Jehuda der Fürst
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Jehuda der Fürst, oder Juda I., auch nur: Rabbi, Lehrer, später: Rabbenu Hakadosch, Unser Lehrer, der Heilige. Gesetzeslehrer und Patriarch, Sohn des Patriarchen R. Simon b. Gamliel II. (geboren im Jahre 137, gestorben 194 n.)
I. Geburt, Name, Ausbildung, Lehrer, Schulen, Kollegen, Zeitgenossen, Kenntnisse und Eigenschaften. Seine Geburt fällt in die Zeit der grausamen Religionsverfolgungs-edikte Hadrians, die auf die Besiegung des barkochbaischen Aufstandes gefolgt waren; er soll am Tage der Hinrichtung Akibas (137 n.) geboren sein. Das gedrückte Volk sah in diesem sonderbaren Zusammentreffen ein freudiges Zeichen der Unvernichtbarkeit Israels Herrlichkeit, und die Lehrer preisen noch in späterer Zeit die so sich damals wunderbar gezeigte Vorsehung Gottes; sie betrachteten die Geburt des jungen Patriarchen am Todestage ihres großen Meisters R. Akiba als ein Ereignis, worauf sie den Spruch in Koheleth 1. 2. »Die Sonne strahlt auf, die Sonne geht unter« bezogen. Die Eltern, so sehr sie sich auch über seine Geburt freuten, waren nicht wenig über die Vollziehung des Aktes der Beschneidung an ihm verlegen; dieselbe war in den hadrianischen Verfolgungsedikten mit der Todesstrafe belegt. Sie vollzogen ihn trotzdem, aber die Sache kam zur Anzeige, und der römische Prokurator sandte die Mutter mit dem Kinde nach Rom. Hier war bereits Antonius Pius seit 138 v. auf dem Throne, dessen Frau, die Kaiserin, deren Beistand aufgesucht wurde, sich der Sache annahm und beim Kaiser mit der Freiheit der Mutter auch die Aufhebung der hadrianischen Verfolgungsedikte bewirkte. Nach einem anderen Bericht war es der Gesetzeslehrer R. Juda ben Schemua, der mit vielen Andren, auf den Rat einer vornehmen Römerin, um die Aufhebung jener hadrianischen Edikte bei der römischen Behörde unter dem Kaiser Antonius Pius baten und sie auch erlangten. Er erhielt von seinen Eltern den Namen »Jehuda«, eine Benennung, die bis auf ihn in der Patriarchenfamilie von Hillel ab nicht vorkommt. Wichtiger als dieser Name der Geburt war der seiner Verdienste. Er wurde nach dem Beginn seiner Lehrtätigkeit nicht anders als »Lehrer« Rabbi, oder »Unser Lehrer«, auch »Unser Lehrer der Heilige« genannt. Letzterer natürlicher nur in seiner Abwesenheit, aber auch schon bei seinem Leben. Es spricht sich darin eine Würdigung aus, die keinem andren Lehrer zuteil geworden. In Bezug auf seine Patriarchen würde nannte man ihn auch »Jehuda der Fürst«. Für seine Erziehung und Heranbildung waren sein Vater und mehre Lehrer bemüht. Zu letzteren gehörten: R. Elasar ben Schemua, R. Ri-mon Sohn Jochai, R. Mair, R. Jakob aus Korsche R. Juda. Seine anderen Zeitgenossen und Kollegen, die später als Bekämpfer seiner Halachoth auftraten, waren: R. Nathan, R. Elasar Sohn Simons, R. Jose Sohn Jehudas, R. Simon Sohn Eleasars u. a. m. Herangewachsen besuchte er abwechselnd die Schulen der eben genannten Lehrer, die bald die reife und rasche Entwicklung seiner Geistesanlagen bemerkten, so dass er in die ersten Reihen der Jünger gesetzt wurde. Die Verschiedenheit der Lehren und Anschauungen seiner Lehrer erweiterten seinen Gesichtskreis. Seine Bildung war ein allgemeine, fern von jeder Einseitigkeit und Beschränktheit der Fachmänner. Man rühmte seine tüchtigen Sprachkenntnisse; er war der hebräischen, syrischen, lateinischen und griechischen Sprachen kundig, und machte Reisen nach den See- und Hafenstädten, um die fremden Sprachen verschiedener Völker kennen zu lernen. Er bemühte sich um die Wiederherstellung des reinen hebräischen Sprachausdrucks und wollte die syrische Sprache, das Sprachgemengsel bei dem Volke, auf palästinensischem Boden völlig gebannt wissen. So führte er später in sein Haus nur die hebräische Sprache ein, so dass auch seine Dienerschaft gewandt das reine Hebräisch sprach und nicht selten in ihr sich poetisch auszudrücken verstand. Nächst den Sprachkenntnissen waren es auch andere Wissenschaften, die er sich aneignete. Er besaß gute astronomische Kenntnisse, in denen er sich nicht scheute, die Lehren der heidnischen Weisen denen der jüdischen vorzuziehen, und verstand auch sich aus anderen Naturwissenschaften bei Gesetzesentscheidungen Rat zu hören. Hierzu vereinigte er in sich die vorzüglichsten Eigenschaften, die ihm bald einen großen Kreis der berühmtesten Lehrer und Jünger verschafften. Er war ein Mann voll von Bescheidenheit und Erkenntlichkeit. »Viel«, sprach er oft, »lernte ich von meinen Lehrern, mehr von meinen Genossen, aber am meisten von meinen Schülern.