1. Abschnitt

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DIE GOTTESLEHRE - IHR URSPRUNG UND IHRE GESCHICHTE

MOSES EMPFING DIE THORA, DIE

Gotteslehre, am Berge Sinai (in einer schriftlichen und mündlichen Gestalt. Die schriftliche Lehre enthielt die nach ihm ge­nannten fünf Bücher. In der mündlichen Lehre, dem Talmud, war alles angedeutet, was die maß­gebenden Schriftgelehrten in der Folgezeit von der schriftlichen Thora ableiten würden) und überlieferte sie dem Josua. Josua überlieferte sie den Ältesten, (die zur Zeit der Richter das Volk regierten. Mit ihnen endete die erste Überlieferungsepoche. Sie kennzeichnete sich durch die Zeitrechnung nach dem Auszug aus Ägyp­ten). Die Ältesten übergaben sie den Pro­pheten und die Propheten den Männern der gro­ßen Synode, (die von der Zerstörung des ersten Tempels bis zu der Zeit, da Palästina unter die Herrschaft des griechischen Königs Seleucos kam, an der Spitze des jüdischen Volkes standen). Der letzte unter den Männern der Großen Synode war Simon der Gerechte. (Mit ihm endete die zweite Epoche. In ihr zählten die Juden nicht mehr nach dem Auszug aus Ägypten, sondern nach der Regierungszeit ihrer Könige. Die Männer der großen Synode übergaben die Thora den Talmudlehren. Mit ihnen begann die dritte Epoche. Sie kennzeichnet sich durch die Zäh­lung nach der Herrschaft der Seleuciden (Li­schetarot) und zerfällt in vier Perioden. In der ersten Periode heißen die Talmudlehrer Pe­ruschim, Pharisäer, Abgesonderte, weil sie die Berührung mit den talmudisch ungebildeten Volksmassen, den Amme-haarez, ängstlich mie­den. Der Nasi, Patriarch, der an der Spitze ihres Synhedrion, des hohen Rates, stand, wurde durch Wahl ernannt. Die zweite Periode begann mit dem Patriarchen Hillel, der in der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts gelebt hat. Mit ihm wurde das Patriarchat erb­lich. Die Talmudlehrer hießen fortan Rabbanan, unsere Herren (Einzahl: Rabbi, mein Herr und Chakamim, die Weisen. Der Nasi hieß Rabban, unser Herr. Die dritte Periode beginnt mit der Zerstörung des zweiten Tempels (70 n. Chr.). Neben den früheren Be­zeichnungen erhielten die Talmudlehrer noch den Titel Tannaim, Tannaiten, Überlieferer, weil sie die auf mündlichem Wege sich fortpflan­zenden Entscheidungen (Mischnajot, Einzahl Mischna) sammelten. Die vierte Periode be­ginnt mit dem Abschluss der Mischna (Anfang des dritten nachchristlichen Jahrhunderts) und endet mit dem Abschluss des babylonischen Talmud (Ende des fünften nachchristlichen Jahrhunderts), Die palästinensischen Lehrhäuser verkümmern, während die babylonischen zur Blüte gelangen. Die Talmudlehrer heißen jetzt Amoraim, Amoräer, Erläuterer, weil sie sich hauptsächlich mit der HerstelIung einer Gemara, Erklärung zur Mischna, befassten. In Babylonien. wurden sie nicht mehr Rabbi, sondern Rab oder Mar, Herr, genannt. Die vierte Periode umfasst die Zeit von dem Abschluss des Talmud bis in die Gegenwart. In ihr wird nach der Weltschöp­fung gezählt. Der babylonische Talmud ist die einzig maßgebende Rechtsquelle. Die VÄTER, von denen die Sprüche dieses Traktates her­rühren, sind die Talmudlehrer der ersten und zweiten Periode der dritten Epoche, die Pharisäer und Tannaiten.)

