Erster Abschnitt — מאמר ראשון

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Es spricht Jehuda, Sohn des Saul: Es spricht der Verfasser: ‏י‎

1. Man hat mich oft gefragt, welche Beweisgründe und Entgegnungen ich gegen die Angriffe vorzubringen hätte, die wir von den Philosophen, von den Bekennern anderer Religionen und von den Sekten erleiden, die von unserem Gesammtglauben abweichen. Und da gedachte ich an das, was ich einst von den Beweisgründen jenes Gelehrten gehört, der bei dem König von Kusar war, welcher, wie aus den Geschichtsbüchern bekannt ist, vor ungefähr vierhundert Jahren das Judenthum angenommen hat. Dieser hatte nämlich öfter einen Traum, in dem es ihm vorkam, als wenn ein Engel mit ihm spräche und sagte: Deine Gesinnung ist zwar dem Schöpfer wohlgefällig, nicht aber deine Handlungsweise. Und dabei war er so eifrig in der Religion Kusar’s, daß er sich selbst am Tempeldienst und der Darbringung der Opfer betheiligte. Aber wenn er auch noch so eifrig war, kam der Engel doch des Nachts zu ihm und sagte: Deine Gesinnung ist wohlgefällig, nicht aber deine Handlungsweise So sah er sich denn veranlaßt, über Glaubensmeinungen und Religionssatzungen nachzuforschen und ging endlich mit Vielen der Kusariten zum Judenthum über. Da nun unter den Beweisgründen des Gelehrten manche waren, die mir zusagten und mit meinen Ansichten übereinstimmten, so hielt ich es für recht, jene Besprechung aufzuzeichnen, so wie sie Statt gefunden. Die Einsichtigen werden mich verstehen. Als nämlich — so erzählt man — der König von Kusar in seinem Traume sah, daß seine Gesinnung zwar wohlgefällig sei bei dem Schöpfer, nicht aber seine Handlungsweise, und daß man ihm im Traume befohlen, die dem Schöpfer wohlgefällige Handlungsweise aufzusuchen, befragte er einen Philosophen, der in seiner Zeit lebte, über dessen Glauben. Da sagte der Philosoph zu ihm: Bei dem Schöpfer gibt es weder Wohlgefallen, noch Mißfallen; denn er ist erhaben über alles Wollen und über alle Absicht. Eine Absicht nämlich zeugt von einem Mangel in dem Beabsichtigenden, den die Erreichung der Absicht der Vollkommenheit zuführt, während er, so lange jene unerreicht ist, dem Mangel verbleibt. Ferner ist er nach der Ansicht der Philosophen erhaben über das Wissen von den Einzelwesen, weil diese der Veränderung unterliegen, in dem Wissen des Schöpfers aber keine Veränderung (denkbar) ist; also er weiß nichts von dir, geschweige denn, daß er deine Gesinnung und deine Handlungsweise kennen, oder gar, daß er dein Gebet hören und deine Bewegungen sehen sollte. Wenn die Philosophen sagen, daß er dich geschaffen, so meinen sie dies nur im figürlichen Sinne, weil er die höchste Ursache in der Erschaffung alles Geschaffenen ist, nicht aber, als wenn es die Folge einer bestimmten Absicht von seiner Seite wäre. Er hat nie einen Menschen geschaffen, denn die Welt ist von jeher, und nie ist ein Mensch anders entstanden, als durch einen Menschen, der vor ihm da war, als eine Zusammensetzung aus Formen, Temperamenten und Charaktereigenschaften von den Aeltern und übrigen Verwandten, aus Einflüssen der Luft , der Länder, der Speisen, der Gewässer, verbunden mit den Einwirkungen der Sphären, Sternbilder und Zeichen in ihren verschiedenen Constellationen. So ist Alles auf die Erste Ursache zurückzuführen, aber nicht als von einer bestimmten Absicht ausgehend, sondern als ein Ausfluß, der von ihr als Zweite Ursache, von da als Dritte, Vierte u. s. w. ausgeht. Ursachen und Wirkungen bilden eine zusammenhängende Kette, wie sie in die Erscheinung treten; und dieser Zusammenhang ist von jeher, wie die Erste Ursache von jeher ohne Anfang ist. Bei jedem Einzelwesen der Welt machen sich Ursachen geltend, Zusammensetzungen und Einflüsse, in Folge deren es sich als solches gestaltet. Bei dem Einem sind diese Ursachen in vollkommenerem Maße vorhanden, und das Wesen wird ein vollkommeneres; bei einem Andern sind sie von mangelhafter Beschaffenheit und es selbst wird unvollkommen. So ist ein dunkelhäutiger Mensch subsaharischer Abstammung gerade nur zur Annahme der menschlichen Gestalt und der Sprache — und das in höchster Unvollkommenheit — geeignet, während der Philosoph, der als solcher befähigt ist, dadurch eine sittliche, intellectuelle und praktische Höhe erreicht, daß ihm nichts an der Vollkommenheit fehlt. Aber diese Vollkommenheit ist vorläufig nur eine bloße Kraft und bedarf, um in die Erscheinung zu treten, des Unterrichts und der Zucht; dann zeigt sich die Befähigung in dem Grade von Vollkommenheit und Mangelhaftigkeit, für den sie eben gemacht ist, wobei es unzählige Mittelglieder gibt. Dem Vollkommenen haftet von der göttlichen Art ein Licht an, genannte Thätiger Verstand, mit welchem dessen Leidender Verstand in einem so innigen Zusammenhange steht, daß der betreffende Mensch und der Thätige Verstand untrennbar sind und alle seine Geräthe — nämlich seine Glieder — eine Einheit bilden und nur zu den vollkommensten Thätigkeiten in den angemessensten Zeitpunkten und für die besten Dinge verwendet werden, als wenn diese Geräthe nur Geräthe des Thätigen Verstandes wären und nicht des materiellen, leidenden Verstandes, der sich früher, bevor er sich zur Vollkommnheit ausgebildet hatte, ihrer bediente und zuweilen gut, zuweilen schlecht handelte, jetzt aber nur gut handelt. Diese Stufe ist die höchst erreichbare, die ein vollkommener Mensch erhoffen darf, wenn seine Seele geläutert ist von Zweifeln und die Wissenschaften in ihrer wahren Bedeutung erfaßt. Sie wird gleichsam ein Engel; in der That steht sie auf der Höhe der Engel, in sofern diese von den Körpern abgesondert ist, nämlich aus der Höhe des Thätigen Verstandes; eines Engels, dessen Stufe unmittelbar nach der des Engels kommt, der über die Mondsphäre gesetzt ist. Es sind das geistige vom Stofflichen entkleidete Wesen, von jeher existirend wie die Erste Ursache und niemals die Vernichtung befürchtend. So wird denn die Seele des vollkommenen Menschen und der Thätige Verstand Eins und er sorgt nicht um die Vernichtung seines Körpers und seiner Glieder, eben weil er und Jener eine Einheit geworden und seine Seele ruht im Leben in Gemeinschaft mit Hermes, Aesculap, Sokrates, Plato und Aristoteles; denn diese und er und jeder, der ihre Höhe erreicht, sind mit dem Thätigen Verstand Eins und bestehen für immer. Und das wird »Wohlgefallen Gottes« genannt, im figürlichen oder approximativen Sinne. Dem jage nach; strebe nach wahrhafter Erkenntniß der Dinge, bis dein Verstand ein Thätiger aus dem Leidenden wird. Schließe dich den Wegen der Frommen in Eigenschaften und Handlungen an; denn sie sind eine Beihülfe zur Erkenntniß der Wahrheit, zur Ausdauer im Forschen und zum Aufgehen in jenen Thätigen Verstand. Das führt dich sofort zu den Tugenden der Genügsamkeit, der Bescheidenheit, der Demuth und jeder lebenswerthen Eigenschaft, eben so zu der Verehrung, die man der Ersten Ursache weihet, nicht damit ihr Wohlgefallen dir Gnade erweise, und nicht um ihren Zorn abzuwenden, sondern um dem Thätigen Verstand gleich zu werden in dem Streben nach Wahrheit, in der Bezeichnung jedes Dinges in entsprechender Weise und richtiger Ertenntniß desselben; was alles Eigenschaften des Verstandes sind. Bist du zu dieser Stufe des Glaubens gelangt, so frage nicht, zu welcher Religion, zu welchem Gesetz, zu welcher Handlungsweise du dich bekennst, welche Redeweise, welche Sprache du habest; oder denke dir selbst ein Religionsgesetz aus, das dich zur Demuth und zum Preis und Lob (des Höchsten) führt, und das deine Sitten und die deines Hauses und deiner Unterthanen regelt, vorausgesetzt daß sie (in dieser Beziehung) dir folgen und auf dich hören. Oder nimm dir als Religion die Vernunftgesetze, welche die Philosophen zusammengestellt; richte dein Augenmerk und dein Ziel auf die Reinheit deiner Seele. Mit einem Worte: Strebe nach Reinheit des Herzens, auf welche Art es dir möglich ist, nachdem du die Lehrsätze der Wissenschaften wahrhaft verstanden; so wirst du zu deinem Ziele gelangen, nämlich zur Verbindung mit dem Geistigen, d. h. dem Thätigen Verstand. Vielleicht verleiht er dir auch prophetische Gabe und thut dir die Zukunft in wahrhaften Träumen und bewährten Gesichten kund.

2. Kusari. Ich finde deine Worte richtig und begründet, aber sie erledigen meine Frage nicht. Ich weiß ja bei mir selbst, daß meine Seele rein und meine Handlungen auf das Wohlgefallen des Schöpfers gerichtet sind, und bei allem dem wurde mir zur Antwort, daß diese Handlungsweise nicht wohlgefällig ist, wenn die Gesinnung es auch sei. Es gibt (also) ohne Zweifel eine Handlungsweise, die durch sich selbst und nicht vermöge der Gesinnung wohlgefällig ist. Denn sonst, wozu würden wohl Edom und Jsmael, die sich in die Welt getheilt haben, einander bekämpfen, da doch jeder von ihnen aus Reinheit der Seele hält, seinen Sinn auf Gott richtet, sich absondert und zurückzieht, fastet und betet, und dann hingeht, um den Andern zu erschlagen, in dem Glauben, daß diese Tödtung ein sehr gottgefälliges Werk sei, das ihn dem Schöpfer näher bringe. Beide sind überzeugt, daß sie in das Paradies kommen. Und Beiden zu glauben, widerspricht ja der Vernunft

3. Philosoph. Die Religion der Philosophen verlangt nie die Tödtung eines Menschen, da sie nur auf den Verstand ihr Augenmerk richten.