« Ein andres Mal äußerte er sich: »Die Jugend in mir hatte Schuld, dass ich mich gegen R. Nathan erfrechte.. Er achtete hoch die Lehren seiner älteren Zeitgenossen, gegenüber denselben er die seinige oft unterdrückte: »Schon hat der Alte (R. Jose) entschieden«, war oft sein Ausruf. Er gestand öffentlich, dass ein Zeitgenosse R. Simon b. Elasar größer in der Gesetzeskunde sei, und beehrte R. Chia mit der Anerkennung: »Von fernem Lande (Babylonien) habe ich den Mann meines Rates!. Außerdem war er äußerst wohltätig, er verstand von seinen großen Reichtümern den besten Gebrauch zu machen. Er unterhielt die armen Gelehrten und die Jünger auf eigene Kosten und spendete an Arme mit vollen Händen. In einem eingetretenen Hungerjahr öffnete er seine Getreidevorräte und verteilte sie unter die ärmeren Volksklassen. Er hatte früher den Grundsatz, nur den Gelehrtenstand zu unterhalten, da belehrte ihn sein Schüler Jonathan, dass man Unterstützungen auch den anderen nicht entziehen dürfe. Er nahm von ihm diese Lehre an und kannte von nun ab keinen Unterschied mehr bei seinen Almosenverteilungen an. So kam es dazu, dass er sogar den Töchtern des Elisa ben Abuja, der unter dem Namen »Acher« als Verräter des Judentums und der Juden geächtet war, die Unterstützung nicht verweigerte. Er, für seine Person, zeigte die höchste Genügsamkeit, sodass seine Zeitgenossen von ihm aussagten: »Er genoss nicht im Geringsten seine großen Reichtümer.« Doch mit diesen Eigenschaften der Bescheidenheit und Menschenliebe allein wäre er seiner Stellung, in der wir ihn bald tätig sehen werden, nicht gewachsen gewesen, hätte er in derselben nicht segensreich wirken können, besäße er nicht auch die andren hierzu nötigen Eigenschaften, eine unbeugsame Energie und eine durchgreifende Tatkraft, in denen viele allerdings nur Herrschsucht und Ehrgeiz sahen, sodass er sich bald auch Gegner zuzog, gegen die er mit aller Energie auftreten musste.
II. Patriarchen- oder Nassiwürde, Tätigkeit, Lehrhaus, Lehrort, Jünger, Halacha, Gesetzeserleichterungen, Neuerungen, Zerwürfnisse, energisches Vorgehen. Im Alter von etwa 25 oder 27 Jahren folgte er seinem Vater in die Patriarchenwürde; das Synhedrion, das sich nach der Aufhebung der hadrianischen Verfolgungsedikte in Uscha in der Abwesenheit seines Vaters, des Patriarchen R. Simon Sohn Gamliels, konstituierte, hatte wieder ein tatkräftiges Oberhaupt; es erhob sich noch einmal zu seiner imponierenden Macht. Drei Städte werden genannt, wo der junge Patriarch abwechselnd wohnte, seine Lehrtätigkeit entfaltete und die Synhedrialsitzungen hielt: Beth Schearim, jetzt Turan, nordöstlich von, Sephoris und Tiberias. Galiläa mit seinen fleißigen Landbewohnern war jetzt der Sammel- und Mittelpunkt, das eigentliche Palästina der Gelehrtenwelt. Diese drei Städte lagen nicht weit voneinander, sodass er sich oft äußerte, er könnte in Betracht der aneinander stoßenden Höhlen und Burgen dem Volke erlauben, am Shabbath von Tiberias nach Sephoris zu gehen. Es strömte von allen Seiten Palästinas und der babylonischen Länder eine große Schülerzahl zu seinem Lehrhause, unter die sich auch bald Männer von gelehrtem Rufe einfanden. Wir nennen: R. Chia mit seinen zwei Söhnen Juda und Chiskia; Simon bar Kappara; R. Chanina bar Chama; Abba aus Areka, später genannt Rabh; Samuel R., R. Ismael Sohn R. Joses, R. Levi u. a. m. Weithin verbreitete sich sein Ruf, sodass es allgemein hieß: »Der Gerechtigkeit, der Gerechtigkeit folge nach, d. h. suche Rabbi (R. Juda I.) in Beth Schearim auf.