Geister - Gespenster - Gewalten - Dämonen - böse Geister - Talmud
Posted 6 yrs ago
Geister; Gespenster, Gewalten; Dämonen, böse Geister. Der Dämonenglaube oder die Dämonenlehre, die Lehre von den Geistern, bildet einen Teil der Geheimlehre, der jüdischen Theosophie, welche verschiedene Entwicklungen durchgemacht hat. Das biblische Schrifttum kennt keine bösen Geister im Sinne des Parsismus oder der ägyptischen Mythologie, der Darstellung des Gottes Typhon, als einer gegen das Gute arbeitenden selbstständigen Gottesmacht, Geisterschar; die reine Gottesidee in der Bibel, die Verkündigung der Gotteseinheit mit ihrem Heiligkeitsruf ist ein Protest gegen jede Teilung der Gottheit und lässt den Glauben an böse Geister nicht zu. Gegen den im Volksglauben bei den Israeliten dennoch herrschenden Dämonenglauben stellt der Mosaismus eine Reihe von Lehren und Gesetzen zu dessen Bekämpfung auf. »Und sie sollen nicht den Seirim, Gespenstern in bockähnlicher Gestalt, opfern, denen sie nachbuhlen, ein ewiges Gesetz bei euren Nachkommen«; »Wer einer Gottesmacht opfert, soll verbannt werden, nur dem Ewigen«; »Sie ereiferten sich durch fremde Wesen, kränkten ihn mit ihren Gräueln«, sind einige von denselben. Nur in einer völligen Umbildung dieses Geisterglaubens im Sinne des Monotheismus, wo die Geister als Gott untergeordnete, nur seine Befehle vollziehende Mächte gekannt sind, kommen sie in den biblischen Büchern vor. So ziehen Engel des Verderbens im Auftrage Gottes zur Zerstörung Sodoms, sie bringen den Erstgeborenen in Ägypten den Tod u. a. m. Auch der Satan, als Haupt der Dämonen, muss sich in den ihm streng gezogenen Grenzen halten, er darf bei der Versuchung Hiobs den Befehl: »nur sein Leben bewahre« nicht übertreten. In dieser Modifikation war der eigentliche Dämonenglaube aufgehoben, er wurde dem Volke nur noch dem Namen nach gelassen. Aber mit der Berührung des Judentums mit dem Parsismus, für den es in den Religionslehren der Juden mannigfache Anknüpfungspunkte gab, trat der alte Volksglaube an Dämonen in seiner ganzen, dem Monotheismus widersprechenden Gestalt hervor. Mit rühmlicher Energie kämpft daher der Prophet Jesaja gegen diesen heidnischen Dämonenglauben. »Gott ist, ruft er, der Bildner des Lichts, der Schöpfer der Finsternis, welcher den Frieden macht und das Böse schafft.« Die nachexilischen Schriften müssen, wie nie zuvor, um vom Volke verstanden zu werden und auf dasselbe zu wirken, in dessen Sinn- und Denkweise viel zu viel von Engel- und Geistererscheinungen sprechen. Wieder waren es erst die Propheten und später die Gesetzes- und Volkslehrer von Esra ab, die den Geisterglauben in seine alten Grenzen einzuschränken suchten. Aber die Mühe war diesmal nur teilweise von Erfolg. Schon aus den uns erhaltenen älteren Apokryphen, dem Buche Henoch, den Jubiläen, dem 4. Buch Esra u. a. m., aber mehr noch aus den jüngeren: dem Buche Tobi, dem Buche der Weisheit Solomos u. a.m. sowie aus den Evangelien geht hervor, dass der Glaube an böse Geister ganz im Sinne das Parsismus bei einem großen Teile des jüdischen Volkes in Palästina Aufnahme gefunden. Die bösen Geister sind bei ihnen die Abkömmlinge der von Gott abgefallenen, Gott feindlichen geistigen Mächte; sie bilden den Gegensatz zu dem Reich des Guten, deren Machtgebiet die Finsternis ist und deren gemeinsames Streben: die Bosheit, die Unlauterkeit und die Finsternis ausmachen. So wird von 7 Geistern der Unreinheit, des Irrtums, ganz nach der Lehre des Zoroaster gesprochen. Die Tätigkeit der Gesetzes- und Volkslehrer gegen den Dämonenglauben erstreckte sich daher, wie bereits oben erwähnt: a. auf die Bekämpfung desselben in seinen Auswüchsen, die ihn als einen Zweig des Parsismus erscheinen lassen und b. auf die Wiederherstellung seines ihm verloren gegangenen monotheistischen Gepräges. So bildete sich die Dämonologie im Judentum aus, die wir nach ihren verschiedenen Teilen nunmehr kennen lernen wollen.