4. Kusari. Und was weicht wohl mehr von der Wahrheit ab nach der Ansicht der Philosophen, als der Glaube Jener, daß die Welt einen Anfang hat, daß sie in sechs Tagen erschaffen worden, daß die Erste Ursache mit einem von den Menschen gesprochen, da ja die Philosophen Gott zu erhaben halten, als daß er von den Einzelwesen Kenntniß haben sollte. Nun dürfte man nach der Handlungsweise der Philosophen, nach ihrer Gelehrsamkeit, nach ihrer Erforschung der Wahrheit, nach ihren (derartigen) Bemühungen erwarten, daß die prophetische Gabe unter ihnen bekannt sei und sich vorfinde, da sie sich mit dem Geistigen im Zusammenhang wissen, und daß über sie Wunderbares, Furchtbares, Herrliches und Großes berichtet werde. Und doch finden wir wahrhafte Träume bei denen, die sich nicht mit Wissenschaften und Läuterung der Seele beschäftigt haben, und das Gegentheil bei denen, die sich damit bemüht. Alles dies lehrt mich, daß das Göttliche doch noch ein anderes Geheimniß habe, als das, was du, Philosoph, mir vorgetragen hast. Daran sprach der Kusari bei sich: Ich möchte Edom und Ismael fragen; denn eine der beiden Handlungsweisen ist ohne Zweifel die wohlgefällige; was aber die Juden betrifft, so genügt mir, was man von ihrer Niedrigkeit, geringen Zahl und allgemeinen Verachtung sieht. Er rief also einen von den Gelehrten Edom’s und befragte ihn über seine Glaubenslehre und seine Handlungsweise. Dieser sagte zu ihm: Ich glaube, daß alles Erschaffene einen Anfang hat, während der Schöpfer von jeher ist; daß alle Menschen Abkömmlinge Adam’s sind und ihr Geschlecht auf ihn zurückführen; daß Gott eine Vorsehung übt über alle Wesen, daß er in Verbindung tritt mit den Menschen, daß er Zorn und Erbarmen äußert, daß er mit seinen Propheten und Frommen spricht, ihnen erscheint und sich ihnen offenbart, daß er unter denen aus der Menschheit, die sein Wohlgefallen erlangen, seinen Wohnsitz aufschlägt. Mit einem Worte: Ich glaube an Alles, was in der Thora und den (andern) Büchern der Kinder Israel enthalten ist, da an der Wahrhaftigkeit derselben kein Zweifel waltet, vermöge ihrer Oeffentlichkeit, ihrer Fortdauer und der vor großen Massen geschehenen Offenbarungen. In den späteren Zeiten und in der Folge verkörperte sich die Gottheit und ging über in den Leib einer Jungfrau aus dem Fürstenhause Israels, und sie gebar Einen, der äußerlich ein Mensch, innerlich ein Gott, äußerlich ein gesandter Prophet, innerlich ein gesandter Gott war; das ist der Messias, der genannt wird ein Sohn Gottes , er ist der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Wir glauben in Wahrheit an die Einheit, und wenn auch aus unsern Reden scheinbar die Dreiheit hervorgeht, so glauben wir doch an die Einheit. Ebenso (glauben wir), daß Gott unter den Israeliten weilte, so lange der göttliche Geist an ihnen haftete, bis die große Masse sich widerspenstig gegen diesen Messias zeigte und sie ihn hängten. Da erging dauernder Zorn über sie und ihre Masse, das göttliche Wohlgefallen aber wurde den Einzelnen zu Theil, die dem Messias nachfolgten, und dann den Völkern, die diesen Einzelnen nachgingen; und zu diesen gehören auch wir. Wenn wir also auch nicht von den Israeliteu herstammen, so verdienen wir doch eher Israeliten genannt zu werden. Denn wir folgen den Lehren des Messias und seiner zwölf israelitischen Genossen, welche die Stelle der zwölf Stämme vertreten; auch folgten ja viele Israeliten jenen Zwölfen nach und bildeten gleichsam den Sauerteig für das Volk der Christen. So also haben wir uns des Vorzuges der Israeliten werth gezeigt, und uns ist die Macht und die Stärke in allen Ländern geworden. Alle Völker werden zu diesem Glauben gerufen und haben die Pflicht, ihm anzuhängen und den Messias und sein Holz, an dem er gehängt wurde, zu erheben und zu preisen, und dergleichen. Unsere Lehren und Satzungen rühren von Simon, dem Genossen, her, aber wir lernen auch die Satzungen der Tora, an deren wahrhaften Göttlichkeit wir keinen Zweifel hegen. Es heißt ja auch im Evangelium unter den Reden des Messias: Ich bin nicht gekommen, irgend eines der Gebote der Kinder Israel und ihres Lehrers Moses aufzuheben, sondern ich bin gekommen, sie zu befestigen und zu bekräftigen.

5. Kusari. Hier ist für Vernunstthätigkeit gar kein Raum, ja die Vernunft verwirft das Meiste von dem Gesagten Höchstens wenn es durch Anschauung und Selbsterfahrung so bewahrheitet wird, daß sich die Ueberzeugung dem Herzen aufdrängt, und man gar nicht umhin kann, das, wovon man sich überzeugt hat, nicht zu glauben, wird man durch künstliche Schlußfolgerungen sich nach und nach dahin bringen, daß das Unwahrscheinliche glaubhaft erscheint. So machen es ja die Naturforscher, wenn sie wunderbare Naturerscheinungen wahrnehmen. Wenn man ihnen davon erzählte, ohne daß sie selbst sie sähen, so würden sie nicht daran glauben; nun sie aber selbst sehen, denken sie nach und suchen die Ursachen in den Sternen und geistigen Einflüssen, da sie ja doch ihre eigene Erfahrung nicht verleugnen können. Ich aber habe gar keine Veranlassung, das von dir Gesagte anzuerkennen, da es mir ganz neu ist und ich nicht damit aufgewachsen bin. Vielmehr halte ich es für meine Pflicht, der vollkommenen Wahrheit nachzuforschen, bis ich ihr auf den Grund komme.

Hieran rief er einen von den Weisen Ismael’s und befragte ihn über seine Glaubenslehre und seine Handlungsweise Dieser sagte: Wir glauben fest an die Einheit und Ewigkeit Gottes, daß die Welt erschaffen, daß alle Menschen von Adam stammen. Wir halten besonders alle Körperlichkeit (von Gott) fern, und wenn in unseren Schriften etwas derartiges vorkommt, so deuten wir es dahin, daß wir sagen, es sei im figürlichen Sinne aufzufassen, so daß es unserer Auffassung erleichtert werde. Wir bekennen, daß die Worte unseres Gesetzbuches Worte Gottes sind, und daß es an sich ein Beweis ist, den anzuerkennen wir die Pflicht haben, weil kein Mensch ein Buch wie dieses, ja auch nur einen Abschnitt, wie dessen Abschnitte, verfassen kann; ferner, daß unser Prophet das Siegel aller Propheten ist, daß er alle Gesetzbücher, die vor ihm waren, aufhebt, und daß er alle Völker zur ismaelitischen Religion ruft· Der Lohn des Gehorsamen ist, daß sein Geist in das Paradies kommt und an keiner Annehmlichkeit, Essen, Trinken Liebesgenuß und was seine Seele begehrt, Mangel leide; die Strafe des Widerspenstigen, daß er in ein Feuer kommt, das nicht verlöscht und daß seine Schmerzen kein Ende nehmen.

6. Kusari. Wen man über göttliche Dinge belehren will, wen man überzeugen will, daß Gott mit einem Sterblichen spreche, während Jener das bestreitet, den muß man durch offenkundige, unwiderlegliche Thatsachen überzeugen. Auch dann wird er kaum glauben, daß der Schöpfer mit einem Menschen gesprochen. Und wenn euer Gesetzbuch ein Beweis für euch ist , so kann doch, da es arabisch ist, seine Beweiskraft und sein Zeichen von einem Nichtaraber, wie ich, nicht erkannt werden, und wenn es mir vorgelesen würde , so könnte ich zwischen ihm und einem andern arabischen Buche nicht einen derartigen Unterschied wahrnehmen, daß ich es für einen Beweis anerkennen sollte.

7. Der Gelehrte antwortete: Es sind übrigens durch unseren Propheten auch Wunder vollbracht worden, die aber nicht als Beweis für die Annahme seiner Lehre aufgestellt wurden.

8. Kusari. Der menschliche Geist ist nicht geneigt , anzuerkennen, daß der Schöpfer in Beziehung zu einem Sterblichen steht, es sei denn durch ein Wunder, wodurch er Naturgesetze umkehrt, so daß man erkenne, daß das eben nur der vermöge, der die Dinge aus Nichts erschaffen; ferner muß die Sache vor Volksmassen geschehen, die es mit eigenen Augen sehen, nicht aber dürfen sie durch Erzählung und Ueberlieferung davon wissen; sie müssen ferner die Sache untersuchen und wiederholten Prüfungen unterwerfen, so daß in keines Menschen Herz ein Zweifel entstehen kann, als sei hier Blendwert oder Zauberei im Spiele. Auch dann wird ein Mensch kaum diese außerordentliche Thatsache fassen, daß der Schöpfer dieser und der anderen Welt und der Engel und des Himmels und der Lichter in Beziehung trete mit diesem verächtlichen Stoffe, dem Menschen, mit ihm rede, seine Wünsche erfülle und seine Bitten bewillige.

9. Der Gelehrte. Es ist ja auch unser Gesetzbuch voll von Geschichten von Mose und den Israeliten, deren Wahrhaftigkeit unanfechtbar ist, z. B. von dem, was Gott an Pharao gethan, daß er das Meer gespalten, seine Auserwählten hindurchgeführt, diejenigen aber, denen er zürnte, darein versenke, daß er den Israeliten Manna und Wachteln sendete, womit er sie vierzig Jahre lang in der Wüste speiste, daß er mit Mose am Berge Sinai gesprochen, dem Josua die Sonne stillstehen ließ, ihm gegen die Helden, die Söhne Anak’s half; eben so verhält es sich mit noch älteren Begebenheiten, wie die Fluth, die Zerstörung von Sedom und Amora. Das sind ja bekannte und anerkannte Thatsachen, bei denen an Betrug oder Blendwerk in keiner Weise zu denken ist.

10. Kusari. Ich sehe, daß ich doch die Juden befragen muß, sie als den Ueberrest der Israeliten, welche doch, wie ich sehe, Beweisgrund und Stütze für alle Bekenner des Glaubens sind, daß Gott eine Lehre auf Erden (mitgetheilt) habe. Da rief er einen jüdischen Gelehrten und befragte ihn um seinen Glauben.

11. Meister. Wir glauben an den Gott Abraham’s, Isaak’s und Jakob’s, der die Israeliiten aus Aegypten geführt mit Zeichen und Wundern und Versuchungen, sie in der Wüste gespeist, ihnen das Land Kanaan in Besitz gegeben, nachdem er sie unter großen Wundern durch das Meer und durch den Jordan geführt; daß er den Moses mit seiner Lehre gesandt, und nach ihm tausende von Propheten, die zur Befolgung seiner Lehre mahnten, guten Lohn denen versprachen, die sie beobachten, harte Strafe denen, die den Gehorsam versagen würden. Wir glauben endlich an Alles, was in der Tora steht; doch das bedarf einer weitläufigen Auseinandersetzung

12. Kusari. Ich war von Anfang an mit mir einig, einen Juden nicht zu befragen, weil ich von ihrer Herabgekommenheit und geistigen Versunkenheit überzeugt war, da ja Druck und Elend ihnen keine gute Eigenschaft gelassen. Hättest du nicht sagen müssen, Jude, daß du glaubest an den Schöpfer der Welt, an den, der sie ordnet und leitet, an den, der dich geschaffen, versorgt, und dergleichen Sätze, wie sie ja jeder vorbringt, der eine Religion bekennt und der um ihretwillen der Wahrheit und Rechtlichkeit nachstrebt, um dem Schöpfer in dessen Gerechtigkeit und Weisheit ähnlich zu werden?

13. Meister. Das, wovon du sprichst, ist die speculative Religion, zu der man durch Schlüsse gelangt und die mannigfache Zweifel in sich birgt.

Befragst du Philosophen darüber, so findest du, daß sie nicht über eine Handlung, nicht über eine Ansicht einig sind. Denn unter diesen Sätzen sind einige, für die sich ein Beweis führen läßt, bei andern geben sie eine genügende Ausführung, bei der man sich allenfalls beruhigt, bei noch anderen aber auch nicht einmal dies, geschweige denn einen Beweis.

14. Kusari. Ich finde, daß deine Rede, Jude, von Anfang an gut war und bin jetzt geneigt weiter mit dir zu reden.

15. Meister. Der Anfang meiner Rede ist auch der Beweis, und zwar so zwingend, daß daneben kein Beweis irgend einer Art nöthig ist.

16. Kusari. Was heißt das?

17. Meister. Wenn du mir erlaubst, einige Vorbemerkungen zu machen, so will ich mich deutlicher erklären; denn ich sehe, daß meine Worte dir unverständlich sind und daher geringfügig erscheinen.

18. Kusari. Laß deine Vorbemerkungen hören.

19. Meister. Wenn man dir sagte, daß der König von Indien ein liebevoller Mann sei, der es verdient, daß man ihn erhebe, seinem Namen Ehre erweise und von seinen Thaten erzähle, und zwar (verdient) vermöge dessen, was du vernimmst von der Gerechtigkeit der Einwohner seines Landes, von ihren guten Sitten, ihrem redlichen Verkehr, hättest du dich verpflichtet gesehen, jener Ansicht beizustimmen und sie anzunehmen

20. Kusari. Wie sollte ich dazu verpflichtet sein? Ich bin ja in Zweifel, ob die Gerechtigkeit der Bewohner aus ihnen selbst entspringt ganz ohne Mitwirkung eines Königs, oder ob sie die Gerechtigkeit der Einwirkung desselben verdanken, oder vielleicht beiden Einflüssen zugleich.

