Essäer - Therapeuten - Essener

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Essäer; Therapeuten, Essener.

I. Name und Bedeutung. Die Essäer als eine jüdische Sekte während und nach dem zweiten jüdischen Staatsle­ben in Palästina kommen unter diesem Namen nur in den Schriften Philos und Josephus und anderer griechischer und lateinischer Autoren der ersten Jahrh. n. vor. Dagegen kennt man sie im tal­mudischen Schrifttum meist unter an­deren Benennungen. Der Ursprung und die Bedeutung ihres Namens waren schon den ersten Berichterstattern nicht klar. Josephus nennt sie »Esse­ner«, ohne weiter die Bedeutung dieses Namens anzugeben, dagegen heißen sie bei Philo auch: Therapeuten, Die­ner, Heiler und: Essäer, von denen er nur die letzte Benennung als von »Ge­rechter« abstammend erklärt. In neu­ester Zeit hat man für den Namen »Es­säer« verschiedene hebräische und aramäische Grundwörter aufgesucht, von denen wir das aramäische Assa, heilen, helfen, als am natürlichsten und am ehesten entsprechend hervorheben. Die Benennung »Essäer« (griechisch) ist in ihrer aramäischen Form: Assa, auch Heiler, Helfer; eine Bezeichnung, die im talmudischen Schrifttum von Personen vorkommt, die man für die Angehörigen dieser Genossenschaft zu halten berechtigt ist. Auch der griechi­sche Name derselben Therapeuten, Heiler, bei Philo scheint nur eine grie­chische Übersetzung dieses Wortes zu sein. Eine nicht geringe Verwirrung hat das Aufsuchen ihrer Erwähnung unter den andern Bezeichnungen im talmudi­schen Schrifttum hervorgebracht. Man fand zwölf Namen verschiedener reli­giöser Genossenschaften und versuchte bald diese, bald jene auf die Essäer zu beziehen. Von diesen nennen wir erst die Chassidim, Assidäer (Chassidäer), die Genossenschaft der Frommen, die bekanntlich schon zur Zeit der mak­kabäischen Kämpfe eine bedeutende Rolle spielten und von vielen mit den Essäern identifiziert werden; was je­doch schon deshalb nicht geht, weil jene viel und gern opferten, aber diese dem Opferkultus völlig abgeneigt wa­ren. Nicht minder glücklich war man, die Essäer in dem Chaberbund »Bund der Genossen« zu vermuten, da erstere einen großen Teil der Lehre und Ge­setze verwerfen, die diesen heilig wa­ren. Sie opferten nicht, hielten den ehe­losen Stand für rühmlich, glaubten nur an die Unsterblichkeit der Seele und haben nicht das Dogma der Auferste­hung. Ebenso unzulässig erscheint die Annahme, sie in der im Talmud oft ge­nannten Sekte der Baithusäer zu sehen, da die Baithusäer mit den Sadducäern in gleicher Opposition gegen die Phari­säer auftreten, beide gleiche Geset­zesauslegung und gleiche gesetzliche Bestimmungen haben, beide auch dem Glauben an Engel, der allegorischen Schriftauslegung, der Wundertäterei und Wahrsagerei u. a. m. abhold wa­ren, Gegenstände, die bei den Essäern heimisch waren. Dagegen haben die Lehren und das Leben der andern frommen Genossenschaften, die im talmudischen Schrifttum noch vor­kommen, entschieden mit dem Wesen des Essäismus viel Ähnlichkeit. Wir nennen von denselben: z. Die Vathikin, die sittlich Starken, die beim ersten Strahlenaufbruch der Sonne ihr Mor­gengebet verrichteten. 2. Die Toble Schachrith, Morgentäufer, Untertau­cher am Morgen, Hemerobaptisten, die auch bei Philo eine Abteilung der Essäer ausmachen. Sie nahmen jeden Morgen ein Bad, um den Gottesnamen im Gebete auch in körperlicher Rein­heit auszusprechen. 3. Kehala Kadi­scha, Verein der Heiligen, heilige Ge­meinde, von der erzählt wird, dass ihre Mitglieder 1/3 des Tages mit Gebet 1/3 mit Gesetzesstudien und 1/3 mit Arbeit für ihren Unterhalt zubrachten. 4. Die Banaim, Bauleute, von denen noch im 3. Jahrh. n. erzählt wird, dass es Ge­lehrte waren, die sich mit dem Bau der Welt beschäftigten und auf Reinheit ih­rer Gewänder achteten. 5. Die Zenuim, Heimlichfrommen, die ihre Schriften verheimlichten, ihre Zehnten nicht ab­gaben, sondern sie auslösten, ihre Not­durft in keuscher Weise verrichteten u. a. m. Der Name »Zenuim« hat viel Ähnlichkeit mit »Essener«, der Benen­nung der Essäer bei Josephus. 