I. Name und Bedeutung. In der Benennung der bösen Geister im nachbiblischen Schrifttum der Juden haben wir die Allgemeine von der Speziellen zu unterscheiden. Die Allgemeine ist die Ältere und tritt mehr als Gattungsbezeichnung auf. Es gehören hierher:
die drei Namen: Geister, ruchin; Gewalten, schedim und Gespenster, lilin, Nachtgeister, weibliche Gespenster, die bald zusammen, bald auch einzeln vorkommen. Außer diesen kommen noch vor: Morgengespenster, zephirin; Mittagsgespenster, tiharim. Man kannte somit: Morgen-, Mittags- und Nachtgespenster. In diesen Namen haben wir keine Bezeichnung für das Boshafte ihres Wesens, wofür sie im Parsismus gehalten werden. Nur in Bezug auf ihre Ausführung eines bösen Auftrages kommen sie unter deren Bezeichnungen: »Schädigende Engel«, malache chabala, oder nur: »Schädigende«, masikim, seltener: »Böse Geister«, ruchoth raoth, vor, sonst kennt man sie auch als Vollzieher guter Handlung, wie sie als solche in verschiedenen Sagen durch ihre Dienstleistungen bei Menschen bezeichnet werden. Sie entdecken den Volkslehren mehrere Geheimnisse und werden in den magischen Sprüchen auch als zum Heilen gewisser Krankheiten gekannt (Sabbath 67 a.). Es ist der Monotheismus, dem der Geisterglauben sich unterordnete und mit ihm nicht in Widerspruch sein durfte. Jüngeren Ursprungs ist die Benennung der Geister nach bestimmten Eigennamen. So heißen die Anführer der Geister: Aschmedai, Lilith oder Agrath bath Machla, von denen erstere der Anführer der männlichen Geister-schar, aber letzterer der Weiblichen ist. Dagegen kommen hier die Namen Satan, Teufel, Feind, Widersacher u. a. m., welche die Apokryphen und Evangelien als Bezeichnungen der Häupter der bösen Geister haben, gar nicht vor; auch der Ausdruck: »Reich des Satans«, der so häufig in diesen externen Schriften angetroffen wird, findet sich hier nicht; ein Beweis, dass man bei ihren Angaben sehr vorsichtig war und alles mied, was mit dem Monotheismus unvereinbar schien. Von den anderen Eigennamen der bösen Geister nennen wir erst die, welche in den Bannsprüchen vorkommen. Wir heben von denselben drei heraus, die eine nicht geringe Menge solcher Eigennamen bringen. z . der Spruch gegen die Schädlichkeit des Wassertrinkens an den Abenden von Mittwoch und Sonnabend lautet: »Meine Mutter warnte mich vor Schavrejari; Schavrejari Brejari, Rejari; Jari und Ri. 2. Der Spruch gegen Eitergeschwulst bringt die Eigennamen: Bus; Busjih; Mus; Musjih; Chus; Chassi; Scharlai und Amarlai. 3. In dem Spruche gegen böse Geister im Allgemeinen werden genannt: Temo; Tena und Chasmogs. Diese sämtlichen Namen sind persischen Ursprunges, die sich unzweifelhaft aus dem Parsismus bei den Juden in den babylonischen Ländern eingeschlichen haben. Doch werden noch andere Eigennamen der bösen Geister genannt, die auf eine andere Heimat hindeuten. Dieselben sind: a. Schida Schomron, Dämon Samarias, eine Anspielung auf den Götzendienst des Zehnstämmereichs, das als Gegensatz zum Reiche Judas als vom bösen Geiste besessen dargestellt wird; b. Bar Scheda, Junger Dämon; c. Ben Nephalim, Dämon der Engbrüstigkeit, auch des Irrsinnes, Nujaitun; d. Ben Temalion, Dämon gekannt unter dem Namen Lamatoch, von dem Simon ben Jochai eine Kaisertochter befreit haben soll; Chamath, ein Öldämon, der bei Gebrauch dieses Öls Blasen ins Gesicht treibt; Schibta, Dämon der Kinderhalskrankheiten, der auch auf Brot, das mit ungewaschenen Händen berührt wird, haust; Ruach Kazrith, Dämon des Wahnsinnes; Kardiakos, Dämon des Magenkrampfes u. a. m. Man sieht, dass es fingierte, den ihnen zugeschriebenen Wirkungen entlehnte Namen sind, ganz wie die Namen der Engel sich auf die Sendung und Tätigkeit derselben beziehen. Auch Menschennamen werden ihnen beigelegt, meist von denen, mit denen sie verkehrten. So kennt man einen Dämon Joseph, Joseph Sched, der Lehren dem Lehrer Rab Joseph und anderen Lehrern mitteilte; einen Dämon Jonathan, Jonathan Sched, der den Rab Chanina belehrte.