1. Ein köstlich Kleinod ist die Gotteslehre, sie beglückt in diesem und im künftigen Leben. 6, 7. Wer sie ehrt, wird geehrt, wer sie missachtet, wird verachtet. 4, 8. Wer ihren Dienst auf sich nimmt, wird von den weltlichen Lasten befreit; wer sich ihr entzieht, dem wird der Gesellschaft Joch aufgebürdet. 3, 6. Seinen Liebling, seinen Freund nennt dich Gott, so du dich ihr liebevoll ergibst. Sie schmückt dich mit Demut und Gottesfurcht, begnadet dich mit Ge­rechtigkeit und Redlichkeit, Frömmigkeit und Treue. Sie bekleidet dich mit Macht und Würde, verleiht dir Einsicht und Scharfsinn in der Rechtsergründung, so dass alle deines Rates und deiner Tatkraft sich erfreuen. So erhöht und erhebt sie dich über alle Menschen. 6,1. Eher kann man zum Hohenpriesteramt und zur Königswürde gelangen als zu ihr. Zahlreiche Tugenden heischt ihr Erwerb: emsigen Fleiß und unermüdliches Forschen, Ohrenspitzen und deutliches Spre­chen, Einsicht und Verstand, Gottesfurcht und Sündenscheu, heiteres Gemüt und lauteren Sinn, Verkehr mit Lehrern, Umgang mit Genossen und Auseinandersetzung mit den Schülern, Ein­schränkung des geschäftlichen Erwerbs und des weltlichen Verkehrs, Mäßigkeit im Schlaf, der Unterhaltung und Zerstreuung, Langmut und Herzensgüte, festen Glauben und Geduld im Leiden, Bescheidenheit und Genügsamkeit, Knappheit im Reden und Prunklosigkeit im Handeln, Liebe zu Gott und zu den Menschen, Liebe zur Tugend und zur Redlichkeit, willige Hinnahme der Zurechtweisung und Flucht vor Ehrenbezeugungen ... 6, 6.

2. Trachte immer tiefer in die Gotteslehre einzu dringen, denn alles ist in ihr enthalten. Bis ins höchste Alter laß nicht ab von ihr, denn die Beschäftigung mit ihr ist der beste Beruf. 5, 25. Wer nicht lernen will, ist des Lebens unwert; wer nicht zulernt, nimmt an Wissen ab. 1, 13. Befleißige dich ihrer, denn sie ist kein erblich Gut. 2,17. Sprich nicht „wenn ich Muße habe, will ich lernen`, du möchtest dann nie Muße haben. 2, 5. Wer sie pflegt in der Not, der wird sie auch im Wohlstand pflegen können. Wer sie im Glück verschmäht, der wird sie auch in der Armut vernachlässigen müssen. 4, 11. Wer nur eines ihrer Worte vergisst, der hat sein See­lenheil verwirkt. 3,10. Wer sich mit ihr auf dem Wege beschäftigt, und sich unterbricht und sagt: wie schön ist dieser Baum, wie schön ist dieser Acker, der vergeht sich an seinem Seelen­heil. 3, 9; 3, 5. Ein Sitz der Spötter ist der Ort, wo zwei zusammensitzen und nicht von der Lehre reden, ein Aufenthalt Gottes aber, wo sie sich mit der Lehre befassen. 3, 5. Wenn drei an einem Tische essen, ohne von Gottes Wort zu reden, ist es, als ob sie ein Götzenmahl zu sich nähmen, reden sie aber von Gott, dann ist es, als äßen sie am Tische Gottes. 3, 4. Wo zehn zusammensitzen und sich mit der Thora befassen, weilt Gottes Geist unter ihnen und sie bilden eine Gottesgemeinde ... 3, 7.