6. Die Nekii Hadaath. Männer lauterer Ge­sinnung, denen nachgerühmt wird, dass sie sich nie an einem Mahle betei­ligten, wenn sie nicht im Voraus die anderen Tischgenossen kannten, nie ei­nen Kontrakt unterzeichneten, wenn sie nicht im Voraus die kannten, die mit unterzeichnen werden; sich nie einem Richterkollegium als Richter anschlossen, wenn sie nichts von den andern Richtern wussten; bei Gerichts­verhandlungen erst die Parteien abtre­ten ließen usw. 7. Die Chaschaim, die Heimlichen, Mysteriösen, die ihre Geheimnisse niemandem anvertrauten. 8. Die Assiim, Helfer, Heiler, Ärzte, da bekanntlich die Essäer auch Ärzte wa­ren. Ein solcher Essäer, Assa, will dem Agadisten R. Pinchas die richtige Aus­sprache des Gottesnamens, Tetra­gammaton überliefern, aber dieser ant­wortete: »ich dürfte dann von keinem essen.« Weiter wurden die Bücher eines Assa, Essäer, für sehr korrekt gehalten. Bekanntlich war die Sorgfalt der Essäer für ihre Schriften sehr groß. Der Eid, den sie leisten mussten, war auch für sorgfältige Aufbewahrung ihrer Bü­cher. Ich halte diese hier aufgezählten religiösen Vereinigungen als verschie­dene Klassen oder Abteilungen der Es­säer. Der Name »Essäer« als Bezeich­nung dieses Gesamtordens ist der zuletzt erwähnten Klasse Assa, Assia, entnommen, weil diese sie am würdigs­ten nach außen als der Menschheit heilsam und nutzbringend repräsen­tierten, oder weil sie sich außerhalb ih­res Ordens meist nur in dieser Eigen­schaft zeigten, und man sie daher auch nur nach dieser Seite kannte, ihre sons­tige Tätigkeit wurde ja andern als Ge­heimnis des Bundes verheimlicht. Im Ganzen scheinen die Essäer Abkömm­linge eines Teils der Chassidäer am Ende der vormakkabäischen Zeit zu sein, der nicht mit dem Vorgehen der Makkabäer, am Shabath zu kämpfen, der Wiederreinigungsweise des Tem­pels nach dem Wiedereinzug derselben in Jerusalem, u. a. m. zufrieden war und sich vom Schauplatz ganz zurückzog. In dem Makkabäerbuch wird aus­rücklich die Opposition der Chassidäer gegen das Kämpfen am Shabbath er­wähnt. Heißt es auch, die Chassidäer hätten sich auf Zureden des Matha­thias gefügt, so mag dies von dem großen Teil derselben geschehen sein. Eine Minorität von ihnen verharrte in ihrer Weigerung, da sie wirklich wieder später in den römischen Krieg gegen den Kampf am Shabbath Oppostiton machten und an diesem Tage nicht kämpfen wollten. Auch die Wiederrei­nigungsweise des Altars und des Tem­pels, den die Syrer mit ihrem Götzen­dienst verunreinigt hatten, erregte Anstoß bei ihnen. Josephus hat die No­tiz, dass die Essäer sich aus Verschie­denheit der Reinigungsweise von dem Besuch des Tempels und den Opfern fern hielten. Wir wissen, dass gleich nach der Störung des Tempelgottes­dienstes durch die Syrer Scharen von Nasiräern (der Enthaltsamen) auftre­ten, welche sich die härtesten Entsa­gungen gelobten, Erscheinungen, die sich nach der Zerstörung des Tempels durch Titus wiederholte. Auch da ent­standen Nasiräer, die keinen Wein, kein Fleisch genießen und keine Ehe schließen wollten, weil Wein und Fleisch auf den Altar kamen, der nun zerstört war. Der Nichtgenus des Wei­nes, Fleisches und die Ehelosigkeit wa­ren auch Bestandteile des Essäergelüb­des und mochten wohl die des Gelübdes der ersten Nasiräer, der Väter der Es­säer, gewesen sein. Dieselben verblieben in ihrer einsamen Zurückgezogen­heit auch nach den letzten Siegen der Makkabäer und der Verjagung der Sy­rer aus obigen Gründen. Der Altar mit seinem Opferdienst existiert nicht für sie, aber sie ersetzten bei sich das, was dort geschah. Ihr Tisch war der Altar, die Speisen betrachtete man als die Op­fer, sie selbst sahen sich als die Priester an, welche in verschiedenen Graden die Gesetze der Priesterheiligkeit beob­achteten. Als solche religiöse Vereini­gung der äußersten Frömmigkeit und Priesterheiligkeit bildeten die Essäer ei­nen Protest gegen die Auslegung und Einrichtung der Pharisäer zur Erleich­terung und Umgehung des Gesetzes, mit denen sie oft polemisierten; sie übertrafen in ihrer Entsagung und Ge­setzesstrenge auch die spätern, zeitge­nössischen Chassidäer.

