Die Fasttage (5) — תענייות

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Abhandlung über die Fasttage, enthaltend ein Gebot der Schrift, nämlich: vor dem Ewigen, zu jeder Zeit eines großen Unglücks, welches, Gott bewahre, über eine Gemeinde kommen sollte, Wehklagen zu erheben. Die Erklärung dieses Gebotes ist nun in folgenden Capiteln enthalten:

Erstes Capitel.

1) Es ist ein Gebot der Thora, Hilferuf zu Gott, und Trompetenschall — bei jedem Unglück, das über die Gemeinde hereinbricht, ertönen zu lassen, denn es heißt (4 B. M. Cap. X, 10): „Ueber den Feind, der euch bedrängt, möchtet ihr in Trompeten stoßen", was so viel sagen will, als: über Alles was euch bedrängen wird, wie z. B.: Hungersnoth, Pest, Heuschreckenplage und dergl., schreit und schallt zu mir. 2) Dieser Zustand gehört zu den Aeußerungen von Reue und Buße, denn wenn ein Unglück hereinbricht, und man darüber klagt und schallt, gelangen Alle zum Bewußtseyn, daß wegen böser Thaten Drangsal sie getroffen, wie es auch heißt: „Eure Sünden haben geneigt" (Jer. V, 25); — diese Buße wiederum wird Ursache seyn, das Unglück abzuwenden. 3) Würde man darüber aber nicht klagen und schallen, sondern denken, es sey ein gewöhnlicher Vorfall nach der Ordnung der Dinge, und dies Unglück sey nur zufälligerweise, so befände man sich auf dem Wege der Hartnäckigkeit, und würde die Leute verursachen, an ihre böse Thaten noch länger zu hangen, so daß auf dieses Unglück noch andere folgten, wie es auch in der Schrift heißt: „Und werdet ihr mit mir starrsinnig*) umgehen, so werde ich auch mit euch mit dem Starrsinn *) des Zornes verfahren", was so viel sagen will, als: wenn ich über euch ein Unglück bringe, um euch zur Buße zu bewegen, und ihr behauptet, daß dies ein Zufall*) sey, so werde ich die Wuth des Zufalls *) noch anhäufen. 4) Die Schriftgelehrten nun haben verordnet, über jedes Unglück, das eine Gemeinde trifft, so lange zu fasten, bis der Himmel sich ihrer erbarmt; an diesen Fasttagen schreit man nämlich zu Gott in Gebeten und im Jammerrufe, und schallt mit Trompeten; im Tempel aber schallt man mit Trompeten und Hörnern zugleich, jedoch wird weniger Hörnerschall, als Tromprtenschall veranstaltet, weil die Pflicht eines solchen Tages im Trompetenschall besteht; mit Trompeten und Hörnern zugleich, darf nur im Tempel geschallt werden, denn es (heißt Psalmen XCVIII, 6). „Mit Trompeten- und Hörnerton — schallt vor dem Angesichte des Königs, des Ewigen". 5) Fasttage, die einer Gemeinde wegen Unglücksfälle vorgeschrieben werden, dürfen nicht unmittelbar auf einander folgen, weil der größte Theil der Gemeinde so Etwas nicht aushalten kann. Von vornherein bestimme man Fasttage auf den Montag, auf den darauf folgenden Donnerstag, und auf den Montag darauf. Man kann dann wieder eine solche zweite Fastordnung mit dem folgenden Montage beginnen, bis man endlich erhört wird.

*) Das Wort Karah im Ebr. bedeutet zugleich „Widerspenstigkeit und Zufälligkeit. Vergl." 3 B. M. XXVI.

6) Man bestimme einen Fasttag für die Gemeinde, weder an Sabbaten, noch an Feiertagen; ebenso darf man an diesen Tagen, weder Trompeten, noch Hörner erschallen lassen, noch irgend wie im Gebete schreien und stehen, außer etwa, wenn eine Stadt vom Feinde umringt, oder von einer Überschwemmung heimgesucht ist; oder auch wenn man sich auf einem Schiffe befindet, das im Meere zu stranden droht auch wenn ein Einzelner von Feinden, Räubern oder von einem bösen Geiste verfolgt wird; in solchen Fällen darf man (am Sabbat fastend) im Gebete schreien: aber in Hörner darf man nur in dem Falle stoßen, wenn man das Volk zu Hilfe und Rettung zusammen rufen will. 7) Eben so wenig darf man einen Fasttag, von vorn herein auf das Neumonds-, Einweihungs-, Looses-Fest, oder den Zwischentag eines Festes bestimmen; war aber der erste Fasttag ein erlaubter, und fiel der darauf folgende auf einen dieser Halbfeiertage, so unterbreche man die Fastordnung nicht, und faste sogar den ganzen Tag hindurch. 8) An dergleichen Fasten für Unglücksfälle, dürfen weder schwangere, noch säugende Frauen, noch Kinder Theil nehmen; es ist ebenfalls erlaubt, in der den Fasttagen vorangehenden Nacht zu essen; ausgenommen hievon sind die Fasttage wegen Regen, wie weiter unten erklärt werden wird. Im Falle, wo es erlaubt ist, in der dem Fasttage vorangehenden Nacht zu essen und zu trinken, sey es ein Gemeinde- oder Privatfasten, darf man es auch nur bis zur Morgendämmerung, wenn man nicht geschlafen; hat man aber in der Nacht geschlafen, so darf man nicht mehr essen. 9) Ganz wie eine Gemeinde in ihrem Unglücke fastet, thue es auch ein Privatmann in dem seinigen, z. B. wenn Jemand einen Kranken, einen in der Wüste Herumirrenden, oder einen im Kerker Schmachtenden hat, der ihm nahe steht, so thut er wohl daran, seinetwegen zu fasten und für ihn im Gebete Erbarmen von Gott zu erflehen, so daß er bei jedem Gebete die Formel: „Antworte uns", zu sprechen hat; man faste aber in diesem Falle weder an Sabbaten, noch Feier-, Neumonds-, Einweihungstagen, noch am Loosungsfeste. 