Exegese - Schrifterklärung - Schriftforschung - Schriftdeutung
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Exegese, Schrifterklärung, Schriftforschung, Schriftdeutung. I. Name und Bedeutung. Der hebräische Name für Exegese: Derasch, in der Bedeutung von suchen, forschen, deuten, erklären und auslegen oder: Midrasch, Deutung, Forschung, Erklärung, Auslegung bezeichnet sie nicht bloß als die Schriftauslegung in dem engsten Sinne, sondern schließt auch die Schrifterklärung und Schriftforschung in der weitesten Bedeutung mit ein, wie sie das jüdische Volk mit dem Inhalte seines heiligen Schrifttums bekannt machen und ihm aus demselben Ausschluss über alle Lebensäußerungen und geschichtliche Erscheinungen in seiner Mitte und seiner Umgebung geben sollte. Die Bibel mit ihren Lehren, Gesetzen und Institutionen war das Lebensbuch des Israeliten, sein Tun und Lassen sollten den lebendigen Ausdruck, die Verwirklichung derselben bilden. Die Exegese, als Vermittlerin desselben, wie sie und teilweise schon in den biblischen Büchern und vollständig in dem Schrifttum des Talmuds und Midrasch vorliegt, hat zu ihrer Charakteristik, dass sie neben der einfachen Auslegung auch den weiteren Ausbau der Lehren und Gesetze der Schrift besorgt. Die talmudische Exegese ist daher die Auslegung der Schrift, verbunden mit der Erforschung und Ausdeutung ihrer Lehren und Gesetze. Die Exegeten im talmudischen Schrifttum waren die Volks- und Gesetzeslehrer des jüdischen Volkes. II. Arten, Teile und Umfang. Nach dem bereits Angedeuteten genügt die einfache Bibelauslegung nicht, die es nur mit dem Verständnis des Wort-und Sachinhalts der Schrift zu tun hat, ihr Weg war ein weiterer, er sollte in das Leben eingreifen, es bilden und befestigen. Die Exegese in den jüdischen Kreisen entwickelte sich in verschiedenen Arten, die zusammen ein Ganzes bilden und die Ausdehnung ihrer Arbeiten bezeichnen. »Man las in der Lehre Gottes, erklärt mit Angabe des Sinnes, und sie verstanden das Vorgelesene.« Diese älteste Angabe über den Beginn der öffentlichen Vorlesung und Auslegung der heiligen Schrift in der Zeit der Wiederbegründung des jüdischen Staates in Palästina unter Esra und Nehemia erzählt uns von der Tätigkeit für die religiöse Volksbelehrung, wie sie neben der Verbreitung der Schriftkenntnisse die religiöse Bildung des Volkes zum Ziele hat. Von dieser Schrifterklärung für das Volk als den größeren Kreis haben wir die für den engeren zu unterscheiden, den der Gelehrten, die über die Tagesfragen, die sich geltend machenden Zeitbedürfnisse, Aufschluss aus dem Gesetz zu geben hatten. Aus ersterer entwickelte sich die agadische Exegese mit ihren verschiedenen Arten und Teilen: z. der Paraphrase oder des Targums, 2. der Homilie oder der religiösen Rede, 3. der einfachen Sach- und Worterklärung, 4. der Dogmatik, 5. der Sittenlehre und anderer antiquarischen Gegenstände. Aus letzterer ging hervor die Exegese der Halacha, die Erklärung des gesetzlichen Teils der Schrift, die das Leben des Israeliten nach dem Gesetze zu normieren hatte. Hierzu kam später die Auslegung eines engsten Kreises, der Männer der Mystik, der Chassidäer, die sich mit dem Studium des mystischen Teils der Schrift beschäftigten und eine Geheimlehre schufen, die nur ihren Jüngern zugänglich war und von denselben auch weiter ausgebaut wurde. So zeigt uns schon diese allgemeine Gruppierung die verschiedenen Auslegungsarten, wie sie Spätere in dem mnemotechnischen Ausdruck Pardes zusammenfassen als: z. des einfachen Wort- und Sachinhalts; 2. der Aufsuchung von Andeutungen für Gesetze und Anordnungen oder andere Gegenstände; 3. der Herleitungen aus der Schrift, von Lehren und gesetzlichen Bestimmungen, wozu man auch die Homilie und Paraphrase zu rechnen hat, und endlich 4. der mystischen Erklärung, in der die Allegorie, die allegorische Auslegung der Schrift eine bedeutende Rolle spielt. Doch war damit noch nicht die Exegese begrenzt. »Die Thora« (die Schrift) heißt es, »kann auf 49 Auslegeweisen erklärt werden.« »Wie ein Hammer, der Felsen zerbröckelt, so kann der Lehrer den Vers verschieden deuten«, lautete der Spruch im Lehrhause des R. Ismael (im 2. Jahrh. n.). Im Allgemeinen ließe sich folgendes Schema der Auslegungsarten im talmudischen Schrifttum aufstellen: a. die grammatisch philologische, die es mit der Erklärung der Wörter und Redeweisen zur Ermittlung des Schriftsinnes zu tun hat; b. die historisch antiquarische, welche sich mit der Ermittlung von Sachen und Vorgängen in der Geschichte und Altertumskunde der Bibel beschäftigt. Beide Arten gehören der einfachen Auslegungsweise, der einfachen Wort-und Sacherklärung an; c. die praktische zur Feststellung der Gesetze und deren weitern Ausbaues; d. die doktrinelle mit ihren verschiedenen Teilen: r. der dogmatischen, die sich mit dem Dogmatischen in der Schrift, der Erklärung der Aussagen und Bezeichnungen für Gott und seine Eigenschaften u. a. m. beschäftigt; 2. der ethischen, die den sittlichen Gedanken aus der Schrift hervorhebt, und als Lehre aufstellt; 3. der erbauenden, als die Paraphrase, die Homilie und die längere Rede; 4. der mystischen oder der allegorisch symbolischen, welche die Schrift als Hülle höherer, geheimer Ideen darstellt. Die unter c. und d. angegebenen Auslegungsarten sind im Gegensatze zu denen von a. und b. die des tieferen Schriftsinnes, der Erforschung der Schrift zur Herleitung, Andeutung und Anknüpfung von Lehren, Gesetzen oder sonstigen Bestimmungen in den oben genannten drei Teilen der exegetischen Tätigkeit der Gesetzeslehrer: z. des Gesetzes, der Halacha; 2. der Belehrung, der Agada und 3. der Geheimlehre, der Mystik. Die Exegese der letzteren Art ist die, welche wir oben unter dem Namen »Midrasch« oder »De-rasch« zusammenfassten, von der die Schriftforschung zur Herleitung gewisser Gesetze, Lehren und Bestimmungen in der Halacha, Agada und der ersten Tanaim zufällt, und deshalb auch: »Midrasch, der Sopherim heißt, aber die zur Aufsuchung von Andeutungen und Anknüpfungen von Traditionen und anderer Lehren und Bestimmungen die Sache der Tanaim und Arnoraim war. III. Hilfsmittel. Die Auslegung der heiligen Schrift und von ihr besonders des Teils der mosaischen Gesetze setzt Kenntnisse verschiedener Wissenszweige voraus. Es wird den Männern des Synhedrions in Jerusalem sowie den späteren Gesetzeslehrern, die Aufschluss über das Gesetz erteilten und fürs Volk Vorträge über biblische Themata hielten, auch die Vertrautheit mit verschiedenen Wissensfächern nachgerühmt. So viel man aus den Sätzen ihrer Lehrvorträge und Schriftforschungen entnehmen kann, besaßen sie Kenntnisse aus der Astronomie, der Zoologie, der Botanik, Mathematik, Physik, Medizin, Philosophie, der Länder- und Völkerkunde, der Sprachen der Nachbarvölker sowie der griechischen und lateinischen u. a. m. Von der Rede- und Dichtkunst kannten sie: die Allegorie, die Fabel, das Gleichnis, die Mythen, die Sage, das Rätsel und die Hyperbel, den Sinnspruch, die Homilie und die größere Rede. Das waren auch im Allgemeinen die Hilfsmittel, die ihnen die Arbeit der Exegese erleichterten. Spezieller nennen wir: A. die Grammatik oder die grammatikalische Behandlung des Schrifttextes nach ihren Hauptteilen. Von diesen heben wir hervor: I. Die Lautlehre. In derselben wird auf die Gestalt- und Lautähnlichkeit der Buchstaben aufmerksam gemacht und vor Verwechslung gewarnt, als z. B. des (Daleth) mit (Resch); des (He) mit (Cheth); des (Beth) mit (Kaf); des (Alef) mit (Ajin) usw. Bei dem Aussprechen der Buchstaben soll man auf den Unterschied zwischen (Alef) und (Ajin) (Sajin) und (Samech), auf das Dagesch in denselben, die Deutlichkeit des (He) usw., auf die gleichen End- und Anfangsbuchstaben zweier aufeinander folgenden Wörter achten. Man kennt die Verwechslung verwandter Buchstaben unter einander, die zu einem Sprachorgan gehören. Es können verwechselt werden: das (Beth)(Peh), das (Alef) mit (Ajin), das (Samech) mit (Schin), usw. 2. Die Formenlehre. Mit Nachdruck wiesen sie in ihren Erklärungen auf die Unterschiede des Singulars und Plurals, der Geschlechtsform jedes Wortes u. a. m. Sie kannten die privative Bedeutung der Verba im Piel, den Unterschied zwischen Kal und Niphal, Kal und Hophal, Kal und Hiphil, Niphal und Hiphil, Niphal und Piel u. a. m. 3. Die Syntax. Hierher gehören ihre Bemerkungen über das (He) loci, dass es das (Lamed) am Anfange des Wortes ersetzt, ferner die Angabe der vierfachen Bedeutung der Konjunktion כי als: 1. wenn, wie in 5. M. 17. 2.; 2. dass nicht, wie in 5. M. 18. 24 3. sondern wie 1. M. 18. 15. und 4. weil und denn, wie in Hiob 39. 12. So kennt man auch viele Wörter, die bald für männlich, bald für weiblich gelten als z.B. שדה , Feld in 27. 21; דרך , Weg in 2. M. 18. 20. als feminin und in 5. M. z8. 7. als maskulin u. a. m. Über die Zeitformen sagen sie, dass durch das (Waw) conversivum das Präsens eines Verbs die Bedeutung des Imperfectums annimmt, als z.B. in 1. M. 3. 12. ואוכל . Ebenso könne die Perfekt- und Partizipalform als Futur gebraucht werden, u. a. m. B. Sprachen. Von diesen nennen wir erst die des semitischen Sprachstammes. a. Die Volkssprache in Palästina. Dieselbe war im zweiten jüdischen Staatsleben und nachher nicht mehr die hebräische, sondern die aramäische, versetzt mit einem Gemisch von Wörtern des Althebräischen und der Sprachen der angrenzenden Völker, mit denen mehr oder weniger die Ju den in Berührung kamen, die sich zu einem eigenen aramäisch-palästinischen Dialekt herausgebildet hatten. Diese Volkssprache hatte daher noch immer einen bedeutenden Schatz Hebräismen, der zur Erklärung der Bibel von den Gesetzeslehrern benutzt wurde. So machte sie der Ausdruck מסלסל »zierlich kräuseln«, in dem Zurufe der Magd des Patriarchen R. Juda I. an einen Mann, der sich das Haar zierlich kräuselte: »Wie lange wirst du dein Haar kräuseln, מסלסל« ? auf die Bedeutung des ähnlichen Wortes: מסלסליה in Spr. Sal. 4. 8. aufmerksam, dass nun in diesem Sinne »zierlich halten«, »sich mit ihr zieren« erklärt wurde. Ebenso erklärten sie das Wort in 2. M. 12. 4. nach dem syrischen Stamme »schlachten«, in dem Spruche: »Schlachte mir dieses Lamm«; die Benennung in 1. K. 9. 13 nach dem Spruche: »Es ist ein Land, unfruchtbar, das keine Früchte trägt;« das Wort in Jes. 13. 2.3. nach der Bedeutung des Verbs Volksdialekt »Fegen« für »Besen«. b. die arabische Sprache. Mit den Arabern kamen die Juden schon vor der Zerstörung des Tempels durch Titus öfter in Berührung. Ein großer Teil der Juden hatte sich in Arabien angesiedelt, wo sie bekanntlich R. Akiba auf seinen Reisen aufsuchte. Die arabische Sprache fand daher auch bei den Juden schon früh ihre Pflege. Ihr reicher Wortschatz wurde von den Gesetzeslehrern zur Aufhellung der Bedeutung manches hebräischen Ausdrucks verwendet. Wir haben im talmudischen Schrifttum eine ziemliche Menge von hebräischen Wörtern der Bibel, die nach der Analogie ähnlicher arabischer Ausdrücke erklärt werden. Es würde hier zu weit führen, sie sämtlich aufzuzählen. Wir heben von denselben zur Orientierung einige hervor und werden mehr davon in Teil IV. dieses Artikels bringen. Es werden erklärt: 1. Chr. 4. 18. nach dem arabischen »Seher«; Hiob 38. 24. von dem arabischen »Haar«; Hoheslied 4. 1. von dem arabischen »wegmachen«, »Raum lassen«; die rote Farbe der zu verbrennenden roten Kuh durch das arabische דמת ; Klagelied 2. 13. nach dem arabischen »Raub«, »Feindschaft«. Wie aus der arabischen Sprache, so holte man auch Analogien aus der koptischen, persischen und anderen Sprachen, am liebsten aus den Sprachen der Seestädte. c. Die griechische Sprache. Eine reiche Ausbeute in dieser Beziehung bot ihnen die griechische Sprache. Die bedeutendsten Gesetzeslehrer R. Gamliel I., R. Simon Sohn Gamliels, R. Gamliel II., R. Elieser, R. Josua, R. Juda I., R. Jochanan, R. Abbahu, R. Jonathan u. a. m. waren derselben kundig und verstanden sie in ihren Lehren anzuwenden. »Die keinen Fehler hat, das ist die griechische Sprache.«, »Man suchte nach und fand, dass die Thora (der Pentateuch) vollständig nur durch die griechische Sprache weitergegeben werden könne.«; »In drei Sachen steht Griechenland über Rom, den Gesetzen, der Sprache und der Schrift«, waren die Aussprüche der Lehrer des i. und 2. Jahrh. über die Würdigung der griechischen Sprache. Der Patriarch R. Juda I. (im 2. Jahrh.) ging in derselben so weit, dass er nur sie oder die hebräische Sprache in Palästina gesprochen haben wollte. »In Palästina, wozu das Syrische, entweder die griechische oder die hebräische Sprache.« So fertigte der Proselyt Aquila eine griechische Übersetzung des Pentateuchs an und die Gesetzeslehrer R. Elieser und R. Josua (im z. Jahrh.) riefen darüber erfreut aus: »Du allerschönste (Sprache) unter den Menschensöhnen!