Der Schulchan Aruch in deutsch ist hier erhältlich

Kalender

Posted 6 yrs ago

I. Name und Bedeutung. Die Wis­senschaft des jüdischen Kalenderwe­sens hat eine Menge von Benennungen und Kunstausdrücken zur Bezeichnung ihrer Resultate in den verschiedenen Teilen und Zweigen desselben. Es ist daher von nicht geringem Nutzen zur Erleichterung der Kunde des Kalender­wesens, sich von vornherein mit den­selben bekannt zu machen. Da sie den verschiedenen Teilen dieser Disziplin angehören, so gewähren sie in ihrer Zusammenstellung zugleich eine Über­sicht, gleichsam ein Gesamtbild des ganzen Kalenderwesens. Der Name »Kalender«, lateinisch »calendae«, be­zeichnete im römischen Altertum den Monatsanfang, ein Ausdruck, der auch im Talmud als eine allgemeine Benen­ nung der heidnischen römischen Feste vorkommt. Dagegen ist derselbe im jü­dischen Schrifttum nach seinem späte­ren und in unserem Sinne als Bezeich­nung der kalendarischen Einteilung der Zeit in Jahre, Monate, Wochen, Tage, Tageszeiten, Fest- und- Feiertage etc. nach dem Sonnen- und Mondlauf nicht gebräuchlich. Die älteste Benennung dafür ist: »Monatsbestimmung«, Ke­buitha de jarcha; später »Neumonds­heiligung«, Kiddusch hachodesch, ge­nauer: Kiddusch hachodesch al pi rëijah, »Neumondsbestimmung« auf Grund der Beobachtung der Neu­mondsichel und Kiddusch hachodesch al pi cheschbon, Neumondsbestim­mung nach der Kalenderrechnung. Als Lehre und Disziplin: Jediah bekebiutha de jarcha, Kenntnis der Neumondsbe­stimmung; auch: Halachoth Kiddusch hachodesch, »Normen, Gesetze für die Bestimmung des Monats, Neumonds«; allerdings Bezeichnungen, die sich zu­nächst nur auf einen Teil des Kalender­wesens beziehen, aber auch das Ge­samtwesen des Kalenders angeben sollen. Ein zweiter Name ist; Ibbura, oder Ibronoth, »Einschaltungen«, mit der näheren Angabe: Ibbar hacho­desch, Einschaltung (eines Tages) bei Monaten; Ibbar haschana, Einschal­tung bei Jahren (eines Monats), Benen­nungen, die uns schon in das Kalender­wesen einführen, wovon bekanntlich ein Teil von den Gesetzen der Einschal­tung eines (des 30.) Monatstages und der Einschaltung eines Jahresmonats (des 12.) handelt. Die Lehre, sowie der Rat (der engere) zur Kalenderbestim­mung heißt: Sod haibbur, wörtlich: Ge­heime Lehre, auch »Geheimer Rat zur Einschaltung«. Eine dritte, dem lateini­schen »calendae« nachgebildete Be­zeichnung, ist die aus dem dritten Jahr­hundert n.: Seder moadoth, »Festreihe, Festezyklus, Festordnung, Festbestim­mung«. Erst im Mittelalter kommt all­mählich der heute übliche neuhebräi­sche Name: Luach, Kalender (eigentlich Kalendertafel), bei den Gelehrten zur Aufnahme. Von den anderen hierher gehörenden Namen, die in den ver­schiedenen Teilen des Kalenderwesens vorkommen, erwähnen wir:

a. Molad, Mondverjüngung, wo der Mond seine Konjunktion, d. h. seine gerade Stellung zwischen der Sonne und der Erde verlässt und seine erleuchtete Seite der Erde zuwendet.

b. Tekupha, Wende, Jahreswende, Quatember, deren es vier zu 91 Tagen und 7 ½ Stunden gibt. Dieselben be­zeichneten die vier Momente, in denen die Sonne in die Äquinoktien und Sols­titien tritt, deutlicher, wenn sie angeb­lich die vier Punkte auf ihrer Bahn er­reicht und ihren Lauf ändert, oder wenn die Erde der Sonne gegenüber steht: 1. im Zeichen des Widders; 2. im Zeichen des Krebses; 3. im Zeichen der Waage und 4. im Zeichen des Stein­bocks. Von diesen heißt und ist die erste Zeit: Thekuphath Nissan, Wende des Monats Nissan (April), die Früh­lingszeit; die Zweite: Thekuphath Ta- mus, Wende des Monats Tamus (Juli), die Sommerzeit; die Dritte: Theku­phath Tischri, Wende des Monats Tischri (Oktober) und die Vierte: The­kuphath Tebet, Wende des Monats Te-bet (Januar).

c. I. Thekuphath de mar Samuel, die Wende, das Sonnenjahr nach Mar Samuel, der es auf 365 Tage und 6 Stunden berechnete; 2. Thekuphath de Rab Adda, die Wende, das Sonnenjahr nach Rab Adda, der es auf 365 Tage, 5 Stunden, 55 Minuten und 25 25/57 Se­kunden (oder 997 Teile, Chalakim, und 48 Augenblicke, deren 76 auf ei­nen Teil, chelek, kommen) berechnete.