10) Jedes Privatfasten, welches das Individuum nicht am Tage vorher auf sich genommen, ist nicht als Fasten zu betrachten; die Verbindlichkeit wird übernommen, indem man am Tage vorher nach dem Vespergebete spricht: „Morgen will ich in Fasten zubringen", und dies auch im Herzen beschließt; indeß darf man die Nacht hindurch essen, ohne seinem Gelübde zu schaden; ebenso darf Jemand, wenn er im Herzen bedadurch schlossen und es dann ausspricht, drei oder vier Tage zu fasten, in den Zwischennächten essen, ohne dadurch gefehlt zu haben, in welchem Falle er auch nicht an jedem Vorabende der Fasten, an den darauf folgenden Fasttag zu denken braucht. 11) Hat Jemand am vorhergehenden Tage auf sich genommen, den folgenden zu fasten, und hat es auch gethan, in der Nacht aber nach dem Fasten beschloß er, den darauf folgenden wieder zu fasten, so ist diese Verbindlichkeit, selbst wenn er im Fasten übernachtet, ungiltig, weil sie nicht Tages vorher geschehen; geschweige denn, wenn er nach dem ersten Fasttage gegessen und getrunken, und erst des Morgens früh beschlossen, noch einen Fasttag zu halten. 12) Wer einen bösen Traum sieht, muß den Tag darauf fasten, damit er Buße thue, seine Handlungen prüfe, untersuche und nötigenfalls bereue, wodann die Fasten auch am Sabbat gehalten werden können; auch muß in jedem an Fasttage abgehaltenen Gebete die Formel: „Antworte uns" gesprochen werden, wenngleich er den Tag vorher das Fasten nicht übernehmen konnte. Wer aber am Sabbat fastet, muß noch einen Tag darauf fasten, als Sühne der Aufhebung des sabbatlichen Vergnügens. 13) Man kann auch Stundenfasten über sich nehmen, nämlich man nimmt sich vor, den Rest des Tages hindurch nicht zu essen; war er z. B. mit seinen Arbeiten beschäftigt, und seinen Geschäften nachzukommen bemüht, so daß er bis zum Mittag, oder bis zur neunten Stunde des Tages, nicht essen konnte, entschloß sich aber dann die noch nachbleibende Zeit des Tages zu fasten, so thue er es, spreche im Gebete die Formel: „Antworte uns", weil er das Fasten noch vor der eigentlichen Faststunde über sich genommen. Ebenso ist es als Stundenfasten giltig, wenn man gegessen und getrunken, und sich dann erst entschließt, den Rest des Tages zu fasten. 14) Jeder der fastet, sey es wegen seines eigenen Unglücks, wegen eines Traumes, oder auch zusammen mit der Gemeinde, wegen eines allgemeinen Unglücks, bereite sich keine Vergnügungen, benehme sich nicht leichtsinnig, sey nicht zu lustig und fröhlich, sondern besorgt und betrübt, so wie es auch heißt: (Klag. Jer. III, 39). „Was ist der lebendige Mensch betrübt, der Mann wegen seiner Sünden". Dem Fastenden ist es erlaubt, gekochte Speisen zu versuchen, selbst wenn es so viel, wie ein Quart wäre, nur darf er sie nicht herunterschlucken, sondern muß sie ausspeien. Hat Jemand am Fasttage aus Versehen Etwas gegessen, so möge er doch das Fasten bis zur bestimmten Zeit fortsetzen. 15) Fastet ein Privatmann wegen eines Kranken, der während des Tages geheilt wurde, oder wegen eines Unglücks, das während der Fastenzeit vorüberging, so muß er doch seine Fasten fortsetzen; reist Jemand von einem Orte, wo man fastet, nach einem andern, wo man nicht fastet, so setze er sein Fasten bis zum Schlusse fort; reist Jemand von einem Orte, wo man nicht fastet, nach einem Orte, wo man fastet, so muß er mitfasten; aß oder trank man aus Vergessenheit, so zeige man sich nicht den Einwohnern der Stadt, und thue sich keine besondere Vergnügungen an. 16) Fastet eine Gemeinde wegen Regen und erfolgt solcher, so kömmt es darauf an, ob es noch vor Mittag zu regnen begann, wodann man das Fasten nicht zu beendigen braucht, sondern esse und trinke, versammle sich und lese das volle Hallel (Lobgesang), da man das volle Hallel nur im gesättigten Zustande sprechen darf; fing es aber Nachmittags zu regnen an, so möge man schon das Fasten beendigen, weil doch der größte Theil des Tages in der Weihe vorüberstrich; ebenso verhält es sich, wenn die Gemeinde wegen eines Unglücks, das vorüberging, oder wegen eines Verhängnisses, das aufgehoben wurde, fastete, wo es darauf ankommt: ob die Hülfe vor Mittag zu Theil ward, oder nach Mittag; im ersten Falle hat man das Fasten abzubrechen, im zweiten aber zu beendigen. 17) An jedem Fasttage, welchen man der Gemeinde — wegen Unglücksfälle — auferlegt, sitzen die Mitglieder des Gerichts-Tribunals sammt den Aeltesten in der Synagoge, und untersuchen die Handlungen der Stadtbewohner, und zwar von dem Beschlusse des Morgengebets an, bis zum Mittage. Sie haben nämlich die Ursachen der Sünden zu ergründen, das Volk zu warnen und über die Uebelthäter und Sünder besondere Nachforschungen zu machen, solche zu entfernen, wie auch Ueber, müthige zu demüthigen, und dergl. mehr. Von Mittag an und weiter — lese man drei Stunden die Segenssprüche und Flüche der Thora, denn es heißt: „Die Strafe des Ewigen, mein Sohn, sollst du nicht verachten, und sollst nicht unwillig werden über seine Rüge" (Sp. Sal. III, 11); und aus den Propheten eine Parallelstelle, in Strafpredigten bestehend; dem letzten Viertheil des Tages halte man das Vespergebet, flehe und schreie zu Gott, und lege ein Sündenbekenntniß ab je nach Kräften.

Zweites Capitel.