3. Wandere dahin, wo die Thora heimisch ist, und wähne nicht, dass sie zu dir kommen werde. Nur im Verkehr mit Lerngenossen erhältst du dich in ihrem Besitz. Verlass dich nicht auf deinen Scharfsinn. 4,18. Verschaff dir einen Lehrer, um dem Zweifel zu umgehen. 1, 16. Ein Sammelplatz der Weisen sei dein Haus. Sitze zu ihren Füßen und trinke dürstend ihre Worte. 1, 4. Wer ist weise? Der sich belehren lässt von jedermann. 4, 1. Sei lieber ein Schweif vom Löwen als ein Haupt vom Fuchse. 4, 20. Wo es (jedoch) an Männern fehlt, sei bestrebt, ein Mann zu sein. 2, 6. Ein Rabbi erzählte: Einst wanderte ich des Weges, da begegnete mir ein Mann. Er bot mir den Friedensgruß und ich erwiderte ihn. Er fragte mich: Rabbi, von wel­chem Orte bist du? Ich erwiderte ihm: aus einer großen Stadt, reich an Weisen und Gelehrten. Weiter fragte er: Rabbi, möchtest du dich nicht entschließen, deinen Wohnsitz in unserem Orte zu nehmen? Ich würde dir Tausende von Gold Denaren, Edelsteinen und Perlen geben. Ich aber sprach zu ihm: Wenn du mir alle Reichtümer der Welt gäbest, ich wohnte doch nur an einem Ort, wo die Thora heimisch ist ... Wenn der Mensch von hinnen scheidet, geleiten ihn nicht Silber und Gold, nicht Edelsteine und Perlen, sondern sein Wissen und seine guten Werke 6, 9.

4. Was man in der Kindheit lernt, gleicht der Tintenschwärze, die auf neues Papier aufgetragen wird. Was man aber im Alter erlernt, das ist wie Tinte auf beschriebenem Papier. 4, 25. Ein Rabbi sagte einst: ,wer von Kindern lernt, der ist als wenn er nicht gereifte Trauben äße und Wein aus der Kelter tränke. Wer aber von den Alten lernt, der gleicht dem, der die Trauben genießt, wenn sie reif sind, und den Wein trinkt, wenn er alt geworden ist`. Ihm entgegnete ein anderer: ,achte nicht auf den Krug, sondern darauf, was darin ist. Mancher Krug ist neu und hat doch alten Wein, und mancher Krug ist alt und hat nicht einmal jungen Wein`. 4, 26-27. Vier Arten gibt es unter den Jüngern der Weis­heit: Schwamm, Trichter, Seihe und Schwinge. Der Schwamm saugt alles ein; der Trichter lässt hinaus, was er eingenommen hat; die Seihe lässt den Wein hindurch und behält die Hefe zurück; die Schwinge wirft die Kleie hinaus und behält das Mehl. 5,17. Vierfach unterschieden sind die Fähigkeiten der Schüler: leicht fassen und leicht vergessen: da wird der Vorzug von dem Fehler aufgewogen. Schwer fassen und schwer vergessen: da wird der Fehler von dem Vorzug aufgewogen. Leicht fassen und schwer verges­sen: das ist das Beste. Schwer fassen und leicht vergessen: das ist das Schlimmste. 5, 15. Der Tor und der Weise verraten sich in sieben Dingen. Der Weise schweigt vor dem, der ihn an Einsicht überragt; er fällt dem andern nicht ins Wort, und ist bedachtsam in der Antwort, er fragt zur Sache und antwortet nach Gebühr, spricht vom ersten zuerst und vom letzten zu­letzt, wovon er nichts weiß, sagt er, ich weiß es nicht. Wenn er einsieht, dass er sich geirrt hat, ge­steht er seinen Irrtum unumwunden ein. Gegen­teilig von alledem handelt der Tor. 5,10. Wer von einem anderen einen Abschnitt oder einen Satz, einen Vers, selbst auch nur ein Wort oder einen Buchstaben nur gelernt hat, ist ver- pflichtet, diesem ehrerbietig zu begegnen. 6, 3. ... Frage immer wieder, wenn du nicht ver­standen hast. Der Schüchterne taugt nicht zum Weisheitsjünger. 2, 6. Die Achtung vor deinem Genossen gleiche der Ehrfurcht vor dei­nem Lehrer, und die Ehrfurcht vor deinem Leh­rer gleiche der Ehrfurcht vor Gott. 4, 15. Wärme dich am Feuer der Weisen und nimm dich in acht vor ihren Kohlen, damit du dich nicht verbrennest. Denn der Biss der Weisen ist wie der des Fuchses und ihr Stich wie der des Skorpiones und ihr Zischen das einer Schlange. 2, 15.