« In dem Kreise dieser Jünger und in der Mitte einer nicht unbedeutenden Zahl geistig bevorzugter Männer, größtenteils Söhne der Jünger R. Akibas, eröffnete er seine Lehrtätigkeit, und wir bewundern in ihm die Energie und das mutige Vorgehen, wie er in seinen Halachavorträgen Gesetze zu endgültigen Entscheidungen brachte, in denen er bald die Meinungen seiner Vorgänger und Zeitgenossen, sogar die seines eigenen Vaters bekämpfte, bald zwischen zwei entgegengesetzten Ansichten entschied, bald sich auf seine eigene Schriftforschung stützte. Doch war er auch wahrheitsliebend genug, von seiner eigenen Meinung zu Gunsten einer anderen, sobald diese besser begründet war, abzustehen. Auch alten Traditionen räumte er oft das Vorrecht ein und schloss mit dem Ausruf: »Schon hat der Alte (Lehrer) entscheiden! « In der eben genannten dritten Art seiner Halachabestimmungen, denen er seine eigene Schriftdeutung zu Grund legte, sehen wir die Arbeit der Tanaimtätigkeit zum Ausbau des Gesetzes (s. Ha-lacha) fleißig fortsetzen und denselben zum baldigen Abschluss zu bringen. Dieser Abschluss des Gesetzesausbaues, der großen Arbeit der Tanaim, kam durch ihn, durch sein unter dem Namen »Mischna« zweites Gesetz, großartige Anlegung und Redaktion von schriftlichen Halachasammlungen immer mehr seiner Verwirklichung näher. Fragen wir weiter nach seiner Richtung, Tendenz, Lehrweise und nach dem in demselben hervortretenden Lehrprinzip, so erscheint er uns als der Vertreter der zaddikisch-pharisäischen Richtung, die sich bekanntlich als Gegensatz zu der chassidäisch-pharisäischen Richtung (s. Halacha) entwickelt hatte. Er schloss sich hiermit ganz den Bestrebungen seiner großen Ahnen, eines Hillels I. und Gamliels II. an, setzte ihre begonnenen Arbeiten fort und war auch darin ein würdiger späterer Sohn derselben. In dieser Lehrtätigkeit war er ein entschiedener Feind jeder Deutelei; er hielt sich meist an den einfachen Wortsinn und machte von den von seinem Ahn Hillel I. aufgestellten Interpretationsregeln (s. Exegese) nur selten und sehr vorsichtig einen Gebrauch. Die exegetische Regel des Althikri «lies nicht so, sondern so« (s. Exegese), die der Schrift jede feste Basis vernichtete, verwarf er ganz, und den Schluss: Kal we chomer, die Folgerung aus dem Geringem auf das Wichtigere (s. Exegese) ließ er nur dann gelten, wenn das Gefolgerte auch verstandesgemäß sich sagen ließ. Einen größeren Gebrauch machte er von der Regel der Vergleichung, geserath schave. In seiner einfachen Worterklärung, und in seinen Entscheidungen nach dem nüchternen Schriftinhalt ist er so penibel, dass wir in ihm den großen Vertreter der einfachen Schrifterklärung und, wie bereits oben bemerkt, der zaddikisch-pharisäischen Richtung erkennen. Mit solchen Schrifterklärungen blieb er nicht in den engen Räumen seines Lehrhauses, sondern griff damit umgestaltend in das praktische Leben ein. Nach denselben löste er Halachoth auf oder bestätigte sie. Zeit, Ort und Verhältnisse nach ihren eingetretenen Veränderungen fanden in solchen Entscheidungen ihre volle Berücksichtigung. So schaffte er die bei den Anzeigen der Neumondsbestimmungen üblichen Bergfeuer ab, da dieselben durch Absendung von Boten nach den Gemeinden ihre frühere Bedeutung und Bestimmung verloren hatten. In Folge der bereits sich geltend machenden Kalenderberechnung verlor der Brauch der Neumondsbestimmung schon damals so viel von seiner früheren Wichtigkeit, dass er zu Zeugen auch Mörder und Ohrenzeugen zuließ und den Akt der Heiligung des Neumondes auch durch andere Personen, als z. B. durch R. Chia, und an andren Orten zu vollziehen gestattete. Ferner erlaubte er dem Reisenden, dass er vom Roße oder Wagen zur Verrichtung des Gebetes nicht herabzusteigen brauche, sondern in jeder Stellung, auch sitzend das Gebet verrichten dürfe. In Bezug auf die Fasttage lautete seine Lehre: »Nicht die Gemeinde zu viel mit Fasten zu belästigen. « Er ging darin so weit, dass er sich an die Abschaffung des Nationalfasttages des 9. Ab, des Tages der Zerstörung Jerusalems machte, aber davon nur in Folge der großen Opposition im Synhedrion Abstand nahm. Bedeutende Erleichterungen führte er in die Shabbathgesetze ein. Er erlaubte die Berührung und Wegschaffung der Gefäße, die sonst am Shabbath verboten waren, dass man kalte Speisen an Stellen, wo sie aufgewärmt werden, bringen dürfe; dass die Gadaräer am Shabbath nach dem nahen Hamtha gehen dürfen. Ganze Dispensionen von Gesetzen sprach er ungescheut aus, wo die Förderung eines Menschenlebens die erheischte. So befreite er den Vater von der Beschneidung seines Sohnes, wenn ihm drei Söhne in Folge der Beschneidung gestorben waren. Besonders frei dachte er über das Priestertum. Der Vorzug des Hohenpriesters von dem gewöhnlichen Priester bestehe nur in dem Gurt, der zu den Gewändern des Hohenpriesters gehörte. So erlaubte er sich manche Erleichterungen in den Priesterehegesetzen. Er lehnte sämtliche Bestimmungen ab, die darauf berechnet waren: »Vielleicht würde der Tempel bald erbaut werden.