1) Folgende sind die allgemeinen Unglücksfälle, wegen welcher man fastet und schallt: Wegen Bedrängniß von Feinden, wegen des Schwertes, wegen der Pest, wegen eines Raubthieres, wegen Heuschrecken, Würmer-Plage, wegen Mißwachs, wegen des Brandes und der Vergelbung der Grases, wegen Einsturz, Krankheiten, Hungersnoth und Regen. 2) Jede Stadt, in der ein Unglück dieser Art sich ereignet, hat so lange zu fasten, und zu schallen, bis das Unglück vorübergeht; ihre ganze Umgegend hat bloß zu fasten, aber nicht zu schallen, fleht jedoch für sie Erbarmen herab, Nirgends aber darf man am Sabbat, wie wir bereits erklärt, schreien und schallen; während der Hungersnoth kann man selbst am Sabbat jammern und schreien, keineswegs aber mit Trompeten schallen. 3) Das Bedrängniß von Feinden besteht in Folgendem: Wenn die Heiden kommen mit Israel Krieg zu führen, um von ihnen den Knechtzins zu erheben, oder um Land wegzunehmen, oder über sie Etwas zu verhängen, auch wenn letzteres nur den Uebertritt eines leichten Gebotes bezweckte, so hat man so lange zu fasten und mit Trompeten zu schallen, bis man sich unser vom Himmel erbarmt; in dem Falle haben alle Städte in der Umgegend zu fasten, ohne Trompetenschall, außer etwa, wenn man um Hilfe trompeten wollte. 4) Das Fasten wegen des Schwertes findet statt, auch wenn ein Friedensschwert durch das Land zieht; wenn z. B.: Heiden mit Heiden Krieg führen, und sie durch das Land der Israeliten ziehen, obgleich letztere bei diesem Kriege nicht betheiligt sind, so ist dies doch als ein Unglück zu betrachten, und man hat deswegen zu fasten; denn es heißt bei den Segnungen (3 B. M. Cap. XXVl, 6): „Und kein Schwert wird durch euer Land ziehen", woraus zu ersehen ist, baß die Gegenwart des Krieges ein Unglück ist. 5) Das Fasten wegen Pest wird verordnet, wenn in einer Stadt von fünfhundert Einwohnern drei Sterbefälle drei Tage hintereinander vorkommen; sterben diese Anzahl in einem Tage, (worauf die Seuche aufhört), oder in vier Tagen, so heißt's, es wüthe keine Pest. Waren in der Stadt tausend Einwohner, und ereigneten sich sechs Todesfälle in drei Tagen hintereinander, so herrscht eine Pest; ereignet sich aber dieselbe Anzahl von Sterbefällen in einem oder vier Tagen, so ist es keiner Pest zuzuschreiben, u. s. w. in diesem Verhältnssie. Frauen, Kinder und Greise, die schon aufgehört haben zu arbeiten, werden in dieser Hinsicht nicht zu der Einwohnerzahl der Stadt zugerechnet. 6) Ist Pest im Lande Israel, so muß ganz Israel in der Verbannung ihretwegen fasten; ist die Pest in einer Stadt, die durch Caravanen mit einer andern in Verbindung sieht, so muß man in beiden fasten, obgleich sie von einander entfernt sind. 7) Reißender Thiere wegen fastet man nur dann, wenn man von ihnen heimgesucht wird; wenn ein reißendes Thier am Tage in der Stadt gesehen wird, so heißt es eine Heimsuchung; ebenso wenn ein reißendes Thier bei Tage auf dem Felde gesehen wird, und es vor zwei Menschen nicht flieht, so heißt's ebenfalls eine Heimsuchung; wenn auf einem Felde, in der Nähe eines Sumpfes, ein solches Thier zwei Menschen erblickt und ihnen nachspringt, so ist dies ebenfalls eine Heimsuchung zu nennen; wenn es sie aber nicht verfolgt, so heißt es keine Heimsuchung; wird das Thier im Sumpfe gesehen, so wird es nicht als Heimsuchung betrachtet, selbst wenn es beiden nachsetzt, außer etwa, wenn es beide zerriß und einen außerhalb des Sumpfes auffraß. Fraß es beide im Gesträuche selbst auf, so heißt dieses kein Heimsuchen, da dieser Ort sein Aufenthaltsort ist, und es die Menschen nur aus Hunger, nicht in Folge einer Heimsuchung fraß. 8) Kommt ein wildes Thier in Häuser, die in Wäldern und wüsten Ländern, also wo gewöhnlich der Aufenthalt wilder Thiere ist, gebaut sind, bis auf's Dach und nimmt ein Kind aus der Wiege, so ist's als Heimsuchung zu betrachten; kommt es nicht so weit, so ist's nicht eine Heimsuchung zu nennen; denn die Menschen selbst haben sich in Gefahr gesetzt, indem sie den Aufenthalt reißender Thiere bezogen. 9) Wegen sonstiger Würmer und kriechender Thiere, die ein Land heimsuchen und Schaden anrichten, wie z. B. wegen Schlangen und Eidechsen, geschweige wegen Hornisse und Mükken und dergl., darf man weder fasten, noch schallen, wohl aber das Jammergeschrei ohne Trompetenschall erheben. 10) Wegen Heuschrecken und Würmerplage faste und schalle man, selbst wenn man nur ein einziges Thierchen im ganzen Lande Israel erblickt; wegen der Guboi-Heuschrecken, da wo ihrer einige sind, über den Chagabh hingegen faste man nicht und schalle auch nicht, sondern rufe blos zu Gott. 11) Wegen des Brandes und der Vergelbung bestimme man Fasten und Trompetenschall, sobald sie sich im Getreide zu zeigen anfangen, und sollte es auch nur an einer so kleinen Stelle, wie das Mundloch eines Ofens, stattgefunden haben. 12) Wegen des Einsturzes faste und schalle man, wenn in einer Stadt häufige Einstürze von gesunden Mauern, die sich nicht an dem Ufer eines Flusses befinden, vorkommen, was als ein Unglück zu betrachten ist; ebenso wegen Erdbeben und Stürme, die Gebäude niederreißen, oder Menschen tödten. 13) Wegen Krankheiten bestimme man Fasttage und Trompetenschall, wenn eine Krankheit für viele Menschen über die Stadt geschickt wird, wie z. B. die Bräune oder die Grippe und dergl., so daß man an diese Krankheit stirbt, was auch als Gemeinde-Unglück zu betrachten ist; ebenso wenn ein feuchtes Jucken den Körper befällt, das dem fliegenden Aussatze gleich zu betrachten ist, und es die meisten der Gemeinde trifft, so erfordert es Fasten und Trompetenschall zugleich; eines trocknen Juckens wegen aber — erhebe man blos das Angstgeschrei. 