5. Seid, ihr Lehrer, bedachtsam mit euren Leh­ren, denn ein Versehen wird leicht zum Frevel. 4, 16. Trage nichts vor, was nicht öffent­lich bekannt werden darf; es könnte doch in die Öffentlichkeit gelangen. 2, 5. Die Ehre deines Schülers sei dir lieb wie die eigene. 4, 15. Übe Nachsicht mit den Schülern) nicht zum Lehrer taugt der Zornige. 2, 6. Lehre um zu lernen, lerne, um danach zu leben. 4, 6. (Wenn du zu Gericht sitzest) frage sorgfältig die Zeugen aus. Sei aber behutsam mit deinen Fragen, dass sie nicht aus ihnen lernen, die Wahrheit zu um- gehen. 1, 9. Wirf dich nicht zum Sachwalter der Parteien auf, betrachte vielmehr beide für schuldig, so lange sie vor dir stehen. Sobald sie aber von dir gegangen sind, siehe sie als schuld- los an, wenn sie deinem Urteil sich gefügt haben. 1, 8. Richte nie allein, denn richten darf nur Gott. Sprich nicht zu deinen Gerichtsgenossen: schließt euch meiner Meinung an. Darüber sol­len sie entscheiden und nicht du. 4,10. 6. Hast du vieles gelernt, so tue dir nichts darauf zugute, denn zum Lernen bist du geschaffen. 2, 9. Mache die Gotteslehre nicht zu einer Krone, um damit zu prunken, und nicht zu einem Spaten, um damit zu graben. 4, 7. Wer die Gotteslehre missbraucht, geht zugrunde. 1, 13. Heilsam ist die Gotteslehre, wenn sich ihr ein weltlicher Beruf gesellt; beider Pflege hält die Sünde fern. 2, 2. Ohne Gotteslehre keine Gesittung, ohne Gesittung keine Gotteslehre. Ohne Weisheit keine Gottesfurcht, ohne Gottes­furcht keine Weisheit. Ohne Wissen keine Ein­sicht, ohne Einsicht kein Wissen. Ohne Nahrung keine Gotteslehre, ohne Gotteslehre keine Nah­rung. 3, 21. Liege (jedoch) weniger den Geschäften und desto mehr der Thora ob, und sei bei allem Wissen demütig gegen jedermann ... 4, 12. Wer allzu sehr dem Erwerbe sich er­gibt, wird nicht weise. 2, 6. Dies ist der Weg zur Thora: Brot mit Salz sollst du essen, selbst Wasser zugemessen trinken, auf der Erde sollst du schlafen, ein entbehrungsvolles Leben sollst du führen und bei alledem rastlos ihr dich wid­men. Wenn du also tust, dann heil dir hinieden und wohl dir im künftigen Leben. 6, 4. Trachte nicht nach Ruhm noch nach Ehre. Achte mehr auf Tun, denn auf Wissen. Lasse dich nicht gelüsten nach der Tafel der Fürsten. Denn deine Tafel und deine Krone stehen höher denn die ihren. 6, 5. Viel Fleisch, viel Gewürm; viel Güter, viel Sorgen; viel Weiber, viel Zauberei; viel Mägde, viel Unzucht; viel Knechte, viel Un- treue; viel Thora, viel Leben ... 2, 8.

7. Auf drei Dingen steht die Welt: auf der Thora, dem Gottesdienst und der Nächstenliebe. Höher als die Erforschung der Lehre steht die gute Tat. 1,17. Bestandlos ist das Wissen, wenn es nicht auf der Tat begründet ist. 3,12. Was frommt die Weisheit, wenn sie nicht vor der Sünde zu schützen vermag. 5, 11. Einem Baume mit vielen Zweigen und wenig Wurzeln gleicht, der vieles weiß und wenig tut. Bricht ein Sturm herein, dann beugt er ihn nieder und wirft ihn um. 3, 22. (Höher aber als die Tat steht die Gottesfurcht.) Wer die Heiligtümer entweiht, die Feste verachtet, seinen Nächsten öffentlich beschämt, den Bund Abrahams zer­stört und die Thora missdeutet, der hat keinen Teil am Jenseits, selbst wenn er die Thora lernt und Wohltaten übt. 3,15. Drei Kronen gibt es: die Krone der Thora, des Priestertums und des Königtums. Die Krone eines guten Namens über­strahlt sie alle. 4,17.