II. Lehren, Dogmen, Gesetze, Le­bensweise, Beschäftigung, Aufnahme, Kleidung und Wohnung. Besser als bis­her geht es uns mit der Darstellung der Gegenstände dieses zweiten Teiles. Jo­sephus und Philo, denen wir in unsern Berichten folgen, haben über sie mit geringen Abweichungen fast nur Über­einstimmendes.

a. Lehren, Dogmen und Gesetze. Die Essäer hielten Gott für den Ur­grund alles Guten, sie glaubten an ein Geschick, nicht an das Fatum, sondern nur an eine durch die göttliche Vorse­hung geleitete Bestimmung, sodass der Mensch seine Freiheit behält. Ferner glaubten sie an die Unsterblichkeit der Seele, die Vergeltung nach dem Tode, wo den Guten und Bösen verschiedene Aufenthaltsorte angewiesen werden. Dagegen kannten sie nicht das Dogma der Auferstehung. Von ihren Ordens­gesetzen nennen wir das der Enthal­tung von Wein, Fleisch und Ölsalbung und zum Teil vom Eheleben; ferner das der strengen Beobachtung des Shabba­ths u. a. m. In Bezug auf den Tempel zu Jerusalem war ihr Grundsatz, keine Opfer zu bringen, sie sandten jedoch Weihgeschenke dahin. Die größte Ver­ehrung gehöre Gott, an den man täg­lich Gebete zu richten habe; nächst Gott gebühre Moses, dem Gesetzgeber, Lob und Ehre. Der Mehrzahl der Ver­sammlung und den Alten in ihr soll man Gehorsam leisten. In der Sitten­lehre unterscheiden sie die Gesetze ge­gen Gott von denen gegen die Tugend und die Menschen. Zu ersteren gehö­ren: nicht zu schwören, nicht zu lügen usw. Die anderen befehlen die Verach­tung des Reichtums, die Verwerfung der Wolllüste, die Besiegung der Lei­denschaft, die Werke der Standhaftig­keit, Genügsamkeit, Zufriedenheit, Bescheidenheit, die Beobachtung des Gesetzes und der Ordnung, die Ge­meinsamkeit des Vermögens, der Ein­nahmen und Ausgaben. Die dritte Klasse, die Gesetze gegen die Men­schen, verordnet Wohlwollen, Billig­keit, Gemeinschaft, Verwerfung der Sklaverei, der Herrschaft und Herrsch­sucht, die Gleichachtung aller Men­schen u. a. m.