« Wie ihnen der griechische Sprachausdruck manches Wort in der Bibel erklären half, darüber geben wir hier nur einige Beispiele. In Psalm 42. 5. wird tt111 gleich dem griechischen als »Wasserbach« erklärt und zwar: »Wie das Wasser sich nicht messen lasse, so war auch Israel zahllos.« Hosea 13. 14. wird -imup von dem griechischen »hinabsteigen« hergeleitet und in Verbindung mit 4114e erklärt: »steige in die Scheol hinab.« Zu z. M. 49. 5. soll cuninniztz gleich dem griechischen Messer, Schwert bedeuten. Der Stamm 1= im Namen Petuel, L2141.3M, 2. M. 6. 25. ähnlich dem griechischen »Licht« gehalten mit dem Zusatz: »Weil er durch gute Taten voran leuchtete.« Solche Zurückführungen und Anlehnungen an das Griechische gebrauchte man gewöhnlich, um für gewisse Traditionen Andeutungen in der Schrift aufzufinden. So erklärte Ben Asai die Bezeichnung הדר in 3. M. 23. 40. gleich dem griechischen »Wasser«, um traditionell die Fruchtgattung des Feststraußes herauszubringen. C. Übersetzungen der Schrift. 1. Die griechischen: die Septuaginta und die des Aquila, Akyles. Von der Ersten wird über Entstehung, Anfertigung und Zweck berichtet, auch finden ihre Übersetzungen in der älteren Halacha und Agada viele Analogien, aber sie wurde nur von den griechisch schreibenden Juden, besonders von Philo in Alexandrien und Josephus in Palästina gelesen und zitiert, dagegen schien sie bei den Gesetzeslehrern in Palästina unbeachtet geblieben zu sein, wenigstens besitzen wir kein Zitat von ihnen, dass sie sie in der Schrifterklärung benutzt hätten. Desto mehr war es die griechische Übersetzung des Aquila, Akyles, auf die man gern einging und deren treuen Wiedergabe des Textes man volle Beachtung schenkte. 2. die aramäischen Übersetzungen. Die Bruchstücke dieser alten aramäischen Übersetzungen haben sich in den Umarbeitungen der Targumim, wie sie uns heute unter dem Namen Targum Onkelos und Jonathan ben Usiel vorliegen, erhalten. Auf dieselben wird im Talmud oft hingewiesen. D. Sprüche und Bibelverse. Die Benutzung von Bibelversen zur Erklärung und Charakterisierung von Personen und Sachen war bei den Volks- und Gesetzeslehrern sehr häufig. Fast für jeden Abschnitt im Pentateuch wird ein Bibelvers aufgestellt, der kurz den Inhalt desselben andeutet. So wird 1. M. 3. 1. »Und die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes« durch den Vers in Koheleth 1. 8. eingeleitet: »Denn bei viel Klugheit ist viel Verdruss, je mehr Kenntnis desto mehr Schmerz«; ebenso 1. M. 5. 32.. »Und Noach war 500 Jahre alt« durch Ps. 1. 1. »Heil dem Manne, der nicht ging im Rate der Frevler, auf dem Weg der Sünder nicht stand und wo Spötter sitzen nicht saß«; ferner 1. M. 12.1. »Ziehe hinweg von deinem Lande, deinem Geburtsorte und von dem Hause deines Vaters in das Land, welches ich dir zeigen werde« durch Ps. 45. 11. »So höre, o Tochter, und siehe, neige mir dein Ohr, vergiss deines Volkes und deines Vaterhauses«; 1. M. »Und Jakob zog aus Berscheba und ging nach Haran« durch Spr. Sal. »Dann gehst du sicher deinen Weg, so du dich legst, fürchtest du nicht, schläfst du, so ist dein Schlaf süß«, womit die Ruhe des Gerechten in Unglückstagen in Bezug auf Jakob angedeutet wird. Wie geschickt sie durch Bibelverse biblische Personen zu charakterisieren verstanden, sehen wir bei Abraham, Moses, Aaron, David, Samuel, Korah u. a. m. Die Sprüche, als die praktische Lebensweisheit, die sie zur Erklärung oder als Beweis der Wahrhaftigkeit des Inhalts einer Bibelstelle zitieren, entnehmen sie aus den Apokryphen und aus den im Umgange sich befindenden Volkssprüchen. Wir dürfen auch von diesen, um nicht weitläufig zu werden, nur einige hier anführen. So wird zu Spr. Sal. 15. 16. »Alle Tage des Armen sind böse« der Spruch Sirachs zitiert: »Tief unter den Dächern ist sein Dach, der Regen der Dächer fließt auf dasselbe; auf der Höhe der Berge ist sein Weinberg, von der Erde seines Weinberges fällt den anderen Weinbergen zu«; zu 1 . M. 18. 7. »zart und gut« d. i. wie die Leute sagen: »zart und gut«; zu Spr. Sal. 26. 11. der Spruch: »Der Narr geht zu seiner Narrheit zurück«; zu 1. K. 9. 13. der Spruch: »Der sandige Boden, der keine Früchte trägt.« E. Leben und Sitten der Völker. Auch Bilder aus dem Leben und den Sitten der Völker werden oft zur Aufhellung manches Gesetzes vorgeführt. Siehe Opfer, Speisegesetze, Aberglaube, Zauberei, Verehrung der Eltern, Götzendienst, Lehre und Gesetz, Feste u. a. m. F. Mythen und Sagen. Auch Mythen und Sagen, wie sie sich im Volke über die Schöpfung des Menschen und die biblischen Personen sowie über manche Naturerscheinungen von Munde zu Munde fortpflanzten, ge hörten zu den Hilfsmitteln ihrer Exegese. Sie kennen die Mythe von der Doppelgestalt, Androgenos, Mannweib, des Menschen in Platos Gorgias und benutzen sie zur Erklärung der Schöpfung Chawas (Eva) aus der Rippe Adams. Andere Hilfsmittel waren: G. die Fabel, das Gleichnis und die Parabel; H. die Länder- und Völkerkunde; I. die Naturwissenschaften; K. die Philosophie; L. die Rechtslehre und endlich M. die Tradition. IV. Regeln, Gesetze und Normen. Die Vervielfältigung der Exegese nach ihren verschiedenen Teilen und Arten machte bald die Aufstellung bestimmter Gesetze notwendig. Dieselben wurden von den Gesetzes- und Volkslehrern in verschiedenen Zeiten allmählich angegeben, so dass sie in ihrer späteren Zusammenstellung eine ganze Geschichte aufzuweisen haben. Der erste, der von ihnen spricht, ist der Lehrer Hillel, 100 Jahre vor der Zerstörung des Tempels. Er stellt sieben Grundregeln der Exegese auf. Ihm folgte R. Ismael am Ende des 1. Jahrh. n., der die sieben Regeln Hillels auf dreizehn erweiterte. Endlich war es R. Jose Haglili im z. Jahrh. n., der zweiund- dreißig Regeln der Exegese aufzählte. Es versteht sich, dass dieselben nur von ihnen gesammelt und zusammengetragen wurden, aber einzeln schon von früheren Gesetzeslehrern gekannt und in Gebrauch waren. Wir haben ihre Aufzählung und geschichtliche Entwicklung in dem fünften Teil dieses Artikels angegeben und bitten den Leser dieselbe dort nachzulesen. Gehen wir spezieller auf sie ein, so erstrecken sie sich auf die Feststellung des Textes, die Bedeutung der Wörter und die Erklärung des Schriftinhalts. Die in Bezug auf den Schrifttext. Die Feststellung des Textes der Bücher der heiligen Schrift war die Arbeit sämtlicher Gesetzeslehrer, Tanaim, und Gesetzeserklärer, Anoraim, die im 5. Jahrh. n. noch nicht abgeschlossen war. Die minutiöse Genauigkeit in derselben bei den Späteren zeigt, dass man der Willkür früherer Zeiten in der Behandlung derselben einen Damm zu setzen hatte. Die Kämpfe der Parteien innerhalb des Judentums während des zweiten jüdischen Staates und nach demselben: der Samaritaner, Sadducäer, Pharisäer, Essäer sowie später der Judenchristen, wo jede ihre Lehren durch die Schrift dokumentiert nachweisen wollte, ferner das Streben der griechisch redenden Juden, besonders der Alexandriner (siehe Philo und die Septuaginta), die biblische Sprech- und Denkweise in die der Griechen umzugestalten — hatten manche Textänderung zur Folge. Noch die Lehrer des 3. Jahrh. n., R. Elasar und R. Jose werfen den Samaritanern Textfälschungen vor. Ebenso zählt das talmudische Schrifttum eine Menge von Textänderungen auf, welche die Anfertiger der griechischen Bibelübersetzung Septuaginta vornahmen. Andererseits musste man beim Aufsuchen von Beweisen, Andeutungen und Anknüpfungen für traditionelle Bestimmungen (siehe: Halacha und Tradition), sowie für traditionelle agadische Lehren, Bibelerklärungen oder die Bibel betreffenden Sagen zu Textumgestaltungen, Zerreißen und Neubilden von Wörtern greifen, die, wenn sie auch nur als ein vorübergehendes exegetisches, mehr mnemotechnisches und anknüpfendes Hilfsmittel gelten sollten, doch der Annahme und dem Glauben, im Besitz eines festen, abgeschlossenen Textes zu sein, schaden und als Spiel des beliebigen Schaltens mit demselben angesehen werden konnten. Man hat daher folgende Gesetze in Bezug darauf festgestellt. A. Äußere Gestalt. Die Aussprüche darüber sind von den Lehrern des zweiten u. dritten Jahrh. n., den Männern nach der barkochbaischen Zeit. R. Jizchak lehrt: »Die von den Sopherim überkommene Lesart einiger Wörter, Entfernung einiger Buchstaben von den Wörtern, Wörter, die im Texte gelesen, aber nicht in demselben geschrieben werden, und endlich Wörter die im Texte stehen, aber nicht gelesen werden, sind Bestimmungen der Urtradition.« Hierher rechnen wir ferner die in Zweifel gezogenen Wörter und Buchstaben im Texte, die deshalb mit Punkten versehen sind. Diese als zweifelhaft durch Punkte oberhalb des Buchstabens bezeichneten sollten schon von Esra so hingestellt worden sein. Es sind zehn Stellen im Pentateuch, die Wörter oder Buchstaben mit diesen Punkten oben haben, nämlich: i. M.
16.5; | 18.9; 19. 33; | 33. | 4; | 37. | 12..; 4. |
M. 3. | 39; 9. 10; 21. | 30; | 29. | 15; | 5. M. 29. 28. |
Von den späteren Gesetzeslehrern, etwa vom 2. Jahrh. n. ab, werden sie als Andeutungen gewisser Traditionen gehalten. Der Erste, der sie zu Andeutungen von Halachoths gebrauchte, war R. Jose und R. Simon Sohn Elieser stellt darüber den Grundsatz auf: »Wo die Schrift mehr unpunktierte Wörter und Buchstaben hat, wird auf die Schrift und nicht auf die Punkte geachtet, aber wo sie mehr punktierte hat, werden nur diese, aber nicht die Schrift gedeutet.« Ähnlich verhält es sich mit den schwebenden Buchstaben, den Buchstaben, die über der Zeile geschrieben sind als z. B. das Nun in Richter 18. 30; das Ajin in Hiob 38. 13; und 15. das Ajin in Ps. 80. 14. u. a. m. Sie sind zweifelhaften Ursprunges und werden in der Exegese als Anknüpfungspunkte für verschiedene Sagen und Traditionen gebraucht. So soll in a. die Andeutung sein, dass Menasse ein Enkel Moses war, in b. dass, wenn der Mensch unten arm wird (d. h. in seiner Sittlichkeit sinkt), er es auch oben (in seiner sittlichen Würde) sei. Außer diesen stellten sie noch folgende Normen auf: 1. Es gibt kein Vorher und kein Nachher in der Thora (im Pentateuch), d. h. die Reihenfolge der Abschnitte kann nicht in der Erklärung und Gesetzesfolgerung in Betracht gezogen werden. Es war nicht mehr klar, in welcher Absicht diese jetzt in der Schrift vorhandene Reihenfolge der Abschnitte gestellt wurde. Manches folgt später und gehört zu Früheren und wieder steht vieles früher, was erst später seinen Platz hat. So gehört in Ps. 34 der Vers 18 nach Vers 16.; der ganze Abschnitt in 1. M. 15. 9. vom Bündnis vor dem Abschnitt vom Kriege; der Abschnitt vom Bau der Stiftshütte in 2. M. 25. 31. nach Kapitel 31 daselbst; Koheleth 4. 2. zum Anfange desselben Buches u. a. m. Ausgemacht ist, dass der Vers 1. S. 3. 3. »Und die Leuchte Gottes war noch nicht erloschen und Samuel lag im Tempel des Ewigen«, so lauten sollte: »Und die Leuchte Gottes war noch nicht erloschen im Tempel des Ewigen und Samuel lag.« Doch galt dieser Grundsatz nicht in Bezug auf die Reihenfolge der Stellen eines und desselben Abschnittes. 2. Die Schriftstellen sind oft vermischt, nicht auf ihrem Platze. »Eine Vermischung der Stellen fand da statt«, d. h. es ist oft eine Stelle in einem Abschnitte, die zu einem andern gehört. Dieser Grundsatz kam zur Anwendung, sobald die Stellenfolge nicht dem Inhalte entsprach. Eine solche Stelle muss dahin bezogen werden, wohin sie gehört. 3. Man umstelle, ändere die Wortfolge eines Verses; zu diesem Mittel durfte man greifen, sobald der Inhalt des Werkes nicht gefunden werden konnte. Doch wird bei diesem Verfahren vor Willkür gewarnt. Raba (im 4. Jahrh. n.) rief einem Lehrer, der von diesem Grundsatze Gebrauch machte, zu: »Nicht doch, dein scharfes Messer zerschneidet den Vers!« Der Mann musste sich um einen andern Beweis umsehen. 4. Man nehme dem Worte einen Buchstaben weg und füge ihm einen anderen an. Diese Verfahren wollen einige nur auf die End- und Anfangsbuchstaben eines Wortes, aber nicht auf die aus der Mitte des Wortes ausgedehnt wissen. So wird in 4. M. 26.11. von dem Worte ונהלתו »Und seine Erbe« der Anfangsbuchstabe ו und von לשא-ו, zu seinem Verwandten das ל abgeschnitten und aus beiden ein neues Wort לו»ihm« gebildet, welches das traditionelle Gesetz andeutet, dass der Mann seine Frau beerbt. Doch wird auch hierbei vor Missbrauch gewarnt. Abaji, ein Lehrer im 4. Jahrh. n. wollte diese Freiheit auch auf die Wortversetzung ausdehnen, da rief ihm mahnend Raba zu: »Dein scharfes Messer zertrümmert den Vers!« Am liebsten gestatte man diese Behandlung des Textes, wenn von dem einen Worte der Buchstabe abgeschnitten wird, um ihn einem anderen zuzufügen, aber nicht, um ein neues Wort zu bilden. So wird das מ von dem Worte »vom Blute« in 3. M. 4. 