8. Seid nicht wie die Knechte, die dem Herrn nur um des Lohnes willen dienen, sondern wie jene, die ihrem Herrn dienen ohne Rücksicht auf den Lohn. Die Ehrfurcht vor Gott walte in euch. 1, 3. Sei mutig wie der Tiger und aufstrebend wie der Adler, schnell wie der Hirsch und stark wie der Leu, um den Willen deines himmlischen Vaters zu vollbringen. 5, 23. Sei eifrig in der Übung der unscheinbarsten guten Tat und in dem Meiden einer noch so geringen Sünde, denn unübersehbar sind die Folgen. 4, 2. Wenn du betest, dann tue es nicht, um nur dem Herkommen zu genügen, sondern es sei ein in­brünstiges Flehen vor Gott ... und zweifle nie­mals an seiner Gnade. 2,18. Gib Gott von dem deinen, denn alles ist sein: du und alles, was du hast. 3, 8. Mache Gottes Willen zu dem deinen, damit er deinen Willen zu dem seinen mache. Unterdrücke deinen Willen vor dem seinen, damit er jeden Willen deiner Feinde vordem deinen unterdrücke. 2,4. Was du auch unter­nimmst, das tue im Namen Gottes. 2, 17. Jeder Streit um Gottes Willen ist von bleiben­dem Wert. Jeder Streit um persönliche Dinge stiftet Unheil. Das Vorbild eines segensreichen Streites sind die Schulen Hillels und Schammais, das eines unheilvollen Streites hingegen der persönliche Zwist der Rotte Korah. 5, 20. Jeder im Namen Gottes gestiftete Verein hat Bestand. 4,14. Wer den Namen Gottes auch nur heimlich ent­weiht, der entgeht der öffentlichen Strafe nicht, gleichviel ob er es fahrlässig oder mutwillig ge­tan. 4, 5. Wenn ich nicht für mich bin, wer ist für mich? Wenn ich nur für mich bin, was bin ich? Und wenn nicht jetzt, wann denn? 1, 14. Der Tag ist kurz, der Arbeit ist gar viel. Die Arbeiter sind träge, der Lohn ist groß und der Hausherr drängt. 2, 20. Es liegt dir nicht ob, selbst das Werk zu vollenden, aber du hast nicht die Freiheit, dich ihm zu entziehen. 2, 21. Dein Werkmeister ist zuverlässig und zahlt dir den Lohn deines Wirkens; doch wisse, dass dem Frommen die Belohnung erst jenseits zuteilwird. 2, 21. Das Leben hinieden gleicht einer Vorhalle der künftigen Welt. Rüste dich in der Vorhalle, damit du würdig werdest, in den Palast zu treten. 4, 21. Einen Fürsprecher erwirbt sich, wer ein göttliches Gebot erfüllt, einen Ankläger, wer eine schlechte Tat begeht. Die Bußfertigkeit zusammen mit der guten Tat bilden einen Panzer gegen das Strafgericht. 4,13. Eine Stunde der Buße und guter Werke hinieden ist mehr wert als das ganze Jenseits, und die Seligkeit einer Stunde im Jenseits ist mehr wert als alle Freuden dieses Lebens. 4, 22. Alles ist vorhergesehen, dennoch ist die freie Wahl gegeben. Nach Gnade wird die Welt gerichtet, dennoch wird alles nach dem Über­gewicht der guten Handlungen entschieden. 3,19. Alles wird auf Borg gegeben und ein Netz ist über alles Lebende ausgebreitet. Der Laden ist offen, und der Krämer borgt. Das Buch ist aufgeschlagen, und die Hand schreibt. Wer geliehen haben will, mag kommen und leihen. Die Schuldforderer gehen täglich umher und zie­hen die Schulden ein, gleichviel ob der Schuldner willig ist oder nicht, denn sie haben eine feste Stütze. Der Urteilsspruch ist ohne Fehl... 3, 20. Als Hillel einst einen Schädel auf dem Wasser schwimmen sah, sprach er: ,weil du er­tränkt hast, haben sie dich ertränkt, und auch die, welche dich ertränkt haben, werden ertränkt werden. 2, 7. Demütig sei der Mensch, denn was des Sterblichen harrt, ist der Wurm. 4, 4. Bedenke drei Dinge und du wirst nie in eine Sünde verfallen. Bedenke, woher du kommst, wohin du gehst und vor wem dereinst du Rechen­schaft abzulegen haben wirst. Du kommst von einem verfaulten Tropfen, gehst zu Staub und Gewürm und wirst dereinst vor dem König der Könige Rede stehen müssen. 3, 1. Der Ge­borenen harrt der Tod und des Todes die Auf­erstehung, und der Auferstehung das Gericht vor dem, der Schöpfer und Bildner, Kläger, Zeuge und Richter ist, vor dem es weder Unrecht noch Vergessen, weder Begünstigung noch Bestechung gibt. Und laß dich nicht vom bösen Trieb beschwichtigen, dass das Grab eine Zufluchtsstätte für dich sei. Gegen deinen Willen wurdest du erschaffen, gegen deinen Willen lebst du, gegen deinen Willen wirst du sterben, und gegen deinen Willen wirst du Rechenschaft ablegen müssen vor dem König der Könige, dem Heiligen, gelobt sei er. 4, 29. Traue dir selbst nicht bis zum Tage deines Todes. 2, 3.