21. Meister. Wenn nun aber Boten von ihm zu dir kämen mit indischen Geschenken, von denen du unzweifelhaft wüßtest, daß sie nur in Indien im königlichen Palaste zu finden sind, wenn sie ein Schreiben mitbrächten, das anerkanntermaßen von dem Könige selbst herrührt, dabei Heilmittel, die in der Krankheit dich heilen und in gesundem Zustande dich (vor Krankheit) schützen, tödliche Gifte für deine Gegner und Alle, die wider dich streiten, so daß du wider sie ausziehen und sie ohne Kriegswaffen tödten könnest, würdest du dich verpflichtet halten, auf ihn zu hören und sein Königthum anzuerkennen?

22. Kusari. Gewiß; dann wäre der erste Zweifel , ob die Bewohner von Indien einen König haben oder nicht, von mir gewichen, und ich könnte dann glauben, daß sein Reich und seine Worte in Beziehung zu mir treten.

23. Meister. Und wenn dich Jemand in Betreff seiner befragte, wie würdest du ihn beschreiben?

24. Kusari. Mit den Kennzeichen, die mir zuerst bewahrheitet wurden, und ich würde diejenigen hinzufügen, die mir erst zweifelhaft wurden und über die ich später Gewißheit erlangte.

25. Meister. In dieser Weise habe ich deine Frage beantwortet, und so fing auch Moses mit Pharao zu sprechen an, da er zu ihm sagte, »der Gott der Hebräer « habe ihn zu ihm geschickt, d. h. der Gott Abraham’s, Isaak’s und Jakob’s. In Betreff dieser war es eine bei allen Völkern anerkannte Thatsache, daß Gott mit ihnen in Verbindung getreten, sie geleitet und ihnen Wunder erzeigt habe. Nicht aber sagte Moses: der Gott des Himmels und der Erde schickt mich, auch nicht: — Der mich und dich geschaffen. So fing Er selbst seine Rede an die Gesammtheit Israels an: »Ich bin der Ewige dein Gott, der ich dich aus dem Lande Aeghpten geführt « (Exodus 20, 2), und nicht: Ich bin der Schöpfer der Welt und euer Schöpfer. So habe denn auch ich, als du mich um meinen Glauben befragtest, gleich im Anfang das geantwortet, was zu glauben ich verpflichtet bin und mit mir die ganze Gemeinde Israel’s, die sich von der Wahrhaftigkeit jener Offenbarung zuerst durch eigene Anschauung, und später durch ununterbrochene Ueberlieferung, als welche der eigenen Wahrnehmung gleich sieht, überzeugt hat.

26. Kusari. Ich finde also, daß eure Lehre nur euch gegeben ist und Andere gar nicht verpflichtet

27. Meister. Ganz recht; und wer sich von den andern Völkern uns anschließt, der erhält seinen Theil von dem Gute, das der Schöpfer uns angedeihen läßt; aber gleich steht er uns nicht. Gründete sich die Verpflichtung auf die Tora darauf, daß er uns geschaffen, so würden alle Menschen, weiß wie schwarz, uns gleichgestellt sein, da sie Alle von ihm geschaffen sind. Wir aber sind darauf verpflichtet, weil er uns aus Aeghpten geführt und uns seine Herrlichkeit offenbart hat; denn wir sind das Kleinod der Menschheit.

28. Kusari. Du verwandelst dich ja plötzlich, wie ich sehe, Jude; deine Rede wird dürre, nachdem sie so voll war.

29. Meister. Sei sie dürr oder voll, schenke mir deine Aufmerksamkeit, bis ich mich erklärt habe.

30. Kusari. Sprich, was du willst.

31. Meister. Das vegetabilische Leben hat als Kennzeichen Aufnahme von Nahrung, Wachsthum, Fortpflanzung, mit den dazu nöthigen Organen und sonstigen Erfordernissen; in dieser Kategorie sind einbegriffen Pflanzen und Thiere, ausgeschlossen die Erde, die Steine, Fossilien und Elemente.

32. Kusari. Dieser allgemeine Satz bedarf wohl einer specielleren Erklärung; aber richtig ist er.

33. Meister. Das animalische Leben umfaßt bloß alle lebenden Wesen; seine Kennzeichen sind: Bewegung, Willensäußerung, Eigenschaften, äußere und innere Sinne, Begierden u. dgl.

34. Kusari. Auch das ist offenbar und unwiderleglich.

35. Meister. In die Kategorie des intellectuellen Sein’s gehört von allen Lebenden nur der Mensch; charakteristisch für dasselbe sind sittliche, ökonomische und politische Thätigkeit und sonstige Ordnungen und leitende Institutionen

36. Kusari. Auch das ist richtig.

37. Meister. Welche Stufe hältst du nun höher als diese?

38· Kusari. Die Stufe großer Gelehrten.

39. Meister. Ich spreche hier nur von wesentlich verschiedenen Stufen, wie die Pflanze vom Stein und der Mensch vom Thiere. Aber Verschiedenheiten von mehr und minder sind unzählig, weil es eben zufällige Verschiedenheiten sind, die keine eigentliche Stufe begründen.

40· Kusari Nun dann gibt es unter den sinnlich wahrnehmbaren Wesen keine höhere Stufe als die des Menschen.

41. Meister. Wenn sich nun ein Mensch fände, der in’s Feuer hineingeht, ohne sich zu schädigen, der ohne Speise wäre und doch nicht hungerte, der einen Glanz um sich verbreitete, den kein Auge ertragen kann, der nicht krank und nicht schwach wird, der, am Ende seiner Tage angelangt, nach eigenem Willen stirbt, wie einer, der sein Lager besteigt, um zu schlafen und zu einer genau bestimmten Stunde einschläft, dabei mit dem Wissen vom Vergangenen und vom Zukünftigen, von dem, was war und was sein wird, müßte nicht eine solche Stufe sich von der anderer Menschen wesentlich unterscheiden?

42. Kusari. Das ist eine Stufe göttlicher, engelhafter Wesen, wenn sie sich findet; das ist eine göttliche Kategorie, nicht eine intellectuelle, nicht animalische, nicht vegetabilische.

43. Meister. Das ist ein Theil der Merkmale unseres Propheten, durch den, wie Niemand bestreitet, der Volkesmenge der Verkehr des göttlichen Wesens mit ihr sichtbar vermittelt wurde (durch den sie erfuhr), daß sie einen Gott habe, der sie nach seinem Willen leitet, und Jedem nach seinen Wegen, nach der Frucht seiner Thaten, nach Gehorsam und Ungehorsam vergilt. Er war es, der Verborgenes ihnen enthüllte, der ihnen mittheilte, wie die Welt erschaffen worden, wie die Menschen vor der Sündfluth sich fortpflanzten als Abkömmlinge Adam’s, die Geschichte der Sündsluth, die Abstammung der siebzig Nationen von Sem, Ham und Jafet, den Söhnen Noah’s, wie die Sprachen auseinandergingen, wie die Völker verschiedene Wohnsitze suchten, wie Handwerke erfunden und Staaten gegründet wurden, endlich die Jahre der Welt von Adam bis jetzt.

44. Kusari. Das wäre wunderbar, wenn ihr eine feste Zeitrechnung von der Erschaffung der Welt an hättet.

45. Meister. Wir zählen danach und findet keine Differenz auch nur zwischen zwei Juden von Indien bis Aethiopien Statt.

46. Kusari. Nun, wie viel zählt ihr jetzt?

47. Meister. Viertausend und fünf hundert. Der specielle Nachweis hierüber findet sich in unserem Pentateuch, an der Lebensdauer des Adam, Seth, Enosch, dann des Noah, des Sem, Eber, des Abraham, Isaak, Jakob herunter bis Moses. Die Genannten waren der Kern der Menschheit und deren Kleinod, und hatten jeder einen (ihnen ähnichen) Sohn, während die andern, als Schalen, den Vätern nicht glichen und der göttlichen Einwirkung nicht gewürdigt wurden. An solche göttliche Menschen wurde die Zählung angelehnt; es waren Einzelne, und keine Mehrheit, bis Jakob, unser Vater, zwölf Söhne zeugte, die alle des göttlichen Geistes würdig erschienen, so daß eine immer größere Gemeinschaft dieses Geistes theilhaftig wurde. Nach ihnen wurde gezählt; die Lebensdauer der Alten haben wir von Moses empfangen und wissen auch, wie lange es von Moses bis jetzt ist.

48. Kusari. Diese Specialisirung verbannt jeden bösen Gedanken aus dem Herzen, als hätte Lüge oder willkührliche Vereinbarung hier Statt gehabt; denn über so etwas können sich kaum zehn Menschen einigen, ohne daß sie in Widerspruch geriethen und so die geheime Quelle dieser Vereinbarung aufdeckten, oder denjenigen widerlegen könnten, der ihnen so etwas als Wahrheit aufdrängen wollte; um wie viel mehr bei so großen Massen; die Zahl ist auch nicht so groß, daß sie der Lüge und dem Betruge leicht zugänglich wäre.

49. Meister. Unser Vater Abraham lebte ja selbst im Zeitalter der Sprachentrennung, bei der er mit seinen Verwandten in der Sprache seines Ahnen, Eber’s, verblieb und daher der Hebräer heißt. Vierhundert Jahre nach ihm trat Moses auf, als die Welt voll war von Kenntniß des Himmels und der Erde; und als er zu Pharao kam, forschten ihn die Gelehrten Aegyptens und diejenigen der Israeliten aus, weil sie ihm nicht vollkommen glaubten, daß der Schöpfer mit Menschen gesprochen habe, bis er sie seine Worte in den Zehngeboten hören ließ. So stand sein eigenes Volk zu ihm, nicht aus Thorheit, sondern aus Weisheit, weil sie sich vor Kunstgriffen, begründet auf Kenntniß höherer, astrologischer Kräfte, fürchteten, die freilich bei näherer Prüfung nicht Stand halten, weil sie wie Nachgemachtes sind, während der Gottesgeist wie geläutertes Gold sich immer klarer herausstellt. Wie läßt es sich auch denken, man habe ihnen vorspiegeln können, daß sämmtliche Sprachen, die fünfhundert Jahre vor ihnen waren, nur die Sprache Eber’s waren, und daß diese in Babylon zur Zeit Peleg’s sich getrennt habe, daß diese und jene Nation von Sem, diese und jene von Cham abstamme, und eben solches von ihren Ländern? Ist es wohl möglich, daß uns heute Jemand eine Unwahrheit in Betreff der Abstammung bekannter Nationen, in Betreff ihrer Geschichte und Sprache vorbringen könnte, wenn die Sache noch nicht einmal fünfhundert Jahre her ist?

50. Kusari. Dies ist nicht möglich, geschweige denn Jenes. Nach fünfhundert Jahren findet man noch wissenschaftliche Werke von der eigenen Handschrift der Verfasser, und was nicht über fünfhundert Jahre alt ist, entzieht sich bei genealogischen Nachrichten, bei Sprachen und Schriften nicht der Entdeckung einer Fälschung

51. Meister. Wie hätten sie nicht dem Moses widersprochen? Sein eigenes Volk setzte Mißtrauen in seine Worte, um wie viel mehr die Fremden.

52. Kusari. Diese Dinge kann man als feste und begründete Ueberlieferung bezeichnen.

53. Meister. Glaubst du, daß die Sprachen von jeher, ohne Anfang sind?

54. Kusari. Freilich haben sie einen Anfang, und zwar einen conventionellen, was daraus hervorgeht , daß sie aus Hauptwörtern, Zeitwörtern und Partikeln bestehen, die sich wieder aus Buchstaben, die von den Sprachorganen kommen, zusammensetzen

55. Meister. Hast du je Jemanden gesehen oder von ihm gehört, der sich eine Sprache ausgedacht?

56. Kusari. Nicht gesehen, noch gehört. Ohne Zweifel sind die Menschen in irgend einem Zeitalter dazu gelangt, während vorher eben noch nicht ein bestimmtes Volk sich über eine bestimmte Sprache geeinigt hatte.

57. Meister. Hast du je von einem Volke gehört, das in Betreff der Woche abweiche, in sofern sie mit dem ersten Tage anfängt und mit dem Sabbat schließt? Ist es möglich, daß hierin die Bewohner von Zin mit denen der westlichen Inseln übereinstimmen, wenn nicht ein gemeinsamer Anfang, gemeinschaftliche Verabredung gewesen?

58. Kusari. Das wäre nur möglich bei einer Verabredung aller Völker und das ist undenkbar; oder es müssen alle Menschen Abkömmlinge Adam’s oder Noahs oder sonst Jemandes sein, und sie hätten die Woche von ihrem Stammvater überkommen.