5. »Und der Priester nehme von dem Blute des Stieres« abgeschnitten und dem zweiten Worte »der Stier« daselbst angefügt, sodass es heißt: »Blut vom Stiere« was die Bestimmung andeuten soll, dass von der Erde aufgenommenes Blut nicht gesprengt werden darf. 5. Lies nicht wie es geschrieben steht. Diese scheinbare Textänderung ist das Werk der jüngeren Agada. Sie wurde angewendet, wo der tradierte Schriftinhalt dem wirklichen Schrifttum nach vorhandener Leseart zu widersprechen schien. Man sagte alsdann: »Lies nicht so, sondern so.« Diese Scheinkonjektur des Textes bestand aus einer Umstellung der Vokale oder einer Umbiegung des Buchstabens in einen anderen, der dessen Aussprache ähnlich war. So soll in dem Schriftvers: »Alle deine Kinder sind Gelehrte des Ewigen, viel Frieden deine Söhne«, das hebräische Wort: banajich, deine Söhne, so gelesen werden, als wenn es lautet: bonajich »deine Erbauer«, um daraus die Lehre zu entnehmen, dass die Gelehrten den Frieden in der Welt mehren. Sonst wird dieses Verfahren als mnemotechnisches Mittel für geschichtliche Ereignisse gebraucht. So wird in 1. M. 27. 27. für das Wort begadav »seine Kleider« in bogdov »seine Treulosen« gelesen, um daran die Geschichte der Treulosigkeit des Schwestersohnes von Jose ben Joser, des Jakim (Alkimos) anzuknüpfen. 6. In der Schriftauslegung und Gesetzesfolgerung ist die Leseart des Wortes, aber nicht seine überlieferte (in der Massora festgesetzte) Schreibweise zu beachten. Der Unterschied zwischen beiden ist so bedeutend, dass das Wort nach seiner Leseart oft ein Passivum ist, während es nach seiner Buchstaben-Zusammensetzung als Aktivum gelten kann. 7. Notarikon, das Wort in seine einzelnen Buchstaben zu zerlegen, um aus jedem derselben ein neues Wort zu bilden, so dass ein Wort, zerlegt in seine einzelnen Buchstaben, oft einen ganzen Satz enthält. So z. B. enthält in 2. M. 20. 2. das erste Wort der zehn Gebote: »ich« zerlegt in seine Buchstaben den Satz: »Ich habe mein Wesen beschrieben und gegeben.« Der hebräische Name für Altar: Misbeach, gibt nach seinen Buchstaben die schöne Bedeutung desselben: »Vergebung«, Verdienst, Segen und Leben. 8. Gematria, Geometrie, Erklärung durch Berechnung des Zahlenwerts der Buchstaben eines Wortes. So z.B. beträgt M. 14. 14. der Name רזעילא die Zahl 318, gleich der in diesem Abschnitte angegebenen Anzahl der Mitkämpfer Abrahams in diesem Kriege, als wenn nur Elieser allein sein Kampfgefährte gewesen. Der Name Gog Magog enthält an Zahlenwert seiner Buchstaben die Zahl 70 = den 70 Völkern jenes Kampfes. 9. Die Verwechslung, Erklärung der Schrift mittels der Buchstabenvertauschung und zwar: a. nach der Ausprache, b. der Gestalt und c. der Stellung. So gehört a. die Verwechslung א mit ה; b. die Verwechslung des ב mit כ, des ד mit ר; c. die Verwechslung des ersten Buchstabens א mit dem letzten ת usw. Letzteres Verfahren war unter dem Namen שבתא bekannt. Mittels dieser Kunst erklärte man den Namen Schoschach in Jeremia 25. 26. 51. 41. durch Substitution der beiden ש mit zwei ב, also בב. und des ך mit ל, also לבב Babel. Ferner teilte man das Alphabet der 22 Buchstaben in zwei gleiche Teile und erlaubte die Verwechslung der Buchstaben der einen Reihe mit denen der anderen. Dieses Verfahren war unter dem Namen םבלא, einem Kunstausdruck, der die Weise der Verwechslung als: des א mit dem ל der zweiten Reihe, dem ב der ersten Reihe mit dem מ der zweiten usw. angibt. 10. Die Aufeinanderfolge oder die Erklärung der Schrift nach der Aufeinanderfolge ihrer Sätze und Abschnitte. Der Gebrauch dieser Regel stand im Widerspruch mit dem oben unter i. gebrachten Gesetz: »Es gibt kein Vorher und kein Nachher in der Thora« und fand daher heftige Bekämpfung von Seiten vieler Gesetzeslehrer. Im Allgemeinen ließ man diese Erklärungsweise nur da zu, wo eine Absichtlichkeit oder irgendeine Hinweisung zu dieser Erklärung sich noch in der Stelle vorfand. So z. B. stehen die Gesetze 2. M. 22. 17. 18. »Eine Zauberin sollst du nicht leben lassen«; »Wer ein Tier beischläft, soll getötet werden.« Aus dieser Zusammenstellung folgert Ben Asai, ein Lehrer im I. Jahrh. n. , dass nach 3. M. 20. auch die Todesstrafe der Zauberin die Steinigung sei. II. Die Scheidung und Trennung der Abschnitte oder die Erklärung der Trennung der Abschnitte. Die Trennung geschah durch Freilassen eines Zwischenraumes, Einschiebung eines anderen Verses (4. M. 30. I.) oder durch Zufügung auch nur eines einzigen Wortes als z. B. 4. M. 31. 16. (vergleiche Chagiga 6b.). Im engsten Zusammenhang steht damit die Deutung der alten Zeichen der Schriftabsätze: der offenen und größeren, wo die ganze Linie des letzten Wortes leer bleibt und der kleineren geschlossenen, welche die Schließung des Abschnittes nicht durch Leerlassen einer ganzen Linie, sondern nur eines Teiles derselben bezeichnen. B. Innere Behandlung. Der Schrifttext in seinem inneren Wesen und nach seiner inhaltlichen Bedeutung hat in den Übersetzungen, gottesdienstlichen Vorlesungen und in den öffentlichen Volksvorträgen oder in sonstigen Auslegungen nach verschiedenen Richtungen hin verschiedene Behandlung erfahren. Das Verständnis der hebräischen Sprache, ihrer Ausdrucksweise und der ganzen Sinn- und Denkart der heiligen Schrift war dem großen Teil des jüdischen Volkes schon im z. Jahrh. des zweiten jüdischen Staatslebens fremd gewesen. Hierzu kam, dass durch den Zusammenstoß des Griechentums mit dem Judentum in Palästina und Ale xandrien, der fremde Anschauungen einführte, die wortgetreue Wiedergabe vieler Bibelstellen unmöglich wurde, wenn man sie nicht den Missdeutungen und Verhöhnungen aussetzen wollte. Man nahm Anstand gegen die das Schamgefühl verletzenden Erzählungen und Ausdrücke in der heiligen Schrift, gegen manche Gott beigelegten Eigenschaften, gegen viele Erzählungen der Volksgeschichte als z. B. die von Jakobs Erlangung des Segens von seinem Vater Isaak, von dem Sklavendienste Israels in Ägypten, der Anbetung des goldenen Kalbes u. a. m.; gegen einen nicht unbedeutenden Teil des Gesetzes als z. B. das Gesetz über die früheren Einwohner Palästinas und der Nachbarvölker Ammon, Moab u. a. m., das Gesetz über das Vorgehen gegen den Götzendienst und die Heiden; ferner gegen die Prophetenstücke über die Verirrungen und das Sittenverderbnis des jüdischen Volkes u. a. m. und scheute die Veröffentlichung derselben. Das Weglassen ganzer Stellen, Textänderungen, Milderung des Ausdrucks und deren Substituierung durch andere sinnverwandte Wörter, Zusätze und Barmherzigkeit, der Gesetze der Humanität, der Bildung des sittlichen Gefühls u. a. m. waren daher die natürlichen Folgen bei jeder öffentlichen Übersetzung und gottesdienstlichen Vorlesung der heiligen Schrift. Wer die judenfeindliche Literatur in Alexandrien während des letzten Jahrh. des jüdischen Staatslebens kennt, wird die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens einsehen. Man braucht nur die Bibelübersetzungen, die Septuaginta, die Targumim u. a. m. mit dem hebräischen Schrifttext zu vergleichen, und man wird Beispiele der oben angegebenen Textbehandlung genug finden. Die Gesetzeslehrer in Palästina konnten sich demselben nicht ganz entziehen, sahen vielmehr dessen Notwendigkeit ein, aber sie suchten dieses Verfahren nach bestimmten Gesetzen zu regeln, die den Schrifttext vor jeder Willkür schützen und eine Einheit in diese Tätigkeit bringen sollten. Diese Gesetze für die innere Behandlung des Schrifttextes lassen wir hier der Reihe nach folgen. a. Über die angeblich den Anstand und das Schamgefühl verletzenden Ausdrücke, Gesetze und Erzählungen. Darüber hat die Mischna die Bestimmung: »Wer die über Blutschande handelnden Gesetze nicht wörtlich, sondern in mildernden Ausdrücken und in uneigentlichem Sinne wiedergibt, den heiße man schweigen.« Man merkt es diesen Worten an, welche herrschende Auslegungsweise solcher Stellen man mit diesem Gesetze bekämpfen wollte. Es waren die Arbeiten des jüdischen Hellenismus, der ängstlich jedes anstößig scheinende Bibelwort zu umschreiben und zu umdeuten strebte. Reste derselben haben wir noch in der griechischen Übersetzung der Septuaginta, wo das Wort תורע in 3. M. 18. 7. durch »Schande, Schmach« wiederge geben ist; ebenso in dem Targum Pseudo Jonathan, wo der Ausdruck הלגת אל in derselben Stelle durch יזב »verachten, erniedrigen« übersetzt wird. Man fürchtete, dass die in 3. M. 18. 6. ff. und 20. 10. aufgestellten Gesetze über Blutschande durch solche Umschreibungen und Umdeutungen das gesetzliche Ansehen verlieren könnten. Andererseits sah man ein, dass die Sorgfalt des Hellenismus nicht ganz zurückzuweisen wäre. Es kam daher folgendes Gesetz zur Geltung, das gleich einem Ausgleich nach beiden Seiten hin aussieht. Die Übersetzung und Wiedergabe der obszönen Wörter durch mildere Ausdrücke oder Umschreibungen ist erlaubt, wo es dem Gesetze an seinem Ansehen keinen Abbruch tut. Die Tosephta Megilla 3. 9. Ende hat darüber: Alles, was in der Schrift im Singular steht, kann durch den Plural umschrieben werden, aber nicht umgekehrt. R. Juda sagt: »Wer den Bibelvers streng wörtlich übersetzt, lügt, aber wer hinzutut, lästert.« Ferner heißt es: »Alle Bibelstellen, welche das Schamgefühl oder den Anstand verletzende Ausdrücke haben, sollen bei öffentlichen Vorlesungen durch andere, sie mildernden Wörter, ersetzt werden.« So z. B. soll für »beiwohnen« 5. M. 28. 30. »beiliegen«; für 5. M. 28. 27 für »Mist« z. K. 6. 25. »welke Blätter«, usw. gesetzt werden. Nur wo die Schändung der Götzen dadurch stärker hervortritt, lehrt R. Josua ben Korcha, bedarf es keiner Substituierung. b. Über die Gott beigelegten Attribute. Hierher rechnen wir die Bestimmungen über das Nichtaussprechen des Gottesnamens הוהי und dessen Substituierung durch »der Name« und »Herr«; ferner ihre Angaben, wo die Gottesnamen »Gott« bald in eigentlichem Sinne, bald in uneigentlichem aufzufassen sind, und endlich ihre Aufzählung der Bibelstellen, welche Attribute und überhaupt Aussagen über Gott haben, die für Umschreibungen zu halten und in uneigentlichem Sinne zu nehmen sind. Es sind 18 Stellen, welche die Massora namhaft macht, an denen die verbessernde Hand der Sopherim zu merken ist. Ältere Schriften kennen nur 16 Stellen, die als Umschreibungen in der Schrift angesehen und nicht in eigentlichem Sinne genommen werden sollen. c. Die Gotteseigenschaften der Liebe, Gnade und Barmherzigkeit. Die Darstellung Gottes in den Eigenschaften der Liebe und Gnade war eine Lieblingssache der hellenistischen Juden in Palästina und Alexandrien, womit sie die Glanzhöhe des heiligen Schrifttums und ihres Gottesglaubens darzutun sich bemühten. Das talmudische Schrifttum hat uns eine nicht geringe Anzahl der hierher gehörenden Sprüche, Gebete, Schriftdeutungen aufbewahrt, ein Beweis, dass sie auch bei dem anderen jüdischen Volksteil Eingang gefunden und von den ersten Ge setzeslehrern nicht verworfen wurden. Erst nach der Zerstörung des Tempels fand eine starke Reaktion gegen derartige Bestrebungen statt. Der Grund dazu war wohl die Überhandnahme solcher Deutungen, wie wir sie bei Philo und den anderen Alexandrinern sehen, oder was noch mehr ins Gewicht fiel, die festere Gestaltung des Christentums, das diese Arbeiten des jüdischen Hellenismus ausschließlich für sich in Anspruch nahm und darauf seinen Bau ausführte. Solche von dem jüdischen Hellenismus herrührenden und im Schoße des Judentums noch im 4. Jahrh. n. erwähnten Lehren heben folgende Gesetze als Beweise der Gottesliebe hervor: 3. M. 2.3. 2.7. »Nicht das Neugeborne vor dem achten Tage zu schlachten«; 3. M. 25 . 6. »Dem Vieh und dem Wild des Feldes im Erlass- und Jubeljahr den Ertrag des Wachstums frei zu geben«; 3. M. 22. 28. »Nicht vom Vieh das Junge mit seinen Erzeugern an einem Tage zu schlachten«; 5. M. 22. 5. »Nicht die Mutter mit ihren Kücklein aus dem aufgefundenen Neste mitzunehmen« u. a. m. Von seinen hierher gehörenden Gebetsformeln haben sich erhalten: »Gott! Wie du dich der Mutter mit den Kücklein erbarmst (5. M. 22. 5.), Mitleid hast gegen die Mutter und ihre Jungen, sie nicht an einem Tage schlachten zu lassen (3. M. 22. z8.), so erbarme dich unser!« Die Bekämpfung der Überhandnahme dieser Gesetzesauffassung und ausschließlichen Gottesdarstellungen geschah, wie schon erwähnt, von den Gesetzeslehrern am Ende des 1., im 2. und 3. Jahrh. n. Die Mischna wiederholt an mehreren Stellen: »Wer da spricht: Gott, über ein Vogelnest erstreckt sich deine Barmherzigkeit, und nur wegen des Guten wird dein Name gedacht, den heiße man schweigen«. Die Kürze dieses Satzes beweist dessen Alter, über welchen gewiss lange vor Abfassung der Mischna in den Lehrhäusern verhandelt wurde. Ein Lehrer des 3. Jahrh. n., R. Jose ben Abia sagt. »Wer zur Übersetzung der Gebote in 3. M. 22. 