« Er erlaubte ferner gegen den Einspruch von R. Jehuda b. J. die drei Abteilungen der Bibel: Thora, Nebiim und Kethubim in einen Band zu bringen. Ebenso die Ausfuhr von Wein, Öl und Mehl aus Palästina nach den Grenzstädten Syriens. In solchen Erleichterungen scheute er es nicht, selbst mit dem Beispiele voranzugehen. Er hielt das Purimfest für ein solches, an dem die Arbeit nicht verboten sei, und beschäftigte sich selbst mit Pflanzungen an diesem Tage; ebenso badete er an dem Festtage des 17. Tamus, und verrichtete das Shabbathgebet vor dem Eintritt des Shabbaths, weil er noch ein Bad nehmen wollte u. a. m. Sein Hauptwerk in dieser Tätigkeit, dessen er sich oft rühmte und worauf er ein besonderes Gewicht zu legen schien, war die teilweise Abschaffung und die teilweise Erleichterung der Zehnt- und Erlassjahresgesetze, die gar arg das Landvolk drückten und der Förderung des Landbaues hinderlich wurden. So befreite er die Grenzstädte und ihre Gebiete: Behtsean, Kefar Zemach am Jordan, Cäsarea am Meere und Bethgoberim im Süden, die früher nicht unter jüdischer Botmäßigkeit standen und meist von Griechen bewohnt waren, von der Pflicht des Erlassjahres und der Zehnten, da sie nicht als zum Boden Palästinas gehörig betrachtet wurden. Als ihm darüber seine Brüder und die anderen Verwandten Vorwürfe machten: »Du erlaubst, was deine Ahnen für verboten hielten! «, entgegnete er mit nicht geringer Überzeugung und in gewissem stolzen Bewusstsein: »Der König Hiskia hat die von Moses in der Wüste angefertigte eherne Schlange vernichtet, weil sie das Volk zur Abgötterei verführte. Nun gab es ja vor ihm fromme Könige: Assa, Josaphat u. a. m., die sämtliche Götzen in Juda vernichteten, aber gegen diese eherne Schlange von Moses nichts unternahmen, wie konnte Hiskia das, was seine Ahnen verschont hatten, zerstören? >Es war dies sein eigenes Verdienst!<, werdet ihr mir zurufen, nun auch dies rechne ich mir als Verdienst an, was meine Ahnen zu vollführen mir überlassen hatten.. In Bezug auf die Bestimmungen des Erlassjahres ging er weiter und wollte sie ganz aufheben, wovon ihn nur die Opposition des beim Volk gleich einem heiligen hochgehaltenen R. Pinchas ben Jair zurückhielt. Von den Erleichterungen am Erlassjahre nennen wir seine Erlaubnis, von dem Anbau auf dem Felde am Ausgange des Shabbathjahres sofort zu genießen, wenn auch derselbe früher gewachsen. Indessen wurde die von ihm angeregte Strömung nach Gesetzeserleichterungen so allgemein, dass sie unsern Patriarchen zu überflügeln drohte und gegen ihn sich zu wenden begann. Da machte er Halt und stemmte sich mit aller Kraft gegen jede fernere Neuerung. In einer Synhedrialsitzung stellte man den Antrag auf Emanzipierung jener Volksklasse, die unter dem Namen »Nethinim« noch immer als Nichtisraeliten betrachtet wurde, wenn sie auch schon seit mehr als ein Jahrtausend den Israeliten sich angeschlossen hatte und die groben Arbeiten am Altar verrichtete. Der Patriarch R. Juda I. stemmte sich mit aller Kraft gegen den Antrag, der Grund, den er gelten machte, war: »Wenn wir unsern Anteil aufgeben, wird denn der Altar auf seinen Teil verzichten! « Eine andere Gesetzesänderung, die sich gegen ihn, seinen Familienadel zu wenden schien, war der Antrag, die Abkunftsreinheit der Juden Palästinas über die der Juden in Babylonien zu stellen. Da erhob sich der Patriarch und rief ihnen entgegen: »Ihr werfet mir gar Dornen in die Augen!. Indessen blieb diese freie Richtung das Erbe dieses Hause; sein Enkel, R. Juda II., setzte das Werk der Gesetzeserleichterung fort. Er erlaubte unter anderem auch das seit lange für verboten gehaltene heidnische Öl und wollte auch das Brot von Heiden erlauben, wovon ihn nur die Gegenvorstellung des Lehrers R. Simlai abhielt. Überblicken wir diese halachische Tätigkeit, so stellt es sich heraus, dass er in derselben nur die Männer der chassidäisch-pharisäischen Richtung als: R. Pinchas ben Jair u. a. m. zu seinen Gegnern hatte, während die anderen der Verstandesrichtung, des zaddikisch-pharisäischen Teils der Gesetzeslehre, an deren Spitze unser Patriarch stand, ihm in seinen Bestrebungen zur Seite standen.