b. Beschäftigung und Lebensweise. Zur Beschäftigung und Lebensweise der Essäer gehörten: der Landbau, die Übung friedlicher Künste und aller­hand Gewerke mit Ausnahme der An­fertigung von Kriegswaffen. Vor Auf­gang der Sonne redeten sie nichts Profanes, sonder verrichteten beim ers­ten Aufstrahlen der Sonne das Mor­gengebet, worauf jeder zu seiner Arbeit bis zur 5. Stunde = 1 r Uhr Morgens ging. Sodann kamen sie an einem Orte zusammen, wo sie sich badeten. Sie wechselten ihre Kleider, versammelten sich in einem Haus und traten nachher in den Speisesaal zum gemeinschaftli­chen Mahle. Zu demselben setzen sie sich nach Alter und Würde, die Frauen getrennt von den Männern. Kein Sklave, sondern die Jüngeren der Ge­sellschaft verrichteten den Dienst. Der Älteste sprach erst ruhige und ernste Worte, die mit Beifallsbezeugungen an­gehört wurden. Sie genossen kein Fleisch und keinen Wein. Brot und Salz nebst Ysop als Würze war für die Äl­testen, dagegen für die ganz Alten auch gewärmtes Wasser. Vor und nach dem Essen betete ein Priester. Sie legten nachher ihre Kleider wieder ab und gingen von neuem an die Arbeit bis ge­gen Abend. Auch das Abendmahl ge­nossen sie unter ähnlicher Förmlichkeit gemeinschaftlich. Reden und Gesprä­che durften nur der Reihe nach gehal­ten werden. Nach dem Abendmahle begann die Nachtwache in Chorgesän­gen und Tänzen, die das Entzücken des Geistes, der sich aus der Knechtschaft erlöst und in die Gottesnähe versetzt dachte, symbolisieren sollten. Sie han­delten nicht ohne Vorschrift ihrer Vor­steher; Hilfeleistung, sowie überhaupt Werke der Barmherzigkeit waren ihre Lieblingsarbeiten. Sie verstanden die Weissagung und die Heilkunst und üb­ten sie. Überall werden sie für treu und zuverlässig geschildert, deren Verspre­chen fester als ein Eid war. Auch im Studium der heiligen Schriften waren sie fleißig, das sie als Stütze für Seele und Leib hielten. Sonst suchten sie heilbringende Pflanzen auf und unter­suchten die Beschaffenheit der Steine. Bei Ausleerungen vergruben sie die Ex­kremente und nahmen darauf ein Bad. Gemeinschaftlich für alle waren: das Wohnhaus, das Magazin mit den Vor­räten, die Kleidungsstücke, die Speisen und das Mahl, das Erworbene der Mit­glieder, die Pflege der Kranken u. a. m. Die Verwalter des Gemeingutes wur­den durch allgemeine Wahl bestimmt. Neben diesen war zu Dienstleistungen jeder von ihnen verpflichtet. Große all­gemeine Versammlungen wurden zu je 7 und 7 mal 7 Tagen gehalten. Das Vereinshaus hatte zwei Abteilungen: eine für die Männer, die andere für die Frauen.

c. Aufnahme und Bedingungen. Der Eintretende übergibt dem Orden sein Vermögen und hält ein Probejahr. Er erhält ein Äxtchen, einen Gürtel, Schurz, und ein weißes Gewand. Wäh­rend des Probejahres soll er Beweise der Enthaltsamkeit geben und die Le­bensweise eines Essäers führen. Darauf tritt er der Gemeinde näher, ohne je­doch zu Versammlungen zugelassen zu werden. Erst nach zwei Jahren und auf Beweise der Beharrlichkeit wird er in den Verein aufgenommen. Vor Berüh­rung des gemeinsamen Mahles schwört er einen Eid: »Gott innig zu ehren, Ge­rechtigkeit gegen den Menschen zu be­wahren, dem Gerechten beizustehen und den Frevler zu hassen, treu gegen Alte, besonders gegen den König zu sein, nach Wahrheit zu streben, die Schriften und Engel geheim zu halten u. s. w. « Die Ausstoßung erfolgt, wenn er bei einer Sünde ertappt wird. Im Ganzen gab es vier Klassen, von denen die Personen der untern denen der obern für unrein galten und durch Be­rührung verunreinigten. Nach Philo nahm man auch alte Jungfrauen, Wit­wen und sonst züchtige Frauen auf.

d. Kleidung, Wohnung und Auf­enthalt. Die Essäer kleideten sich weiß, Schuhe und Kleidung wurden nicht früher gewechselt, bis sie zerris­sen waren. Ihre Wohnorte waren mehr die Dörfer als sie Städte, die sie wegen ihrer Sündhaftigkeit mieden. In Ägyp­ten wohnten sie am See Mareotis; in Israel dagegen in der Gegend des to­ten Meeres, besonders war die Stadt Engedi von ihnen zahlreich bewohnt. Den fremden Genossen stand beim Eintritt in das Haus des Essäers alles zu Gebot, welches er gleich dem seini­gen betrachten konnte. In jeder Stadt war ein Verwalter, der für den Frem­den sorgte.