28. hinzufügt: >Mein Volk! So wie wir im Himmel barmherzig sind, sei auch du auf Erden<, tut Unrecht, denn man macht dadurch die Gesetze Gottes nur zu Werken der Barmherzigkeit.« R. Chanina (im 3. Jahrh.) spricht darüber in voller Entrüstung: »Wer da behauptet, Gottes Barmherzigkeit sei ohne Ziel, dessen Tage mögen gekürzt werden, weil Gott auch die Frevler bestraft!« Vor Rabbah, einem Lehrer im 4. Jahrh. n. trug ein Gelehrter folgendes Gebet vor: »Herr! Du schontest das Vogelnest, o schone und erbarme dich unser! Du hattest Mitleid mit dem Vieh, es nicht mit seinem Jungen an einem Tage schlachten zu lassen, o schone und erbarme dich unser! « Worauf ihm dieser entgegnete: »Wie fein verstehst du deinen Herrn zu überreden! « d. Über die Erzählungen aus der jüdischen Volksgeschichte. Auch darüber hat die Mischna: »Die Erzählung von dem Vergehen Rubens mit dem Kebs weibe seines Vaters« 1. M. 35. 22. und der zweite Bericht von der Anfertigung des goldenen Kalbes 2. M. 32. 21 — 25 und V. 35. dürfen öffentlich vorgelesen, aber nicht übersetzt werden; ebenso der erste Bericht von der »Anfertigung des goldenen Kalbes« 2. M. 32. 1 — 21 . Man sieht es diesen Bestimmungen an, dass hier nur ein Ausgleich zwischen den beiden Richtungen, den Hellenisten, die dergleichen aus der Bibel gar nicht veröffentlicht wissen wollten, und den Strengnationalen, die kein Jota aus der heiligen Schrift als Konzession an die öffentliche Meinung preisgaben und alles ohne Unterschied vorlesen und übersetzen ließen. Die ausdrückliche Erlaubnis der Abschnitte 1. M. 38. und 2. M. 32. 1 — 21 zur öffentlichen Vorlesung und Übersetzung setzt voraus, dass auch sie von vielen für die öffentliche Vorlesung und Übersetzung beanstandet wurden. Mehrere solche von den Hellenisten beanstandeten, aber von den anderen gut befundenen Erzählungen, rechnet die Tosephta auf, die von der Mischna teils übergangen, teils auch zu Gunsten der Ersten berücksichtigt wurden. Es sind 1. M. 19. 31. die Erzählung von Lot und seinen zwei Töchtern; 2. S. 16. 22. die des Absalom mit den Kebsweibern seines Vaters; Richter 19. die von dem Kebsweibe zu Gibea u. a. m. Solche Ausgleiche waren das Werk der Gesetzeslehrer des 1 . und 2. Jahrh. n. So wird ausdrücklich von R. Elieser (im z. Jahrh. n.) die Bestimmung genannt, dass der Abschnitt Ezechiel Kap. 16, von den Gräueln des jüdischen Volkes nicht vorgelesen und übersetzt werden soll. Er verwies streng einen Gelehrten, der sie dennoch vorzulesen gewagt hatte. Ebenso erzählt man von R. Chanina Sohn Gamliels II., er ließ in der Synagoge zu Akko nicht die Erzählung 1. M. 35. von dem Vergehen Rubens übersetzen und wurde deshalb von seinen Kollegen (den Weisen) gelobt. R. Simon ben Elasar (im z. Jahrh. n.) gibt die Ursache des Verbots der Übersetzung von 2. M. 32. 21. — 25. des zweiten Berichts des goldenen Kalbes an, weil die Worte: »Und ich warf es ins Feuer, da kam dieses Kalb heraus! « zu Verirrungen Anlass geben können. e. Über andere Schriftstellen, bei denen man Missdeutungen oder Profanierungen befürchtete. Es werden von diesen genannt: 1. M. 1. die Schöpfungsgeschichte; 4. M. 6.22. ff der Priestersegen; 3. M. 26. 14; 5. M. 28. 15. ff. die Fluchandrohungen; ferner alle Warnungen und Strafbestimmungen und endlich Ezechiel I. die Vision der Merkaba. Von diesen erlauben die Mischna und die Tosephta vorzulesen und zu übersetzen: die Schöpfungsgeschichte 1. M. 1; die Fluchandrohungen 3. M. 26. und 5. M. 28. und endlich die Strafandrohungen im Pentateuch. Dagegen verboten sie die Übersetzung des Priestersegens. Auch die Vorlesung aus Ezechiel 1. von der Merkaba sollte unterbleiben und wurde nur auf den ausdrücklichen Pro test des R. Juda (im z. Jahrh. n.) gestattet. Es bedarf keiner großen Forschungen, um den Grund dieser Bestimmungen zu erraten. Die Schöpfungsgeschichte und die Schilderung des göttlichen Thronwagens in Ezechiel 1., diese zwei Abschnitte waren von jeher den verschiedenartigsten und sonderbarsten Deutungen im Schoße des Judentums und außerhalb desselben ausgesetzt. Sie sollten die Theosophien der Juden von der Weltschöpfung und Weltregierung enthalten und lieferten den einen Winke zu den tiefsten Geheimnissen und den anderen die Mittel zu Angriffen auf das Judentum. Man gebrauchte daher die größte Vorsicht in der Erklärung derselben und überlieferte ihre Lehren nur den Eingeweihten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in der ersten Zeit die öffentliche Vorlesung und Übersetzung dieser Abschnitte beanstandet wurde, und die Gesetzeslehrer dieselben hierzu erst später freigaben, ein Verfahren, welches die Mischna Ezechiel 1., in Betreff der Merkaba, ausdrücklich erwähnt. Das Zweite, die Fluchandrohungen in 3. M. 26. und 5. M. 28. und die Warnungen vor Strafen waren ebenfalls Gegenstände, die von den Nichtjuden gern als Waffen gegen das Judentum gebraucht wurden. Die Judenfeinde in Alexandrien bewiesen daraus, dass die Juden durch das Gesetz unter dem Fluche stehen; eine Annahme, der wir auch in den Schriften des Christentums, zuerst in den Paulinischen, begegnen. Man wird daher bei den hellenistischen Juden die öffentliche Vorlesung und Übersetzung dieser Stellen gemieden haben. Wir brauchen nur die Reste der alten Übersetzungen dieser Stellen in der Septuaginta und in den Targumim anzusehen und wir werden unsere Vermutung begründet finden. Die Gesetzeslehrer, besonders des 1. und 2. Jahrh., teilten nicht diese Ängstlichkeit in Bezug auf diese Stellen; sie glaubten vielmehr, sie müssten, je mehr sie im Christentum durch Paulus missdeutet und als Prinzip des Gesetzes aufgestellt wurden, desto mehr als eine Demonstration gegen solche Annahmen in den Synagogen vorgelesen und übersetzt werden. Das Verbot der Übersetzung des Priestersegens hat die Befürchtung einer Profanierung desselben zu seinem Grunde. C. Sach- und Worterklärung. a. Die Sacherklärung. Obenan stellen wir hier die zwei im talmudischen Schrifttum oft wiederholten und vielfach zur Geltung gekommenen Grundsätze der Gesetzeslehrer. »Die Thora (heilige Schrift) redet nach der Sprache der Menschen «; »Keine Bibelstelle geht über ihren einfachen Wortsinn hinaus.« Der erste Ausspruch war von R. Ismael (im I. Jahrh. n.) gegen die Überhandnahme der Gesetzesdeutungen R. Akibas u. a.m., der auch von den anderen Gesetzeslehrern als Norm in ihrer Schriftforschung allmählich anerkannt wurde. Letzteren führen noch die Lehrer des 4. Jahrh. n.: Rab Kehana und Raba an. Eine dritte Grundregel ist die schon oben genannte, von R. Juda (im 2. Jahrh. n.) aufgestellte: »Wer einen Vers wörtlich (nach seiner äußeren Gestalt) übersetzt, der lügt, aber wer hinzufügt, der lästert.« Dieselbe bezieht sich zwar zunächst nur auf die Übersetzung der Schrift, aber sie gilt auch als exegetische Regel. Solche Grundregeln erschlossen den Gesetzeslehrern die heilige Schrift und lehrten sie auch die dunkelsten und zweideutigsten Stellen zu erklären. Wurden auch sie nicht immer und nicht von allen gleich beachtet, so galten sie doch im Allgemeinen als die Normen der Exegese, auf die man zu jeder Zeit zurückkam und über welche man sich nur in den seltensten Fällen hinwegzusetzen wagte. Eine Ausnahme hiervon war, wo es galt, der Tradition Andeutungen in der Schrift zu verschaffen. Doch auch darin waren sie sich der Abweichung bewusst, und sie sprachen es oft in den Sätzen aus: »Die Sprache der Schrift ist anders und die Sprache der Weisen anders«; »Die Worte der Thora lassen sich nicht von den Worten der Tradition wieder gewinnen.« Man sah, dass die Wege dieser Schriftforschung nicht mit dem einfachen Schriftsinn zu vereinbaren sind. Mit einem sichern Takt erkennen sie daher, was in eigentlichem oder in uneigentlichem Wortsinne in der Schrift zu nehmen sei. So sind die Ausdrücke in 5. M. 1. 28. »große und feste Städte bis in den Himmel«; 1. K. 1. »und die Erde spaltete sich von ihrem Geschrei« nichts als Übertreibungen. Ebenso sind im Gesetze die Worte: »Wenn er wieder aufsteht und auf der Straße auf seiner Krücke geht«; »wenn die Sonne auf ihn geschienen«; »und sie breiten das Betttuch aus«, nicht wörtlich zu nehmen. Auf gleiche Weise erklären sie sich gegen die sadducäische wörtliche Auffassung der gesetzlichen Bestimmung: »Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand«. Ebenso halten mehrere Lehrer die ganze Geschichte Hiobs und die Totenbelebungen in Ezechiel für Dichtungen. Ein bedeutendes Kapitel bildet diese Erklärungsweise der Schrift bei den Stellen, welche Gott in menschlichen Eigenschaften, in Anthropomorphien und Anthropopathismen, auftreten lassen. Sämtliche Stellen soll man, so wird fast übereinstimmend gelehrt, nur bildlich, in uneigentlichem Sinne auffassen. Die Gesetze darüber waren: »Groß ist die Kraft der Propheten, sie vergleichen das Geschöpf mit seinem Schöpfer«; »Die Thora spricht nach der Redeweise des Menschen.« b. Die Worterklärung. Dieselbe geschah nach Etymologien und Aufsuchung von Analogien in dem Sprachschatz der Bibel, des talmudischen Schrifttums und der fremden Sprachen. Wir bringen von denselben: 1. Die Erklärung durch Etymologien. Das Verfahren hierbei war bei den größeren viersilbigen Wörtern, dass man dieselben für eine Zusammensetzung aus mehreren Wörtern hielt, sie in ihre ursprünglichen Bestandteile zerlegte und die Bedeutung nach denselben angab. So erklärten sie das Wort Gräuel 5. M. 7. 26. gleich Verirrung durch sie, Verführung; Jesaja 49. 29. verödet, gleich getrennt, sich einsam von jemand halten; 1. M. 41. 43. gleich: junger Vater, junger Fürst; למרכ 3. M. 23. 14. gleich: frisch und voll; 5. M. 11. 14. Spätregen, gleich: Vollmacher der Ähren; למשח Ezechiel 1. 4. 27. gleich: feuersprühend; תויפלת Hoheslied 4. 4. gleich: Berghöhe (Jerusalem), der alle sich zuwenden; Amalek, gleich: getrunken das Blut Israels, Volksblut‑Trinker; םעבדי, gleich: Streitanstifter im Volke u. a. m. 2. Die Erklärung durch Analogien aus der Bibel. So bedeutet in Klagelied 1. 22. mit Beziehung auf Jeremia 6. 9. = vernichte sie; Hiob 39. 7. = Jesaja 22. 2. und Hiob 30. 15 = Lärm und Verwirrung oder Lärm und Aufregung; Jesaja 56. 10. םלא mit Hinweisung auf 1. M. 37. 7; 2. M. 4. 11. und Ps. 31. 19. an Sprache gebunden, gelähmt, sprachlos, stumm; Spr. Sal. 27. דחי von רדח »schärfen«, (die Futurform davon) wird schärfen; Ps. 65. 14. euphemistisch: »Die Widder bekleiden, belegen, die Schafe«; Haggai 2. 18. ינונ = הגות in Ps. 119. 28. einen Ausdruck des Kummers; 2. S. 24. 22. םיגירומ mit Angabe des ähnlichen גרומ in Jesaja 48. 15. eine mit Nägeln versehene Walze, also Nägelwalze. Interessant ist die Scheidung der Begriffe bei den Synonymen. So werden die acht hebräischen Benennungen für den Armen: 1. ינע; 2. ןויבא; 3. ןכסמ; 4. שר; 5. לד; 6. ךד; 7. ךמ; 8. ךלה in ihrer unterschiedlichen Bedeutung angegeben. Man nahm erstere nach dem gewöhnlichen Wortsinn: » arm «; die zweite nach ihrer Stammbedeutung, »gelüsten, wünschen« als den Armen, der seine Armut schwer empfindet; er gelüstet nach vielem; die dritte in der Bedeutung ihres Stammes: gebeugt sein, die den bezeichnet, der wegen der Armut Zurücksetzung erdulden muss; die vierte, »verarmt«, für den, der sein Vermögen verloren hat; die fünfte im Sine von »sinken, gesunken« für den, der seine Güter eingebüßt; die sechste in der Bedeutung von »zerknirscht sein« für den, der sich innerlich zermalmt fühlt; die siebente gedrückt für den, der sich als den gebeugtesten unter den Menschen hält. Ebenso unterscheidet man zwischen den Gottesnamen: הוהי und םיהלא, von denen ersterer Gott las barmherzig und letzterer ihn als strengen Richter bezeichnet. Die zwei synonymen Verben טבה und האר »sehen« unterscheiden sich dadurch, dass ersteres ein Schauen von oben nach unten bedeutet. In der Erklärung der zwei sinnverwandten Ausdrücke: 3. M. 30. 15. zeigen sie durch ein Beispiel ihre unterschiedliche Bedeutung, und zwar in Bezug auf ersteren, wenn jemand die Bitte seines Feindes ohne Weiteres zurückweist, auf letzteren, wenn derselbe die Bitte des Feindes erfüllt, aber sein Vergehen vorhält mit dem Schluss, dass er nicht Gleiches mit Gleichem vergelte. Von den zwei Verben: רמא und רבד »sprechen« soll ersteres die weiche, sanfte Rede, aber letzteres die harte und strenge bedeuten. 