14) Als Hungersnoth wird betrachtet, — wenn Produkte, von welchen die meisten Einwohner Nahrung zu ziehen pflegten, wie z. B. das Leinengeräth in Babylon, Wein und Oel im Lande Israel, so sehr im Preise sinken, und so wenig im Umlauf sind, daß der Kaufmann, den Werth von 10 für 6 verkaufen muß, um einen Kaufmann zu finden; dies ist schon ein Gemeinde- Unglück, weswegen man schallen und den Angstruf selbst am Sabbat erheben muß. 15) Regen plage heißt, wenn so viel Regen kommt, daß man dadurch leidet; man halte deshalb ein Gebet, weil es kein größeres Unglück, als dies geben kann, indem die Häuser einstürzen können, und man darunter begraben werden könnte; im Lande Israel darf man über Ueberhäufung von Regen nicht klagen, weil dies ein gebirgigtes Land ist, und die meisten Häuser aus Stein gebaut sind, und weil überhaupt Regen für dessen Bewohner gut ist, und man, um das Gute wegzuschaffen, nicht fasten darf. 16) Ist das Getreide schon hervorgesprossen, und hört der Regen dann auf, so daß die Sprößlinge zu vertrocknen anfangen, so faste und schreie man deswegen so lange, bis entweder Regen kommt, oder die Gewächse sämmtlich vertrocknen, ebenso, wenn die Zeit des Pessagh's, oder die gleich darauf folgende im Lande Israel herannaht, welche Zeit dort die Blüthenzeit der Bäume ist, und noch kein Regen gekommen ist, so faste und schreie man, bis entweder der für die Bäume gehörige Regen kommt, oder bis die Zeit vorüber ist. 17) Ebenso, wenn die Zeit des Laubhüttenfestes herangekommen, und es noch nicht so viel geregnet hat, um die Brunnen, Gruben und Höhlen anzufüllen, so faste man so lange, bis der für die Brunnen nöthige Regen herunter fällt, hat aber eine Gemeinde Noth an Trinkwasser, so faste sie wegen Regen zu jeder Zeit, wenn es daran mangelt, und wäre es auch in den Sommertagen. 18) War vierzig Tage lang in der Regenzeit kein Regen, so heißt das eine Plage der Dürre (Hungersnoth), und man faste und schreie so lange, bis der Regen herunterkommt, oder bis die gehörige Zeit vorüber ist.

Drittes Capitel.

1) Kömmt vom Anfange des Herbstes, bis zum siebenzehnten des Cheschwan, gar kein Regen herunter, so fangen die Gelehrten allein, zu fasten an, und zwar am Montage, Donnerstage und Montage; alle Studirten sind würdig diese Fasten mitzuhalten. 2) Kommt der Neumondstag des Kislew, ohne daß Regen gewesen, so verordne das Gerichts-Trtbunal für die ganze Gemeinde drei Fasttage: Montag, Donnerstag und Montag, in welchen Fasten jedoch das Essen und Trinken in der vorhergehenden Nacht erlaubt ist, und an dem die Wachthabenden im Tempeldienste gar keinen Antheil nehmen, weil sie mit ihrem Tempeldienst beschäftigt sind; das ganze Volk versammelt sich dann in Synagogen, betet, schreit und fleht zu Gott, wie es an allen Fasttagen geschieht. 3) Sind diese Fasten vorüber, ohne daß man erhört wurde, so bestimme das Gerichts-Tribunal für die Gemeinde ein zweites Dreitagefasten, Montag, Donnerstag und Montage bei diesen Fasten aber muß schon das Essen und Trinken am Tage vorher, da es noch hell ist, abgebrochen werden, ganz wie am Versöhnungstage; die Wachthabenden im Tempel fasten einen Theil des Tages mit, ohne jedoch das Fasten zu vollenden; die Familienglieder aber, die an diesem Tage den Dienst haben, dürfen gar nicht fasten; überhaupt ist aber der Entschluß, daß man nach der Abbrechungsmahlzeit, am Vorabend des Fasttages, nicht mehr essen werde, für Fasttage, wo man das Essen, noch am Tage vorher abbrechen muß, — als Anfang der eigentlichen Fasten zu betrachten, — und alsdann man darf nicht mehr essen, obgleich jener Tag noch nicht zu Ende ist. 4) An diesen drei Fasttagen ist es dem ganzen Volke verboten, irgend eine Arbeit vorzunehmen, — in deren Nächten aber ist es erlaubt; auch ist's verboten den ganzen Körper mit warmem Wasser zu waschen, wohl aber Gesicht, Hände und Füße; dieserhalb muß man die Badstuben schließen; auch jede Salbung ist an demselben Tage verboten; wenn dies aber des Schweißes wegen geschieht, so ist's erlaubt; ferner ist der Umgang mit Frauen untersagt, die Schuhbedek- kung in der Stadt verboten, auf Reisen aber erlaubt; man hat auch in den Synagogen Gebete zu halten, zu Gott zu schreien und zu beten, wie an allen Fasttagen. 5) Sind auch diese Fasten vorüber, ohne daß man erhört wurde, so verordnet das Gerichts-Tribunal für die Gemeinde sieben andere Fasttage: Montag, Donnerstag, Montag, Donnerstag, Montag, Donnerstag und Montag, an diesen Fasttagen müssen auch schwangere und säugende Frauen Theil nehmen, wovon sie bei anderen Fasten befreit sind; obgleich sie sonst nicht fasten, dürfen sie sich doch nicht besondere Vergnügungen machen, sondern haben bloß so viel zu essen und zu trinken, als es nöthig ist, das Kind zu erhalten. 6) An diesen sieben Fasttagen, müssen auch die Wachthabenden den ganzen Tag mitfasten, die diensthabenden Familienglieder fasten einen Theil des Tages, doch ohne das Fasten vollenden zu brauchen; außerdem ist Alles, was in den Mittlern drei Fasttagen zu thun verboten ist, auch in diesen sieben zu beobachten. 