III. Geschichte, Verhältnis zu den pharisäischen Lehren, gegenseitige Be­kämpfung, endlicher Einfluss und teil­weise Aufnahme essäischer Lehren und Einrichtungen. Die Zeit der Entstehung und Bildung des Essäervereins wird nirgends angegeben. Nach der obigen Darlegung haben wir die Anfänge des­selben schon unter den ersten Makka­bäern zu suchen. Sie bildeten sich aus dem Teil der Chassidäer, der nicht mit dem Vorgehen der Makkabäer und den pharisäischen Lehren über den Shab­bath, die Reinigungsweise des Tempels, des Altars, der Priester und der Opfer einverstanden waren. So kennt Jose­phus die Essäer schon in der Zeit des makkabäischen Hohenpriesters Jona­than (143 v.). Sie beharrten in ihrem Nasirgelübde gegen Fleisch, Wein und Ölsalbung, die Bestandteile des Opfer­kultus, das nun aus Mangel an Reini­gungsmitteln nicht mehr in rechter Weise vollzogen werden konnte. Sie waren Gegner der Herrschaft der Mak­kabäer und stellten sich dem Auftreten Herodes auf dessen Seite. Ein Essäer Menahem weissagt Herodes das jüdi­sche Königtum und langes Leben. Ein Essäer Judas verkündet den Tod des Antigonos, des Bruders von Aristobul im voraus. Es ist nicht unwahrschein­lich, dass der Schluss der im Talmud angeführten Worte des sterbenden Johann Hyrkan (Janai) an seine Frau sich auf die Essäer bezieht. Er sprach: »Fürchte dich nicht vor den Pharisä­ern, da wir sie als Pharisäer kennen, nicht vor den Sadducäern, die wir als Sadducäer kennen, aber fürchte dich vor den Zebuim, Gefärbten, denn sie vollziehen Taten eines Simri und wol­len den Lohn eines Pinchas.« Sie treten allmählich wieder auf den Schauplatz des öffentlichen Lebens und sind nicht unbeträchtlich an Zahl. Philo und Jose­phus geben sie auf 4 000 an. Im Syn­hedrion bekleidet ein Essäer Menahem die Würde des Abbethdin, die er jedoch aufgab, um ganz in den Dienst des Kö­nigs Herodes zu treten. Sein Anhang muss nicht unbedeutend gewesen sein, da sich ihm 8o Paar Gesetzesjünger an­geschlossen haben und seinem Beispiel gefolgt sein sollen. Ihre Gegner nann­ten diese Verbindung eine Zusammen­rottung der Gottesleugner. Der Einfluss der Essäer machte sich auch bald in den Lehrkreisen der Pharisäer geltend. Es werden Lehren und Gesetze vorge­tragen, die sich im Essäismus wieder-finden. Wir nennen beispielsweise die strengen Shabbathgesetze der samaiti­schen Schule. Viele Lehrer hielten es für wichtig, gleich den Essäern am Morgen beim ersten Ausbrechen der Sonnenstrahlen zu beten. Andererseits waren es die essäischen Lehren vom Messias, die in der letzten Zeit des jü­dischen Staatslebens stark die Gemüter bewegten, sowie die vom Erlass des Opferkultus, die nach der Zerstörung des Tempels vielfach zur Sprache ka­men. Schon die Apokryphen Sirach, Judith und Tobi haben die Lehre: »Be­obachtung der Gesetze und die Ausü­bung der Wohltätigkeit sind gleich dem Opfer am Altar.« In diesem Sinne beru­higte der Lehrer R. Jochanan b. S. seine Schüler, die beim Anblick des zerstör­ten Tempels über den Verlust der Sün­denversöhnungsstätte klagte: »Wir ha­ben noch eine Versöhnungsstätte, es sind die Liebeswerke, gehet und voll­ziehet sie!« Noch bei den Lehrern des 3. Jahrh. n. treffen wir ähnliche Aus­sprüche: »Der Tisch, auf dem die Früchte mit den üblichen Vor- und Nachbenedeiungen genossen werden, ist dem Altar gleich«; »Früher war es der Altar, jetzt ist es unser Tisch, wel­cher die Sünden versöhnen soll.