3. Erklärung durch Analogien aus fremden Sprachen: der syrischen, arabischen, koptischen, griechischen und lateinischen u. a. m., besonders der palästinensisch-jüdischen Volkssprache, worüber wir auf oben unter »Hilfsmittel« verweisen. D. Inhaltserläuterungen. Die Gesetze darüber helfen uns nächst den Inhaltserläuterungen der Schrift auch die aus ihr herzuleitenden Lehren und Bestimmungen für die Lebensbetätigung des Israeliten auffinden. Sie erstrecken sich auf die Erklärung des Fehlenden, der Verdoppelungen und Wiederholungen, die scheinbaren Widersprüche und andere schwere Stellen in der Schrift und geben die Schlussfolgerungen und Schriftandeutungen für Traditionen, Sagen, Philosopheme u. a. m. an. a. Das Fehlende. Beim Fehlen eines Wortes wurde dasselbe in Gedanken suppliert und die ganze Stelle als eine kurze Schreibweise des Verfassers aufgefasst. »Es ist der Weg der Kürze«, war die Norm darüber. So z. B. fehlt in 2. S. 13. 39. bei »Es scheute sich David auszuziehen« das Wort »die Seele«; 1. Chr. 17. 5. »Und ich zog von Zelt zu Zelt, von Wohnung« das Schlusswort »zu Wohnung«. b. Die Verdoppelung und Wiederholung. Bei Verdoppelungen der Wörter in einem Verse stellten sie den schon oben erwähnten Grundsatz auf: »Die Thora redet nach der Sprache der Menschen.« Es wird auf solche Verdoppelungen weiter kein Gewicht gelegt. So wird z.B. die Verdoppelung von »Gelübde geloben« 4. M. 6. 1. als eine gewöhnliche Redeweise gehalten. Doch galt diese Regel nur, wo, wie in angegebenem Beispiele die Infinitiv-form des Verbs vor dem Nomen steht, aber nicht, wo sie ihm folgt, oder mit einer anderen Form desselben Verbs verbunden wird. In diesen Fällen wird die Verdoppelung als eine nachdrucksvolle Rede betrachtet, welche die Beobachtung des Gesetzes in seiner geringfügigsten Weise einschärft. So soll die Verdoppelung in 4. M. 6. 1. »als Enthaltsamen sich zu enthalten« jeder Umschreibung des Nasirgelübdes mit andeuten; die Verdoppelung: »zurückführen, du sollst es zurückführen« 5. M. 22. 1. ausdrücken, dass man das aufgefundene, umherirrende Vieh seinem Besitzer mehrere Male zurückzubringen verpflichtet sei. Eine andere Regel machte sich in Bezug auf die Wiederholungen geltend. Die Wiederholung von Wörtern hielt man als eine Schreibweise des biblischen Stiles, wörtlich heißt es darüber: »Weil die Schrift dasselbe am Anfange des Satzes erwähnt, erwähnt sie es auch zuletzt.« Als Beispiel gaben sie 5. M. 22. 26. an: »Dem Mädchen sollst du nichts tun, an dem Mädchen haftet nicht die Sünde des Todes«, wo das Wort: »Mädchen«, zweimal vorkommt. Anders hielten sie die Wiederholung von ganzen Sätzen und Bestimmungen. Ihre Regel darüber war: »Jeder Satz oder jedes Gesetz, das die Schrift schon angegeben und nochmals wiederholt, ist nur wegen etwas Neuem wiederholt worden.« So wird in 4. M. 5. 14. der Satz: »und er ist gegen seine Frau eifersüchtig« zweimal angegeben, weil auch der Satz: »und sie wurde nicht verunreinigt« wiederholt wird. Wie die Wiederholungen von Gesetzen jedes Mal eine Erklärung und genauere Bestimmung derselben mit angeben, darüber hatten sie mehrere Regeln. Die erste war: »Allgemeines und Spezielles, d.h. wo das Allgemeine vorausgeht und das Spezielle ihm folgt, steht das Spezielle zur Erklärung des Allgemeinen.« So z. B. 3. M. 1. 2. »Wenn jemand von euch ein Opfer darbringt vom Vieh«, allgemein; »vom Rind und vom Schafe«, speziell. Ebenso in 1. M. 1. 27. »Gott schuf den Menschen in seinem Ebenbilde«, allgemein; 1. M. 2. 7. »Es bildete der Ewige, Gott den Menschen aus Staub von der Erde und blies in seine Nase einen lebendigen Odem«, speziell. In beiden Stellen wird das Spezielle als Erklärung des Allgemeinen aufgefasst. Die Zweite: »Folgt auf das Spezielle das Allgemeine, so wird das Spezielle durch das Allgemeine erweitert.« So in 2. M. 2.2. 9. »Wenn jemand seinem Nächsten in Verwahrung gibt einen Esel, einen Ochsen oder ein Schaf«, speziell, und irgendein Vieh«, allgemein. Ersteres wird durch letzteres auf jede Gattung des Viehes erweitert. Die Dritte: »Allgemeines, Spezielles und Allgemeines«, d. h. wenn auf das Allgemeine das Spezielle und wieder nach diesem das Allgemeine folgt, richte man sich nach dem Speziellen.« So z.B. 5. M. 14. 26. »Und gib das Geld hin für alles, was dir gefällt«, allgemein, »für Rind, Schaf, Wein und scharfes Getränk«, speziell, »und für alles, wonach deine Seele gelüstet«, wieder allgemein, es gibt also hier das Spezielle den Ausschlag, dass auch alles andre darunter zu verstehen sei, was dem Speziellen ähnlich ist. Die Vierte: »Das Allgemeine, das zu seiner Erklärung des Speziellen und das Spezielle, welches des Allgemeinen bedarf.« So z.B. 2. M. 13. 2. »Heilige mir alles Erstgeborne«, allgemein, »das den Mutterleib öffnet«, speziell: 5. M. 15. 19. »Das Männliche sollst du heiligen«, speziell. Hier ist das Allgemeine: »Erstgeborne« durch das Spezielle: »das Männliche« und: »das den Mutterleib öffnet« näher bezeichnet, das alles andre ausschließt. Die Fünfte: »Ein in dem Allgemeinen mitbegriffener Gegenstand«, der aus ihm getreten und speziell wiederholt wird, ist nur wegen seiner eigenen näheren Bestimmung aus dem Allgemeinen ausgetreten. So z. B. Josua 2. 1. »Gehet und sehet das Land«, allgemein, das alle Städte des Landes mit in sich fasst, »und Jericho«, speziell, also aus dem Allgemeinen getreten, um zu belehren, dass Jericho an Bedeutsamkeit dem ganzen Lande gleich kam. Die Sechste: »Ein in dem Allgemeinen mitbegriffener Gegenstand, der speziell extra angegeben wird, ist wegen Erklärung eines Anderen nochmals erwähnt worden.« So tritt z. B. in 4. M. 35. 51. »Und ihr dürfet kein Sühnegeld nehmen für die Person eines Mörders, der des Todes schuldig ist« das Spezielle aus dem Allgemeinen: 5. M. 34. 19. »so wie er getan, soll ihm geschehen« zu belehren, dass nur der Mord nicht durch Erlös gesühnt werden kann, aber wohl andere leibliche Beschädigungen als z. B. das Ausschlagen eines Zahns u. a. m. Die Siebente: »Ein in dem Allgemeinen mitbegriffener und aus ihm herausgetretener Gegenstand ist sowohl wegen seiner eigenen Aufklärung, als auch wegen der des Allgemeinen ausgetreten.« So heißt es 2. M. 35. 3. »Ihr sollt kein Feuer anzünden am Shabbath.« Hier ist ein spezielles Gesetz aus dem Allgemeinen 2. M. 20. 2. »Du sollst keinerlei Arbeit verrichten« herausgetreten, zur Belehrung für das Allgemeine und Spezielle, dass auf jede einzelne Arbeitsverrichtung dieselbe Strafe folgt. Die Achte: »Ein in dem Allgemeinen begriffener und wegen einer anderen Bestimmung aus ihm getretener Gegenstand, der sonst ihm gleicht, ist aus ihm getreten, um zu erleichtern, aber nicht zu erschweren.« So heißt es 3. M. 13. 18. »Und Fleisch, so in dessen Haut eine Entzündung entsteht«; ferner das V, 24. »und Fleisch, in dessen Haut eine von Feuer verbrannte Stelle ist« — ist unrein, beide Stellen sind aus dem allgemeinen Gesetz über Ausschläge ausgetreten, um anzudeuten, dass die bei den anderen Ausschlägen üblichen Bestimmungen nicht bei diesen zwei anzuwenden sind. Die Neunte: »Ein in dem Allgemeinen begriffener Gegenstand, der aus ihm wegen einer andern Bestimmung ausgetreten, aber ihm nicht gleicht, ist zu erleichtern und zu erschweren aus dem Allgemeinen herausgetreten.« So z. B. 3. M. 13. 29. »Mann oder Weib, bei dem ein Ausschlag entsteht am Kopf oder am Bart.« Auch hier ist das Spezielle »Kopf und Bart« aus dem Allgemeinen, dem Gesetz über Hautausschläge getreten, um einige der andern Bestimmungen der Hautausschläge auf sie zu beziehen und von andern zu befreien. Die Zehnte: »Ein im Allgemeinen begriffener Gegenstand kann nur durch die Schrift selbst wieder zum Allgemeinen zurückgeführt werden.« So heißt es 3. M. 14. 13. »Man schlachte das Schaf an der Stätte, wo man das Sühnopfer und das Ganzopfer schlachtet, an heiliger Stätte, denn so wie das Sühneopfer, gehört das Schuldopfer dem Priester, hochheilig ist es.« Hier ist das Spezielle: »denn wie das Sühnopfer gehört das Schuldopfer« aus dem Allgemeinen in 3. M. 1. 11. getreten, aber Vers 14. daselbst weist dasselbe wieder unter das Allgemeine. c. Die scheinbaren Widersprüche. In der Lösung von Widersprüchen in der Schrift unterscheiden sie die Stellen, die sich ganz zu widersprechen scheinen von denen, die es nur teilweise tun. Im ersten Falle hatten sie den Grundsatz: »Überall, wo du zwei Bibelstellen findest, von denen die eine ihre Worte und die der andern bestätigt, aber die andere die Worte der ersteren aufhebt, so bleibt letztere unbeachtet.« Als Beispiel dient 3. M. 6. 8.: »Opfere es (das Minchaopfer) vor dem Ewigen (d.i. vor dem Allerheiligsten), zur Vorderseite des Altars«; nun lag das Allerheiligste zur Abendseite und die Vorderseite des Altars mit dem Aufgange war zur Südseite. Bei diesem Widerspruche hat man den ersten Ausspruch: »vor dem Ewigen« zu berücksichtigen. Das Minchaopfer wird zur Abendseite, vor dem Allerheiligsten, dargebracht und zwar so, dass es von da zu einem Teile der Vorderseite des Altars gelangt, der nach einer Meinung in dem nordöstlichen Winkel der Vorhalle stand, so dass die Vorderseite desselben an der Mitte des Allerheiligsten endete. Über das Zweite war die Norm: »Bei zwei Versen, die sich widersprechen, kann nur durch einen dritten Vers der Widerspruch ausgeglichen werden.« So z.B. heißt es 2. M. 19. 20. »Und der Ewige stieg auf den Berg Sinai herab«; aber 2. M. 20. 19. lesen wir: »Ihr habt gesehen, dass ich vom Himmel mit euch geredet habe«, was ersterem widerspricht. Nun finden wir einen dritten Vers in 5. M. 4. 36. »Und vom Himmel hat er dich seine Stimme hören lassen.« Dieser ist es, der den Widerspruch löst, was durch Psalm 18. 10.: »Und er neigte den Himmel und kam herab, und Wetterwolke unter seinen Füßen«, bestätigt wird. Die Agada stellt zur Lösung solcher Stellen auf: »Da ist es vor dem Beschluss des Strafverhängnisses, aber dort nach demselben.« Da, wenn Israel den Willen Gottes vollzieht, aber dort so dies nicht geschieht. Mit diesen Normen werden die Widersprüche ausgeglichen zwischen den Stellen von 4. M. 6. 26. »Der Ewige wende dir sein Antlitz zu« und 5. M. 10. 18. »Der (Gott) kein Ansehen der Person achtet«; ferner Ps. 145. 18, »Der Ewige ist allen nahe, die ihn in Wahrheit anrufen« und Ps. 10. 1. »Ewiger, warum stehst du fern«; Klgld. 3. 38. »Aus dem Munde des Höchsten kommt weder das Böse, noch das Gute« und Daniel 9. 14. »Und der Ewige lauerte auf das Unglück«; Jeremia 4. 14. »Wasche von dem Bösen dein Herz, Jerusalem, damit dir geholfen werde« und Jeremia 2. 22. »Wenn du dich waschest mit Nathar, viel Borit häufest, dein Sündenfleck bleibt«; Jesaja 55. 7.. »Suchet den Ewigen, da er sich finden lässt« und Ezechiel 20. 2. »So wahr der Ewige lebt, ob ich mich zu euch finde« u. a. m. E. Stellenerklärung durch Analogien aus der Schrift. Das Aufsuchen von Analogien zur Erklärung von Stellen ist die interessanteste Seite der talmudischen Exegese, wodurch sie heute noch nicht ohne Bedeutung für die Schriftauslegung wird. Ihre Gesetze darüber, die dieses Verfahren erleichtern sollten, waren: 1. »Man erkläre das Dunkle durch das Deutliche«; 2. »Eine Sache, die an ihrer Stelle nicht erklärt ist, wird es an einer anderen«; 3. »Ein Gegenstand, der an einer Stelle ohne Inhalt und Zusammenhang dasteht, gehört zur Erklärung eines andern«; 4. »Eine Sache, auf die eine andere hinweist«; 5. »Eine Sache, welche zur Erklärung einer anderen da ist«; 6. »Das, was für diesen Gegenstand gesagt ist, gilt auch für den andern«; 7. »Das, was bei einem Teil erwähnt ist, gilt oft für das Ganze«; 8. »Ein Gegenstand kann durch einen andern ihm ähnlichen oder durch das am Schlusse auf ihn sich Beziehende erklärt werden«, u. a. m. Es sind dies größtenteils die Regeln, die von dem Gesetzeslehrer R. Jose, dem Galiläer im Anfange des 2. Jahrh. n. für die Agada, d. h. für den nichtgesetzlichen Teil des Pentateuchs aufgestellt sind, doch werden viele derselben auch zur Erklärung der Halacha, des Gesetzesteils der Schrift angewendet. Diese Regeln werden durch folgende Beispiele verdeutlicht: Ad 1. In 1. M. 2. 3. heißt es: »Und es pflanzte der Ewige, Gott, einen Garten in Eden. « Eine weitere Schilderung desselben ist aus einer andern Stelle: »In Eden, dem Garten Gottes, warst du, lauter edles Gestein war dein Baldachin«; ad 3. In 5. M. 33. 7. lesen wir: »Und dies dem Juda«, was übrig zu sein scheint, da es weiter heißt: »und er sprach: erhöre, Ewiger, die Stimme Judas«, es wird daher auf Simon bezogen. Ad 4. In Spr. Sal. 24. steht: »Eine Gabe im Geheim sühnt den Zorn, und Bestechung im Stillen den heftigsten Grimm«, hier wird das eine durch das andere erklärt. Ad 5. »Ein weiser Sohn — die Mahnung seines Vaters, aber der Spötter hört nicht auf Verweis.« Spr. Sal. 13. z. Hier in dem Nachsatze ist das Wort »hört« auf den Vordersatz zu beziehen: »Der weise Sohn hört die Mahnung seines Vaters.« Ad 6. Ps. 97. 