III. Fernere Amtstätigkeit, Autorisationen, Promotionen, Ernennungen und Einsetzung von Lehrern und Richtern, Missgriffe, Zurücksetzungen, Autorisationsverweigerungen, Mischnasammlung und ihre Redaktion. Seine weitere Tätigkeit erstreckte sich nach der Feststellung der gesetzlichen Praxis auf die Männer, welche zur Handhabung derselben herangebildet und berufen werden sollten. Auf einer Rundreise bemerkte er so manche Übertretung der gesetzlichen Bestimmungen, nicht aus Bosheit, sondern wegen der Unwis senheit der Leute, für die er die in den Gemeinden fungierenden Lehrer verantwortlich machte. Er traf daher die Anordnung, dass kein Gesetzeslehrer ein Lehramt bekleiden oder irgendeine gesetzliche Entscheidung treffen dürfe, wenn er die Autorisation hierzu von ihm nicht erhalten habe. Die Gemeinden billigten vollständig dies Vorgehen und wollten nur durch ihn ihre Beamten, Lehrer usw. empfohlen haben. So wurden ihm die Ernennungen der Jünger zu Richtern, Gesetzes- und Volkslehrern übertragen, die durch eine Arte Promotion dafür reif und geweiht erklärt wurden. So wandte sich an ihn die Gemeinde Simonias, südlich von Sephoris, er sollte ihnen einen Mann senden mit den Fähigkeiten, öffentliche Vorträge zu halten, in Rechtssachen zu entscheiden, die Aufsicht über die Synagoge zu führen, die Jugend zu unterrichten, Aktenstücke anzufertigen und überhaupt alle höheren Gemeindebedürfnisse zu besorgen. Er sandte ihnen seinen Jünger Levi ben Sissi. Solche Autorisationserteilungen an seine Jünger, mit denen meistenteils ihre sofortige Ernennung zu Gesetzeslehrern und Richtern mit verbunden war, bildeten eine zweite Abteilung seiner patriarchalischen Tätigkeit, die ihm Autorisationen als Lehrer und Richter seine Jünger Rabha bar bar Chana, ebenso Abba Areka, beide aus Babylonien; ferner: Levi ben Sissi u. a. m. Dagegen versagte er die Autorisation an Samuel, der später nächst seiner Tätigkeit als Gesetzeslehrer auch als Arzt und Astronom berühmt war; ferner an Simon bar Kappara und Chama ben Chanina. Der Grund hiervon wird nicht angegeben. Von letzterem wissen wir, dass es eins der Hauptpunkte seines Testaments an den ihm ins Patriarchat folgenden Sohn Gamliel war, letzterem die Autorisation als Lehrer und Richter zu erteilen. Bei dem von ihm zurückgesetzten Samuel suchte er sich in seiner Krankheit, als er ihn um ein Heilmittel anging, wegen seines Verfahrens gegen ihn zu entschuldigen. Dieser jedoch entgegnete ihm voll bitterer Ironie: »So steht es ja im Buche Adams verzeichnet: Samuel soll ein Weiser, aber kein Rabbi sein, damit deine Krankheit durch mich gehoben werde.. Nur bei Bar Kappara könnte als Grund sein vermessener Scherz gegen die Patriarchenwürde angegeben werden, wie er den Schwiegersohn des Patriarchen, den Bar Elasa, beim Mahl an seinem Hochzeitstage ein von ihm angefertigtes Rätsel vortragen ließ, das die Bloßstellung des Patriarchats zum Gegenstand hatte. Die ihm im Zorn zugerufenen Worte des Patriarchen: »Ich kenne dich nicht als Lehrer (Alten)!« mögen wohl später in der Verweigerung der Autorisation an ihn ihre Verwirklichung gefunden haben. Andere ihn ganz überraschende Beleidigungen hatte er von seinen Jüngern R. Chia und seinen Söhnen zu erdulden. R. Chia war einer seiner Lieblingsjünger, den er hoch schätzte und den er nicht anders als »mein Rat aus der Ferne« nannte, und als einen großen Gelehrten bezeichnete (Midr. r. 1. M. Absch. 