d. Moled saken, alter Moled, Name des Moled (siehe oben), der in oder nach der achtzehnten Tagesstunde, d. h. nach zwölf Uhr Mittags erfolgt; er heißt alt, weil er nicht vor sechs Uhr abends desselben Tages sichtbar wird und daher zu dem folgenden Tag ge­hört.

e. Jithron hamoled, der Überschuss in der Berechnung der Zeit des Neu­mondseintrittes, d.i. der Betrag von Ta­gen und Stunden des späteren Neu­mondseintrittes nach den abgelaufenen 4 Wochen = 28 Tagen. Derselbe be­trägt, da der Monat zu 29 Tagen, 12 Stunden und 793 Teilen gerechnet wird, 1 Tag, 12 Stunden und 793 Teile = 44 Minuten 3 1/3 Sekunden.

f. Jithron hachama, Überschuss des Sonnenjahres, eine Bezeichnung für die Summe von 10 Tagen, 21 Stunden und 204 Teile, um die das Sonnenjahr (gerechnet zu 365 Tagen, 6 Stunden) das Mondjahr (gerechnet zu 354 Tagen, 8 Stunden und 876 Teilen) übersteigt.

g. Machsor Katan, der kleine Zy­klus des Mondes, nämlich der neun­zehnjährige Zyklus, wo neunzehn Mondjahre, zu denen sieben Schalt­jahre gehören, neunzehn Sonnenjahren bis auf einen kleinen Rest gleich sind.

h. Machsor gadol lechama, der große Sonnenzyklus von achtundzwan­zig Jahren, wo die Sonne nach achtund­zwanzig Jahren wieder an denselben Punkt gelangt, wo sie vor achtund­zwanzig Jahren ihren Ausgang genom­men.

II. Wesen, Teile, Gesetze, Normen, Prinzip und System. Die jüdische Ka­lenderberechnung oder die Kalender­wissenschaft, wie sie als Nebenzweig der Astronomie im Judentum sich ent­wickelt hat, hat drei Hauptepochen: die biblische, die talmudische und die nachtalmudische, nach denen sie un­terschieden werden muss. Wir haben ein biblisches, ein talmudisches und ein nachtalmudisches Kalenderwesen oder eine biblische, eine talmudische und eine nachtalmudische Kalenderbestim­mung. Die unterscheidenden Merk­male derselben sind, dass die erste auf die Wahrnehmung, die Beobachtung der Neumondsichel und des Sonnen­standes, die Zweite auf die Wahrneh­mung und die Berechnung und die Dritte auf die Berechnung allein sich gründet. Das Kalenderwesen hat daher eine aufsteigende Entwicklung, von der sinnlichen Wahrnehmung zur freien Gedankenarbeit oder zur unabhängi­gen Geistestätigkeit genommen. Es be­schäftigt sich mit der Zeiteinteilung nach Jahren, Monaten, Wochen, Tagen und Stunden; mit der Bestimmung der Feste und der Jahres- oder Zeitrech­nung. Seine Teile sind: a. die Zeitbe­stimmung oder die Zeiteinteilung in Tage und Stunden; b. die Monats- und Neumondsfeststellung; c. die Jahres-und Schaltjahresberechnung und d. die Angabe der Fest- und Feiertage.

a. die Zeitbestimmung oder die Zeiteinteilung in Tage und Stunden. Die Dauer des Kalendertages war in der biblischen und nachbiblischen Zeit gleich von Abend bis Abend; sie be­trägt vierundzwanzig Stunden, von sechs Uhr des einen Abends bis sechs Uhr des anderen. Eine weitere Eintei­lung ist in Tag und Nacht. Von dieser wird jede ohne Rücksicht auf die Brei­tegrade und die Jahreszeit, in rein as­tronomischem Interesse, auf 12 Stun­den bestimmt, und zwar wird die Nacht von sechs Uhr abends bis sechs Uhr morgens und der Tag von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends ge­rechnet. Die Stunde wurde in späterer Zeit, ungewiss, ob schon in der talmu­dischen, in 1080 Teile (chelakim), von denen jeder Teil = 3 1/3 Sekunden ist, geteilt. Jeder Teil zerfällt wieder in 76 Augenblicke (regaim).