11. heißt es: »Licht wird dem Gerechten ausgestrahlt, Freude denen, die redlichen Herzens sind«, diese Gaben haben wir nicht in ihrer Einteilung strikt, sondern nur beispielsweise zu nehmen, und beide haben wir auf jede der genannten Personen zu beziehen. Ad 7. Es heißt 2. M. 22. 30. »Und Fleisch des auf dem Felde Zerrissenen esset nicht.« Weiter: »Und Zerrissenes darf er nicht essen,« d. h. nicht grade Zerrissenes vom Felde, was auch auf ersteres zu beziehen ist. Ad. 8. Im Dekalog 2. M. 20. 13. ist das Verbot: »Du sollst nicht morden«, »Du sollst nicht ehebrechen«, »Du sollst nicht stehlen« — ohne weitere Angabe, da aber letzteres in Verbindung mit ersterem genannt ist, so sind die Bestimmungen des Gerichts für das eine wie für das andere. F. Schlussfolgerungen. Die Aufstellung von gewissen Schlussformeln, wie wir sie hier aufzuzählen haben, waren mehr zum Aufsuchen von Schriftbeweisen für alte Traditionen und zur Herleitung von Bestimmungen aus dem mosaischen Gesetz für neue Lebensverhältnisse, als zur eigentlichen Erklärung der Schrift. Ist dieses schon teilweise auch bei den oben angegebenen Interpretationsregeln der Fall, so gilt dieses von den Schlussfolgerungsgesetzen ganz besonders. Alte Bräuche und Bestimmungen, die das Herkommen alter Zeit herüberbrachte, wurden bei späterem Erwachen des gesetzlichen Bewusstseins oft in Frage gestellt und konnten nur durch Nachweise ihrer Begründung in der Schrift sich erhalten. Dringender noch war diese Art von Schriftforschung zur Entscheidung über neue in der Schrift nicht vorhergesehene Lebensfälle. Diese Schlussfolgerungsnormen zur Herleitung von Gesetzen aus der Schrift waren: a. Der Schluss von minus ad majus, von dem Minderwichtigen auf das Wichtigere. Dieses Schlussfolgerungsgesetz kommt schon in der Schrift vor, und war die liebste Waffe gegen die sadducäische wörtliche Gesetzesauslegung. So wird gegen die wörtliche Auffassung der Sadducäer von dem Gesetze: »Auge für Auge, Zahn für Zahn« auf das Gesetz in 2. M. 22. hingewiesen: »Der Besitzer des stößigen Ochsen ist des Todes schuldig; es wird ihm ein Lösegeld aufgelegt« und gefolgert: »Wenn dort die Todesstrafe, wo die Schrift ausdrücklich dieselben nennt, in Geldstrafe umgewandelt werden kann, umso mehr hier bei Beschädigung, wo von Todesstrafe gar nicht die Rede ist.« b. Der Schluss auf Gleichheit, die Ausgleichung durch Wort- und Begriffsanalogien. Mit der Anwendung desselben trat der Gesetzeslehrer Hillel I. gegen die Söhne Bathyras auf, die nicht zu wissen vorgaben, ob man am Rüsttage des Pessachfestes, der auf einen Shabbath fiel, das Pessachlamm darbringen dürfe. Hillel bejahte diese Frage auf Grund dieses Schlusses der Gleichheit. In 4. M. 28. 2. heißt es vom täglichen Opfer, »es darzubringen in seiner Zeit«, eine Bestimmung, die sich auch beim Pessachlamm findet: »Die Kinder Israels sollen das Pessachopfer machen in seiner Zeit.« (4. M. 9. 2.) Aus der Gleichheit dieser Bestimmungen schließt er, wie das tägliche Opfer am Shabbath dargebracht werden darf (nach 4. M. 28. 9.), ebenso das Pessachlamm. c. Der Schluss der Vergleichung. Derselbe gründet die Verwandtschaft zweier Gegenstände aus ihrer gleichen Nebeneinandernennung in einem Gesetz, so dass beide gemeinsame Bestimmungen haben. Als Beispiel nennen wir 5. M. 15. 13. »Wenn sich dir dein Bruder verkauft: der Hebräer oder die Hebräerin, so sollen sie dir sechs Jahr dienen« u. s. w. Aus dieser Nebeneinanderdarstellung beider wird geschlossen, dass sie beide gleichen Bestimmungen unterliegen, was für den einen gilt, ist auch für den andern. d. Der Schluss aus der Analogie zweier Gegebenen in einem Verse, oder in zwei Versen. Als Beispiel wird angegeben 3. M. 15. 4., wo zwei Gegenstände »Lager und Sitz«, wenn sie durch einen mit Samenfluss Behafteten verunreinigt werden, auch Menschen und Kleider durch Berührung verunreinigen. Hier sind die genannten zwei Gegenstände an sich verschieden, besitzen jedoch das Gemeinsame, dass sie zum Ausruhen für den Menschen dienen. Es wird darnach geschlossen, dass auch bei andern Gegenständen, die zum Ausruhen des Menschen vorhanden sind, dieselben Gesetze stattfinden. Diese drei Schlussarten sowie die oben bereits genannten andern, die das Gebiet der Halacha so fruchtbar anbauten, erlitten im Laufe der Zeit mehrere Modifikationen und Begrenzungen. Außer diesen haben wir noch die Folgerungsgesetze, die mehr der Agada als der Halacha angehören. Es sind keine eigentlichen Schlussfolgerungsgesetze, wie die obigen, sondern nur Folgerungen durch die Deutung gewisser Partikeln, die bald etwas mit einschließen, bald etwas ausschließen sollen. Dieselben sind: 1. Die Folgerung des Miteinschlusses, der Vermehrung. Hierher rechnete man die Partikeln תא, in der Bedeutung von »mit«; םג und ףא, auch לכ, alles. So soll der Partikel תא in den Stellen: »Den, תא, Ewigen deinen Gott sollst du ehrfürchten« auch den Gelehrten mit einschließen, den man ebenfalls zu ehrfürchten habe. »Im Anfange schuf Gott den, תא, Himmel und die, תא, Erde«, dass mit dem Himmel die obern Schöpfungen und mit der Erde die untern Schöpfungen im Keime mit erschaffen wurden. Ebenso deutet die Partikel auch םג in 2. M. 12. 32. »auch eure Schafe und auch eure Rinder nehmet und gehet«, dass sie auch Geschenke erhalten hatten; die Partikel ףא in 2. K. 2. 14. »auch er schlug auf das Wasser«, dass dem Elisa mehr Wunder geschahen, als dem Eliahu. 2. Die Folgerung des Ausschlusses, der Verminderung. Die Partikeln: »jedoch«, ךא, »nur«, קר und »von«, ןמ, deuten eine Verminderung an, die etwas ausschließen. So z. B. deutet die Partikel »jedoch« bei der Ankündigung des Versöhnungstages 3. M., dass der Versöhnungstag die Sünder, die nicht in Reue Gott wieder aufsuchen, von der Versöhnung ausschließt. Weiter gehören hierher die Folgerung aus zwei Vermehrungspartikeln in einer Stelle sowie die aus zwei Verminderungspartikel von denen erstere eine doppelte Vermehrung (Miteinschließung) und letztere eine doppelte Ausschließung ergibt. V. Geschichte. Die Anfänge der Schriftauslegung haben wir nicht, wie einige annehmen, in der Wiederbegründung des zweiten jüdischen Staates unter Esra, sondern schon Jahrhunderte früher zu suchen. Im 1., 2. und 4. Buch Moses wird bei der Angabe der Namen von Personen und Ortschaften ihre Erklärung mit angegeben. Ebenso fügt das 5. B. Moses der Wiedererzählung von Ereignissen, Wiederholungen der Gesetze, ganze Erläuterungen hinzu. Das 2., 3. und 4. B. Moses bringen verschiedene Fälle, wo Moses um Gesetzesauslegungen befragt wurde, und Aaron sich eine Gesetzesfolgerung erlaubte, die von Moses beifällig aufgenommen wurde. Die Lehren und Bestimmungen des Pentateuchs, so sehr sie auch für ferne Zeiten und andere Örtlichkeiten und Verhältnisse abgefasst sind, konnten zum großen Teil nur in allgemeinen Normen aufgestellt werden, die bei den speziellen Fällen ihrer Anwendbarkeit erst der Deutung unterlagen. Das Gesetz hat diesem vorgesehen und bestimmt ausdrücklich seine künftigen Ausleger: den Richter, die Leviten, die Propheten und die Priester. Nächst diesen macht es jedem Israeliten zur Pflicht, in der Schrift zu forschen, sie den Kindern einzuschärfen und von ihr bei jeder Gelegenheit zu sprechen, so dass jedes Familienhaupt gleichsam zum Träger und Ausleger des Gesetzes gemacht wird. Erstere sollten die Oberbehörde bilden, die über streitige Gesetzesauslegungen zu entscheiden hatten. Stellen wir die im Pentateuch angegebenen Schriftauslegungen zusammen, so haben wir neben etymologischer Worterklärung der Orts- und Personennamen auch ausführliche Sacherklärung und Gesetzesherleitungen, die drei Gestalten, welche die Grundformen der späteren Exegese ausmachen. Wie im 5. B. Moses die Gesetze, Lehren und Erzählungen aus dem früheren 4. B. Moses ihre Erklärung erhalten, so findet der ganze Pentateuch in seinen Hauptstücken seine weitere Auslegung in dem andern biblischen Schrifttum. In Josua 1. 7. 8; 8. 31. 34; 23. 6; 24. 26 haben wir schon Auslegungen des Gesetzes. Nach Vorschrift geschieht die Vereidigung Israels auf das Gesetz zwischen Ebal und Gerisim, die Verteilung des eroberten Landes, die Bestimmung der Asylstätte, die Entlassung der 2 1/2 Stämme u. a. m. Aus dem Buche der Richter gehören hierher die Rede des Engels zu Bochim, Jephtas Kriegserklärung gegen die Ammoniter, die Anweisung zur Erziehung Simsons, die Leviraths- und Erbrechtsbestimmung im Buche Ruth u. a. m. Aus dem Buche Samuel nennen wir die Auffassung des Opferkultus nicht als Werkheiligkeit, wo der Gehorsam gegen Gottesgebot über das Opfer gestellt wird. Die andern Propheten Jesaja, Hosea u. a. sowie einige Psalmisten führen in ihren Reden die ihm Buche Samuel dargestellte Opferidee viel ausführlicher aus. Der Prophet Jeremias spricht über die Verinnerlichung des Gesetzes, und im Buche Ezechiel überrascht uns die Ausführung von der Nichtverantwortlichkeit der Eltern für die Sünden der Kinder und umgekehrt; von der Bestrafung des Gerechten, der zuletzt ein Frevler geworden sowie von der Befreiung des Frevlers von den Strafen, wenn er sich gebessert und ein Gerechter geworden u. a. m. Am häufigsten treffen wir solche Auslegung in den Psalmen als z. B. über Sünde, Versöhnung, Abfall, Vergeltung, Gottesglauben, Gott-schauen, Gebet, Opfer und Gesetzesbeobachtung überhaupt u. a. m. Bei einem Rückblick auf diese Schriftauslegung sehen wir neben den drei Grundformen auch das Charakteristische derselben: den Weiterausbau der religiösen Idee, die Entwicklung des Gesetzes nach Zeit, Ort und Verhältnissen. Es ist möglich, dass man schon damals Aufzeichnungen der Auslegungen besaß, wenigstens nennt 2. Chr. 13. 22. einen Midrasch des Propheten Ido mit den Lebensereignissen des Königs Abia. Doch beginnt die eigentliche Zeit der Exegese erst nach der Wiederbegründung des zweiten Staatslebens, wo man nach dem Erlöschen des Prophetenwortes nur auf das überkommene Schrifttum angewiesen war. Aus ihm holte man sich Rat und Auskunft über die verschiedenen Verhältnisse im Leben des jüdischen Volkes. Esra war in dieser Zeit der Erste, der die Verbreitung der Kenntnisse des heiligen Schrifttums als Hauptbedingung zur inneren moralischen Erstarkung des jungen Staats aufstellte. Er selbst las und erklärte das Gesetz dem Volke. So lesen wir Nehemia 8. 8. »Man las im Buche der Gotteslehre erklärt und mit Verständnis.« In Vers 9 werden die Männer genannt, die dem Volke das Gesetz verständlich machten. Schon war die hebräische Sprache beim größten Teile des Volkes aus dem Leben geschwunden. Wir hören darüber die Klage Nehemias: »Und die Hälfte von ihren Kindern spricht Asdodisch, sie verstehen nicht jüdisch zu reden.« Hierzu kam, dass die aus den babylonischen Ländern Zurückgekehrten andere Sitten und Anschauungen mitbrachten, die das Verständnis der heiligen Schriften erschwerten. So entwickelte sich die Exegese in zwei Richtungen: 1. zur Volksbelehrung, das Volk mit seinem heiligen Schrifttume vertraut zu machen; z. zur Regelung der Lebensverhältnisse in allen ihren Gestalten. Mit ersterer war die religiöse Erbauung, die religiös sittliche Bildung des Volkes mitverbunden, aus der später die Agada hervorging. Letztere hatte den Ausbau des Gesetzes zum Ziele und eröffnete das Gebiet der Halacha. Die Eigenart der Exegese dieser Epoche, wie sie die der biblischen überragt, war die Volksbelehrung und Volksbildung, wodurch das vermisste lebendige Prophetenwort teilweise ersetzt wurde. Die besten Kräfte warfen sich jetzt auf die Erforschung und Erklärung des heiligen Schrifttums. Die biblische Mahnung: »Und rede davon (von dem Gesetze), wenn du sitzest in deinem Hause, gehest auf dem Wege, dich niederlegst und aufstehst«; »Sinne darin Tag und Nacht«, war zum allgemeinen Losungswort geworden. Das mosaische Gesetz war nun wieder die Staatsverfassung, aus dem man sich Auskunft über jede gesetzliche Angelegenheit holen sollte. Aber wie war dies möglich, da in ihm nicht für die vielen neuen Lebensverhältnisse vorgesehen sein konnte? Es entstand eine Schriftforschung, wo jedes Wort, jede Sprachwendung usw. gedeutet wurde, besonders boten die Wiederholungen, die doppelten Ausdrücke, Analogien aus gleichen Gesetzesbestimmungen Anhaltspunkte zur Herleitung neuer Gesetze. Es war dies die erste Epoche der eigentlichen Exegese, welche sich als die Exegese der Sopherim »Midrasch schel Sopherim« kennzeichnet. Die Schrift wird gesammelt, ihr Text gereinigt und allmählich zum Abschluss gebracht. Sie soll über die verschiedenen neuen Lebensverhältnisse Aufschluss geben und aus ihr werden die festen Normen fürs Leben hergeleitet. Solche Herleitungen bilden einen großen Bestandteil der Satzungen der Halacha; es tragen von ihnen nur wenige das Epitheton »sopherisch«, weil sie nicht als