59. Meister. Das habe ich nur hören wollen. So stimmen auch alle Menschen, im Osten und im Westen, in Betreff der Zahl Zehn überein; welche Naturnothwendigkeit brachte sie daraus, die Zahl Zehn zu Grunde zu legen , wenn es nicht die Ueberlieserung von dem, der damit anfing, war?

60. Kusari. Macht dir dies nicht deinen Glauben verdächtig, daß man von den Bewohnern Indiens erzählt, es gäbe bei ihnen Ortschaften und Gebäude, die, wie sie überzeugt sind, hunderttausende von Jahren alt sind.

61. Meister. Es würde mir dies meinen Glauben verdächtig machen, wenn es sich bei einer glaubwürdigen Nation, oder in einem allgemein anerkannten Buche, und dazu eine fest abgegränzte unbestrittene Zahl fände. Aber das ist ja nicht der Fall. Es ist ja eine unzuverlässige Nation, die von Nichts eine richtige Vorstellung hat; sie verletzen die Bekenner von Religionen ebenso durch solche Reden, wie sie dieselben durch ihre Bilder, Götzen und Zauberskünste kränken, indem sie sagen, daß diese ihnen Hülfe bringen, während sie diejenigen verachten, welche sagen, daß sie ein göttliches Buch besitzen. Sie haben auch wenig Bücher geschrieben, und zwar Einzelstehende, und lassen sich nur beschränkte Menschen von diesen Schriften bethören; dahin gehören einzelne astrologische Schriften, in denen von Zenutausenden von Jahren gesprochen wird; eben so die Bücher des nabatäischen Dienstes, in welchen die Namen Janbuschad, Zagrit, Roane erwähnt werden; Janbuschad sei der Lehrer Adam’s gewesen u. dergl. m.

62. Kusari. Für den Fall, daß ich vom Standpunkte einer unzuverlässigen Nation und eines Volkes, das keine allgemein anerkannte Lehre besitzt, gegen dich gestritten, wäre deine Erwiderung richtig gewesen. Was aber sagst du zu den Philosophen, die in Folge ihrer gründlichen und scharfsinnigen Forschungen darin übereinstimmen, daß die Welt von jeher sei, also nicht seit zehntausend, nicht seit tausendmaltausend Jahren, sondern überhaupt ohne allen Anfang?

63. Meister. Den Philosophen ist das nicht zu verargen, da sie zu einem Volke, den Griechen, gehören, die weder Wissenschaft, noch Religion aus Ueberlieferungen haben. Die Griechen sind ja Nachkommen Jafet’s, die im Norden ihren Wohnsitz haben, während das von Adam her überlieferte Wissen, nämlich das vom Gottesgeist durchdrungene Wissen, sich nur bei den Nachkommen Sem’s, des Kleinods Noah’s, erhalten hat. Und dies Wissen ist seit Adam nicht von dem Kleinode gewichen und wird nicht weichen. Zu den Griechen hat sich das Wissen erst verpflanzt, seitdem sie sich zur Macht emporschwangen, und zwar von den Persern aus, zu denen es von den Chaldäern gekommen war. Damals standen unter ihnen die berühmten Philosophen auf, nicht früher und nicht später. Seitdem die Herrschaft an die Römer überging, ist unter ihnen bis auf den heutigen Tag kein anerkannter Philosoph aufgetreten.

64. Kusari. Nun folgt daraus, daß wir den Forschungen des Aristoteles kein Vertrauen schenken sollen?

65. Meister. Ja, das folgt daraus; er mühte seinen Verstand und sein Denken ab, weil er keine Ueberlieferung von Jemandem erhielt, dessen Aussage er Glauben schenken konnte. Als er nun über Anfang und Ende der Welt nachdachte, konnte er sich eben so schwer in die Vorstellung von der Anfänglichteit derselben hineindenken, wie ihm die Unerschaffenheit schwer ankam. Endlich entschied sich sein abstraktes Denken in seinen Schlüssen für die Unerschaffenheit, weil er nicht dazu kam, über die Zeitrechnung und die Abstammung der Menschen sich von denen, die vor ihm waren, Belehrung einzuholen. Hätte jener Philosoph in einer Nation gelebt , bei der es anerkannte Ueberlieferungen, die nicht anzufechten waren, gab, so hätten seine Schlußfolgerungen und Deductionen ihn dahin geführt, die Anfänglichteit trotz ihrer Schwierigkeit zu bekräftigen, wie er die Unerschaffenheit, die noch schwerer anzunehmen ist, bekräftigte.

66. Kusari. Gibt es denn dafür einen Beweis, der vom Verstande als entscheidend angenommen werden muß?

67. Meister. Woher soll denn ein Beweis bei dieser Untersuchung kommen? Fern sei es von Gott, daß die Tora etwas enthielte, was Erfahrung oder Verstandesschluß umstoßen könnte. Die Tora enthält Wunderbares, Veränderungen des Naturlaufes, entweder indem sie Neues schafft oder ein Ding in das andere verwandelt, und legt dadurch Zeugniß ab von der Weisheit des Schöpfers und von seiner Allmacht, da er thut, was er will und wenn er will. Die Frage über Erschaffenheit und Unerschaffenheit ist eine sehr schwierige, die Argumente für beide wiegen sich einander auf; für die Erschaffenheit entscheidet die prophetische Ueberlieferung von Adam und Noah bis Moses, die ohne Zweifel mehr Glauben verdient, als die Speculation. Ja, wäre ein Bekenner der Tora sogar gezwungen, an die Hyle, die unerschaffene Materie, und an viele Welten vor dieser Welt zu glauben, so würde das seiner Religion keinen Eintrag thun; denn vermöge dieser glaubt er, daß die jetzige Welt seit einer gewissen Zeit entstanden ist und daß die ersten Menschen daran Adam und Eva waren.

68. Kusari. Vorläufig will ich mich mit diesen Auseinandersetzungen über diesen Gegenstand begnügen; sollte meine Verbindung mit dir noch länger dauern, so werde ich dich mit einer eingehenderen Behandlung desselben bemühen. Jetzt komme auf das zuerst besprochene Thema zurück, nämlich wie ihr die Ueberzeugung in euch befestigt habt , daß der Schöpfer der Körper und der Geister, der Seelen, der geistigen Wesen, der Engel, Er, der zu heilig und erhaben ist, als daß man ihn mit dem Geiste, geschweige denn mit den Sinnen erfassen könne, in Beziehung getreten sei mit einer so niedrigen, von verächtlichem Stoffe gebildeten Kreatur, wenn diese auch von wunderbarem Bau ist; denn auch in dem kleinsten Wurm zeigt sich ja eine so wunderbare Weisheit, daß unser Verstand sie nicht begreifen kann.

69. Meister. Dieser Einwand bedarf keiner weitläufigen Erledigung. Schreibst du die Weisheit, die sich z. B. in der Bildung der Ameise zeigt, einer Sphäre oder einem Stern oder sonst Jemandem zu, außer dem Schöpfer, dem allmächtigen, der in weiser Abwägung Jedem das gegeben, was es braucht, ohne Zuviel noch Zuwenig?

70. Kusari. Das schreibt man der Thätigkeit der Natur zu.

71. Meister. Und was ist das: Natur?

72. Kusari. Eine gewisse Kraft, wie in der Wissenschaft gelehrt wird; wir wissen nicht, was sie ist, aber die Gelehrten wissen es gewiß.

73. Meister. Sie wissen davon so viel wie wir. Die Definition des Philosophen lautet: Sie ist der Anfang und Urgrund, wodurch ein Ding ruht und sich bewegt, und zwar in wesentlicher und nicht zufälliger ‏Art.

74. Kusari. Das heißt also, daß Etwas, was sich von selbst bewegt und von selbst ruht, irgend eine Ursache habe , wodurch es ruht und sich bewegt, und diese Ursache sei die Natur.

75. Meister. Das will er sagen mit sehr subtiler Unterscheidung zwischen dem, was zufällige, und zwischen dem, was naturgemäße Wirkung äußert. Die Worte machen den Hörer stutzig, aber das Resultat der Belehrung ist das Gesagte.

76. Kusari. Ich sehe also, daß man uns mit Redensarten irre führt, und uns dazu bringt, die Natur Gott gleich zu stellen, indem wir sagen, die Natur ist weise, die Natur bildet, ja vielleicht consequentermaßen, die Natur erschafft.

77. Meister. So ist es. Freilich haben die Elemente, die Sonne, der Mond, die Sterne, Einflüsse in Beziehung auf Wärme und Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit und was damit zusammenhängt. Aber wir können ihnen keine Intelligenz, sondern nur eine Thätigkeit zuschreiben, während das Gestalten, Abwägen, Fortpflanzen, kurz Alles, wozu eine mit Bewußtsein handelnde Intelligenz nöthig ist, nur dem Gott, dem weisen, allmächtigen, abmessenden zugeschrieben werden darf. Wer nun die Kräfte, welche die Materie durch Wärme und Kälte gestalten, Natur nennt, handelt nicht unrecht, wenn er ihnen nur nicht Intelligenz beilegt, wie er ja auch dem Manne und der Frau nicht die Erschaffung des Kindes durch ihre Vereinigung zuschreiben kann; sie sind Werkzeuge dafür, daß die Materie die menschliche Form annehme , aber die Form selbst kommt von dem formenden Allweisen. Du darfst es überhaupt nicht für unwahrscheinlich halten, daß sich Spuren höherer, göttlicher Thätigkeit in dieser niedern Welt zeigen, wenn die Stoffe geeignet sind, sie in sich aufzunehmen. Hier liegt die Wurzel des Glaubens und die Wurzel des Unglaubens.

78. Kusari. Wie kann die Wurzel des Glaubens zugleich die des Unglaubens sein?

79. Meister. Ja wohl. Die Dinge, die geeignet sind, jene göttlichen Spuren in sich auszunehmen, stehen nicht in der Macht der Menschen, und sie können sie nicht nach Quantität und Qualität abmessen; kennen sie auch die Dinge selbst, so kennen sie doch nicht die passenden Zeiten. Vielmehr bedarf es, was die Wesenheit derselben, ihre Zusammenfügung und die Vorbereitung dazu betrifft, einer vollständigen, von Gott speciell ausgehenden Belehrung. Wer einer solchen theilhaft wird und ihr in allen Stücken und Vorschriften vollständig nachkommt, der ist der Gläubige. Wer aber sich bemüht, die Aufnahme jenes Gottesgeistes durch eigene Forschung, durch Spekulation und Schlüsse zu bewerkstelligen, wie sich dergleichen in astrologischen Schriften findet, durch Herabziehen geistiger Kräfte, Verfertigung von Bildern und Talismanen, der ist der Ungläubige; denn er bringt Opfer und Räucherwerk nach eigener Berechnung und Speculation, ohne zu wissen, was in Wahrheit zu thun sei, womit, und wie und wo und wann und durch welche Menschen , und wie mit der Sache zu verfahren sei, und so viele Dinge, die aufzuzählen zu weit führen würde. Er gleicht einem Narren, der in die Vorrathskammer eines Arztes kommt, von dem man allgemein weiß, daß seine Arzneien helfen. Der Arzt ist nicht anwesend, aber Leute finden sich ein in diesem Vorrathshause, um Hülfe zu suchen. Da gibt ihnen denn der Narr aus den Gefäßen, ohne die Arzneien selbst zu kennen, ohne zu wissen, wie viel man von jedem Heilmittel für einen jeden zugeben habe, und so tödtet er Viele mit den Arzneien, die ihnen hätten nützlich werden können. Trifft es sich einmal zufällig, daß das, was aus irgend einem Gefäß genommen wird, hilft, so wenden sich die Menschen diesem zu und glauben, in ihm liege die Hülfe, bis sie wieder anderswo eine solche durch Zufall herbeigeführte Heilung sehen und sich wieder ihr zuwenden. Sie bedenken eben nicht, daß das eigentlich Helfende der Rath des weisen Arztes ist, der die Arzneien angefertigt und sie gehörig abgemessen hat, der dem Kranken Anweisung gegeben, wie er sich die Gesundheit wieder verschaffen könne, in Bezug auf Essen, Trinken, Bewegung, Ruhe , Schlaf, Wachen, Lust, Liebesgenuß u. s. w. — In solcher Weise waren die Menschen vor Moses mit wenigen Ausnahmen bethört durch den Glauben an astrologische und elementare Kräfte, gingen von einem Glauben zum andern über, von einem Gotte zum andern, oder nahmen deren mehre an, und vergaßen den Führer und Leiter jener Kräfte, der dieselben als ein Mittel zum Wohlsein geschaffen, während sie andererseits schaden können, je nach der Zurüstung und Vorbereitung dazu. Das eigentlich Nützliche ist der Gottesgeist, das eigentlich Schädliche dessen Mangel.