7) Außerdem hat man hier mehr, als an allen anderen Fasttagen, zu beobachten, daß man ins Horn stoße, auf dem öffentlichen Marktplatze das Gebet abhalte, und einen Gelehrten hinunterschicke, dem Volke Strafworte zu predigen, damit es Buße thue wegen seines Wandels; auch muß man sechs Segenssprüche im Morgen- und Vespergebet hinzusetzen, so daß man 24 Segnungen zu sprechen hat, und auch die Buden schließen; am Montag mildere man dieses Gesetz, und öffne, doch erst gegen Abend, die Läden; am Donnerstag hingegen öffne man wegen der Ehre des Sabbats für den ganzen Tag die Bude; hat eine Bude zwei Thüren, so öffne man eineThüre, schließe aber die andere; hat die Bude ein Vorhaus, so kann man am Donnerstag die Läden, wie gewöhnlich öffnen, ohne sich ein Gewissen zu machen. 8) Sind auch diese Fasten vorüber, ohne daß man erhört wurde, so unterlasse man: viele Geschäfte zu machen, mit Pracht Bauten aufzuführen, z. B. Schnitzwerk und Malerei, wie auch Pflanzungen zum Vergnügen anzulegen, wie z. B. Myrthen und Aloe, Verlobungen und Heirathen zu vollziehen, außer etwa, wenn Jemand noch nicht das Gebot der Fruchtbarkeit und Vervielfältigung erfüllt hat; wer aber schon Kinder gezeugt, darf mit seiner Frau während der Hungersnoth keinen Umgang pflegen; auch meide man häuflge freundliche Begrüßungen; Gelehrte begrüßen sich unter einander nicht anders, als wie vor Gott Unwürdige und Verbannte; bietet ihnen ein Mann aus dem Volke den Friedensgruß, so antworten sie blos mit schwacher Lippe und gesenktem Haupte. 4) Alsdann wiederholen nur die Gelehrten noch ein Drei- tagefasten, bis der Monat Nissan verflossen ist; die Gemeinde aber faste nicht mehr, denn man darf wegen Regen, über die Gemeinde nicht mehr als dreizehn Fasttage verhängen; bei der Fortsetzung des Fastens durch Einzelne (Gelehrte) bis zum Schlusse des Monats Nissan, ist ihnen jedoch das Essen bei Nacht, das Arbeiten, das Baden, das Salben, der Umgang mit Frauen, und die Beschuhung, wie an sonstigen Fasttagen, erlaubt; auch muß man die Fasten am Neumonds- tage und Purim unterbrechen; ging der Monat Nissan aus der Frühlingsjahreszeit ohne Regen vorüber, wodann nämlich die Sonne zum Zeichen des Stiers gelangt, so breche man das Fasten ab, denn zu dieser Zeit wäre Regen nur ein Zeichen des Fluches, weil es nicht vom Anfänge des Jahres an geregnet hat. 10) Jedoch hat dieses Alles nur Bezug auf das Land Israel, und die ihm gleichen Länder, in solchen Gegenden aber, wo die Regenzeit noch vor dem siebenzehnten Cheschwan, oder auch nachher erst eintritt, mögen sich die einzelnen Gelehrten nach der dortigen Regenzeit richten, um wegen der Dürre den Montag, Donnerstag und Montag zu fasten; sie stellen aber, dann die Fasten an dem Neumondstage, Chanuka und Purimfeste ein, und machen eine Unterbrechung von sieben Tagen; wenn dann auch kein Regen erfolgt, so verhänge das Gerichts - Tribunal über die Gemeinde dreizehn Fasttage nach der obigen Ordnung. 11) In allen Fasten, welche für Gemeinden im Auslande bestimmt werden, darf man in der vorhergehenden Nacht essen, und sind jene, in jeder andern Gesetzes-Hinsicht, den gewöhnlichen Fasttagen gleichzustellen; denn über eine Gemeinde einen Fasttag, wie der Versöhnungstag, zu verhängen, ist nur im Lande Israel, des Regens willen, gestattet, und da auch nur in den zehn Tagen, nämlich an den drei Mittlern und sieben letztern.

Viertes Capitel.

1) An jedem Tage der letzten sieben Fasten, des Regens willen, verrichte man das Gebet in folgender Ordnung: Man bringe die Bundeslade auf den öffentlichen Platz der Stadt, das ganze Volk versammle sich und hülle sich in Säcke, man lege Asche auf die Bundeslade und auf die Gesetzesrolle, um das Weinen hervorzurufen, und das Herz des Volkes zu demüthigen; alsdann nehme einer aus dem Volke von dieser Asche, und lege es auf das Haupt der Fürsten und des Vorsitzers des Gerichts-Tribunals, und zwar auf die Stelle, wo man sonst die Thephilin anlegt, damit sie beschämt werden, und Buße thuen; nachdem dies geschehen, nehme jeder von der Asche, und lege sie auf seinen Kopf. 2) Darauf stelle man aus dem Volke einen gelehrten Greis hin, während alle Uebrigen sitzen bleiben; ist kein gelehrter Greis, so nehme man einen jungen Gelehrten; ist unter ihnen weder ein Greis, noch ein Gelehrter, so stelle man einen sonst ansehnlichen Mann hin; dieser spricht nun Worte der Ermahnung: „Brüder, nicht der Sack und nicht das Fasten können Etwas bewirken, wohl aber die Reue und die guten Thaten, denn so finden wir bei der Stadt Ninive, von welcher es nicht heißt: „Und Gott hat ihren Sack und ihr Fasten gesehen", sondern „Gott hat ihre Thaten gesehen"; auch sagen die Propheten: „Reißet Eure Herzen auf, nicht Eure Kleider"; man setze diese Procedur je nach Kräften fort, bis das Herz des Volkes gedemüthigt wird, und es in völliger Reue dasteht. 3) Nachdem dieser Prediger die Worte der Ermahnung gesprochen, erhebe man sich zum Gebet, und stelle einen Vorbeter an, der würdig ist, an solchen Fasttagen zu beten; ist der Prediger oder Ermahnende selbst dieses Amtes würdig, so bete er selbst vor; ist er es nicht, so bringe man einen Andern herab. 4) Wer ist nun würdig an diesem Fasttage vorzubeten? Ein Mann, der geläufig betet, in der Thora, den Propheten und Hagiographen lesen kann, der viele Kinder hat, aber kein Vermögen; auch ein solcher, der Arbeit auf dem Felde liegen hat, oder unter dessen Kindern, Hausleuten, Verwandten, und sonstigen Angehörigen, nicht nur keine Sünder sind, sondern dessen Hausgesinde auch frei von Sünden ist; der in seiner Jugend keinen schlechten Namen gehabt, der demüthig und beim Volke beliebt ist, etwas Einnehmendes und eine angenehme Stimme hat; ist er bei allen diesen Eigenschaften noch ein Greis, so ist er noch würdevoller; besaß er aber diese Eigenschaften, ohne Greis zu seyn, so soll er doch das Gebet verrichten. 