b. Die Monats- oder Neumonds­feststellung. Dieselbe wurde in der bib­lischen Zeit auf Grund der Beobachtung der Neumondssichel bestimmt. Wurde am Ende des Monats, etwa am neunundzwanzigsten Tage, die Mond­sichel gesehen, hielt man den folgenden Tag, den dreißigsten Monatstag, als Neumond; er war der erste Tage des neuen Monats. Aber wie geschah es, wenn bei stark bewölktem Himmel die Mondsichel nicht gesehen werden konnte? In der nachbiblischen Zeit veranstaltete man in diesem Falle zwei Neumondstage, am dreißigsten und einunddreißigsten Monatstag, von dem der Zweite als der erste Tag des neuen Monats galt. Doch geht aus 1. S. 20. 27. hervor, dass man auch schon in der biblischen Zeit zwei Neumondstage hielt. Der Monat hieß: »Chodesch«, »Erneuerung«, auch: Jerach von Jare-ach, so dass beide Namen schon das Charakteristische des biblischen Ka­lenders, die Rechnung nach Mondmo­naten und Mondjahren ausdrücken. Weiter wurden zwölf Monate auf das Jahr gerechnet. Von den Namen dersel­ben kommen in dem biblischen Schrift-tum vor: 1. Bul oder Ethanim, Regen­flut (Oktober); 2. Abib, Ährenmonat (April) und 3. Siv, Glanzmonat (Mai). Dagegen die biblischen Schriften der nachstaatlichen Zeit schon die in spä­terer Zeit üblichen Monatsnamen: Nis­san, Ijar, Sivan, Tamus, Ab, Elul, Tischri, Cheschvan, Kislev, Tebet, Schabat und Adar, von denen der erste Monat »Nissan. und der letzte »Adar« ist. Im Schaltjahr (siehe weiter) trat eine Verdoppelung des letzten Monats ein, sodass der zwölfte Monat »Adar I» und der dreizehnte »Adar II« hieß. Das Nähere über die Herkunft und die Bedeutung dieser Namen bringt der dritte Teil dieses Artikels. In der nach­staatlichen Zeit nahm die Neumonds­bestimmung einen amtlichen Charak­ter an. Der Gerichtshof zu Jerusalem (das Synhedrion), später auch in den anderen Städten, wo derselbe sich be­fand, ordnete dieselbe auf Grund der Aussage von Zeugen, dass sie den neunundzwanzigsten Monatstag die wider-erschienene Neumondssichel ge­sehen, in folgender, feierlichster Weise an. Das Kollegium bestand aus den vor­her für diese Sitzung bestimmten Män­nern, alle anderen waren davon ausge­schlossen. Am neunundzwanzigsten Tag jedes Monats trat das so vorher be­stimmte Synedrialskollegium unter dem Vorsitz des Patriarchen (Nassi) oder dessen Stellvertreters, des Gerichtspräsi­denten (Abbethdin), zusammen und er­wartete die Zeugen über die gesehene Neumondserscheinung. Erschienen dieselben und wurde ihre Aussage nach vorheriger Prüfung derselben richtig befunden, betrachtete man den drei­ßigsten Tag als den Neumond, den ers­ten Tag des neuen Monats, dagegen hielt man im Nichtfalle auch den drei­ßigsten Tag als noch zum alten Monat gehörig und der Neumond war der fol­gende Tag, der einunddreißigste Mo­natstag. Zur Zeugenaussage wurde erst jeder zugelassen, aber nach späterer Bestimmung konnte dieselbe nur von unbescholtenen Männern angenom­men werden. Das Zeugenverhör wurde ausschließlich von dem Vorsitzenden vorgenommen, der in späterer Zeit eine Tafel mit den Abbildungen verschie­dener Mondphasen hatte, nach denen die Zeugen ihre Aussagen genau be­stimmen sollten. Die Formel für die Neumondsbestimmung war: Der Vor­sitzende trat hervor und sprach: »Der Neumond sei geheiligt! «, worauf die Anwesenden riefen: »Er ist geheiligt! Er ist geheiligt!« Den Auswärtigen, d. h. den jüdischen Bewohnern der an­deren Städte und Ortschaften Palästi­nas, Syriens und Babyloniens wurde die getroffene Neumondsbestimmung teils durch Boten, teils durch Feuersig­nale (Bergfeuer) verkündet. In den Ort­schaften, wohin diese Neumondsan­zeige nicht gelangte, wurden statt eines Neumondstages zwei Neumondstage (den dreißigsten und einunddreißigsten Monatstag) gehalten, sodass der Zweite als erster Tag des neuen Mo­nats galt. Doch war es nicht die Wahr­nehmung allein, auf die man sich ver­ließ; vielmehr hatte das Synhedrion damals schon gewisse Kalenderregeln und Berechnungsnormen, nach denen sie die Zeugenaussagen prüften und dieselbe in Übereinstimmung zu brin­gen suchten. Solche Kalenderregeln waren: 1. »Die Erneuerung des Mondes kann nicht vor 29 ½ Tage und 2/3 Stunden geschehen«; 2. »Der Neu­mond nimmt bald einen kürzeren, bald einen längeren Weg«, d. h. die Zeit von der Konjunktion bis zum Wiederer­scheinen des Mondes ist unbestimmt; der Mond kann am Morgen des neun­undzwanzigsten oder am Abend des­selben Tages gesehen werden; 3. »Kennt man die Eintrittszeit des Neu­monds nicht, so halte man einen Mo­nat vollzählig (von dreißig Tagen) und den anderen für nicht vollzählig (von neunundzwanzig Tagen)«; 4. »Die vollzähligen Monate sollen nicht weni­ger als vier und nicht mehr als acht sein, sodass das Mondjahr nicht klei­ner als 352. Tage und nicht größer als 356 Tage werde«; 5. »Die zwei Monate Elul und Adar, die Monate vor den Festen, sollen immer zu neunundzwan­zig Tagen gezählt werden« u. a. m. In der nachtalmudischen Zeit trat eine bedeutende Änderung ein. Die Neu­mondsbestimmung aufgrund der Neu­mondsbeobachtung hörte ganz auf; es wurde ein fester Kalender eingeführt, wo die Neumonde nach kalendarischer Berechnung bestimmt wurden. Die Normen dafür waren die oben schon Genannten, dass die Monate abwech­selnd, der eine zu neunundzwanzig Ta­gen und der andere zu dreißig Tagen, gerechnet wurden, von denen dieser vollzählig und jener mangelhaft hieß. Die vollzähligen Monate (zu dreißig Tagen) sind: Nissan, Sivan, Ab, Tischri, Kislev und Schabat; dagegen die man­gelhaften (zu neunundzwanzig Tagen): Ijar, Tamus, Elul, Cheschvan, Tebet und Adar. In Schaltjahren (siehe wei­ter), wo der letzte Monat verdoppelt wurde, zählte Adar I. dreißig Tage, der als der eingeschobenen Monat galt, aber Adar II. nur neunundzwanzig Tage. Eine Unregelmäßigkeit trat je­doch bei den Monaten Cheschvan und Kislev ein, die man in Betracht der zu bestimmenden Tage für das Neujahrs­fest (siehe weiter über die Feste), ent­weder beide zu neunundzwanzig oder beide zu dreißig Tagen, aber auch den einen zu neunundzwanzig Tagen und den anderen zu dreißig Tagen rechnete. Eine andere Neuerung war, dass ein für alle Mal der dreißigste Monatstag als der Neumondstag gehalten wurde. So hatte man bei den Monaten von neun­undzwanzig Tagen zwei Neumonds-tage, den dreißigsten und einunddrei­ßigsten, von denen jedoch nur der zweite Neumondstag als der erste Tag des neuen Monats betrachtet wurde. Der Monatsanfang trat genauer schon früher, mit dem Augenblick ein, wo der Mond die Konjunktion, d. h. die gerade Stellung zwischen der Sonne und der Erde verlässt und seine er­leuchtete Seite der Erde zuwendet; es ist dies der Akt, der im jüdischen Ka­lender »Moled«, Neumondswiederge­burt, novilumen, heißt und dessen Dauer bis zum nächsten Moled auf 29 Tage, 12. Stunden und 793 Teile (eine Stunde hat 1080 Teile) = 29 Tage, 12. Stunden, 44 Minuten und 3 1/3 Sekun­den berechnet wird. Da man jedoch nicht den Monat zu halben, sondern zu ganzen Tagen zählt, so wird der Rest von zwei Monaten = 2 x 12 Stunden, 44 Minuten 3 1/3 Sekunden zu einem Tage vereinigt und einem Monat zuge­rechnet, was zur Folge hat, dass ab­wechselnd der eine Monat dreißig Tage und der andre neunundzwanzig Tage, laut obiger Angabe, zu stehen kommt. Einen Hauptteil darin bildet die Mo­ledberechnung, d. h. die genaue An­gabe des Eintrittes des Moleds des nächsten Monats. Dieselbe findet man, wenn man die Zeit des erfolgten Mo­ledseintrittes des laufenden Monats kennt und zu derselben die angegebene Dauer von 29 Tagen, 12 Stunden, 44 Minuten 3 1/3 Sekunden hinzuzählt. Ein kürzeres Verfahren ist, wenn man den Überschuss der Monatslänge von vier Wochen oder von 28 Tagen = 1 Tag, 12 Stunden, 793 Teile zu dem an­gegebenen Datum des gekannten Mo­ledseintrittes addiert. So z. B. wenn die Moledszeit