von der Schrift verschieden erscheinen. Ihre Zeit beginnt von Esra, als dem ersten Sopher über die ganze Dauer der großen Synode. Nach Auflösung der großen Synode unter der Syrerherrschaft trat eine zweite Epoche für die Exegese ein. Die Männer, die nun ihr Werk in Händen hatten, sind uns unter dem Namen »Sekenim«, die Alten, auch die Alten der Vorzeit bekannt; es waren die Mitglieder des Synhedrions unter der Syrerherrschaft bis tief in die Makkabäerzeit hinein und ihre Anordnungen sind unter dem Namen »Gebot der Alten« bekannt. Es tritt ein neues Moment in den Vordergrund. Die Griechenherrschaft in Palästina, unter welcher der alter Senat, die große Synode, aufgelöst und ein anderer unter griechischem Namen und nach griechischem Muster, das Synhedrion konstituiert, griechische Sprache allmählich eingeführt wurden, rief eine Nationalpartei zum Schutz des Alten und Hergebrachten hervor. Sie ist in der makkabäischen Erhebung unter dem Namen: »Nasiräer« oder »Fromme« Assidäer, Chassidim bekannt. Ihr gegenüber bildete sich eine andere, »die Gerechten«, an deren Spitze der Hohepriester Simon der Gerechte stand, welche der übertriebenen Enthaltsamkeit und Frömmigkeit abhold war und nur die Gesetzesgerechtigkeit, die Gesetzesübung, so weit sie den Israeliten verpflichtet, anerkannte. Die endliche völlige Einführung des griechischen Heidentums in Verbindung mit der ihr folgenden Verfolgung des Judentums unter Antiochus Epiphanes zwang beide Parteien zu einer Vereinigung. An die Stelle der Zaddikim, der Gerechten (des Simon, des Gerechten) treten jetzt die Chassidäer an die Spitze des Synhedrions. Antigonos aus Socho war der Erste, der die chassidäische Richtung mit Nachdruck vertrat. Sein Lehrspruch: »Sei nicht wie die Knechte, die ihren Herren um des Lohnes wegen dienen; es sei die Ehrfurcht Gottes auf euch« ist chassidäisch. Ihm folgten die zwei Synhedrialhäupter Jose ben Joeser aus Zereda und Jose ben Jochanan aus Jerusalem, ebenfalls Chassidäer; aber dass ersterer sich das Studium, den Erwerb und die Ausbreitung der Gesetzeskenntnisse anstatt der strengen Tat zur Aufgabe machte und in den gesetzlichen Bestimmungen » Jose der Er-leichterer« genannt wurde (s. Jose ben Joeser) zeigt, dass wir es hier mit einer neuen Richtung der Chassidäer zu tun haben. Es ist die, welche aus der Vereinigung der Chassidäer und Zaddikim hervorgegangen, die sich von manchen alten chassidäischen Erschwerungen lossagte. So berichten uns die Bücher der Makkabäer, dass die Chassidäer erst nicht am Shabbath kämpfen wollten und in Folge der Gegenvorstellung der Makkabäer von ihrem Vorhaben abgingen. Es ist natürlich, da dieser Kompromiss der Partei der Chassidäer die Lossagung von vielen ihrer Satzungen und der andern Partei der Gesetzes-gerechten die Anerkennung verschiedener chassidäischen Bestimmungen auferlegte, dass es auf beiden Seiten viele Unzufriedene gab, die der Vereinigung nicht beitraten. Aus diesen Unzufriedenen gingen später hervor, von den ersteren die Sadducäer und den letzteren die Essäer, von denen nur jene auf dem Schauplatz des öffentlichen Lebens ausharrten und unermüdlich gegen die neuen Lehren, Gesetze und Einrichtungen protestierten, aber diese, die Essäer, in tiefer Resignation sich zurückzogen, in ihrer Einsamkeit ihren alten chassidäischen Satzungen treu blieben und sie weiter ausbildeten. Die Sekenim, als die Synedrialmitglieder unter der Syrerherrschaft und der makkabäischen Zeit, zu denen die bedeutenden Lehrer Antigonos aus Socho, Jose ben Joeser und Jose ben Jochanan, Josua ben Parachia und Nithai aus Arbel Juda ben Tabai und Simon ben Schetach gehörten, hatten die große Aufgabe, im Geiste dieser neuen Richtung und im Gegensatze zu den Sadducäern und Essäern die Auslegung und den Ausbau des Gesetzes fortzusetzen. Sie hatten neben der direkten Herleitung der Gesetze aus der Schrift, dem Midrasch der Sopherim, auch die aus den nun überkommenen Traditionen hervorgehenden Normen zu bestimmen und fürs Leben zu entwickeln. Der Nachweis der Richtigkeit dieser Traditionsgesetze durch Schriftbegründungen bildete einen großen Teil der exegetischen Tätigkeit der dritten Periode. Hervorgerufen wurde dieselbe durch die fortwährenden Proteste der Sadducäer gegen die Rechtsgültigkeit dieser neuen Bestimmungen, die nun als ein zweites tradiertes Gesetz neben dem schriftlichen anerkannt werden sollten. Diese dritte Periode umfasst die ganze Zeit der Tanaim, Gesetzeslehrer, deren Tätigkeit bei Fortsetzung der sopherischen und sekenischen Schriftforschung hauptsächlich die Apologetik der Tradition und die Polemik gegen die sadducäischen Satzungen war. Man griff zur Bibel, um aus ihr bald neue Gesetze herzuleiten, bald aber auch für die tradierte Halacha Begründungen oder Andeutungen aufzusuchen. Die erhaltenen Sammelwerke: Mechilta, Sifra, Sifri, Tosephta und die Mischna haben uns die Reste dieser Tanaimtätigkeit aufbewahrt. Anhaltspunkte dieser Exegese waren: a. die Wiederholung eines Gebotes oder Verbotes; b. der verallgemeinernde Ausdruck: »jedes, irgend etwas, alles« als z. B. 2. M. 12. 20. »Alles Gesäuerte, sollt ihr nicht essen«; c. die tautologische Wortwiederholung als z. B. 4. M. 19. 2. »unrein ist es, noch ist seine Unreinheit an ihm«; d. Überflüssige Gesetzesbestimmungen als z. B. 5. M. 19. 15., wo dasselbe aus dem Vorhergehenden selbstverständlich wäre; e. Widersprüche der Stellen eines und desselben Gesetzes, als 2. M. 15. »Sieben Tage sollst du Mazzoth essen« und 5. M. 6. 8. »Sechs Tage sollst du Mazzoth essen« u. a. m.; f. die Wortbedeutung als z. B. 4. M. 31., wo das Wort םלענו es ist verborgen in V. 13. andeutet, dass der Akt des Trinkens des Verfluchungswassers bei der wegen Unzucht verdächtigten Frau nicht stattfindet, wenn er von der Unzucht seiner Frau wusste und stillschweigend sie gut hieß. g. die Deutung der Partikel תא im Sinne von »mit«, םג, ףא, »auch« als etwas einschließend und der קר, »nur« und ךא, »jedoch« als etwas ausschließend. Für ein tieferes Eindringen in die Schrift, um aus ihr neue Gesetze herzuleiten und für alte Traditionen Andeutungen oder Begründungen aufzufinden, hatte man in der ersten Zeit die exegetischen Gesetze, die als die sieben Regeln des Lehrers Hillel bekannt sind. Zu denselben gehören: 1. der Schluss vom Minderwichtigen auf das Wichtigere; 2. der Schluss aus der Begriff- und Wortanalogie; 3. der Schluss aus der Analogie zweier Gegebenen in einem Verse; 4. der Schluss aus der Analogie von zwei Gegebenen in zwei Versen; 5. der Schluss aus dem Allgemeinen und dem Speziellen sowie aus dem Speziellen und Allgemeinen eines Gesetzes; 6. der Schluss nach der Analogie des Gesetzes in einer anderen Stelle, und endlich 7. der Schluss aus dem Zusammenhange. Über das Alter dieser Schlüsse und den Gebrauch derselben wissen wir soviel, dass der Erste, der Schluss von Minus ad majus sich in 10 Stellen der Schrift vorfindet, und der zweite von Hillel, also schon 100 Jahre vor der Zerstörung des Tempels angewendet wurde. Sicher ist, dass sie einzeln von den Gesetzeslehrern aufgestellt wurden und allmählich in Gebrauch kamen, aber später ihre Zusammenstellung erhielten. Eine Erweiterung dieser exegetischen Regeln fand im 1. Jahrh. n. statt, wo R. Ismael eine neue Aufstellung von dreizehn Regeln zugeschrieben werden. Die fünfte der Hillelschen über den Schluss von dem Allgemeinen und Speziellen, wird in sechs zerlegt und eine neue hinzugefügt. So entstanden: a. der Schluss von dem Allgemeinen, Speziellen und Allgemeinen; b. der Schluss von dem Allgemeinen, das des Speziellen bedarf und der von dem Speziellen, das des Allgemeinen bedarf; c. der Schluss von dem Gegenstande, der in einem allgemeinen Gesetze mit-begriffen war, aber aus ihm herausgetreten, um nicht nur sich selbst, sondern auch das Allgemeine zu erläutern; d. der Schluss von einem Gegenstande, der in einem allgemeinen Gesetze mit-begriffen war, aber aus ihm wegen einer andern Bestimmung herausgetreten und ihm sonst an Inhalt gleicht, ist zu erleichtern, aber nicht zu erschweren; e. der Schluss von einem Gegenstande, der in einem allgemeinen Gesetz mitbegriffen war, aber aus ihm wegen einer andern Bestimmung herausgetreten und ihm nicht inhaltlich gleicht, ist zu erleichtern und zu erschweren; f. der Schluss von einem Gegenstande, der in einem allgemeinen Gesetze mitbegriffen war, aber aus ihm wegen einer neuen Bestimmungen herausgetreten ist, kann nur durch einen ausdrücklichen Schriftvers wieder dem Allgemeinen untergeordnet werden; g. die Norm, dass zwei sich widersprechende Stellen nur durch eine dritte ihre Ausgleichung erhalten können. Erläuternde Beispiele zu diesen Regeln haben wir oben in Teil V. dieses Artikels, wo dieselben nach einer anderen, mehr sachlichen Ordnung angegeben sind. Dieser zweiten Aufstellung von Regeln folgte später eine dritte größere, angeblich von R. Elieser, Sohn des R. Jose Haglili (im 2. Jahrh. n.), welche 32. Regeln zählt. Dieselben sind den Regeln der halachischen Exegese nachgebildet, mehr für das Gebiet der Agada. Wir bringen sie nach ihrer Reihenfolge, aber auch ohne die sie erläuternden Beispiele, die wir schon in Teil V. dieses Artikels angegeben haben und hier nicht wiederholen wollen. Sie sind: 1. die über Einschließung und Vermehrung, welche die Partikel תא (im Sinne von »mit«), םג, und ףא »auch« im Schriftverse andeuten; 2. die über Ausschließung und Verminderung, die durch die Partikel: ךא, jedoch קר »nur« und ןמ »von« angegeben wird; 3. die über die Verdoppelung obiger Vermehrungspartikel in einem Verse, die eine doppelte Vermehrung der Gegenstände ergeben; 4. die über eine Verdoppelung obiger Verminderungspartikel, die eine doppelte Ausschließung andeuten; 5. die in der Schrift genannte Schlussfolgerung von dem Minderwichtigen auf das Wichtigere; 6. die angedeutete Schlussfolgerung von dem Minderwichtigen auf das Wichtigere; 7. die Schlussfolgerung von der Gleichheit der Ausdrücke in ähnlichen Gesetzen; 8. die Schlussfolgerung aus zwei Gegebenen in einer Stelle; 9. die von der Kürze des Ausdrucks; 10. die von der Änderung der Wörter und des Inhaltes; 11. die von der Trennung der zueinander gehörenden Wörter; 12. die von einem Ausdruck, der zur Erklärung eines anderen da ist, aber selbst erklärt werden muss; 13. die von dem Allgemeinen eines Satzes, dem die spezielle Handlung folgt, dass letztere das Spezielle des ersteren ist (Vergl. 1. M. 27. mit 1. M. 2. 21.); 14. die von dem Wichtigen, das durch ein Minderwichtiges erklärt wird; 15. die von dem Widerspruch zweier Verse, der nur durch einen an Inhalt ähnlichen dritten Vers ausgeglichen werden kann; 16. die von dem Gegenstande, der mit Nachruck genannt wird; 17. die von einem Gegenstande, der 'nicht an seiner Stelle, sondern anderwärts erklärt wird; 18. die von einem Gegenstande, dessen Erklärung nur von einem Teil desselben angegeben ist, aber doch auf ihn ganz bezogen werden soll; 19. die von einem Gegenstande, dessen gegebene Erklärung sich auch auf andere beziehen lässt; 20. die von der gegebenen Erklärung einer Sache, die nicht auf sie, sondern auf eine andere bezogen werden soll; 21. die von einer Sache, die mit zwei Gegenständen verglichen wird, dass ihr die Eigenschaften des Vorzüglichen beizulegen ist (Vergl. Ps. 92. 13.); 22. die von dem Gegenstande, auf den ein anderer hinweist; 23. die von dem Gegenstand, der auf einen anderen hindeutet (vergl. Jos. 12. 1.); 24. die von dem Heraustreten eines Gegenstandes aus dem Allgemeinen zu seiner eigenen Näherbestimmung; 25. die von dem Heraustreten eines Gegenstandes aus dem Allgemeinen zur Erklärung eines anderen; 26. das Gleichnis und die biblische Redeweise, Maschal, als z. B. Richter 9. 8. Als bildliche Redeweisen werden im Pentateuch bezeichnet: 5. M. 22. 17; 2. M. 21. 19; 2. M. 2.2. 