Ewiges Leben
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Ewiges Leben. Ewiges Leben und die Entwicklung desselben im Juden-turne. Die Idee des ewigen Lebens wird anfangs als Gegensatz zu Tod und Lebensvernichtung gelehrt; erst allmählich, je nach den verschiedenen Geschichtsphasen der Volksvorstellung von »Leben und Tod« entwickelt sie sich in ihrer Reinheit. Auf diesem, ihrem Gange legt sie uns zugleich Zeugnis des starken Bewusstseins von ihr im jüdischen Volke ab. Jene schlichten Erzählungen im i. B. Moses von der Schöpfung des Menschen, dem Paradies, den zwei Bäumen in der Mitte desselben, dem Sündenfalle Adams, dem Entrücktwerden Henochs verkünden schon die Idee des ewigen Lebens. »Gott« ist das ewig Seiende, der ewig Lebende; der Mensch wird im Eben-bilde Gottes geschaffen, er ist zum ewigen Leben bestimmt. Den Odem des ewigen Lebens erhält er unmittelbar von Gott selbst; er wird zum lebenden Seelenwesen. Diese Bestimmung des Menschen zum ewigen Leben geht ihm durch die Sünde (den Sündenfall) verloren, aber sie wird ihm durch eine Heilsstiftung wieder zugeführt. Diese Heilsstiftung ist das religiöse Sittengesetz der sinaitischen Offenbarung mit seinem Gottesglauben für Israel und die ganze Menschheit. »Siehe, ich lege dir heute vor das Leben und das Gute, den Tod und das Böse, wähle das Leben.« »Sie ist ein Baum des Lebens für die, welche an ihr festhalten, die sie pflegen sind selig.« »Ich sterbe nicht, so ich lebe und die Werke Gottes erzähle.« Es ist dies die Verwirklichung dessen, was symbolisch durch den Lebensbaum in der Erzählung vom Paradiese angedeutet wird. Wie sich dieses durch das geoffenbarte Gesetz verheißende ewige Leben verwirkliche, darüber erhalten wir in dem nachpentateuchischen Schrifttum Aufschluss. In den Büchern der Propheten wird das ewige Leben bald durch die Vernichtung des Todes, bald in Folge eines Entrücktwerdens von der Erde gedacht. »Gott vernichtet den Tod auf immer, er trocknet die Träne vom Antlitz eines jeden.« »Deine Seele sei im Bunde des Lebens« bei dem Ewigen deinem Gott. »Es lebe mein Herr, der König David, ewig!« Wie von Henoch im i. B. Moses, so wird in den z. B. d. K. von dem Entrücktwerden des Propheten Elias erzählt. Aber schon in den Hagiographen, Kethubim, ist das ewige Leben des Menschen als ein Fortleben der Seele nach dem Tode des Leibes. »Ich weiß, o Ewiger, dass du meine Seele nicht der Gruft preis gibst, deine Frommen nicht Verderben schauen lassest.«
»Gott nur erlöst meine Seele von dem Untergang, (der Hand des Scheol), denn er nimmt mich auf, Selah.« »Du rettest meine Seele vom Tode, mein Auge von Tränen, ich wandle vor dem Ewigen im Lande des Lebens.« »Und es kehrt der Staub zur Erde zurück, wie er war, aber der Geist wendet sich zu Gott, der ihn gegeben.« Eine weitere Erörterung dieses Gegenstandes liefert uns die Literatur während des zweiten jüdischen Staatslebens und nach demselben. Der Zusammenstoß des Griechentums mit dem Judentum in Palästina und Alexandrien war auch für die Darstellung dieser biblischen Lehre nicht ohne Bedeutung. Es entwickelte sich im Schoße des Judentums eine völlige Leugnung derselben. Das Buch der Weisheit Salomos hat eine ausführliche Polemik gegen die Leugner des ewigen Lebens. »Es sind materialistische Menschen«, heißt es daselbst, »die da sprechen, ein kurz und mühselig Ding ist es um unser Leben, wenn der Mensch stirbt, ist es mit ihm aus, denn man