2 Tage, 5 Stunden, 204 Teile

gewesen, so wird zuaddiert

1Tag, 12 Stunden, 793 Teile,

3 Tage, 17 Stunden, 997 Teile.

Es fällt die Moledszeit auf den drit­ten Tag, die siebzehnte Stunde und 793 Teile. Dagegen war es schwieriger, den Moledseintritt eines Monats aus ver­gangenen Jahren zu berechnen. Man muss zum Auffinden desselben den entgegengesetzten Weg einschlagen und zwar eine rückbewegende Rech­ung, nicht eine Addition, sondern einer Subtraktion der angegebenen Monatsdauer vornehmen. So fand man, dass der erste Moledseintritt bei der Schöp­fung (nach der Annahme, dass sie im Monat Tischri vor sich gegangen) den zweiten Tag, d. h. den Abend von Sonn­tag nach Montag in der fünften Stunde 204 Chalakim (1080 Chalakim auf eine Stunde gerechnet) stattgefunden hat, wobei man sich die erste Stunde die von sechs bis sieben Uhr abends zu den­ken hat. Man hat für die Angabe dieses Datums den Kunstausdruck »Bhrd«, hebr. ד«ר«ה«ב, von dem das ב= 2 den zweiten Tag, das ה = 5 die fünfte Stunde; das רד = 204 die 204 Chalakim bedeutete. Mit Hilfe dieses Da­tums wird es leicht, den Moled jedes beliebigen Monats eines vergangenen Jahres zu berechnen.