80. Kusari. Kommen wir auf unser Thema zurück und belehre mich, wie eure Religion entstanden, wie sie sich verbreitet und bekannt geworden, wie die früher getheilten Meinungen sich einigten, und wie viel Jahre zur vollständigen, dauernden Befestigung des Glaubens nöthig waren. Denn ohne Zweifel gehen Religionen in ihren Anfängen von Einzelnen aus, die mit Macht das vertreten, was Gott zur Erscheinung kommen lassen will; bald mehren sich die Anhänger, sie erlangen Macht durch sich selbst oder durch einen König, der ihnen beisteht und die Masse zur Annahme der Religion nöthigt.

81. Meister. Auf diese Weise entstehen und wachsen nur Religionen, die ihren Ursprung vom menschlichen Verstande nehmen; wenn eine solche dann zu Macht und Ansehen gelangt, so heißt es, sie habe Hülfe und Belehrung von Gott empfangen. Aber die Religion, die ihren Ursprung in Gott hat, ist mit einem Male dagewesen; von ihr heißt es wie bei der Weltschöpfung: Werde und sie war!

82. Kusari. Du setzest uns mit deinen Worten in Erstaunen, Meister.

83. Meister. Die Sache selbst ist noch viel erstaunlicher. Die Jsraeliten waren Knechte in Aegypten, 600,000 an der Zahl von 20 Jahren an und darüber; sie hatten ihre Abstammung von den zwölf Söhnen Jakobs bewahrt keiner von ihnen war entronnen, keiner in ein anderes Land geflüchtet, kein Fremder hatte sich unter sie gemischt. So erwarteten sie die Zeit, für die der Ewige, der Gott ihrer Väter, Abraham, Jsaak und Jakob, ihnen den Besitz des Landes Kanaan zugesagt. Dieses Land befand sich damals in den Händen von sieben Völkern, die sich auf dem Gipfel des Glückes und der Macht befanden, während die Jsraeliten aufs Tiefste durch den Druck Pharao’s, der sogar ihre Kinder tödtete, gebeugt waren. Nun sendete Gott Moses und Ahron, die sich trotz ihrer Schwäche dem mächtigen Pharao entgegenstellten mit Zeichen und Wundern und Veränderungen des Naturlaufes. Er konnte sich ihnen nicht entziehen, nichts Böses über sie verhängen, sich selbst nicht vor den zehn Plagen schützen, welche über die Aegypter, ihre Gewässer, ihr Land, ihre Luft, ihre Gewächse, ihr Vieh, ihre Leiber und ihre Seelen kamen, indem in einem Augenblicke in der Mitternacht alle Erstgebornen in ihren Häusern starben, so daß — mit Ausnahme der israelitischen Häuser — kein Haus war, in dem nicht ein Todter lag. Alle diese Plagen trafen nach vorangegangener Verwarnung und Androhung und zur festgesetzten Zeit ein und verschwanden ebenso, damit sich klar herausstelle, daß sie direkte Willensäußerungen Gottes seien, der seinen Willen ausführt zu der Zeit, die ihm beliebt, nicht aber etwa eine Folge von Naturgesetzen oder von Wirkungen der Sterne oder von Zauberkünsten oder gar durch Zufall. Darauf zogen die Jsraeliten auf göttliches Geheiß in jener Nacht, während die Erstgebornen (der Aegypter) starben, aus der Knechtschaft Pharao’s und schlugen den Weg nach dem Schilfmeere ein, geleitet von der Wolken- und Feuersäule, die vor ihnen hergingen und ihnen den Weg zeigten. Ihre Fürsten und Priester, die beiden göttlichen Greise Moses und Ahron, waren zu der Zeit, als sie den prophetischen Beruf antraten, achtzig Jahr und darüber alt. Bis zu dieser Zeit hatten sie keine Gebote, als einige wenige, die ihnen überkommen waren von jenen Einzelnen, Adam, Noah u. s. w.; Moses schaffte diese nicht ab, sondern vermehrte sie. Als dann Pharao ihnen nachsetzte, bedurften sie keiner Kriegsgeräthe — das Volk war ja gar nicht kriegsgeübt —, da spaltete Gott ihnen das Meer, daß sie es durchschritten, während Pharao und sein Heer darin versanken und dann todt vom Meere vor den Augen der Jsraeliten ausgeworfen wurden. Die Geschichte ist lang und bekannt.

84. Kusari. Da zeigt sich in Wahrheit gött-liche Thätigteit, und was an Geboten damit zusam-menhängt, muß angenommen werden; denn es kann gegen die Wahrheit jener Begebenheiten kein Zweifel erhoben werden, als wäre hier Zauberei oder Betrug oder Blendwerk im Spiele gewesen. Denn wäre dergleichen bei den Plagen, bei dem Spalten des Meeres und ihrem Durchzuge auch denkbar, so ist es doch keinesfalls bei ihrer Rettung aus der Knechtschaft, bei dem Tode ihrer Dränger, bei der Erlangung der Beute und der Zurückbehaltung ihres Geldes; so starrköpfig könnte nur ein Gottesleugner sein.

85. Meister. Und nun weiter und noch mehr, daß sie sich vierzig Jahre in der Wüste hielten, an einer Stätte, wo nichts gesäet werden kann, wo ihnen täglich, außer am Sabbat, von Gott geschaffenes Brot herunterkam, so daß sie vierzig Jahre sich davon ernährten.

86. Kusari. Freilich ist nicht in Abrede zu stellen, was 40 Jahre lang bei 600,000 Mann mit allen Angehörigen fortdauernd sich ereignete. Da übrigens das Manna sechs Tage lang herabfiel und am Sabbat ausblieb, so folgt daraus die Pflicht, den Sabbat zu beobachten, da sich an ihm ein besonderes göttliches Zeichen äußerte.

87. Meister. Die Verpflichtung zur Heiligung des Sabbat gründet sich hierauf, auf die Erschaffung der Welt in sechs Tagen und aus das, was ich eben erwähnen will. Nämlich: Wenn auch das Volk an Mose glaubte, da er unter solchen Wunderzeichen seine Thätigkeit begonnen, so blieb doch noch in ihren Gemüthern ein Zweifel , ob Gott auch wirklich mit einem Menschen spreche, und nicht doch etwa ihre Religion ihren Ursprung in menschlichen Plänen und Veranstaltungen habe, zu denen sich später göttliche Hülfe und Unterstützung gesellte. Es schien ihnen unwahrscheinlich, daß jemand außer dem Menschen, spreche, da doch Sprechen eine körperliche Thätigkeit sei. Um nun diesen Zweifel aus ihrem Herzen zu entfernen, befahl ihnen Gott, sich innerlich und äußerlich zu weihen, wobei er besonders auf die Enthaltung vom Umgang mit den Weibern drang, und sich so auf Anhörung der Reden Gottes vorzubereiten. Durch diese Weihe erhob sich das Volk zur Höhe der Prophetie, so daß es die Reden Gottes von Angesicht zu Angesicht hören konnte. Und das geschah nach drei Tagen. Voran gingen gewaltige Erscheinungen, Donner, Blitze, Erdbeben und ein Feuer, das den Berg Sinai umloderte und dann noch vierzig Tage anhielt. Das Volk sah dieses Feuer, sah wie Moses in dasselbe hineinging und wieder herauskam; das Volk hörte mit klarer Stimme die Zehngebote, die Grundpfeiler und Wurzeln der Tora, deren eine das Sabbatgebot ist, worüber schon Vorschriften beim Herabkommen des Manna gegeben worden. Also diese Zehngebote überkam das Volk nicht von einzelnen Männern, nicht von einem Propheten, sondern von Gott selbst wurden sie ihnen gegeben, nur daß sie nicht wie Moses die Kraft besaßen, die große Erscheinung anzuschauen. Von da an glaubte das Volk, daß an Moses eine Rede ergehe, die ihren Ursprung in Gott habe, ohne daß von Seiten des Moses ein Plan oder eine Veranstaltug stattgefunden; daß die Prophetie also nicht , wie die Philosophen wähnen, ihren Ursprung in einer Seele habe, die ihre Denkweise geläutert und dem Thätigen Verstand — auch heiliger Geist genannt — oder dem Gabriel anhafte und von diesem Hülse und Belehrung erhalte, woraus es dem Menschen vielleicht im Traume oder in einem Zustande zwischen Schlaf und Wachen vorkomme, als rede Jemand mit ihm, dessen Worte er mit dem Geiste aber nicht mit den Ohren höre, und den er in der Vorstellung aber nicht mit dem Auge sehe. Alle dergleichen Annahmen vergehen vor jenem großen Akt. An die Rede Gottes schließt sich nun die Schrift Gottes, indem er die Zehngebote in zwei kostbare steinerne Tafeln eingrub und sie dem Moses gab, so daß sie nun die Schrift Gottes sahen, wie sie die Rede Gottes gehört hatten. Nun machte Moses noch auf göttliches Geheiß eine Lade, über welcher er das bekannte Zelt errichtete und die bei den Jsraeliten blieb, so lange die Prophetie dauerte, also gegen 900 Jahre, bis in Folge der Abtrünnigkeit des Volkes die Lade vergraben, sie selbst von Nebukadnezar besiegt und in die Verbannung geführt wurden.

88. Kusari. Wer euch so reden hört, daß Gott mit eurem ganzen Volke gesprochen und ihm die Tafeln beschrieben u. dergl., der wäre eigentlich berechtigt, euch den Glauben an einen körperlichen Gott zuzuschreiben, und das wäre euch nicht zu verargen, da ja doch jene großen, offenkundigen Erscheinungen nicht wegzuleugnen sind. Man müßte euch darin Recht geben, daß ihr hierbei Verstandesschlüsse und Denkthätigkeit abweiset.

89. Meister. Fern bleibe von Gott alles Falsche! Fern, daß in der Tora etwas enthalten sei, was der Verstand verwerfen müsse und für falsch erkläre. Das erste der Zehngebote verlangt, daß wir an Gott glauben; das zweite verbietet die Anbetung fremder Götter, die Anfertigung von Schnitzbildern, Gestalten und Abbildungen, mit einem Worte, Gott für ein körperliches Wesen zu halten. Und warum sollten wir ihn denn nicht über die Körperlichkeit erheben, da wir ja das bei einzelnen seiner Geschöpfe thun, wie z. B. bei der Seele, die ja der eigentliche Mensch ist. Denn was mit uns aus Moses spricht, belehrt, leitet, ist ja nicht seine Zunge, sein Herz, sein Hirn — das sind nur Organe des Moses; Moses selbst ist die denkende, vernünftige, unkörperliche Seele, die von keinem Raum umschlossen, der kein Raum zu eng, und die selbst weit genug ist, um die Formen alles Geschaffenen in sich aufzunehmen. Wenn wir also ihr schon engelhafte, geistige Prädikate beilegen, um wie viel mehr dem Schöpfer des All! Da wir aber mit eben solchem Recht die Ueberlieferung von jenem Acte nicht wegleugnen können, so müssen wir sagen, daß wir nicht wissen, wie der göttliche Wille sich verkörperte, bis er zum Laut wurde, der unser Ohr traf, und was Gott sich von noch nicht Seiendem erschaffen und was er Von dem schon Dagewesenen verwendete, da es ihm nicht an Macht fehlt. So sagen wir also, er habe die Tafeln geschaffen und die Schrift darin eingegraben, wie wir sagen, daß er den Himmel — durch sein bloßes Wort — geschaffen, und dies verkörperte sich in dem Maße, das ihm beliebte und in der Form, die ihm beliebte und so grub sich in die Tafeln die Schrift der Zehngebote. So verstehen wir es, wenn wir sagen, daß er das Meer gespalten, und es in Mauern umgewandelt, die rechts und links vom Volke standen, und in geebnete, gerade Straßen und gerade Bahnen, auf denen sie ohne Mühe und Hinderniß gehen konnten. So wird Spalten, Bauen, Zurichten Gott zugeschrieben, ohne daß er dabei eines Werkzeugs oder überhaupt vermittelnder Kräfte bedürfte, wie solche bei einer menschlichen Thätigkeit nöthig sind. Wie nun die Wasser auf sein Wort standen und nach seinem Willen sich formten, so formt sich die Luft, die an das Ohr des Propheten schlägt, nach den Lauten, welche den Inhalt dessen bezeichnen, was nach Gottes Willen der Prophet oder das Volk hören soll.