5) Der Gemeinde-Vorbeter beginne nun das Gebet und setze es bis zur Formel: „Erlöser Israels" fort. Alsdann sage er die Worte der Erinnerung und des Hörnerschalls, vom Inhalte der Noth, und spreche die Psalmen: „Zum Ewigen rief ich in meinem Leid und Er antwortete mir etc.etc". „Meine Augen erhebe ich zu den Bergen etc". „Aus den Tiefen rief ich Dich an, o Ewiger etc." „Das Gebet des Armen, wenn er betrübt ist etc." 6) Dann spreche er wiederum flehende Worte, nach Kräften, sage auch: „O siehe unser Leid, führe unsern Krieg, und beeile Dich uns zu erlösen", setze seine flehenden Worte so fort, und spreche vor deren Beendigung: „Der da unserm Vater Abraham am Berge Moria geantwortet, der möge Euch antworten und die Stimme Eures Angstrufes erhören, an diesem Tage. Gelobt seyst Du, Ewiger, der Israel erlöst". 7) Alsdann beginne er die sechs neuen Formeln nacheinander hinzuzusetzen, schließe aber in jede dieser Formeln flehende Worte und Verse, aus den Propheten und Hagiographen ein, je nachdem er in diesen bewandert ist, und beendige dann eine jede wie folgt: 8) Die erste schließe er mit: „Der da Moses und euren Eltern beim rothen Meere antwortete, — Er möge euch antworten und die Stimme eures Angstrufes hören, an diesem Tage; gelobt seyst Du, Ewiger, der da denkt an alles Vergessene". 9) Die zweite mit: „Der dem Josua zu Gilgal geantwortet, möge euch antworten und die Stimme eures Angstrufes erhören, an diesem Tage; gelobt seyst Du, Ewiger, der da den Hörnerschall erhört." 10) Die dritte mit: „Der dem Samuel zu Mizpah geantwortet, der möge euch antworten und die Stimme eurer Angstrufes erhören an diesem Tage. Gelobt seyst Du, Ewiger, der den Angstruf erhört". 11) Die vierte mit: „Der dem Elias am Berge Karmel geantwortet, möge Euch antworten und die Stimme Eures Angstrufes erhören, an diesem Tage, gelobt seyst Du, Ewiger, der das Gebet erhört." 12) Die fünfte mit: „Der dem Jona in den Eingeweiden des Fisches geantwortet, möge euch antworten und die Stimme eures Angstrufes erhören, an diesem Tage; gelobt seyst Du, Ewiger, der da antwortet zur Zeit des Drangsals". 13) Die sechste mit: „Der dem David und seinem Sohne Salomo in Jerusalem geantwortet, möge euch antworten und die Stimme Eures Angstrufes erhören, an diesem Tage; gelobt seyst Du, Ewiger, der sich erbarmet der Erde; das ganze Volk falle nach jedem Segensspruch mit Amen ein, ganz wie bei anderen Segensformeln. 14) Als siebente spreche er darauf: „Heile uns, Ewiger, und wir mögen geheilt werden etc.", wodann er das Gebet nach der Ordnung beschließe, und man die Posaunen blase; diese Ordnung wird überall beobachtet. 15) Wenn man in Jerusalem nach dieser Ordnung das Gebet verrichtete, pflegte man sich auf dem Tempelberge, gegen das Ostthor hin zu versammeln, um da das Gebet zu halten, und als der Vorbeter bis zur Stelle: „Der unserm Vater Abraham geantwortet" gelangte, pflegte er zu sprechen: „Gelobt seyst Du, Ewiger, unser Gott, König Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Gelobt seyst Du, Ewiger, der da Israel erlöste", worauf das Volk mit den Worten einfiel: „Gelobt sey der Name seiner weltherrschaftlichen Glorie, für ewig und immerdar"; alsdann sprach der Diener der Versammlung zu den ins Horn Stoßenden: „Stoßet ins Horn, Kinder Abrahams, stoßt", der Vorbetende sprach dann erst: „Der da unserm Vater Abraham am Berge Moria antwortete, der möge euch antworten und eure Stimme erhören, an diesem Tage", worauf die Ahroniden wieder ins Horn stießen, schallten und wieder stießen. 16) Ebenso war es bei der zunächst folgenden Segensformel, welche nämlich die erste von den sechs Zugabesegnungen ist, und die er beschloß mit: „Gelobt seyst Du, Ewiger, Gott, der Gott Israels von Ewigkeit zu Ewigkeit; gelobt seyst Du, Ewiger, der da denkt an alles Vergessene". Hierauf antwortet das Volk: „Gelobt sey der Name seiner weltherrschaftlichen Glorie auf ewig und immerdar"; dann sprach Der Gemeindediener: „Schallt, Kinder Ahrons, schallt", darauf begann der Vorbeter: „Der da Moses und unseren Voreltern am rothen Meere geantwortet, möge Euch antworten und die Stimme Eures Hilferufes erhören, an diesem Tage", wonach Hörnerschall, Hörnerstoß und wieder Hörnerschall vollzogen wurde. 17) Und so wiederholte man bei diesen Segensformeln, bei einer um die andere: „Stoßt ins Horn", oder „schallt", bis alle sieben Segensformeln geschlossen sind, auf welche Weise die Ahroniden ein Mal in der Ordnung: Hörnerstoß, Schall, Stoß, das andere Mal aber Schall, Stoß und Schall, und so sieben Mal zu wiederholen haben; diese Ordnung darf jedoch nur auf dem Tempelberge allein vollzogen werden, und während der Hörnerstoß und Schall daselbst ausgeführt wird, geschah dies durch Posaunen und Schofar zugleich, wie wir's oben erklärt haben. 18) Ueberall, wo man diese sieben Fasttage anordnete, gehe das ganze Volk nach dem Gebete auf den Begräbnißplatz, weine und flehe auch da zu Gott, gleichsam, als wollten die Flehenden damit sagen, wenn wir nicht Buße thun über unsern Wandel, so werden wir wie diese sterben; auch hat man aller Orten, wo irgend ein Gemeidefasttag angeordnet wird, das Schlußgebet Neila zu halten. 19) Fing es an zu regnen, so wird das Maaß des Regens, welches erforderlich ist, auf daß die Gemeinde zu fasten aufhöre, wie folgt gerechnet: Wenn der Regen auf einem trocknen Boden eine Handbreit in die Erde eingedrungen; auf etwas besserm Boden zwei Handbreiten, auf einem Ackerfelde drei Handbreiten.

Fünftes Capitel.