c. die Jahres- u. Schaltjahresberech­nung. Das jüdische Kalenderjahr ist das Mondjahr von 354 — 355 Tagen, genauer von 354 Tagen, 8 Stunden, 48 Minuten und 38 Sekunden. Dieses Mondjahr ist jedoch kein freies, son­dern ein gebundenes, d. h. ein ans Son­nenjahr gebundenes. Es musste zur Bestimmung der Feste auch das Son­nenjahr berücksichtigt werden. Das­selbe beträgt: 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 47 Sekunden, oder nach einer anderen weniger genaueren An­gabe 365 Tage und 6 Stunden. Die Be­rücksichtigung desselben erforderte die Einschaltung eines Monats nach je zwei bis drei Jahren (siehe weiter); das Jahr hieß alsdann ein Schaltjahr, heb­räisch Schana meubereth, dem gegenü­ ber das gewöhnliche Jahr »das einfache oder das gemeine Jahr«, hebräisch: schana peschuta, genannt wurde. Das gewöhnliche Jahr hatte zwölf Monate von je neunundzwanzig oder dreißig Tagen, so dass dasselbe 353, 354 oder 355 Tage zählte (s. weiter), dagegen hatte das Schaltjahr dreizehn Monate, die zusammen 383, 384 oder 385 Tage ausmachten. Man kannte überhaupt in der nachtalmudischen Kalenderberech­nung drei verschiedene Jahre: z. Ein regelmäßiges, wenn die Monate ab­wechselnd 29 und 3o Tage zählten und das Jahr 5o Wochen und 4 Tage oder 354 Tage im Ganzen hatte. Das Schalt­jahr war alsdann 54 Wochen 6 Tage oder 384 Tage stark. a. Ein mangel­haftes, das sieben Monate von neun­undzwanzig Tagen hatte, sodass auch der Monat Kislev nur neunundzwanzig Tage zählte (s. weiter). Das Jahr hatte 353 Tage oder 5o Wochen und 3 Tage; dagegen as Schaltjahr: 383 Tage oder 54 Wochen und 5 Tage. 3. Ein vollzäh­liges Jahr, von sieben Monaten zu drei­ßig Tagen, sodass auch der Monat Cheschvan vollzählig ist. Dasselbe tritt ein, wenn der Rest der Anzahl der Tage (s. oben) von 796 Teile zu einem ganzen Tage herangewachsen ist. Das Jahr hat 355 Tage oder 50 Wochen und 5 Tage; dagegen das Schaltjahr: 385 Tage oder 55 Wochen. Eine engere Teilung des Jahres ist die in vier Jahreswenden, Thekuphoth, von je 91 Tagen, 7 1/2 Stunden; es sind dies die vier Momente im Jahre, in denen die Sonne in die Äquinoktien oder Solstitien tritt und ihren Lauf ändert, oder richtiger, wenn die Erde der Sonne gegenüber zu ste­hen kommt: 1. im Zeichen des Wid­ders; 2. im Zeichen des Krebses; 3. im Zeichen der Waage und 4. im Zeichen des Steinbockes. Von diesen ist die erste Wende: die Wende des Monats Nissan (April), Thekuphath Nissan, die Jah­reszeit des Frühlings; die Zweite: die Wende des Monats Tamus (Juli), Teku­phath Tamus, die Jahreszeit des Som­mers; die Dritte: die Wende des Monats Tischri (Oktober), Thekuphath Tischri, die Jahreszeit des Herbstes und die Vierte: die Wende des Monats Tebets (Januar), Thekuphath Tebeth, die Jah­reszeit des Winters. Die Zeit des Ein­tritts einer Thekupha wird dadurch er­mittelt, indem man zu dem Datum der vorangegangenen Thekupha den Be­trag der ganzen Thekupha von 91 Ta­gen, 7 1/2 Stunden oder nur den Über­schuss derselben von 7 1/2 Stunden zuaddiert. War z. B. Thekuphath Nis­san beim Eintritt des vierten Tages, so addiere man nur den Überschuss der Thekupha von 7 1/2 hinzu und wir wis­sen, dass Thekuphat Tamus auf Mitt­woch 7 1/2 Uhr fällt. Will man dagegen eine Thekupha des vergangenen Jahres angeben, so habe man rückwärts den oben angegebenen Überschuss in Ab­zug zu bringen. Nach rabbinischer Tradition fand die erste Jahreswende (Thekupha) im Monat Nissan, nämlich am Beginn der ersten Stunde statt. Da­mit ist ein Datum gegeben, mittels dessen man leicht durch obiges Verfahren die Wendezeiten jedes beliebigen Jah­res berechnen kann. Nach Ablauf von achtundzwanzig Jahren fällt die The­kuphath Nissan auf dieselbe Zeit wie­der; ein solcher Zeitraum wird der große Sonnenzyklus von achtundzwan­zig Jahren genannt. Beim Wiederbe­ginn des neuen Sonnenzyklus ist der Segensspruch angeordnet: »Preis dem Herrn, dem Könige der Welt, der das Schöpfungswerk vollzieht! « Einen der wichtigsten Punkte in diesem Teile des Kalenderwesens bildet die Bestimmung des Schaltjahres, d. h. die Einsetzung eines dreizehnten Monats nach zwei oder drei Jahren zur Ausgleichung des Mondjahres, das nur 354 bis 355 Tage zählt, mit dem Sonnenjahre, das 368 1/4 Tage hat (s. oben). In dem biblischen Schrifttum ist nichts davon erwähnt, und doch wird die Zeit zur Feier der Feste nach dem Stand der Sonne, der Beschaffenheit der Bodenproduktion, des Pessachfestes zur Zeit der Ähren­reife der Gersten und des Laubhütten­festes in den Tagen der Obst- und Weinlese befohlen. Es setzt dies jeden­falls