90. Kusari. Diese Darstellung genügt mir.

91. Meister. Ich behaupte übrigens nicht, daß diese Sache gerade so vor sich gegangen; vielleicht geschah es in einer für unser Denkvermögen unerfaßlichen Weise. Jedenfalls ergibt sich daraus, wie Jeder, der solcherlei Acte angeschaut, zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Sache unmittelbar von Gott ausgegangen sei, weil sie der Urschöpfung und Urbildung gleichzustellen sind, ferner zur Anerkennung der unter solchen Umständen gegebenen Lehre, zu dem Glauben, daß die Welt einen Anfang habe, daß Gott sie geschaffen, wie er ja — was sie selbst gesehen — die Tafeln, das Manna u. s. w. geschaffen. So schwinden aus dem Herzen der Gläubigen die Zweifel der Philosophen und derer, welche die Unerschaffenheit behaupten.

92. Kusari. Nimm dich in Acht, Meister, daß du im Lobe deines Volkes nicht zu weit gehest und das auslässest, was allgemein von ihrem Ungehorsam, trotz dieser Erscheinungen, bekannt geworden ist. Ich habe ja gehört, daß sie gerade in dieser Zeit sich — ein Kalb gemacht und durch dessen Anbetung von Gott abfielen.

93. Meister. Das ist eine Sünde, die man ihnen ihrer Größe wegen so hoch anrechnet. Groß ist, dessen Sünden gezählt werden.

94. Kusari. Da bist du partheiisch, wenn du auf Seiten deines Volkes stehest. Gibt es eine größere Sünde als diese? Wie kann man noch darüber hinausgehen?

95. Meister. Gönne mir etwas Zeit, so werde ich dir die Größe des Volkes auseinandersetzen Ein genügendes Zeugniß ist schon der Umstand, daß Gott dies Volk sich aus allen Völkern erwählt, und daß der Gottesgeist sich sogar der Gesammtheit mittheilte, so daß sie alle der göttlichen Anrede gewürdigt wurden, sogar die Frauen, da es auch Prophetinnen gab, während früher der Gottesgeist nur auf einzelnen Menschen, den eigentlichen Nachkommen Adam’s ruhte. Adam selbst war unbedingt vollkommen; denn was ließe sich gegen die Vollkommenheit eines Werkes einwenden, das durch einen allweisen, allmächtigen Bildner aus einem Stoffe, den er selbst sich gewählt, zu einer Form, die ihm beliebte, gebildet worden, ohne daß Hindernisse von Seiten der Beschaffenheit des väterlichen Samens, des mütterlichen Blutes, der Nahrungsmittel, der Lebensweise in den Jahren der Entwickelung und des Wachsthums, des Wechsels der Luft, des Wassers, des Erdbodens sich geltend machten. Er wurde geschaffen als ein Mann in der Blüthe der Jugendkraft, mit äußerer und innerer Vollendung, fähig zur Aufnahme der Seele in ihrer Reinheit und des Verstandes im höchsten dem Menschen zugäng- lichen Maße, und — nächst diesem Verstande — der göttlichen Kraft, jener hohen Stufe, auf der er an Gott und dem Geistigen hangen und die wahre Erkenntniß ohne Lehre, durch leichtes Nachdenken erlangen kann. Daher wird er bei uns »Sohn Gottes« genannt, wie alle aus seinem Samen, die ihm glichen, »Söhne Gottes«. Von vielen Söhnen, die er zeugte, war keiner würdig, an Adam’s Stelle zu treten, als Abel, denn er glich ihm. Als diesen Kain aus Neid über diesen Vorzug getödtet hatte, wurde ihm zum Ersatz Seth gegeben, der Adam glich und Kleinod und Kern war, die andern nur die Schale. Das Kleinod Seth’s war Enosch, und so pflanzte sich das bis Noah in Einzelnen fort, die alle Adam glichen und Söhne Gottes hießen. Sie waren vollendet in ihrer körperlichen wie geistigen Bildung, in Lebens- dauer, Wissenschaft und Kraft. Nach ihnen zählen wir, von Adam bis Noah, von Noah bis Abraham. Es konnte auch unter ihnen Einer sein, an dem der Gottesgeist nicht haftete, z. B. Terach; dagegen war sein Sohn Abraham ein Schüler seines Ahn’s Eber, ja er sah noch Noah selbst, und es ging der Gottesgeist wohl auch vom Großvater auf den Enkel über, wie eben Abraham das Kleinod Eber’s und dessen Schüler war und daher der Ebräer heißt; Eber wieder war das Kleinod Sem’s und Sem das Kleinod Noah’s; er erbte ja die gemäßigten Klimate, von denen die Mitte und das Beste Palästan ist, das Land der Prophetie, während Jafet sich nach Norden, Cham nach Süden wendete. Von Abraham’s Söhnen war Jsaak das Kleinod, daher er auch seine anderen Söhne aus jenem bevorzugten Lande entfernte, damit es blos für Jsaak bleibe; das Kleinod Jsaaks war Jakob, während Esau entfernt wurde, weil Jakob ein Anrecht auf das Land hatte. Jakob’s Söhne endlich waren insgesammt Kleinod, insgesammt des Gottesgeistes fähig, und ihnen gehörte jener für den Gottesgeist geeignete Raum. Hier zum ersten Male ließ sich der Gottesgeist auf eine größere Zahl nieder, während er früher nur auf Einzelnen ruhte. Gott schützte sie, machte sie fruchtbar, mehrte sie und ließ sie in Aegvpten heranwachsen, wie ein Baum heranwächst, der eine gute Wurzel hat, und endlich eine Frucht bringt gleich der, von der aus er gepflanzt worden, nämlich Abraham, Jsaak, Jakob, Josef und seine Brüder. Zu solcher Frucht gehörten Moses, Ahron, Mirjam, ferner Bezalel, Oholiab, ferner die Stammeshäupter, die 70 Aeltesten, die dauernder prophetischer Gabe gewürdigt wurden, Josua, Sohn Nun und Kaleb, Sohn Jefuneh, Chur, Sohn der Mirjam und viele Andere. Sie waren werth, daß über ihnen das Licht leuchtete und jene unmittelbare göttliche Thätigkeit sich äußerte. Waren auch Ungehorsame unter ihnen, so wurden sie zurückgedrängt, blieben aber Kleinod, da sie ihrer Abstammung und natürlichen Beschaffenheit zufolge Kleinod wurden, und auch solche zeugen konnten, welche Kleinod waren. Man nahm auf einen ungehorsamen Vater eben wegen dessen Rücksicht, was vom Kleinod ihm beigemischt war und an seinem Sohne oder Enkel, je nachdem der Same sich geläutert, zur Erscheinung kommen konnte, wie es ja bei Terach war und bei Anderen, an denen der Gottesgeist nur in sofern haftete, als sie in ihm geboren waren und Kleinod zeugen konnten, was bei den Abkömmlingen Cham’s und Jafet’s nie der Fall war. Wir sehen ja etwas Aehnliches in allgemein natürlichen Beziehungen. Viele Menschen gleichen durchaus nicht ihrem Vater, wohl aber ihrem Großvater; in solchem Falle hat ohne Zweifel die Natur und die Aehnlichkeit im Vater versteckt gelegen, wenn sie auch nicht zur Erscheinung kam, wie die Natur Eber’s in seinen Söhnen verborgen lag, bis sie in Abraham hervortrat.

96. Kusari. In der That, das ist ein Vorzug, der sich auf die ununterbrochene Beziehung zu Adam gründet, und da er das vorzüglichste Geschöpf auf Erden war, so gebührt euch der Vorzug vor allen Bewohnern der Erde. Aber in wiefern thut sich dieser Vorzug in jener Sünde kund?

97. Meister. Nun, die Völker jener Zeit beteten insgesammt Bilder an. Wenn auch Philosophen Beweise für die Einheit des göttlichen Wesens führten, so blieben doch auch sie nicht ohne Bild, an das sie sich hielten und von dem sie dem Volke sagten, daß ihm ein Göttliches innewohne, und daß es sich durch etwas Außergewöhnliches von andern unterscheide. Und dies schrieben Einige Gott selbst zu, wie auch wir noch jetzt mit geheiligten Oertern thun, von denen, selbst von deren Staube und Steinen, wir einen Segen erwarten. Andere schrieben dies einer höheren Kraft zu, irgend einem Stern, einem Sternbilde, einer Constellation u. dergl. Eine Uebereinstimmung fand unter dem Volke nicht in der Religion selbst, sondern nur in‎ der Beziehung zu einem sinnlichen Bilde Statt. ‏Nun warteten die Israeliten darauf, daß ihnen Moses versprochenermaßen etwas von Gott mitbringen werde, das sie sehen, an das sie sich wenden könnten, wie sie sich an die Wolken- und Feuersäule wendeten, als sie aus Aeghpten zogen. Sie sahen diese, richteten ihre Blicke dahin, hielten sie hoch, und beteten Angesichts derselben zu Gott. Eines ähnliche Beziehung hatten sie zu der Wolkensäule, welche sich auf Moses herabließ, wenn Gott mit ihm redete, wo dann die Jsraeliten stehen blieben und Angesichts derselben Gott anbeteten. Nun hatte das Volk die Zehngebote gehört und Moses war auf den Berg gestiegen ihnen die geschriebenen Tafeln zu bringen und ihnen eine Lade zu machen. Das sollte ihnen ein sinnlich Wahrnehmbares sein, an das sie sich, wenden konnten, und worin sich der Bund mit Gott und die unmittelbare Schöpferkraft (ich meine die Tafeln) darstellen sollte, abgesehen von der Wolke und der Herrlichkeit, welche zur Lade gehörten, und abgesehen von sonstigen Wunderzeichen, welche an der Lade sichtbar wurden. So wartete nun das Volk auf die Rückkehr Moses, und zwar in derselben Lage, ohne Veränderung ihres Aeußeren, ihres Schmuckes, ihrer Kleidung, wie am Tage der Offenbarung am Sinai; in dieser Stim- mung verharrten sie, des Moses wartend. Nun blieb er vierzig Tage aus; Speise hatte er nicht mitgenommen, und war überhaupt von ihnen gegangen, wie einer, der noch an demselben Tage wiederkommen will. Da bemächtigte sich eines Theiles dieser großen Volksmasse ein böser Gedanke, und es bildeten sich verschiedene Parteien. Nach den verschiedensten Vorschlägen und Plänen fanden es endlich Einige für nöthig, einen sinnlichen Gegenstand der Anbetung zu suchen, dem sie sich, gleich andern Völkern, zuwenden könnten, ohne aber dabei den, Gott, der sie aus Aegyvten geführt, zu verleugnen. Es sollte eben nur da sein, damit sie sich an dasselbe wenden könnten, wenn sie von den Wundern ihres Gottes erzählten, wie die Philister von der Lade sagten, Gott sei darin, und wie wir es mit dem Himmel machen und mit allen den Dingen, von denen wir wissen, daß ihre Bewegung durch göttlichen Willen, nicht durch Zufall oder menschlichen Willen oder Natur- gesetz geschieht Ihre Sünde bestand darin, daß sie ein — ihnen verbotenes — Bild machten und daß sie dem, was sie mit ihren Händen und nach ihrem Belieben ohne göttliche Weisung machten, eine göttliche Kraft zuschrieben Ein Milderungsgrund für sie liegt darin, daß doch noch vorher ein Streit Statt fand und daß die Zahl der Anbeter desselben von einer Masse von 600,000 nur 3000 betrug. Auch die Großen, die bei der Verfertigung halfen, finden darin eine Entschuldigung, daß sie den Ungläubigen vom Gläubigen sondern und dem Ungläubigen, der das Kalb anbetet, Strafe zukommen lassen wollten; aber gerade das wurde ihnen als Sünde angerechnet, daß sie den Ungehorsam aus dem Gedanken in das Gebiet der That gebracht hatten. Mit jener Sünde traten sie nicht aus der Anbetung ihres Befreiers aus Aegypten heraus; es war ein Ungehorsam gegen gewisse Gebote desselben. Gott nämlich hatte Bilder verboten, und sie machten ein Bild, während sie hätten warten und nicht selbst etwas machen sollen, an das sie sich wenden und dem sie nachgehen wollten, mit Altären und Opfern. Es war daran Schuld der Einfluß mancher unter ihnen befindlichen Wahrsager und Astrologen, die da wähnten, ihre selbsterdachte Anbetungsweise führte eher zu Gott, als die wahrhaften (gottesdienstlichen) Verrichtungen. Es ging ihnen, wie jenem Narren, von dem wir gesprochen, der in den Laden eines Arztes gerieth und Menschen mit den Arzneien den Tod brachte, die ihnen früher geholfen hatten. Eben weil dem Volke gar nicht der Gedanke einkam, den Dienst ihres Gottes zu verlassen, sondern sie nur glaubten, sich um gottesdienstliche Verrichtungen zu bemühen, kamen sie zu Ahron, ihm ihr Vorhaben mitzutheilen, und darum half er ihnen, beging aber darin einen Fehler, daß er ihren Ungehorsam aus der Idee zur That verhalf. Uns kommt das heute sehr erheblich vor, weil bei den meisten Völkern jetzt keine Bilder angebetet werden, aber damals war es das in der That nicht, weil alle Völker Bilder hatten, die sie anbeteten. Hätte z. B. ihre Sünde darin bestanden, daß sie sich nach ihrem Belieben ein Haus gemacht zum Gottesdienste, um dahin zu gehen und dort zu opfern und es zu verehren, so hätte uns diese Sünde nicht so bedeutend geschienen, weil wir heute gewöhnt sind, uns derartige Häuser zu errichten, sie mit Liebe und Ehrfurcht zu behandeln, von ihnen Segen zu erwarten, ja vielleicht zu sagen, der Geist Gottes ruhe auf ihnen, Engel lagerten um dieselben u. s. w. Wäre nicht das Bedürfniß, unsere Gemeinden in derartigen Häusern zu versammeln, so würde auch uns heute diese Sache auffallend erscheinen, wie sie es in den Tagen der Könige war, wo man es denen wehrte, die sich angelegen sein ließen, Häuser zu gottesdienstlichen Verrichtungen, »Höhen« genannt, zu errichten; die frommen Könige rissen sie nieder, weil man nur das Haus hochhalten solle, das Gott erwählt, und die Form der Anbetung, die er vorgeschrieben. Fand man ja doch nichts Auffallendes an den Bildern, die er selbst vorschrieb, nämlich den Cherubim. Bei allem dem wurden die Männer, die das Kalb angebetet, mit dem Tode bestraft, zusammen nur 3000 Mann unter 600000. Das Manna hörte nicht auf zu fallen zu ihrer Speise, die Wolke deckte sie, die Feuersäule führte sie, die Prophetie dauerte unter ihnen fort und nahm sogar zu; kurz sie vermißten nichts von allem, was er ihnen gegeben, als die zwei Tafeln, die Mose zerbrochen, die aber auch ausf seine Bitte ihnen ersetzt und so die Sünde ihnen verziehen wurde.