kennt keinen, der aus dem Jenseits zurückgekommen. Der Odem in uns ist nur Dunst; unsere Rede ist nur ein Fünklein, das in unserem Herzen glüht. Wenn dasselbe erloschen ist, so zerfällt unser Leib in Staub gleich der Loderasche, und der Geist zerflattert wie die dünne Luft« usw. So sprechen diese Betörten, aber sie straucheln, sie haben kein Gefühl für die Ehre, welche makellose Seelen im Jenseits genießen werden. Auch das Buch Sirach bringt die Leugnung des ewigen Lebens in dem Satze: »Denn nicht alles kann im Menschen sein, weil des Menschen Sohn nicht unsterblich ist.« Spricht zwar obiges Buch der Weisheit ausdrücklich die Idee der Unsterblichkeit noch ganz im biblischen Sinne als eine Folge der Gottähnlichkeit, der Gotteserkenntnis und des Gesetzesgehorsams, also der sittlichen Vollendung, so deuten doch schon die Sätze, welche die Unvergänglichkeit des Menschen auf ein Prinzip seines göttlichen Ursprungs zurückführen, ganz anderwärts hin. Josephus sagt: »Unsere Leiber zwar sind sterblich und aus vergänglichem Stoffe gebildet, aber ein Teil der Gottheit, eine unsterbliche Seele wohnt im sterblichen Körper.« Die Seele ist, nach dieser Lehre, ein Teil Gottes, die nach dem Tode des Leibes zu ihm wieder zurückkehrt, eine Annahme, die dem Judentum ganz fremd ist und nur im Dualismus des Heidentums (s. Griechentum) ihren Ursprung hat. Auch Philo hat die Lehre: »Das Göttliche ist dem Menschen immanent, der Mensch gehört mit seinem Geistesleben dem Himmel an, ist mit Gott selbst aufs innigste verbunden.« Auf einer anderen Stelle nennt er den menschlichen Geist den schönsten Abglanz Gottes, des Menschen Vernunft ist ein Teil der göttlichen Vernunft. Innerhalb des Judentums drang diese Auffassung nicht durch, die Gesetzeslehrer im Talmud wiesen sie entschieden zurück. Die Seele ist kein Teil der Gottheit, ist auch nicht von ewig her, sondern gleich den anderen Wesen durch Gott geschaffen, aber sie verfällt als »Geist« nicht gleich dem menschlichen Leibe der Vernichtung, sondern kehrt, je nach dem Grade ihrer sittlichen Vollendung, zum ewigen Leben in die Welt der Geister zurück. »Vom Himmel und der Erde, heißt es, wurde der Mensch geschaffen, wäre er nur von ersterem, müsste er ewig leben, von letzterem, hätte er nur den Tod zu erwarten.« »Am Todestage trennen sich zwei Welten, diese hört auf, jene tritt ein.« »In der künftigen Welt ist weder Speise, noch Trank, ein Handel und Wandel, nicht Neid, Hass und Feindschaft, sondern die Frommen sitzen mit ihren Kronen und erfreuen sich der Schechina.« »Diese Welt gleicht dem Vorhofe, bereite dich im Vorhofe vor, damit du in den Palast einziehest.« Auch unsere obige Auffassung der sinaitischen Gesetzesoffenbarung als einer Heilsstiftung zum Wiedererringen des durch die Sünde Adams dem Menschen abhanden gekommenen ewigen Lebens finden wir in Midrasch vor. R. Jochanan (im 3. Jahrh. n.) lehrt: »Als Israel vor Sinai die Worte ausgesprochen: >Alles, was der Ewige geredet, wollen wir tun,< rief Gott dem Todesengel zu: >Habe ich dich über die Völker zum Herrscher eingesetzt, über Israel bist du es nicht mehr, sie sind jetzt meine Söhne, denn also heißt es: Kinder seid ihr des Ewigen Eures Gottes!<« So hat die Synagoge in ihrer Liturgie die Worte in die Nachbenediktion bei der Thoravorlesung aufgenommen: »Gepriesen seist du, Herr, der du uns die Lehre der Wahrheit gegeben und das ewige Leben in unsre Mitte gepflanzt hast.«