33), aber dieser konnte sich gegen ihn nicht eines heimlichen Grolles erwähren. R. Juda I. verbot das Abhalten öffentlicher Vorträge im Freien, um den Römern jede Gelegenheit zu einer verdächtigenden Verleumdung zu nehmen. R. Chia handelte dagegen, und R. Juda musste ihn mit dem Nesiphabann (Bann) bestrafen. Ein anderes Mal äußerte der Patriarch vor ihm: »Alles könnte ich tun, nur nicht das, was die Söhne Bathyras getan, auf ihre Nassiwürde zu verzichten. Käme Rab Huna, der Exilarch aus Babylonien, der wegen seiner Abstammung vom Davidischen Hause in männlicher Linie mir, der ich von der weibliche Linie abstamme, vorzuziehen wäre, so würde ich ihm allenfalls den Vorsitz einräumen.« R. Chia merkte sich dies. Als darauf Rab Huna starb und seine Leiche nach Palästina zur Beerdigung gebracht wurde, benachrichtigte er davon den Patriarchen, aber in Erinnerung auf seine frühere Äußerung in zweideutiger Weise: »Rab Huna ist dal. R. Juda erschrak, sein Gesicht erblasste. Da fügte er rasch hinzu: »Sein Sarg!« Der Patriarch konnte ihm diesen Scherz nicht vergessen, verwies ihn aus dem Hause, was er als eine abermalige Strafverhängung des Nesiphabannes, einer 30-tägigen Zurückgezogenheit, über sich betrachtete. Schärfer noch lauteten die von dessen Söhnen gegen ihn gerichteten Worte. Bei einem Gastmahl forderte der Patriarch in heiterer Laune sie zu einem Spruch auf. Diese sagten: »Der Messias wird nicht frührer kommen, bis die zwei Fürstenhäuser in Israel, das Patriarchat in Palästina und das Exilarchat in Babylonien geschwunden sein werden! « Den Grund dieser Ausfälle gegen ihn haben wir vielleicht in der Hochhaltung und Behauptung seiner Autorität gegenüber seinen Kollegen und Jüngern, was er auch seinem in das Patriarchat folgenden Sohn Gamliel empfohlen hatte. Die Zerfahrenheit und Zerrüttung der jüdischen Verhältnisse nach dem barkochbaischen Aufstande und später in den Jahren der hadrianischen Religionsverfolgungsedikte zwangen ihn, sein Patriarchat als eine achtungsgebietende Macht hinzustellen, wenn es in seinen Bestrebungen irgendein wirksames Resultat erzielen sollte. Wie sehr er die gegen ihn herrschende Stimmung seiner Kollegen und Jünger kannte und sie darüber zu Rede stellte, darüber hier noch einige Beispiele. Bei einem Mahle, zu dem er seine Jünger eingeladen hatte, wurden Zungen, hart- und weichgekochte, vorgesetzt. Die Jünger suchten die weicheren Stücke heraus und ließen die harten unberührt. Da erhob sich der Patriarch und sprach zu ihnen: »Sehet Ihr, was Ihr tut, Ihr sucht die weichen Stücke der Zunge aus und lasst die harten, so mögen eure Zungen, eure Rede, weich, sanft und nachsichtsvoll sein!» Ein anderes Mal rief er ihnen zu: »Nicht umsonst hat der Priestersegen zu seinem letzten Worte >Friede!, das mahnt uns für den Frieden in der Thora, bei ihrem Vortrage.. Andererseits war es die freiere Richtung in Bezug auf manche religiöse Zeremonie, die in seinem Hause, wie schon oben bemerkt wurde, herrschte und ihm die Frommen, die Männer der chassidäisch-pharisäischen Richtung, zu Feinden machte. So wird uns erzählt, dass seit der Zeit, dass im Hause der Patriarchen Maultiere, bekanntlich eine Mischgattung von Eseln und Pferden, gehalten wurden, derr fromme R. Pinchas ben Jair das Patriarchenhaus zu betreten vermied. Doch hatte er auch treue Jünger, die an ihm in voller Verehrung hingen. Hierher gehören: Abba aus Areka, Rabh genannt, R. Chanina b. Chama, R. Ephes u. a. m. Zum Schluss nennen wir noch das dritte Hauptwerk seiner Tätigkeit, die Sammlung, Ordnung, Zusammenstellung und Redaktion der seit Jahrhunderten von Lehrern auf Lehrer mündlich übergegangenen Halachoth, aus der unsere heutige Mischna in ihren sechs Abteilungen und 62 Traktaten hervorgegangen, über welche wir auf den Artikel: »Mischna» verweisen. So erreichte durch ihn der größte Teil der Halacha seinen Abschluss; er hat damit das schon von seinem Ahn Gamliel II. begonnene Werk der Sonderung und Feststellung des Halachastoffes glücklich vollendet.