98. Kusari. Du bestätigst mir da, was ich mir schon lange gedacht und auch, was ich im Traume gesehen, nämlich, daß kein Mensch zum göttlichen Geiste anders gelangen kann, als durch göttliches Wort, d. h. von Gott selbst anbefohlene Handlungen Denn sonst — es werden ja derartige Handlungen von den meisten Menschen geübt, von Astrologen, Wahrsagern, Feueranbetern, Sonnenanbetern, den Dualisten u. s w.

99. Meister. Ganz recht. Alle unsere Lehren sind in der Tora nach göttlichem Worte an Moses aufgezeichnet. Ueber das nun, was Moses aufschrieb und jener großen Volksmenge, die in der Wüste zusammen war, übergab, bedurften sie keiner Ueberlieferung noch auch einer Belehrung über einzelne Abschnitte und Gebote, z. B. über das Verfahren bei den Opfern, die man darbringen solle, wo, nach welcher Seite hin, wie man schlachten solle, was mit dem Blute und den Stücken zu machen; alle diese versschiedenen Thätigkeiten waren ausdrücklich von Gott vorgezeichnet. Denn wenn auch nur das Geringste fehlte, könnte leicht das Ganze zu Grunde gehen. So ist es ja auch bei Naturbildungen, die aus kleinen, nur den Vorstellungen zugänglichen Atomen bestehen; fällt nun ein Fehler in Betreff dieser Atome vor, so verdirbt jene Bildung, und es kommt z. B. jene Pflanze, oder jenes Thier, oder jenes Glied entweder mangelhaft oder gar nicht zu Stande. So hat Gott vorgeschrieben, wie das geopferte Thier zu zerlegen, was mit jedem Gliede vorzunehmen sei, was gegessen, was verbrannt werde, wer essen und wer verbrennen solle, wer von den nach genau zu beobachtenden Vorschriften hierzu bestimmten Klassen darbringen solle, wie die Darbringenden beschaffen sein müssen, wenn sie nicht unbrauchbar sein sollen, in Beziehung aus Zierrath und Kleidung, besonders die Kleidung des Hohepriesters, dem erlaubt ist, jenen Ort des Gottesgeistes, den Ort der göttlichen Erscheinung, der Lade und der Tora zu betreten; endlich alle Vorschriften über Heiligkeit und Reinheit nach ihren verschiedenen Abstufungen, Gebete u. s. w., was nicht Alles aufgezählt werden kann. Sie stützten sich dabei aus das Lesen der Tora und auf das, was unsere Lehrer überliefert haben, beides auf Grund göttlicher Mittheilung an Moses. So wurde ja auch die ganzeEinrichtung der »Wohnung« dem Moses am Sinai gezeigt, Wohnung, Zelt, Tisch, Leuchter, Lade, Vorhof der Wohnung, Säulen, Decken; kurz, alle diese Dinge wurden ihm im Geiste in sinnlichen Formen gezeigt, wie sie ihm gelehrt  wurden. Auch der große Tempel, den Salomo baute, wurde dem David im Geiste gezeigt, wie das künftige, ewige Heiligthum, in dem einst Gott verehrt werden soll, dem Pro- pheten Jecheskel nach Gestalt und Beschaffenheit gezeigt wurde. Also zur Verehrung Gottes kommt man nicht auf dem Wege der Spekulation, des Schlusses und des Klügelns; denn sonst hätten die Philosophen mit ihrem großen Scharfsinne und ihrem Wissen doppelt so große Erfolge, wie die Jsraeliten erzielt.‎

100. Kusari. Auf solche Weise fühlt sich der Mensch geneigt, eine Religion ohne Zweifel und Bedenken anzunehmen. Es kommt ein Prophet zu tief gebeugten Sclaven, verkündet ihnen, daß sie zu einer bestimmten Zeit ohne Zögerung in der und der Weise aus ihrer Knechtschaft befreit werden und daß er sie in das Land Kanaan bringen wolle, das damals sich in der Gewalt von sieben Nationen befand, deren jede stärker war als sie; zugleich verkündet er jedem Stamme seinen Antheil an dem Lande, ehe sie dahin gelangen. Und Alles geht in Erfüllung, in kurzer Zeit und unter mächtigen Wunderthaten. Das zeugt von der Größe Dessen, der ihn sendete, von der Ehre dessen, der gesandt wurde, und von dem Vorzuge derer, zu denen allein er gesandt wurde. Hätte er gesagt, er sei abgesandt, die ganze Welt zu bekehren und hätte dies Wort nur zur Hälfte wahr gemacht, so würde damit seiner Sendung ein Flecken anhangen, weil die Absicht Gottes bei seiner Sendung nicht ausgeführt worden. Einer so ausgedehnten Wirksamkeit stand übrigens auch der Umstand entgegen, daß das Buch der Tora hebräisch ist und demnach das Verständniß und die Befolgung desselben sabäischen, indischen und kusarischen Völkern große Beschwerde und Mühe verursacht hätte. Das hätte Hunderte von Jahren gedauert, bis es sich so gefügt, daß sie diesen Glauben angenommen, entweder durch Kriegsgewalt, oder durch Nachbarschaft, oder durch die Beweise des Propheten selbst, oder durch einen andern Propheten, der zu dieser Lehre ermahnte und sie einprägte.

101. Meister. Moses hat zu seiner Lehre nur seine Stammes- und Sprachgenossen berufen; ihnen hat Gott zugesagt, daß er sie allezeit durch Propheten werde belehren lassen, und das geschah auch die ganze Zeit des Wohlgefallens, so lange der Gottesgeist bei ihnen war.

102. Kusari. War es dann nicht besser, daß er die gesammte Menschheit belehrte? Scheint das nicht angemessener und weiser?

103. Meister. War es denn nicht besser, wenn alle Thiere vernünftige Wesen wären? Hast du schon vergessen, wie sich — nach dem Vorangegangenen — der Same Adam's fortpflanzte, wie der Gottesgeist immer auf Einem ruhte, der das Herz der Brüder und das Kleinod des Vaters, empfänglich für jenes höhere Licht, die andern aber nur die Schale, unzugänglich für dasselbe waren? Jakob’s Söhne endlich waren alle Kleinod und Herz, abgesondert von den Menschen durch besondere göttliche Thätigkeiten, vermöge deren sie gleichsam eine besondere Gattung, ein gleichsam engelhaftes Geschlecht bildeten. Sie durften alle nach der Stufe der Prophetie streben und erreichten sie auch zum größeren Theil, da sie ihr nahe waren durch gottgefällige Handlungen, Heiligkeit, Reinheit, Umgang mit Propheten. Denn wisse, wer auf einen Propheten stieß, der fühlte, indem er auf den Propheten stieß und dessen göttliche Reden hörte, in sich einen neuen Geist erwachen, und sich von andern Menschen geschieden durch Lauterkeit der Gedanken, durch Verlangen nach jener höhern Stufe, durch Festhalten an Demuth und Reinheit. Das war für sie die sichtbare Größe und das helle Licht eines kommenden Lebens; denn was von einem solchen erwartet wird, kann doch nur darin bestehen, daß die menschliche Seele in ihrer ursprünglichen Göttlichkeit sich von den äußeren Sinnen loslöse, des höheren Seins inne werde, des Anschauens engelhaften Lichtes und des Anhörens göttlicher Rede sich erfreue. Ein solcher Mensch ist eben überzeugt, daß seine Seele fortdauere, wenn die körperlichen Organe zerfallen. Und wenn sich eine Religion findet, durch deren Lehren und Handlungen man zu dieser Stufe gelangt an dem Orte, den sie vorgeschrieben, und unter den Bedingungen, die sie vorgezeichnet, so ist man in dieser Religion fest überzeugt, daß die Seele nach Auflösung des Körpers fortdauere.

104. Kusari. Ich sehe, daß die Verheißungen anderer Religionen voller und üppiger sind, als die der eurigen.

105. Meister. Ja, aber sie beziehen sich alle auf die Zeit nach dem Tode, während im Leben nichts da ist, was auf jene hindeutet.

106. Kusari. Ich habe auch in der That nicht gesehen, daß einer von denen, die an jene Verheißungen glauben, sich nach ihrer baldigen Erfüllung sehne; ja könnte er sie um 1000 Jahre hinausschieben, und in der Fessel des Lebens und im Joch und Schmerz dieser Welt bleiben, er würde es vorziehen.

107. Meister. Und was meinst du von Jemand, der jene großen engelhaften Erscheinungen gesehen?

108. Kusari. Daß er gewiß sich danach sehnt, daß seine Seele in dieser Loslösung von den Sinnen, im fortdauernden Genusse jenes Lichtes verharre, also daß er sich nach dem Tode sehne.