1) Es giebt Tage, wo ganz Israel wegen der Unglücksfälle, die sich an diesen Tagen ereignet haben, fastet, um dadurch die Herzen zur Buße und Reue zu erwecken, indem ein solcher Unglückstag, als Andenken für unsere und unserer Eltern Sünden, die den unsrigen gleichen, zu betrachten ist, und für welche uns und ihnen Unglück geworden. Bei der Erinnerung solcher Vorfälle, werden wir zum Guten zurückkehren, wie es auch heißt: „Und sie mögen ihre Sünden bekennen und die Sünden ihrer Eltern etc" (3 B. M. XXVI, 40). 2) Diese Tage sind nämlich: Der dritte Tischri, an welchem Gedaljah, der Sohn Aghikams, getödtet wurde, und die letzte glimmende Kohle erlosch: wodurch die Verbannung vollends herbeigeführt wurde; dann der zehnte Teiweth, an welchem der König von Babylon, der Wütherich Nebukadnezar, Jerusalem belagerte, und es in Drangsal und Noth brachte; ferner der siebenzehnte Thamus, an welchem Tage sich fünf Unglücksfälle ereigneten: 1) Die ersten Tafeln der zehn Gebote wurden zerbrochen; 2) Das beständige Opfer im ersten Tempel hörte auf; 3) Die Stadt Jerusalem wurde an diesem Tage während der zweiten Zerstörung gestürmt; 4) Der Wütherich A. Posthumus verbrannte die Thora; und 5) Derselbe stellte ein Götzenbild im Allerheiligsten auf. Endlich der neunte Ab, an welchem sich ebenfalls fünf Unglücksfälle ereigneten: Ueber Israel in der Wüste wurde verhängt, daß es das gelobte Land nicht sehen werde, der erste und zweite Tempel wurden an diesem Tage zerstört, auch die große Stadt, Namens Baithera, in der Tausende und Miriaden Israeliten wohnten, und die einen großen Feldherrn hatten, von dem ganz Israel und die größten Gelehrten glaubten, daß er der Messias sey; er fiel aber in die Hände der Heiden, und mit ihm wurden Alle getödtet, so daß dies Unglück gleich der Zerstörung des Tempels gerechnet wurde, auch wurde an diesem, zu Strafen bestimmten Tag, durch Turnus Rufus, den Bösewicht, das Allerheiligste und seine Umgegend umgepflügt, wie die Schrift es vorausbestimmt: „Zion wird als Ackerfeld gepfiügt werden". 4) Diese vier Fasttage sind noch bei den Propheten aufgezählt, nämlich: (Zach. VIII, 19) der Fasttag des vierten und der Fasttag des fünften u. s. w. Der Fasttag des vierten deutet auf den siebenzehnten Thamus, welcher im vierten Monate ist; der Fasttag des fünften ist der neunte Ab, der sich im fünften Monat befindet; der Fasttag des siebenten ist der dritte Tischri, welcher auf den siebenten Monat fällt, und der Fasttag des zehnten ist der zehnte Teiweth, welcher der zehnte Monat ist. 5) In ganz Israel ist es bis zum heutigen Tage Gebrauch, an diesen Tagen zu fasten; auch fastet man am dreizehnten Adar, zum Andenken der Fasten, die zur Zeit Hamman's angeordnet waren, wie es auch heißt (B. Esther XI, 31). „Die Worte der Fasten und ihres Hilferufes"; fällt der dreizehnte Adar auf einen Sabbat, so faste man den Donnerstag vorher, welcher also der eilfte Adar ist; wenn aber einer der obenangeführten vier Fasttage auf den Sabbat fällt, so wird er auf den darauf folgenden Sonntag verlegt; fällt der Fasttag auf einen Freitag, so faste man an diesem Tage; an allen diesen Fasttagen darf man weder Schofar blasen, noch das Schlußgebet (Neila) verrichten, wohl aber liest man zum Morgen- und Vespergebete aus der Thora die Stelle: „Und Moses flehte"; an allen diesen Tagen, ausgenommen am neunten Ab, ist's erlaubt, in der vorhergehenden Nacht zu essen und trinken. 6) Zu Anfange des Monata Ab enthalte man sich jeglicher Feuden; die Woche hindurch, in welcher der neunte Ab fällt, ist'a sogar verboten, sich das Haar zu beschneiden, Kleider zu waschen und rein geputzte Kleider anzuziehen, zumal nicht leinene, bis der Fasttag vorüber ist; es ist sogar für die Zeit nach den Fasten, in dieser Woche zu waschen verboten; bereits ist es in ganz Israel Brauch, in dieser Woche kein Fleisch zu essen, nicht in die Badstube zu gehen, bis der Fasttag vorüber ist; an vielen Orten ist's sogar Sitte, das Schlachten vom Anfang des Monats, bis zum Fasttage, gänzlich einzustellen. 7) Die Nacht des neunten Ab ist in jeder Hinsicht dem Tage gleichzuachten: man muß schon am Tage zuvor in der Dämmerung das Essen einstellen, und jedes Verbot gilt hier ganz wie am Versöhnungstage; zu der Abbrechungsmahlzeit darf man weder Fleisch noch Wein genießen; man kann solchen Wein trinken, der höchstens drei Tage alt ist, wie auch gesalzenes Fleisch essen, das drei Tage und länger alt ist; keineswegs darf man aber zwei Speisen essen. 8) Dies geschieht aber nur dann, wenn man am Tage vor dem neunten Ab, Nachmittags, die Abbrechungsmahlzeit hält; findet sie am Vormittage statt, so kann man essen, was man will. Fällt der Tag vor dem neunten Ab auf einen Sabbat, so esse und trinke man wie gewöhnlich, und wollte man auch eine Mahlzeit auftischen, wie beim König Salomo; ebenso verhält es sich, wenn der neunte Ab auf einen Sabbat fällt, (und folglich verlegt wird), wodann man sich's an nichts fehlen zu lassen braucht. 