eine Berücksichtigung des Sonnen­jahres voraus. Von der Bestimmung eines Schaltjahres sprechen erst die jü­dischen Schriften der nachbiblischen Zeit, und zwar war dieselbe in der tal­mudischen Zeit (die Zeit des zweiten Staatslebens bis zum Schlusse des Tal­mud) verschieden von der in der nach­talmudischen (der Zeit nach der Ein­führung eines festen Kalenders). Wie die Neumondsbestimmung in der tal­mudischen Zeit auf Wahrnehmung sich gründete, wenn auch die kalendarische Berechnung nicht entbehrt wurde (s. oben), so geschah die Einsetzung eines Schaltjahres nicht so sehr nach den Normen der Kalenderberechung, als vielmehr in Folge der Beobachtung der zurückgebliebenen Bodenproduktion, des Standes der Landwirtschaft. Das Grundgesetz dafür war: »Kam der Mo­nat Nissan heran und die Sonne war noch so weit zurück, dass sie den 16. d. M. nicht den Wende-Frühlingspunkt, Thekuphath Nissan, erreichen konnte, so soll das Jahr um einen Monat ver­mehrt werden.. Es wurde nach Ablauf des Monats Adar noch ein Adar unter dem Namen Adar II. hinzugefügt. Nächst diesem kamen noch in Betracht: der zurückgebliebene Stand der Gers­tenähren und der Baumfrüchte; ferner: die durch den Regen aufgeweichten Wege, die eingestürzten Brücken und die zerstörten Backöfen, die vor dem 15. Nissan nicht mehr wieder herge­stellt werden konnten. Aber auch die Beschaffenheit der Viehzucht — der Lämmer, ob sie schon geworfen und der Böcklein, ob sie noch sehr jung wa­ren und die Tauben, ob sie flügge ge­worden — wurde möglichst berücksich­tigt. Diese Bestimmung des Schaltjahres durfte, wie die Neumondsbestimmung, nur von dem Synhedrion in Palästina unter dem Vorsitz des Nassi (Patriar­chen) oder dessen Stellvertreters vorge­nommen werden. Am Tage vorher wurden die Synedristen für eine solche Sitzung bestimmt, die feierlich am fol­genden Morgen eröffnet wurde, wo man über die Gründe des einzusetzen­den Schaltjahres debattierte. Kam der Beschluss zu Stande, so wurde derselbe sofort den Gemeinden in und außer­halb Palästinas brieflich durch Boten bekannt gemacht. Eine Änderung da­rin trat erst gegen das Ende des fünften Jahrh. n. ein, wo einerseits die Verfol­gungen unter vielen anderen auch das Patriarchat der Juden aufhoben, sodass die Vornahme solcher Akte auf dem Boden Palästinas unmöglich wurde, andererseits auch schon die Kenntnisse der Kalenderberechnung eine Vollen­dung und Ausbreitung erlangt hatten, dass man sich füglich auf ihre Gesetze allein verlassen konnte. Die Kalender­berechnung trat an die Stelle des in Pa­lästina eingegangenen Synhedrions und des Patriarchats, auf deren Aussprüche das Schaltjahr bestimmt wurde. Das Land, wo erst diese Schaltjahresbestim­mung vorgenommen wurde, war Baby­lonien, aber sie war alsdann nicht mehr an den Boden gebunden und konnte auch in jedem anderen Lande vorge­nommen werden. Dasselbe geschah durch die Einführung eines festen Ka­lenders im sechsten Jahrhundert. Die Einsetzung eines Schaltjahres als Aus­gleichung des Mondjahres mit dem Sonnenjahr wurde auf folgende Weise ein für allemal bestimmt. Man berech­nete, dass neunzehn Sonnenjahre (das Jahr zu 365 Tagen, 6 Stunden), die 19 x 365 Tage 6 Stunden = 6939 Tage 18 Stunden enthalten, neunzehn Mond­jahren, d. h. zwölf gemeinen Jahren (das Jahr zu 354 Tagen, 8 Stunden, 876 Teilen, also 12 x 354 Tage, 8 Stunden, 876 Teile = 4252 Tage, 9 Stunden, 792 Teile) und sieben Schaltjahren (das Schaltjahr zu 383 Tagen, 21 Stunden, 589 Teile, also 7 x 383 Tage, 21 Stun­den, 589 Teile = 2687 Tage, 6 Stunden, 838 Teile), die zusammen 6939 Tage, 16 Stunden, 595 Teile bis auf die ge­ringe Zahl von 1 Stunde, 485 Teile gleich kommen. Man bestimmte daher sieben Schaltjahre in neunzehn Jahren. Es wurde nach Berechnung des Über­schusses des Sonnenjahres ( 10 ¼ Tage), so derselbe zu mehr als 29 Tage, 12 Stunden, 793 Teile heranwuchs, das je 3., 6., 8., 11, 14., 17. und 19. Jahr zum Schaltjahr gemacht. Dieser neunzehn­jährige Zyklus heißt in dem jüdischen Schrifttum: »der kleine Mondzyklus«, und für die Reihe der sieben Schaltjahre hatte man die mnemotechnischen Aus­drücke: ט«ח אדז « גו, von denen die Buchstaben ג =3; ו = 6; ח = 8; א = 11; ד = 14; ז = 17 und ט = 19 bedeuten. Aber auch der kleine oben bezeichnete Rest bei der angegebenen Ausgleichung in dem neunzehnjährigen Zyklus von einer Stunde 485 Teile schwindet, wenn wir das Sonnenjahr nach der Angabe der R. Addaschen Thekupha (s. oben) = 365 Tage, 5 Stunden, 997 Teile und 48 Augenblicke (997 Teile, 48 Augen­blicke = 55 Minuten, 25 Sekunden) rechnen.