109. Meister. Also, unsere Verheißungen bestehen in dem prophetischen Hangen am Gottesgeiste und dem, was nahe daran gränzt, und darin, daß der Gottesgeist sich an uns in Größe, Herrlichkeit und Wundern äußere. Darum heißt es in der Tora nicht: Wenn ihr dieses Gebot befolgt, werde ich euch nach dem Tode in Gärten und sonstige lustige Räume versetzen, sondern es heißt: Ihr werdet mir zum Volke sein und ich werde euch zum Gotte sein; ich werde euch führen; unter euch werden sein, die vor mir stehen, die zum Himmel emporsteigen, und wenn sie unter den Engeln umherwandeln , »Menschensohn« genannt werden, um sie von den Engeln, in deren Mitte sie stehen, zu unterscheiden Eben so werden Engel unter euch auf der Erde umhergehen, ihr werdet sie einzeln und in größerer Zahl sehen, wie sie euch behüten und für euch streiten. Ihr werdet dauern in dem Lande, das, als heiliger Boden, zu Erreichung jener Höhe verhilft, und dessen Fruchtbarkeit, Gedeihen und Mißwachs je nach euren Thaten vom Gottesgeiste abhängt, während die ganze übrige Welt den allgemeinen Naturgesetzen folgt. Wenn eben mein Geist sich unter euch befindet, so werdet ihr aus der Fruchtbarkeit eures Bodens, aus der Regelmäßigkeit des jederzeit erforderlichen Regens und daraus, daß ihr mit geringer Zahl eure Feinde überwindet, erkennen, daß es mit euch nicht auf natürlichem Wege zugeht, sondern nach besonderer göttlicher Bestimmung. Ebenso werdet ihr, wenn ihr ungehorsam seid, aus der Dürre, aus der Pest und der Plage wilder Thiere, während die andern Völker in Ruhe verbleiben, erkennen, daß eure Angelegenheiten von etwas Höherem, als dem allgemeinen Naturgesetze geleitet werden. Alles dies, die Lehre und ihre Verheißungen sind bewährt, nichts bleibt unerfüllt; alle Verheißungen aber gehen von einer Wurzel aus, von der Hoffnung auf die Nähe Gottes und seiner Engel. Wer zu dieser Stufe gelangt, der fürchtet sich nicht vor dem Tode, wie unsere Tora uns dies augenscheinlich zeigt. Ein Gleichniß: Von mehreren Genossen, die sich in der Wüste befanden, ging einer nach Indien und erlangte vom König von Indien Größe und Ehre, weil dieser wußte, daß er zu jenen Genossen gehöre, deren Väter er von Alters her als seine Freunde kannte. Er gab ihm kostbare Geschenke, die er seinen Genossen brachte, bekleidete ihn mit prächtigen Gewändern, schickte auch einige von seinen Dienern als Begleiter mit, ohne daß Jemand davon wußte, daß sie vom Könige weggingen und den Weg nach jener Wüste einschlagen. Außerdem legte er ihm Gebote auf, schloß mit ihm einen Bund, vermöge dessen er seinen Dienst auf sich nahm. Als er nun mit jenen indischen Abgesandten zu seinen Genossen kam, waren diese hoch erfreut, beflissen sich, sie zu ehren, und bauten ihnen einen Palast, darin sie wohnen könnten. Und so schickten jene Genossen zu wiederholten Malen Abgesandte nach Indien, die um so leichter dahin gelangten und zum Könige zugelassen wurden, als ihnen jene Gesandten des Königs halfen, und ihnen den nächsten und geradesten Weg zeigten. So wußten denn alle, daß, wer nach Indien gehen wolle, am leichtesten sein Ziel erreiche, wenn er sich des Dienstes des Königs befleißige und jene Gesandten, die ihnen den Weg zeigten, hoch halte. Es fiel dabei Niemandem ein, zu fragen, welchen Zweck jener Dienst habe; denn es war ja offenkundig, daß dies geschehe, um der angenehmen und ehrenden Gemeinschaft mit dem Könige theilhaft zu werden· — Die Genossen sind die Israeliten; der erste, der sich auf den Weg machte, Moses; die nach ihm gingen, sind die übrigen Propheten; die aus Indien kommenden Gesandten sind die Schechina und die Engel; die kostbaren Gewänder sind das geistige Licht, das in der Prophetie den Geist erhellte, und das sinnlich wahrnehmbare Licht, das auf Moses Angesicht strahlte; die köstlichen Geschenke sind die beiden Tafeln mit den Zehngeboten. Die Bekenner anderer Religionen sahen von allem dem nichts; zu ihnen sagte man nur: Nehmet den Dienst jenes Königs auf euch, wie es jene Genossen gethan, dann gelangt ihr nach dem Tode zum Könige; thut ihr das nicht, so weist er euch zurück und züchtigt euch nach eurem Tode. Mancher von ihnen sagte wohl: Es ist noch keiner zu uns gekommen, der uns gesagt, daß er nach seinem Tode im Paradies oder in der Hölle sei. Die Meisten aber fügten sich der gegebenen Ordnung und dem Willen der Gesammtheit, nahmen den Dienst auf sich, hegten im Innern zwar eine schwache, äußerlich aber eine sehr zuverlässige, feste Hoffnung, und rühmten und brüsteten sich vor den andern Völkern mit ihrem Glauben. Aber wie dürfen sich Jene mit dem, was ihnen nach dem Tode werden soll, denen gegenüber rühmen, die es schon im Leben haben. Steht denn das Wesen der Propheten und Frommen der Fort- dauer im kommenden Leben nicht näher, als das Wesen derer, die jene Stufe nie erreicht haben?

110. Kusari. Wie unwahrscheinlich ist es, daß der Mensch seiner Natur nach mit Körper und Seele zugleich vergehe, mit Ausnahme der Philosophen, ihrer Meinung nach; eben so, daß, wie die Bekenner anderer Religionen sagen, der Mensch ewigen, freudigen Lebens theilhaft werde durch ein Wort, das er über die Lippen bringt, sollte er auch sein ganzes Leben lang nur dies Wort gekannt, sollte er es auch nicht einmal verstanden haben. Was muß doch dies Wort werth sein, daß es von der Stufe des Thieres zu der des Engels erheben kann, indem, wer dies Wort nicht spricht, dem Thiere gleich ist, sei er auch ein Philosoph, ein Weiser, der alle seine Lebenstage Gutes geübt und sich nach jenen Höhen gesehnt.

111. Meister. Wir sprechen keinem Menschen, welcher Religion er auch angehöre, den Lohn seiner guten Thaten ab; aber die vollendete Seligkeit ist — nach unserem Glauben — nur für die zu erwarten, die ihr schon im Leben nahe gestanden, und wir schätzen ihre Stellung bei Gott nach ihrem Tode eben dieser Nähe im Leben gemäß.

112. Kusari. Führe doch das Verhältniß nach der entgegengesetzten Seite aus. Schätze ihre Stellung im künftigen Leben nach ihrer Stellung im diesseitigen Leben.

113. Meister. Du rechnest, wie ich sehe, uns unsere niedere und verachtete Stellung zur Schande an, und doch haben gerade deren sich die Größten aus andern Religionen gerühmt. Die Christen rühmen sich eben Dessen, der gesagt: Schlägt man dich auf die rechte Backe, so reiche die linke hin; nimmt man dir deinen Rock, so gib auch dein Hemd hin; und er und seine Jünger und Anhänger gelangten nach Jahrhunderten der Schmach und Leiden zu so wunderbaren Erfolgen, wie man weiß, und gerade dessen rühmen sie sich. In ähnlicher Weise erging es dem Stifter der ismaelitischen Religion und seinen Anhängern, ehe sie mächtig wurden. Solcher Männer also rühmen sie sich, nicht der Könige von großer Macht, ausgezeichneter Herrschaft und zahlreichen Streitwagen. Daher ist der Schluß von der Gottesnähe richtiger, als von der irdischen Größe, die uns etwa zu Theil geworden wäre.

114. Kusari. Das wäre richtig, wenn eure Demuth eine freiwillige wäre; aber sie ist eine gezwungene. hättet ihr die Macht dazu, ihr würdet eure Feinde erschlagen.

115. Meister. Da hast du unsere schwache Seite getroffen, König von Kusar. Ganz recht; wenn die Mehrzahl der Unsrigen aus dem Drucke Demuth gegen Gott und um seiner Lehre willen lernte, so hätte uns der Gottesgeist nicht so lange Zeit verlassen; aber so denkt eben nur ein kleiner Theil. Indeß gebührt auch der Mehrzahl ein Lohn dafür, daß sie das Joch der Verbannung — gezwungen oder freiwillig — trägt, denn wer da will, kann sich ja seinem Dränger gleichstellen durch ein Wort, das er ohne Mühe ausspricht, und so etwas wird von dem gerechten Richter nicht übersehen Ja, ertrügen wir Verbannung und Druck im Namen Gottes, wie es sich gebührt, dann wären wir eine Zierde des Zeitalters, das wir mit dem Messias erwarten, und würden die Ankunft der ersehnten künftigen Rettung beschleunigen. Wir stellen nicht Jeden uns gleich, der in unsern Glauben eintreten will, durch ein einziges Wort, sondern durch Handlungen, zu denen Selbstüberwindung gehört, Reinigung, Lernen, Beschneidung, nebst vielen andern religiösen Vorschriften und verlangen überhaupt, daß er nach unseren Weisen lebe. So gehört zur Bedeutung und zu dem Zweck der Beschneidung, daß man immer daran denke, wie sie ein Gotteszeichen sei, das Gott unserem Körper, und zwar dem Organe der mächtigsten Leidenschaft eingeprägt, auf daß man derselben mächtig werde, und sich dieses Organs nur in angemessener Weise bediene, daß man den Samen in rechter Art, in rechter Zeit und wie sich gebührt von sich gebe, weil er so vielleicht das Glück habe, zur Aufnahme des Gottesgeistes zu befähigem. Wer nun diesem Wege sich anschließen will, der wird sammt seinen Nachkommen einen großen Antheil an der Gottesnähe erlangen. Aber trotzdem wird der in unsern Glauben Eintretende mit dem Eingebornen nicht gleichgestellt; denn nur den Eingebornen wird Prophetie zu Theil, während das höchste Ziel jener Anderen ist, daß sie von den Propheten lernen, und Weise und Fromme, nicht aber Propheten werden. — Jene Verheißungen übrigens anbetreffend, die Dir so lieblich erschienen, so haben ja schon früher unsere Weisen vom Gan Eden und Gehinnom gesprochen, sie nach Länge und Breite gemessen und von den Freuden und den Strafen mehr als alle neueren Religionen erzählt. Ueberaupt habe ich bisher mit Dir nur über das gesprochen, was in der Schrift, in den prophetischen Worten erwähnt wird; in der That sprechen sie von den das künftige Leben betreffenden Verheißungen nicht so ausführlich, wie dies in den Schriften unserer Weisen geschieht. Indeß findet sich in den prophetischen Büchern, daß der Staub, aus dem der menschliche Körper gebildet, zur Erde, der Geist zu Gott, der ihn gegeben, zurückkehre. Desgleichen ist in den prophetischen Büchern die Rede von der dereinstigen Wiederbelebung der Todten, von der Sendung eines Propheten, Namens Elia, der schon einmal gesandt war in vergangener Zeit und den »Gott weggenommen«, wie andere hinweggenommen wurden, ohne den Geschmack des Todes zu kosten. In der Tora findet sich das Gebet Eines, der mit göttlichem Geiste weissagte und für sich selbst betete, daß er sterbe den Tod der Redlichen und sein Ende sei wie das der Kinder Israel. So befragte einst einer der Könige einen verstorbenen Propheten, und dieser weissagte ihm was kommen werde, wie er ihm in seinem Leben geweissagt hatte; und wenn auch diese Handlung des Königs, d. h. die Befragung des Todten, nach unserer Lehre unerlaubt ist, so beweist es doch, daß das Volk zu den Zeiten der Propheten an eine Fortdauer der Seele nach dem Absterben des Leibes glaubte und daher die Todten befragte. Die Einleitung unseres Gebetes, das Weiber und Kinder, um wie viel mehr die Gelehrten kennen, lautet: Mein Gott, die Seele, die Du mir gegeben, ist rein; Du hast sie geschaffen, Du hast sie gebildet, Du hast sie mir eingehaucht, Du bewahrst sie in mir, Du wirst sie einst von mir nehmen und sie mir in der Zukunft wieder geben. So lange die Seele in mir ist, bekenne ich vor Dir, Ewiger mein Gott, daß Du Herr aller Schöpfungen bist. Gelobt sei, der zurückgiebt die Seele den todten Leibern.« Das Gan Eden selbst, dessen die Leute so oft gedenken, haben sie ja aus der Tora genommen; es ist die Höhe, für die der Mensch bestimmt war, und auf der er verblieben wäre, wenn er nicht gesündigt hätte. Auch Gehinnom ist ein bekannter Ort nahe bei Jerusalem, ein Thal, wo das Feuer nie ausging, wo man die verunreinigten Gebeine, Aase und andere Unreinheiten verbrannte. Das Wort ist hebräisch und zwar zusammengesetzt.

116. Kusari. Also besteht das Neue nach eurer Religion nur aus Specialitäten in Betreff des Gan Eden und des Gehinnom und deren Beschaffenheit; man hat die Sachen wiederholt und erweitert.

117. Meister. Auch das ist nichts Neues; auch unsere Weisen haben so viel darüber gesprochen, daß du nichts davon hören kannst, was du nicht, wenn du suchest, bei unsern Weisen findest.