9. Unterordne dich dem Haupte, sei nachsich­tig gegen die Jugend und komme jedermann freundlich entgegen. 3,16; 4, 20; 1,15. Liebe den Frieden und jage ihm nach. Liebe die Men­schen und leite sie zur Thora. 1, 12. Dein Haus sei weit geöffnet, und die Armen seien deine Hausgenossen. 1, 5. Manche unterstützen die Armen, sehen es aber nicht gern, dass es auch andere tun: das sind die Eifersüchtigen. Andere handeln umgekehrt: das sind die Geizigen. Die Frommen geben und wünschen, dass es auch andere tun. Die Bösen geben nichts und verleiten auch die anderen dazu. 5, 6. Mein ist mein und dein ist dein, das ist die Gesinnungsart der gewöhnlichen Menschen oder gar der Sodomiter. Mein ist dein und dein ist mein, so spricht der Pöbel. Mein ist dein und Dein ist dein, das ist die Gesinnung der Frommen. Mein ist mein und Dein ist mein, das ist die Gesinnungsart des Bösewichtes. 5, 13. Jede Liebe, die auf einer Sache beruht, verschwindet mit der Sache. Nur die Liebe, die auf nichts beruht, ist von Dauer. Bestandlos war die sinnliche Liebe zwischen Amnon und Tamar, unvergänglich hingegen die Freundschaft zwischen Jonatan und David. 5,19. Die Ehre deines Nächsten sei dir so viel wert wie die eigene. 2,15. (Auch) der Besitz deines Nächsten sei dir heilig wie der deine. 2, 17. Verschaffe dir einen Lehrer, gewinne dir einen Freund und beurteile jeden Menschen nach der günstigen Seite. 1, 6. Verdamme nie­mand, solange du nicht in seiner Lage warst. 2, 5. Freue dich nicht über die Trübsal dei­nes Feindes, dein Herz frohlocke nicht, wenn er gestrauchelt ist. Der Ewige könnte es missfällig sehen und seinen Zorn auf dich wenden. 2, 24. Versuche es nicht, deinen Nächsten zu besänftigen, wenn er vom Zorn überwältigt ist. Tröste ihn nicht, solange der Tote vor ihm liegt. Suche ihn nicht von seinem Ziele abzubringen in dem Augenblick, in dem er es gefasst hat, und besuche ihn nicht in der Stunde seiner Ernied­rigung. 4, 23.

10. Wahrheit, Gerechtigkeit und Friede sind die Pfeiler der menschlichen Gesellschaft. 1,18. Sondere dich nicht von der Gesamtheit ab. 2, 5. An wem die Menschen Wohlgefallen haben, an dem hat auch Gott Wohlgefallen ... 3,13. Welches ist der rechte Weg, den der Mensch erwählen soll? Der, der nicht nur dem, der ihn betritt, sondern auch den andern Menschen ehrenhaft erscheint. 2, 1. Wer sich der Menschenfreundlichkeit, der Bescheidenheit und der Genügsamkeit befleißigt, gehört zu den Jüngern Abrahams, die Missgünstigen, Über­mütigen und Habgierigen hingegen zu denen Bileams. 5, 23. Bete für das Wohl der Obrigkeit. Wenn die Furcht vor ihr nicht wäre, würde einer den andern lebendig verschlingen. 3, 2.