9) Dies Alles ist Sitte für das gemeine Volk, das nicht viel aushalten kann; die alten Frommen hingegen pflegten es noch wie folgt zu halten. Am Tage vor dem neunten Ab pflegten sie in der Einsamkeit blos etwas trockenes Brod mit Salz zu sich zu nehmen, welches sie in Wasser einweichten und hinter dem Ofen, alleine sitzend, verzehrten; darauf tranken sie betrübt, bekümmert und weinend, einen Krug Wasser, ganz als läge ein Todter vor ihnen, es wäre auch recht, wenn alle Gelehrten dasselbe oder Aehnliches thäten. Wir selbst haben am Tage vor dem neunten Ab nie etwas Gekochtes gegessen, selbst nicht Linsen, außer, — wenn dieser Tag auf den Sabbat fiel. 10) Schwangere und säugende Frauen, müssen am neunten Ab auch fasten, und zwar den ganzen Tag; ferner ist jedes Waschen, sey es mit kaltem oder warmem Wasser, verboten; man darf nicht einmal einen Finger ins Wasser stekken; ebenso ist in diesen Tagen jede Salbung zum Vergnügen, die Beschuhung und der Umgang mit Frauen, ganz wie am Versöhnungstage, untersagt; wo es Sitte ist, an diesen Tagen eine Arbeit vorzunehmrn, kann man es thun, wo dies hingegen nicht der Fall ist, muß man es auch an diesem Tage unterlassen, die Gelehrten aber müssen sich aller Orten jeglicher Beschäftigungen enthalten, und unsere Weisen sagten, daß, wer an diesem Tage eine Arbeit verrichtet, ein solcher nie Gedeihen daran finden werde. 11) Die Gelehrten dürfen sich an diesem Tage einander den Friedensgruß nicht bieten, sondern sie müssen kummervoll und betrübt, wie Trauerhaltende dasitzen; bietet ihnen Jemand aus dem Volke den Friedensgruß, so mögen sie ihn nur mit schwacher Lippe und schwerem Haupte erwiedern; auch ist's verboten, am neunten Ab aus der Thora, den Propheten, den Hagiographen, der Mischna, der Halacha, der Gemara, und der Hagada zu lesen. Das Lesen ist nur gestattet: aus dem Buche Hiob, den Klageliedern und sonstigen Strafworten. Die Schulknaben müssen an diesem Tage müßig einhergehen; bei einigen Gelehrten ist es Gebrauch, an diesem Tage die Kopf-Thephilin nicht anzulegen. 12) Als das heilige Gotteshaus zerstört wurde, verordneten die Gelehrten damaliger Zeit, nie ein bemaltes und verziertes Haus, gleich den Königlichen Gebäuden, aufzuführen, sondern sein Haus nur mit Lehm zu bewerfen, und es zu bekalken, doch so, daß eine Quadrat-Elle über der Thüre unbekalkt bleibe; wer aber schon ein bemaltes und verziertes Haus kauft, kann es so beibehalten, ohne die Wände verunstalten zu müssen. 13) Ebenso haben die Gelehrten verordnet: wenn Jemand einen Tisch deckt, um für Gäste eine Mahlzeit zu bereiten, er daran etwas fehlen lasse, und es möge auf dem Tische ein leerer Raum nachbleiben, wohin keine Schüssel gestellt werde; macht eine Frau sich Silber- und Goldschmuck, so lasse sie eine von den Zierrathen, die sie sonst zu tragen pflegte, nach, damit der Schmuck nicht vollständig sey; wenn der Bräutigam seine Braut heimführt, möge er Asche nehmen, und sie auf sein Haupt streuen, und zwar auf die Stelle, wo man sonst die Thephilin anlegt; alle Bestimmungen sind deswegen getroffen, um sich Jerusalems zu erinnern, wie es auch heißt: Psalm CXXXVII, 5,6: „Wenn ich Deiner vergessen werde, o Jerusalem, möge meine Rechte vergessen seyn, möge meine Zunge an meinen Gaumen kleben, wenn ich Dein nicht erwähne, wenn ich Jerusalem nicht erhebe, an den Gipfel meiner Freuden." 14) Ebenso haben sie bestimmt, daß man weder mit musikalischen, noch sonstigen Instrumenten, zu besondern Belustigungen Musik mache, selbst Musik anzuhören — ist wegen der Zerstörung des Tempels verboten, ja sogar Gesang beim Wein ist untersagt, wie es heißt: „Mit Gesang werden sie keinen Wein trinken". Uebrigens ist's bereits in ganz Israel Sitte, beim Weine Worte des Preises, oder Lieder des Dankes, oder dergl., für Gott zu halten. 15) Später haben sie auch bestimmt, daß der Bräutigam sich nicht die Krone aufsetze, und überhaupt auf seinen Kopf keinen Schmuck lege, wie es auch heißt: „Nimm herunter deinen Turban, lege ab deine Krone". Ebenso ist's auch verboten, die Brautkrone, wenn daran Silber oder Gold ist, aufzusetzen, ist sie aber aus Gewächsen (sein Blumenkranz), so ist's der Braut erlaubt. 16) Wer die Städte Judas in ihrer Zerstörung erblickt, spreche: „Die Städte Deines Heiligthums sind zur Wüste geworden", und zerreiße dabei die Kleider; wer Jerusalem in seiner Zerstörung erblickt, spreche: „Jerusalem ist eine Wüste u. s. w."; wer den Tempel in seiner Zerstörung erblickt, spreche: „Das Haus unseres Heiligthums und unseres Ruhmes u. s. w." (Klag. V), und zerreiße die Kleider. Von welcher Stelle an muß man beim Anblick Jerusalems die Kleider zerreißen? Von dem Zofim-Hügel an; sobald man zum Tempel gelangt, muß man einen zweiten Riß machen; erblickt man aber früher den Tempel, nämlich, wenn man von der Wüste kommt, so zerreiße man die Kleider früher über den Tempel, und erweitere dann den Riß wegen Jerusalem. 17) Diese Riße in den Kleidern müssen mit der Hand stehend gemacht werden, und zwar durch alle Kleider hindurch, bis die Brust entblößt wird; nie aber dürfen diese Riße verwebt werden; sie zellenmäßig zusammenzustricken, zusammenzuheften, zusammenzuziehen und zu stopfen, ist erlaubt. 18) Reiste Jemand immerwährend ab und zu, auf dem Wege von Jerusalem, so muß er, wenn dreißig Tage zwischen jeder Wanderung verflossen, von Neuem seine Kleider zerreißen, was aber unterbleiben kann, wenn diese Frist nicht verflossen. 19) Alle diese Fasttage werden zur Zeit des Messias aufgehoben werden, und nicht bloß aufgehoben, sondern in Feier Freuden- und Jubeltage verwandelt werden, wie es auch heißt: (Zach.VIII,19): „So spricht der Ewige, Zebaoth, der Fasttag der Vierten, der des Fünften, der des Siebenten und des Zehnten, werden für das Haus Juda zum Jubel, zur Freude und zu glücklichen Festtagen werden, welche noch durch Wahrheit und Frieden werden beglückt werden".