Gamliel I. - Talmud
Posted 6 yrs ago
Gamliel I. auch nur: Gamliel, oder mit seinem vollen Ehrennamen: Rabban Gamliel. Bedeutender Gesetzes-und Volkslehrer, Tana, zugleich Vorsitzender des Synhedrions unter Agrippa I. in den letzten 30 Jahren vor der Zerstörung des Tempels, Sohn des Patriarchen Simon und Enkel Hillels I. Das talmudische Schrifttum hat uns eine Menge von Anordnungen dieses Synedrial-Oberhauptes aufbewahrt, die eine Fülle von Liebe und Sorgfalt für Volkswohl dartun. Wir heben von denselben hervor:
a. die des Shabbathgesetzes. Gegen das frühere Gesetz, dass Krieger oder andere Personen, die am Shabbath zur Rettung von Menschenleben auszogen, die Stelle, wo sie mit ihrem Werke fertig geworden, am Shabbath nicht verlassen dürfen, erlaubte er denselben die Strecke von z 000 Ellen nach jeder beliebigen Seite abzuziehen.
b. In Ehesachen. Gegen die ausdrückliche Bestimmung der Schrift, nur die Aussage zweier Zeugen gelten zu lassen, gestattete er die Wiederverheiratung einer Witwe auf die Aussage auch nur eines einzigen Zeugen. Eine zweite Verordnung war, dass der Ehemann, der seiner Ehefrau den Scheidebrief durch einen Boten gesandt hat, denselben wieder nur in der Gegenwart desselben Boten als ungültig erklären dürfe, gegen den früheren Brauch, einen solchen Scheidebrief vor jedem Gericht, auch ohne Beisein des gesandten Boten für nichtig erklären zu können. Eine Dritte betraf die Formel der Scheidungsurkunde, in der alle Namen des Mannes, die hebräischen und fremden, verzeichnet sein müssen gegen den frühren Brauch, nur den hebräischen einzutragen. Eine Vierte, dass eine Witwe wegen ihres Anspruches auf Ernährung und die ihr beim Leben des Mannes gemachte Verschreibung den zurückgelassenen Kindern einen Gelübdeeid ablegen müsse, dafür noch keinerlei Bezahlung oder Vergütigung erhalten zu haben. Eine Fünfte, dass keine Zeugen den Scheidebrief unterschreiben sollen gegen den früheren Brauch, die Unterschrift der Zeugen, die den Scheidebrief übergeben sollen, in denselben aufzunehmen. Viele führen auch folgende menschenfreundliche Verordnungen auf ihn zurück: den Armen der Heiden gleich denen der Israeliten das Ährenauflesen und Teilhaben an den stehen gelassenen Getreideecken usw. zu gestatten, sich nach deren Wohl zu erkundigen, sie zu ernähren, ihre Kranken zu besuchen, ihre Toten zu begraben u. a. m. Auch nichtjüdische Quellen erzählen von seiner Milde, wie er gegen die Verurteilung Petri, eines der Häupter der ersten Christengemeinde, sein Wort eingelegt und das Synhedrion für die Freisprechung des Angeklagten gestimmt habe. Wie weit sich seine Macht und Wirksamkeit erstreckte, geht aus den Berichten hervor, dass das Synhedrion, als es einst in seiner Abwesenheit die Bestimmung des Schaltjahres vornehmen musste, ausdrücklich in die Akten aufnehmen ließ, dass der Beschluss nur dann Gültigkeit habe, wenn er die Bestätigung des Nassi R. Gamliel I. erhalten werde. Seine Synedrialbeschlüsse erfreuten sich der Anerkennung nicht bloß bei den Juden in Palästina, sondern auch bei denen der entferntesten Gegenden. Erhalten haben sich die Schreiben, die er von seinem Schreiber Jochanan, dem Priester, über die Einrückung eines Schaltmonats anfertigen ließ: »An unsere Brüder in Ober- und Untergaliläa Gruß! Wir benachrichtigen euch, dass die Zeit da ist, den Zehnten von euren Ölbehältnissen abzuscheiden«; »An unsre Brüder im oberen und unteren Darom Gruß! Wir machen euch bekannt, dass die Zeit gekommen, die Zehnten eures Getreides abzusondern«; »An unsre Brüder, die Exilanten in Babylonien, Medien, Griechenland und an alle übrigen Exilanten Israeles Gruß! Wir tun euch kund, die diesjährigen Lämmer sind noch zart, die Tauben noch nicht flügge, die Zeit des Frühjahrs noch nicht eingetreten, wir beschlossen daher in Gemeinschaft mit unsern Kollegen das Jahr um 30 Tage zu verlängern.« Mit voller Strenge trat er gegen die Überhandnahme von Vermischung und Versetzung biblischer Lehren mit fremden Anschauungen in seiner Zeit auf, wie dieselbe sich noch in den Bruchstücken der alten griechischen und aramäischen Bibelübersetzungen vorfinden. So erzählt Abba Halephta, dass er einst zugegen war, wie Gamliel I. eine ihm vorgelegte Übersetzung des Buches Hiob gleich andern apokryphischen Schriften tief in die Erde zu versenken befahl. Wie lange er als Oberhaupt des Synhedrions wirkte, wird nicht angegeben, auch kennt man keine Halachoths, die seinen Namen tragen, dieselben sind unter denen von dem Lehrhause Hillels, Beth Hillel, inbegriffen, aber seine volle Bedeutsamkeit tritt uns nochmals in dem Ausspruche, womit man seinen Tod der Mit- und Nachwelt verkündete, entgegen: »Mit dem Tode R. Gamliel I. hörte die Verehrung der Thora auf, die Beobachtung der Reinheits- und Absonderungsgesetze war vernichtet.« Der Spruch, der ihm zugeschrieben wird, lautet: »Schaffe dir einen Lehrer, trenne dich vom Zweifelhaften und lasse ab vom Verzehnten nach Annahmen und Schätzung überhaupt.« R. Gamliel war der Erste, der den Titel: »Rabban«, Meister, Lehrer, führte.