« Auch von den essäischen Vorherbestim­mungslehren finden wir in den Aus­sprüchen der Lehrer dieser Zeit. Ben Asai, ein Lehrer des i . Jahrh. n., lehrt: »Von dem Deinigen wird dir gegeben, nach deinem Namen wirst du genannt, auf deinen Platz setzt man dich. Keiner ist bei Gott vergessen, niemand vermag dir das Bestimmte zu entziehen, nicht Einer tritt in die Grenze des Andern u. s. w. « Am auffallendsten erinnern die Mahnungen der Gesetzeslehrer zur Erlernung eines Handwerkes an den Essäismus. Aber bald machte sich ge­gen diesen essäischen Einfluss eine Re­aktion geltend. Grund dazu war wohl der Hervorgang des Christentums, das einen großen Teil seiner Lehren als z. B. die über Gott, den Gottessohn, den heiligen Geist, die Engel, den Messias u. a. m. dem Essäismus entnommen hat. Man grenzte und sperrte sich im­mer mehr gegen das Eindringen der es­säischen Lehren ab. So rief R. Jocha­nan b. S. (im i. Jahrh. n.) bei einer Diskussion mit einem Min, Sektierer, über die Bedeutung der Reinigungsas­che seinen Schülern zu: »Wisset, meine Lieben, nicht die Asche der verbrannten roten Kuh reinigt, auch nicht der Leich­nam eines Menschen verunreinigt, aber ein Gesetz Gottes befiehlt es, über wel­ches wir nicht weiter zu fragen haben.« Ebenso hält R. Akiba diejenigen der ewigen Seligkeit in der zukünftigen Welt verlustig, die in externen Schriften lesen und zur Heilung von Wunden ge­heime Sprüche herflüstern. Bei einer andern Gelegenheit mahnt er: »Wohne nicht in einer Stadt, deren Oberer ein Assa (Essäer) ist.« Man lachte über die Männer in den weißen Gewändern. Eine solche Verhöhnung erlitt ein Menachem in einer Lehrversammlung. Ben Asai, sein Zeitgenosse meint: »Leichter ist die Welt zu regieren als zwei Männer in den weißen Gewän­dern.« Andere Lehrer gingen noch wei­ter und erklärten jede Lehre und jedes Gebet, wo Gott nur in der Eigenschaft der Güte und Barmherzigkeit darge­stellt wird, für minäisch, d. h. sektie­risch. Weitere Anordnungen verboten jenen die Verrichtung eines Vorbeter­amtes, die nur in weißen Gewändern oder ohne Schuh vorbeten wollten. Ferner mahnte man, mit dem Vortrag theosophischer Lehren über Gott, Schöpfung, Engel, Weltregierung usw. vorsichtig zu sein, die Aussprache des biblischen Gottesnamens nur Würdi­gen mitzuteilen. Eine Änderung in die­ser Richtung trat erst nach den Stür­men des unglücklichen barkochbaischen Aufstandes ein, wo man sich wieder mehr der Mystik zuwendete. Die be­deutendsten Lehrer dieser Zeit: R. Mair, R. Juda und R. Jose, R. Elieser ben Jose, R. Jochanan, R. Simon ben Lakisch, sogar der Patriarch R. Juda I. sprechen in ihren Agada-Vorträgen Lehren von echt essäischer Färbung aus. Es würde für unsere Leser zu weit führen, diese ihre Lehren hier anzuge­ben. Man unterhält sich über die ver­schiedenen Sekten der Essäer. So gibt R. Jochanan Auskunft über die Banaim und die Nathikin. R. Josua ben Levi spricht verwundert von den Toble Schacharith, aber R. Chamina tritt für sie ein. Von andern wird eine Gemeinde von Heiligen in Jerusalem als Muster der Frömmigkeit gerühmt, deren Män­ner 1/3 des Tages zum Gebet, 1/3 zur Arbeit und 1/3 zum Studium verwen­den. Wieder andere erwähnen öfter verschiedene Sitten und Bräuche der Zenuim, Frommen und der Nekije Ha­daath, der Männer von reiner Gesin­nung. Von diesen sind es nur R. Josua ben Levi und R. Simlai, die gegen die Auswüchse ihrer Lehren auftreten. Mehr als in Israel waren es die Lehrer in Babylonien Rabh, Rab Huma, Rab Chasda und Raba, die in ihren Vorträ­gen essäische Lehren bringen. Auch der Lebensweise der Essäer huldigten bald dieser, bald jener Lehrer. So lebten ei­nige nur von Kräutern, andere wählten den ehelosen Stand, die Dritten schwo­ren nie und stellten die Lehre auf, dass schon der Ausdruck der Beteuerung: »Ja! Ja!« und der Ausdruck der Vernei­nung: »Nein! Nein!« dem Eide gleich zu achten sind.