obgleich er nur gegen ein Gebot der Schrift gefehlt, doch als ein solcher zu betrachten der drei Gebote übertreten hat, denn es heißt: »So sollt ihr segnen die Kinder Israels«, »Sie mögen zu ihnen sprechen«, »Und sie sollen einen Namen thun«. Ein Ahronide, der nicht segnet, wird auch nicht gesegnet; ein Ahronide der da segnet, wird auch selbst gesegnet, denn es heißt: »Ich werde segnen deine Segner«.


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