II. Schöpfung, Entstehung, Gestalt, Wesen, Eigenschaften und Macht. Die Frage über den Ursprung des Bösen bildete die Grenzscheide zwischen dem Judentum und den anderen alten Religionen. Der Parsismus und die ägyptische Mythologie lehren zwei sich fortwährend bekämpfende Urmächte, einen Gott des Guten und einen Gott des Bösen, dagegen setzt die Bibel den Ursprung des Bösen in den Menschen, in sein Wollen und Vollbringen und bekämpft obige Annahmen als einen Irrglauben. Hiermit ist auch die Frage über die Entstehung der bösen Geister verbunden. Die Bibel gibt darüber keinen Aufschluss, aber die Apokryphen und das talmudische Schrifttum bringen über diesen Punkt verschiedene Angaben. Nach dem Buche Henoch sind es die Seelen jener Riesen, der Ab kömmlinge der Engel, die von Gott abgefallen und sich mit Menschenfrauen vermischt hatten. Andere betrachten sie als die Seelen der babylonischen Turmbauer oder der in der Sündflut umgekommenen Bösen. Beide Angaben finden wir im talmudischen Schrifttum wieder. Eine andere Stelle teilt eine dritte Annahme mit: Die bösen Geister stammen von Adam her, die er in den 130 Jahren der Verbannung mit der Lilith zeugte. Solche Aufstellungen über die Entstehung der bösen Geister erschienen den nüchternen Gesetzeslehrern doch zu sehr im Sinne des Parsismus, da auch nach ihnen dieselben immer Abkömmlinge einer gegen Gott widersetzlichen und gegen ihn handelnden Macht bleiben. Die Mischna verwirft daher diese Angaben und betrachtet die Dämonen (Schedim) gleich anderen Schöpfungen als durch Gott geschaffene Wesen. In Bezug auf ihre Gestalt hören wir, dass sie als Geister geschaffen wurden und ursprünglich keine leibliche Gestalt erhielten, aber in ihrem Dienste nehmen sie meist eine menschliche, männliche oder weibliche, Gestalt an. Doch auch diese können sie sich nicht ganz aneignen. So soll ihre Gestalt nicht denselben Schatten haben, wie der Mensch, woran man den Dämon erkennen könne. So werden die Seirim als schwarze Kobolde bezeichnet; der weibliche Dämon Lilith hat langes Haar und ist geflügelt; die Schedim unter dem Kapernstrauch haben keine Augen u. a. m. Im Ganzen bilden sie das Mittelglied zwischen den Engeln und den Menschen. »In drei Dingen, heißt es, gleichen die Schedim den Engeln und in drei den Menschen. Sie haben Flügel, schweben in der Luft (von einem Ende der Welt zum anderen) und wissen die Zukunft, hiermit gleichen sie den Engeln. Aber in anderen drei: sie nehmen Speise und Trank zu sich, pflanzen sich fort und sterben — sind sie wie die Menschen.« Auch in ihrer Macht werden sie gleich anderen Geschöpfen als nur beschränkt dargestellt. Wir bringen darüber den Ausspruch eines Lehrers im 3. Jahrh. n., des R. Simon: »Wann ist Gottes Ruhm größer, wenn es Schedim gibt, oder wenn keine sind? Gewiss, wenn es deren gibt und sie nicht schädigen dürfen.« Es werden Mittel angegeben, wie sie schadlos gemacht werden können, und in den Sagen von ihrem Verkehr mit den Menschen zeigen sie sich ihnen dienstfertig und gehorsam. Eine Sage erzählt: Agrath bath Machlath, die weibliche Anführerin einer Dämonenschar, begegnete dem Gelehrten R. Chanina und sprach zu ihm: »Hätte man im Himmel nicht ausgerufen, habet Acht auf Chanina und seine Lehre, ich wäre dir gefährlich geworden.« R. Chanina antwortete: »Wenn ich im Himmel so angesehen bin, befehle ich dir, nicht mehr an bewohnten Orten herumzustreifen.« Da bat sie ihn, ihr doch dieses nur zu bestimmten Zeiten zu erlauben. Er gestattete es ihr in den Mittwoch- und Sonnabendnächten. In einer andern Sage verurteilt Mar bar Rab Aschi einen Sched, der ein Fass zerbrochen hatte, zum Schadenersatz. Derselbe versprach in bestimmter Zeit den Schaden zu bezahlen. Aber die Frist verstreicht und der Dämon bringt erst später sein Geld herbei. Auf den Vorwurf der Verzögerung erzählt er, dass ihm erst jetzt die Auftreibung des Geldes möglich geworden, da er über alles Eingebundene, Gemessene und Gesiegelte keine Macht habe.