d. Die Angabe der Feste und Feier­tage. Die Bestimmung der Feste ist im mosaischen Gesetz genau verzeichnet; für ihre Zeit sind die Monatstage und die Zeichen des Standes der Bodenpro­duktion (Gerstenreife für das Pessach­fest und Obst- und Weinlese bei Laub­hüttenfest) angegeben. Von diesen war die Zeit des Neujahrsfestes, wohl weil es eigentlich nur ein erhöhtes Neu­mondstagsfest von zwei Tagen des ers­ten Monats des Jahres nach bürgerli­cher Jahresrechnung (siehe oben) bildet, schon in der talmudischen Zeit öfteren Verschiebungen von ein oder zwei Tagen ausgesetzt. Diese Verschie­bungsfälle, waren vier, die teils in den astronomischen, kalendarischen Be­rechnungen, teils Orts- und Zeitver­hältnissen zu ihrem Grund haben. Die­selben sind: i. Wenn der Moled (die Neumondswiedererscheinung an einem Sonntag, Mittwoch oder Freitag eintritt, weil alsdann die unmittelbare Aufein- anderfolge des Shabbaths und des Ver­söhnungstages stattfinden würde, was viele Untunlichkeiten im bürgerlichen Leben zur Folge haben könnte; auch weil, wenn Neujahr auf Sonntag fiele, das große Hosanafest, Hoschana rabba, auf einen Shabbathtag käme. Die Ver­schiebung des Neujahrfestes erfolgt als­dann auf den nächsten Tag. 2. Wenn der Moled nicht vor der achtzehnten Tagesstunde (mittags zwölf Uhr) er­schienen ist, weil alsdann die Neumond­serscheinung erst nach 6 Uhr abends sichtbar werden kann. Dieser Verschiebungsfall hängt noch mit den Grund­sätzen der Neumondsbestimmung in der talmudischen Zeit zusammen. 3. Wenn in einem gewöhnlichen Jahre der Moled am 3. Tage 9. Stunde 204 Teile, d.i. in der Nacht von Montag auf Dienstag um 23 Uhr 11 1/3 Minuten und später eintritt. Das Neujahrsfest muss in diesem Falle von Dienstag auf Donnerstag verschoben werden. Auch dafür ist der astronomische Grund, weil der Moled Tischri des nächsten Jahres erst am siebenten Tag und acht­zehn Stunden sein könnte, was nach oben 2. wieder eine Verschiebung zur Folge haben dürfte. 4. Wenn der Moled Tischri eines nach einem Schaltjahr fol­genden gewöhnlichen Jahres den 2. Tag, 15 Stunden, 589 Teile (nämlich Montag morgens 9 Uhr 32. Minuten 1 05/9 Stunden) und später erfolgen sollte. Die Verschiebung des Neujahrs­festes ist alsdann auf Dienstag. Der Grund ist eine astronomische rück­wärts gehende Kalenderberechnung, dass der Moled Tischri des vergangenen Jahres nur am dritten Tag, in der acht­zehnten Stunde stattgefunden haben könnte, und bekanntlich nach oben z. ebenfalls eine Verschiebung hätte vor­genommen werden müssen. Die mne­motechnischen Zeichen für diese Ver­schiebungsfälle sind: 1. ו«אד, wo der Buchstabe א = Sonntag; ד = Mittwoch und ו = Freitag bedeutet; 2. חי = 18, d. h. der Moled in oder nach der acht­zehnten Tagestunde; 3. ד«גטר, wo ג= Dienstag; ט = 9. Stunde; רד = 204 Teile