11. Liebe die Arbeit, fliehe die Ehrsucht und dränge dich nicht zu den Großen. 1, 10. Seid behutsam im Verkehr mit den Großen, die den Menschen nur um des eigenen Vorteils willen an sich ziehen. Sie begegnen ihm freundlich, so- lange ihr Nutzen es heischt, und stehen ihm nicht bei, wenn er in Not gerät. 2, 3. Wer Pro­zesse meidet, der entgeht der Feindschaft, dem Raub und dem Meineid. Wer sich bei der Rechtsentscheidung überhebt, ist töricht, frevlerisch und hochmütig. 4, 9. Halte dich fern von einem bösen Nachbar. Geselle dich nicht zu einem schlechten Menschen und wähne nicht, dass die Strafe ausbleiben werde. 1, 7. Mein Leben lang habe ich unter Weisen verbracht und habe gefunden, dass für den Menschen nichts heilsamer sei als Schweigen. 1, 17. Sprich wenig und tue viel. 1, 15. Spare mit deinen Worten bei der Frau, sei es eine fremde oder die eigne. Wer viel mit ihr schwatzt, zieht sich Böses zu, wird von der Thora abgelenkt und gerät am Ende in die Hölle. 1, 5. Vergnügungssucht und leichter Sinn lenken von Zucht und Sitte ab. Die mündliche Überlieferung ist ein Zaun für die geschriebene Gotteslehre. Die Zehntengaben bil­den einen Damm gegen übermäßigen Reichtum, Die Gelübde sind Gehege für die Mäßigkeit. Schweigen ist der Weisheit Zaun. 3, 17. Der Schlaf in den Morgen hinein, das Weingelage am Mittag, das Schwatzen mit Kindern, der Aufent­halt unter Ungebildeten führen zur Versumpfung. 3,14. Verachte niemand und unter­schätze nichts. Es gibt keinen Menschen, der nicht seine Stunde finden, und kein Ding, das nicht irgendwie zur Geltung kommen könnte. 4, 3. Ein Rabbi fragte einst seine Schüler: ,Was ist's, worauf der Mensch im Leben den größten Wert zu legen habe?` Der eine sagte: ,ein wohlwollendes Auge, der andere: ,ein guter Freund', der dritte: ,ein guter Nachbar', der vierte: ,das Schauen der kommenden Dinge`, der fünfte: ,ein gutes Herz'. Der Rabbi schloss sich der letzten Ansicht an, weil in ihr alle andere enthalten ist. 2, 13. Vier Gemütsarten gibt es: schwer zu erzürnen und schwer zu besänfti­gen, leicht zu erzürnen und leicht zu besänftigen: bei beiden wiegt der Nachteil den Vorteil auf. Schwer zu erzürnen und leicht zu besänftigen: das ist die Gemütsart der Frommen; leicht zu erzürnen und schwer zu besänftigen, das ist die Gemütsart der Frevler. 5, 14. Wer ist ein Held? Wer sich selbst beherrscht. Wer ist reich? Der mit seinem Lose zufrieden ist. Wer wird verehrt? Der die Menschen ehrt. 4,1. Schönheit und Kraft, Reichtum, Ehre und Weisheit, hohes Alter und tugendhafte Kinder sind ein Schmuck der Frommen und ein Schmuck der Welt. 6, 8. Im fünften Lebensjahre ist der Mensch reif für das Lesen der Thora, im zehnten für das Lesen der Mischna, im dreizehnten für die Übung der göttlichen Gebote, im fünfzehnten für die Erklärung der Mischna, im achtzehnten für die Ehe, im zwanzigsten für den Lebensberuf, im dreißig­sten gelangt er zu voller Kraft, im vierzigsten zu vollem Verstand, im fünfzigsten zu einsichtigem Rat, im sechzigsten zum gesetzten Alter, mit siebenzig zum Greisenalter, im achtzigsten zum hohen Alter, im neunzigsten zum Verlöschen, im hundertsten ist er wie tot. 5, 24.