IV. Hauswesen, Familie, Ansehen, freundliche Beziehungen zum Kaiser Markus Aurelius Antonius (Antoninus), Reichtum, Wohltätigkeit. Das Hauswesen des Patriarchen stand im Ruhm seiner Bildung. Die griechische und die rein hebräische Sprache fanden da ihre Pflege und Vertretung. Gleich seinen Ahnen verstand und liebte er die griechische Sprache, aber war nicht desto weniger bemüht um die Pflege der hebräischen, die in seinem Hause in ihrer Reinheit gekannt und gesprochen wurde. Von seiner Dienerschaft nennen wir die treuen Jose aus Phaeno im Trachonitischen und Simon ben Parther, beide werden von ihm im Testament genannt: »Sie haben mich beim Leben bedient, sie sollen sich mit mir nach dem Tode beschäftigen.« Ferner wird eine Magd aus seinem Hause namhaft gemacht, die des Hebräischen meisterhaft kundig war und oft Aufklärungen über die Bedeutung von hebräischen Ausdrücken in der Schrift gab. Zu seiner Familie gehörten zwei Söhne, Gamliel und Simon und eine Tochter, die an den reichen Bar Elasa verheiratet war. Im späteren Alter wollte er noch die Witwe des Eleasar Sohn Simons b. J. heiraten; er stellte ihr den Antrag, aber sie wies denselben in verletzenden Ausdrücken zurück: »Das Gefäß, das zu Heiligen gebraucht wurde, darf für Profanes nicht entwürdigt werden!« Es war dies eine Äußerung ihres bitteren Gefühls wegen der Feindschaft des Patriarchen gegen ihren Mann, dem er harte Verweise über sein Vorgehen gegen jüdische Freibeuter gab. Sonst stand unser Patriarch in hoher Achtung, er war ein würdiger Vertreter des Judentums nach innen und außen. Noch spätere Lehrer bekräftigten dies durch den Ausspruch: »Von den Tagen Moses bis auf Rabbi (R. Juda I.) ward die Gelehrsamkeit und Würde nicht vereint angetroffen.« Die talmudischen Quellen sprechen von seinen freundlichen Beziehungen zu einem Kaiser Antoninus, den wir mit anderen für den Kaiser Markus Aurelius Antonius halten. Hierzu kam sein großer Reichtum, von dem er wenig genoss, aber desto mehr zu Wohltätigkeit verwendete. »Die Viehställe R. Judas«, sprach man, »sind mehr wert als die Schatzkammern des persischen Königs Schabor. « Der Unterhalt seiner Jünger und so vieler Tausende des Volkes war durch ihn gesichert.
V. Krankheit, Testament, Tod, Leichenfolge, Beerdigung, Trauer. R. Juda I. war von nur schwächlicher Körperkonstitution. Er wählte deshalb später Sephoris, wegen seiner frischen Bergluft, zu seinem Wohnort. 17 Jahre, gleich Jakob im Gosen, wohnte er daselbst, von denen er 13 Jahre lang an Zahnschmerzen litt. Früher schon berichteten wir von seinem Augenleiden, um dessen Heilung er den Lehrer und Arzt Samuel in Babylonien konsultierte. Er fühlte sein Ende nahe, ließ die Seinigen vor sich treten und äußerte ihnen seinen letzten Willen. Nach demselben sollte seine Witwe weiter im Hause verbleiben;. verbot er, über ihn in den Städten Trauerreden zu halten, bestimmte er seinen schon genannten Diener, sich mit seiner Leiche zu beschäftigen, dieselbe nicht in viel Leichengewänder zu hüllen, den Sarg mit ihr in die Erde zu versenken u. a. m. In Bezug auf die Patriarchenwürde setze er seinen Sohn Gamliel zum Patriarchen, Nassi, ein, den andren, Simon, zum Chacham, Weisen, und seinen Jünger Chanina bar Chama zum Vorsitzenden. Letzterer hat diese Würde an den älteren Jünger R. Ephes abgetreten. Darauf erfolgten noch einige Vermahnungen an seine Söhne mit den Anweisungen über ihre Amtsführung und Behauptung ihrer Würde. Eine vielfach angefeindete Mahnung von ihm lautete: »Führe dein Nassiamt mit Würde und wirf Galle unter die Jünger! «, was mit anderen Worten heißt: »Wahre deine Würde!. Er starb im J. 194 n. Die Trauer um ihn war allgemein, die Bestürzung groß. Keiner wagte öffentlich von dem Tode des Patriarchen zu sprechen. Da trat Bar Kappara vor die versammelte Menge und trug den Spruch: »Engel und Menschen rangen um die Bundeslade, die Engel siegten und die Bundeslade ist nicht mehr!. Das Volk rief darauf im Schmerze ihm zu: »Er ist tot!. Bar Kappara antwortete: »Ihr habts gesagt! « Das Wehklagen ward immer lauter und die Sage fügt hinzu, dass man es in Gabatta hörte. Es war am Freitag, zahlreich fand sich das Landvolk in Sephoris ein, das sich dem Leichenzug von Sephoris nach Bethschearim anschloss. Zu der Beschäftigung mit der Leiche wurden auch Priester zugelassen; man rief aus: »Keine Priesterheiligkeit heute! « Die Würdigung seines tatenreichen Lebens sowie seines Einflusses nach außen spricht sich in den Sätzen aus: »Da Rabbi (R. Juda I.) tot war, hörte die Demut auf, die Gottesfurcht war geschwunden und Leiden verdoppelten sich.« »Wer Rabbi (R. Juda I.) im Traum sieht, hoffe auf Weisheit!« »Sollte der Messias von dem Lebenden sein, so müsste er Rabbi, R. Juda I., ähnlich sein..