2. ; 27. von der Erklärung durch das Vorhergehende; 28. von der Erklärung durch das Gegenüberstehende; 29. von der Erklärung durch die Zahlenangabe der Buchstaben, Gematria (Geometrie); 3o. von der Erklärung durch Zerlegung des Wortes in mehrere, notarikon, wo jeder Buchstabe ein Wort andeuten soll; 31. von dem Früheren des Inhalts, das später gesetzt ist. 32. von früheren Abschnitten, die später gesetzt sind. Außer diesen Hauptregeln waren noch andere Grundsätze der Exegese im Gebrauche, die wir sämtlich schon in Teil V. dieses Artikels gebracht haben. Wir tragen hier nur noch einiges über die geschichtliche Gestaltung derselben nach. Die Anfänge dieser Regeln verlieren sich in die Vorzeit des Talmuds, beginnen mit der Tätigkeit der Gesetzeslehrer und waren einzeln bei Eröffnung der durch Esra angeregten Schrifterklärung schon da. So findet sich, wie R. Ismael richtig nachweist, der Schluss von dem Min- derwichtigen auf das Wichtigere schon in der Schrift an zehn Stellen. Auf gleiche Weise wird der Schluss von der Gleichheit des Ausdrucks und des Begriffs der Gesetzes als eine Urtradition gekannt. Von den Alten der Vorzeit, den Mitgliedern des unter der Syrerherrschaft konstituierten Synhedrions bis tief in die Makkabäerzeit, weiß man, dass sie sich zur Herleitung von Gesetzen der Deutung der Partikeln des Mehreinschlusses bedienten. Am ausführlichsten sind die Berichte über die Aufstellung und den Gebrauch der exegetischen Regeln von Seiten Hillels (100 vor der Zerst. d. T.). Den ganzen Tag, heißt es, hielt er Vorträge und wendete den Schluss von der Gleichheit der Ausdrücke und der Begriffe an, aber die Sache war so neu, dass er sich zur Anerkennung seiner dadurch hergeleiteten Gesetze auf eine Tradition von seinen Vorgängern Semaja und Abtaljon berufen musste. Auf gleiche Weise wird von ihm die Deutung der Partikel »oder«, וא zur Herleitung von Gesetzen gebraucht. Auch sein Schüler R. Jochanan ben Sakai gebrauchte oft den Schluss von dem Minderwichtigen auf das Wichtigere. Dagegen berichte man von seinem Zeitgenossen: Sacharia ben Hakazob und Nahum aus Gimso, dass sie die Partikel deuteten; ersterer die Partikel ו »und«, und letzterer die Partikel תא im Sinne von »mit«. Ein Dritter, R. Nehunja ben Hakana wendete in seinen Lehren die Schlüsse von dem Allgemeinen und Speziellen (siehe oben) an. So stand es in der ersten Zeit nach der Auflösung des Staates. Als Gegner solcher Hilfsmittel und Herleitungen werden hier, wie oben die Sadducäer, der Lehrer Samai und dessen Jünger, die Samaiten genannt, welche die Schrift nur nach ihrem Wortsinne gedeutet wissen wollten. Eine neue, viel bewegtere Zeit war die folgende unter dem Patriarchat R. Gamliel II. Die zwei genannten Auslegungsweisen, durch Schlüsse und Deutung der Partikeln und der doppelten Ausdrücke, bildeten den fortwährenden Streit zwischen den Hauptträgern dieser Zeit: zwischen R. Ismael und R. Akiba, von denen erstere nur die Schlüsse und letzterer die Deutung der Partikeln und der doppelten Ausdrücke zur Gesetzesherleitung gelten ließ. R. Akiba gründete seine Lehren auf die Deutung der Partikeln: jedes, לכ, auch, ףא, םג; mit תא; oder וא, von ןימ; jedoch ךא; nur קר, da rief ihm R. Ismael zu: »Du kommst mir mit deinen Gesetzesherleitungen so vor, als wenn du der Schrift zuriefest: >Schweige, ich werde es schon erforschen!<« Ein anderes Mal befahl er seinen Schülern: »Gehet und saget Akiba, er irrt sich! « Am ärgerlichsten war ihm dessen Deutung der Partikel תא im Sinne von »mit«, gegen die er ihm das תא im 1. Vers des Pentateuchs: »Im Anfange schuf Gott, die Himmel« nach seiner Deutung: »mit Himmel« entgegenhielt: »Wie wirst du hier das >mit<, תא, deuten? « Er stellte daher gegen diese Deutungsweise R. Akibas den Grundsatz auf: »Die Thora redet nur nach der Sprechweise der Menschen«, oder: »Die Schrift redet nur wie es gewöhnlich ist«, Aussprüche, die auch bei den anderen Lehrern: R. Elieser, R. Jose, R. Simon, R. Juda, R. Mair, R. Jonathan, u. a. m. sogar zuletzt auch bei R. Akiba, bei dem Manne, gegen den dieselben gerichtet waren, zur Geltung kamen. Dieses energische Auftreten R. Ismaels weckte bald auch die Opposition der anderen Lehrer dieser Zeit gegen die Überhand-nahmen von Akibas Deutungen. So entgegnete ihm R. Jose Haglili: »Und wenn du den ganzen Tag deutest und deutest, ich höre nicht auf Dich!« Du kannst durch deine Deutung dem Schriftworte nichts hinzufügen oder abnehmen! « und R. Tarphon rief erbittert gegen ihn: »Ich kann es nicht länger ertragen, Akiba, wie lange willst du willkürlich Dinge zusammenstoppeln!« Zur Herleitung von Gesetzen wendete er die schon oben erwähnten Schlussfolgerungen an; er gebrauchte: 1. den Schluss von dem Allgemeinen und Speziellen; 2. den Schluss von dem Minderwichtigen auf das Wichtigere; 3. den Schluss von der Gleichheit der Ausdrücke; 4. den Schluss von dem, was im Allgemeinen begriffen war, aber speziell wieder angegeben wurde, um etwas Neues anzudeuten; 5. den Schluss von zwei sich widersprechenden Bibelstellen, u. a. m. Aber auch von diesen wollte er nur den Gebrauch höchst vorsichtig und bedingungsweise wissen. So hält er das durch den Schluss von minus ad majus hergeleitete Gesetz nicht so rechtskräftig, um darnach Strafen zu bestimmen; ferner darf von dem durch den Schluss der Vergleichung hergeleiteten Gesetz kein anderes wieder hergeleitet werden, u. a. m. Eine spätere Zeit hat hierzu noch zugefügt: »Man folgere nicht von dem Schluss der Gleichheit, wenn man ihn nicht zur Anwendung an betreffender Stelle von seinem Lehrer tradiert erhalten; das von dem Schluss minus ad majus Gefolgerte darf das Maß des minus nicht überschreiten, u. a. m. « Doch gab es auch Lehrer, die der Deutungsweise Akibas anhingen. So R. Elieser, u. a. m. Es blieben die Mahnungen der Gegner bei R. Akiba nicht ganz erfolglos, er lernte von ihnen und mahnte die Anhänger seiner Deutungsweise vor Ausschreitungen. »Du hast dich tief in das mächtige Gewässer herabgesenkt und siehe, nur einen Scherben sehe ich in deiner Hand! « rief er einem seiner Jünger zu. Bei den Lehrern einer Generation später, im 2. Jahrh. n. wechselte dieses Verhältnis. Die Schüler R. Ismaels werden die Anhänger der Deutungsweise R. Akibas und die des R. Akiba bekennen sich zu der Exegese des R. Ismael. R. Simon, der Schüler R. Akibas, verwirft die Auslegungsweise seines Lehrers, erklärt sich gegen die Deutung der Partikel תא (im Sinne von »mit«), nimmt die Exegese von R. Ismael mit dem Gebrauch der Schlussfolgerung an und sucht den Grund des Gesetzes auf. Auch seine Schüler R. Mair und R. Juda sind gegen die Deutung ihres Lehrers R. Akiba von der Aufeinanderfolge der Abschnitte zur Herleitung gewisser Bestimmungen. Andererseits waren es auch wieder die Schüler R. Ismaels, welche die Deutungsweise des Gegners ihres Lehrers, des R. Akiba annahmen. So gebrauchten R. Jonathan und R. Joschia die Deutung der Partikeln, wie sie eine gesetzliche Bestimmung bald ausschließen, bald miteinschließen. Im Allgemeinen wissen wir, dass sie gern die Partikel »oder« וא, zur Herleitung gewisser Gesetze gebrauchten. Doch gab es welche, die ganz im Sinne ihres Lehrers aussprachen: »Die Halacha soll nur nach der Schrift ihre geltende Erklärung haben«, also der Schrift unterworfen werden. Von den Schlussfolgerungen ließen sie den Schluss von der Gleichheit zu, wenn die Gleichheit sich auch auf den Inhalt, den Begriff, erstreckte. Dagegen erweiterten sie die Schlussfolgerung von dem Allgemeinen, Speziellen und Allgemeinen (siehe oben) dahin, dass sie auch da angewendet werden können, wo die zwei Allgemeinen nicht gleich sind. Von den anderen Lehrern heben wir noch die Auslegungsweise des R. Elieser ben Hyrkanos hervor, der als Gegner jeder exegetischen Regel den Schriftvers nach seinem einfachen Wortsinne aufgefasst wissen wollte. In Bezug auf die übrigen exegetischen Regeln nennen wir erst das Notarikon, die Erklärung des Wortes durch dessen Zerlegung in mehrere Wörter (siehe oben), das von den bedeutendsten Lehrern als z. B. von R. Gamliel II., R. Elieser ben Hyrkanos, R. Elieser ben Asaria, R. Josua, R. Akiba, R. Ismael und seinen Jüngern, R. Juda, R. Mair, u. a. m. angewendet wurde. Von letzterem wird berichtet, dass er das Notarikon Gematria, der Erklärung der Schrift durch Berechnung des Buchstabenwertes eines Wortes gebrauchte. Auch diese hat ein hohes Alter und kommt schon in dem Buche Henoch und in der Apokalypse des Johannes vor. Von den Gesetzeslehrern waren es Hillel, Akiba, Barkappara, R. Jose Sohn Simras, u. a. m., die von ihr Gebrauch machten. Wichtiger ist das Aufsuchen, Aufstellen von Hauptgesetzen, Khellalim, welche die andern mit umfassen und von denselben hergeleitet werden können. So stellten Hillel die Nächstenliebe in ihrer negativen Gestalt, »Was dir nicht lieb ist, tue nicht deinem Nächsten«, Akiba die Nächstenliebe in ihrem positiven Gebot, usw. auf. Die Regel von dem Gebrauch anderer Lesearten (siehe oben) kam meist bei den Jüngern des R. Ismael in Gebrauch, bei denen wir auch die Anfänge der Massora zu suchen haben. Die Deutung der Punkte über den Buchstaben (siehe oben) wird von den Lehrern R. Elieser, R. Jose, u. a. m. im 1. und 2. Jahrh. n. angewendet. Ein neues Moment in der Exegese ist das Aufsuchen von Analogien aus fremden Sprachen zur Erklärung von Wörtern. Aus der griechischen Sprache holten dieselben die Lehrer des 1. Jahrh. R. Gamliel I. und R. Gamliel II., Simon ben Asai, R. Elieser, R. Jose, u. a. m. Aus dem 2. Jahrh. n. R. Jochanan, Simon ben Kappara und im 3. Jahrh. n. R. Abbahu. In dem Gebrauch von Wortanalogien aus dem semitischen Sprach-stamme als aus dem arabischen usw. zeichnete sich im 1. Jahrh. R. Akiba und im 2. Jahrh. n. Levi ben Sifi aus. Wir kommen zur vierten Epoche, die der Gesetzeserklärer, Amoraim, von dem 3. Jahrh. bis zum Schluss des 5. Jahrh. Aus derselben haben wir nichts Bedeutsames, Originelles hervorzuheben. Die Regeln der Exegese waren schon vorhanden, die Amoraim gingen nicht über ihre Vorgänger hi-naus ihre Tätigkeit erstreckte sich auf die Erläuterung des von den Tanaim ihnen überlassenen Halachastoffes, von dem sie vieles auf die Schrift zurückführten. Neue direkte Gesetzesherleitungen aus dem biblischen Gesetz kamen höchst selten vor. Was sie Neues schufen, gehörte dem Gebiete der Agada und deren Auslegungsweise an, der wir nun unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Von den oben genannten exegetischen Regeln gebrauchten am Schluss des 2.. und im Anfange des 3. Jahrh. n.: R. Chia die Regel von den zwei Gegebenen in einer Stelle; Simon bar Kappara die Regel von Gematria, der Erklärung durch Berechnung des Zahlenwertes eines Wortes; R. Chia und Levi ben Sifi die von der Aufstellung gewisser Hauptgesetze; er erklärte, dass der Abschnitt 3. M. 19. die zehn Gebote mit-enthalte und somit das Grundgesetz des Judentums bilde; R. Jochanan die von der Aufeinanderfolge der Stellen, ferner die von Notarikon, der Erklärung durch Zerlegung eines Wortes in mehrere, ebenso bedient er sich der Analogien aus der griechischen Sprache, was auch R. Abbahu zu tun pflegte. Aus dem 3. und 4. Jahrh. n. nenne wir besonders Abaji, der die Regel von: »Man nehme einem Worte einen Buchstaben weg und füge ihn einem anderen zu«, beschränkte und vor Willkür im Gebrauch derselben warnte; Raba, der wieder die Regel von der Umsetzung des Verses, nicht zu weit ausgedehnt wissen wollte. Überhaupt war im 4. Jahrh. n. die Rückkehr zur einfachen Bibelerklärung, der Angabe des natürlichen Wortsinnes wieder beliebt geworden. So bedauert R. Kehana, dass er 18 J. alt geworden und nicht wusste, dass der Schriftvers nur in seinem einfachen natürlichen Wortsinne zu nehmen sei. Abaji wiederholt ausdrücklich mehrere Male den oben erwähnten Ausspruch R. Ismaels: »Die Thora redet nach der Sprechweise der Menschen«, den auch R. Kehana zu dem seinigen macht. Neu sind bei ihnen die Angaben gewisser Wörter in der Schrift als Grundgesetz für agadische Erklärungen der Schrift. Wir haben dieselben für nichts anderes, als für mnemotechnische Mittel oder Anknüpfungspunkte für agadische Traditionen zu betrachten. So wird im Namen R. Levis (im 2. Jahrh. n.), nach einem anderen von R. Elieser dem Meder (im i. Jahrh. n.) die Regel angegeben, dass überall, wo das Wort יהיו in Abschnitten vorkommt, »Leiden«, einen schmerzlichen Vorgang, andeute. Ein anderer, R. Samuel bar Nachmani, stellt über das Wort היה »es war« die Regel auf, dass es am Anfange eines Abschnittes »Freude«, ein freudiges Ereignis bezeichne. R. Jochanan erklärt sich gegen diese Annahmen und behauptet, dass das Wort יהיו »es war« Leiden und Freuden andeuten könne. Endlich nimmt ein Vierter, R. Abba, das Wort היהו »es war« im Anfange für die Andeutung einer neuen Epoche. In Verbindung mit »Gerechter«, »er war ein Gerechter« ist es die Angabe, dass der Betreffende von Anfang bis Ende ein Gerechter war. Das Wort אוה ist 5-mal bei einem guten Ereignis und 5-mal bei einem schmerzlichen genannt. Die Partikel »nach, nachher« bezeichnet durch das hebräische Wort רהא eine jüngst vergangene Begebenheit, aber durch ירהא eine längst vergangene; das ירהא in Verbindung mit יהיו »es war nachher« zeigt die Reaktion, den Wiedereintritt früherer Verhältnisse an. Von R. Abbahu (im 3. Jahrh. n.) ist die Angabe, dass das Wort »dieses« הלא, im Anfange eines Abschnittes den Abbruch von dem früheren Inhalte und den Beginn eines neuen anzeige, dagegen bezeichnet dieses Wort in Verbindung des ו conj. als האלו, dass der Inhalt des vorigen noch nicht abgeschlossen und der neue noch dazu gehöre.