III. Zahl, Arten, Aufenthalt und Tätigkeit. Über die Zahl der Dämonen berichten erst die Lehrer des 4. Jahrh. n. in Babylonien. Nach Abaji sind sie zahlreicher als die Menschen, die sie, wie der Erdhaufen den Weinstock, umgeben. Rab Huna sagt, dass jeder Mensch deren Tausend zur linken Hand und zehn-tausend zur rechten habe. Es gibt keinen leeren Raum, der nicht voll von Schedim wäre. Ein älterer Abba Benjamin bemerkt darauf: »Könnte das Auge sie sehen, kein Geschöpf würde bestehen können.« Man sieht, welch mächtiger Einfluss der Parsismus auf die späteren Lehrer hatte. Der Mensch, wer und wo er ist, bleibt ein Kind seiner Zeit und seines Ortes, der sich deren Einflusses nicht ganz erwehren kann. In Bezug auf ihre Arten kenne sie männliche und weibliche Dämonen, von denen sich jede zu ihrer Schar hält und unter einem Anführer steht. Der Anführer der männlichen Dämonenschar ist ein Aschmedai und die Anführerin der weiblichen ist Agrath bath Machla oder Lilith. Ferner unterscheidet man junge und alte Dämonen, Morgen-, Mittags- und Nachtgespenster. Man spricht auch von Dämonen auf Gräbern, die dem Menschen in der Zauberei behilflich sind und von solchen, die den Gesetzeslehrern dienstbar sind und ihre Geheimnisse offenbaren. Über ihren Aufenthalt sind die Angaben verschieden. Nach einigen wählen sie einsame öde Ortschaften als z. B. Ruinen, Aborte, auf den Gräbern, unter Kappersträuchern und Speerbäumen, in Weinbergen, unter dem Schatten der Palmen, unter dem Schatten des Mondes u. a. Andere geben ihre Wohnorte auch in den Städten, besonders in Tiberias, und in dem Orte, wo R. Chanina bar Papi lehrte. Auch auf Speisen: Öl, Wasser, Brot u. a. m. weilen sie. Interessanter ist die Darstellung ihrer Tätigkeit. Schon oben bemerkten wir, dass die Dämonen in ihrer Tätigkeit im Gegensatz zu den Daews im Parsismus als abhängige und beschränkte Wesen bezeichnet werden. In einigen Zügen ihrer Tätigkeit wollen wir dies weiter und ausführlicher darstellen. Eine ihrer Haupttätigkeit sollen die Magie und die magischen Künste sein, welche die Menschen durch ihren Beistand vollziehen. Alles, was die Propheten und später die in Frömmigkeit und Heiligkeit lebenden Gelehrten (die Männer der Geheimlehre, die Kabbalisten) tun zu können vorgaben, kann ebenso durch die Dämonen vollbracht werden. »Die Zauberer in Ägypten, die sämtliche Wunder Moses nachmachten, heißt es, haben dieses nur durch Hilfe der Dämonen getan.« Doch werden sie auch in dieser, ihrer Tätigkeit als beschränkt bezeichnet; sie können keinen Gegenstand, der kleiner als eine Linse ist, erschaffen. Scherzend bemerkt darauf Rab Papa: »Bei Gott! Auch kein Kamel können sie erschaffen, nur dass große Tiere leichter abzurichten sind, weshalb sie ihre Kunst nur bei ihnen, aber nicht bei ganz kleinen Tieren in Anwendung zu bringen vermögen. « Man sieht, wie der Dämonenglaube schon damals nur noch im Volke seine Stätte hatte, aber bei den Gesetzeslehrern längst erschüttert war. Über die engen Grenzen ihrer andern Tätigkeit hatten sie die Lehre, dass über alles Gemessene, Gezählte und Versiegelte sie keine Macht haben. Zur Störung ihrer Tätigkeit im Allgemeinen genügt ihre Beschwörung durch den Gottesnamen bei dessen Nennung sie machtlos werden. Im Allgemeinen gehört zu ihrer Tätigkeit nicht bloß dem Menschen zu schaden, sondern auch ihm zu nützen. So lehrte ein Sched die Schädlichkeit gewisser Pflanzenschatten; ein anderer entdeckt die Funktionen des Dämonenkönigs Aschmedai; raten der Gefahr auszuweichen u. a. m.