VI. Agadische Lehren. Wir bringen jetzt noch seine agadischen Lehren, die er bei verschiedenen Gelegenheiten vortrug. Dieselben haben zu ihren Thema: die Kindererziehung, die Religion und ihre Gebote, das Gebet, das Gewerbe, die Geselligkeit und der Umgang, die Sittlichkeit und die Vergeltung.
a. Kinder, Kindererziehung, Schulen. Kinder betrachtete er als ein Glück der Eltern, aber nur männlichen Geschlechts. »Die Welt«, sprach er, »kann weder ohne Männer, noch ohne Frauen existieren, wohl dem, dessen Kinder dem männlichen Geschlecht angehören, wehe dem, der nur Kinder weiblichen Geschlechts hat. « Ihre Bildung in Schulen empfiehlt er aufs Nachdruckvollste. »Die Welt besteht nur durch den Hauch der Kinder in der Schule.. »Man störe nicht die Kinder vom Unterrichte, auch nicht, wenn es dem Wiederaufbau des Tempels gelten sollte.«
b. Religion, ihre Gebote, das Gebet. Hierher gehören seine Lehren: »Betrachte drei Gegenstände und du kommst nicht zur Sünde: wisse, was über dir sei, ein Auge, welches sieht; ein Ohr, welches hört, und dass alle deine Handlungen ins Buch geschrieben werden.« «Achte das geringe Gebot gleich dem Wichtigen, denn du kennst nicht den Lohn der Gebote. Rechne immer den Verlust bei Nichtvollziehung eines Gebotes nach dem Lohn auf dessen Vollziehung.« «Alle Sünden werden am Versöhnungstage vergeben, aber nicht die der Verwerfung des Gesetzes, der ketzerischen Gesetzesdeutung und der Zerstörung des Bündnisses der Beschneidung. « Wir erkennen in letzterem eine Verwahrung gegen das Christentum. Hierher rechnen wir noch einen anderen Ausspruch von ihm: »Groß ist die Vollziehung der Beschneidung, denn Abraham wurde nicht früher >vollkommen< genannt, bis er sich beschnitten hatte. Bei den Speisegesetzen werden bei dem Geflügel die unreinen Gattungen und bei dem Vieh die reinen aufgezählt, weil diese in bei- den mehr als die anderen sind.. Sein Gebet war immer kurz, aber andachtsvoll; oft nur der erste Vers des Schemagebets: »Höre Israel, der Herr unser Gott ist der Herr der Eine!. Ebenso sollen die wenigen Worte: »Gott, du scheidest zwischen dem Heiligen und dem Unheiligen«, sein Gebet am Aus gange des Shabbaths und Fests gewesen sein.
c. Das Gewerbe. «Verpflichtet ist der Mensch, seinen Sohn in Sitte und Bildung des Landes unterrichten zu lassen.« In der Wahl eines Gewerbes empfiehlt er, sich ein reines zu wählen.
d. Geselligkeit, Umgang. Seine Lehrsätze darüber waren: »Man mehre nicht die Genossen in seinem Hause. « »Welches ist der Weg, den der Mensch sich zu wählen habe? Derjenige, welcher ihm und den anderen Menschen zum Ruhm gereicht.« So lautete sein tägliches Schlussgebet: »Mögest du mich, Herr, heute und immer bewahren, vor Menschen von frecher Lebensweise, vor schlechten Leuten und bösem Nachbar. «
Zeit des frommen Wandels, Zukunft, Vergeltung. »Zu jeder Zeit seien deine Kleider weiß (rein) und das Öl fehle nie auf deinem Haupte« (Koheleth 9. 8.), diese Mahnung, die schon von dem Lehrer R. Jochanan b. S. allegorisch ausgelegt und auf das stete Leben in Tugend und Gottesfurcht bezogen wurde, versteht unser Patriarch durch folgendes Gleichnis deutlicher vor die Seele zu führen. «Ein König«, sprach er, «veranstaltete ein Mahl und ließ zu demselben Gäste einladen. Er bestimmte ihnen nicht die Zeit des Mahles, aber er beauftragte sie, sich mit allem vorbereitet zu halten. Da gab es unter diesen Kluge, welche ihre Vorbereitung sofort trafen, denn, meinen sie, einem Könige fehle nichts; wir müssen stündlich auf seinen Ruf gewärtig sein. Aber die anderen sprachen: >Es gibt kein Mahl ohne frühere Vorrichtung. Mit unserer Vorbereitung haben wir Zeit, wenn wir dieselbe sehen werden.< Da geschah es, dass sie alle plötzlich zum Mahle abgeholt wurden. Erstere freuten sich ihrer Vorsicht, sie traten vorbereitet in reinem Gewand vor den König und wurden zum Mahl zugelassen, aber letztere standen unvorbereitet, in schmutzigen Kleidern da. Als Strafe sollten sie dableiben und zusehen, wie die anderen sich des Mahles freuen. So«, schloss er, »wird es in der Zukunft sein, denn also heißt es: Nun werden meine Diener genießen, aber ihr werdet hungern.« (Jesaja 61 ).