und 4. ט« תקפ« בט, wo ב= Montag; טו = 15. Stunde; תקפט = 589 Teile ist.

III. Geschichte. Das jüdische Kalen­derwesen, wie es uns heute vorliegt und in der religiösen Praxis der Juden die Grundlage zur Feststellung der heiligen Zeiten bildet, ist das Resultat einer zweitausendjährigen Entwicklung. Wir unterscheiden in derselben mehrere Hauptepochen:

a. die Zeit des biblischen Schrifttums der vorexilischen und der exilischen Zeit, oder die des jüdischen Volkstums von Moses bis Esra (1500 - 450); b. die nach-exilische, die Zeit von der Wieder­begründung des zweiten jüdischen Staa­tes in Palästina unter Esra und Nehemia bis zur Reorganisation desselben unter den Makkabäern (45o - 13o); c. die staatliche oder die des jüdischen Staates bis zur Zerstörung desselben durch Ti­tus (13o - 70 n.); d. die nachstaatliche von der Auflösung des jüdischen Staats bis zur Besiegung des barkochbaischen Aufstandes (7o - 14o n.) und e. die nachbarkochbaische oder die rabbi­nische bis zum Schluss des Talmud (14o - 500 n.) a. Die Zeit des biblischen Schrifttums oder des jüdischen Volks­tums von Moses bis Esra (1500 - 450). Die drei Teile des Kalenderwesens: 1. die Zeiteinteilung in Jahre, Monate, Wochen, Tage und Stunden; 2. die Zeit­rechnung, Jahresrechnung und 3. die Feste und Feiertage sind da schon ge­kannt und gelangen zu einer festen Ge­staltung. Die Bestimmung des Jahres geschah bei den alten Völkern, bei den Ägyptern nach dem Sonnenlauf und bei den Griechen nach dem Mondzyklus. So hatten erstere ein Sonnenjahr, das 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 47 Sekunden zählte; dagegen letztere ein Mondjahr von 354 bis 355 Tagen, genauer von 354 Tagen, 8 Stunden, 48 Minuten und 38 Sekunden. Das Son­nenjahr war somit 11 ¼ bis 10 ¼ Tage länger als das Mondjahr. Die Israeliten hatten das Mondjahr, aber nicht das freie, sondern das gebundene, d. h. das von dem Sonnenjahr abhängige, an ihn gebundene, so dass von Zeit zu Zeit ein Ausgleich der zwischen beiden ent­standenen Differenz von Tagen statt­finden musste. Die Feststellung der Fest- und Feiertage war durchaus von dem Stand des Sonnenjahrs abhängig, auf den man Rücksicht zu nehmen hatte. Im Monat der Ähren, Abib, sollte das Pessachfest, in dem der Gers­ten- und Weizenreife das Wochenfest und in dem der Obst- und Weinlese das Laubhüttenfest gefeiert werden. Der Landbau war das Merkmal des Son­nenstandes für die Bestimmung des Jahres, wie die Beobachtung der Mond­phasen für die des Monats. In älterer Zeit jedoch kannte man auch bei den Israeliten das Sonnenjahr. So kommen in der Erzählung von der Sintflut, wo fünf Monate zu 15o Tagen angegeben sind, auf einen Monat 3o Tage, also 36o Tage auf ein Jahr, nämlich das Sonnenjahr, doch ist auch hier dasselbe ein vom Mondjahr abhängiges. Von dem Ausgleich der zwischen beiden entstandenen Differenz von Tagen nach Ablauf von mehreren Jahren kommt noch nichts vor. Dagegen kennt man 1. S. 20. 27. zwei Neumondstage. Man hat also schon damals, so oft am Abend des dreißigsten Tages die neue Mondsichel nicht sichtbar wurde, zwei Neumondstage gefeiert (siehe weiter). Die Bestimmung des Jahresanfanges geschah nach dem landwirtschaftlichen Interesse; das Jahr schloss mit der Obst- und Weinlese, etwa im Monat Oktober. Dieser Jahresanfang eröffnete das bürgerliche Jahr. Dagegen begann das religiöse Neujahr mit dem Monat Abib, Ährenmonat (April), der »An­fang der Monate« heißt. Von den Jah­reszeiten kommen vor: Saatzeit, Ernte, Kälte, Hitze, Sommer und Winter. Im Ganzen kannte man nur zwei Jahres­zeiten: 1. den Sommer (den Frühling und die Erntezeit) und 2. den Winter (die Herbst- und Saatzeit). Das Jahr war in zwölf Monate geteilt, von de­nen drei genannt werden: 1. Bul oder Ethanim, Monat der Regenfluten (Ok­tober); 2. Abib, Ährenmonat (April); 3. Siv, Glanz- und Blütenmonat (Mai), ebenfalls Oktober. Der Monat wurde nach der Wahrnehmung der Monder­scheinung, der neuen Mondsichel im ersten Viertel bestimmt, wovon der­selbe den Namen Jerach, von Jareach, Mond und Chodesch, Erneuerung, er­hielt. Der Monatsanfang, als der Neu-mondstag, wurde religiös gefeiert. Die weitere Teilung des Monats war in vier Wochen zu je sieben Tagen. Auch hier erhielt die Woche davon den Namen »Schebua«, von Scheba, sieben. Diese Einteilung gründete sich auf die vier Mondviertel, von denen jedes sieben Tage, genauer sieben 3/8 Tage beträgt. Der letzte Tag der Woche, als Schluss derselben, hieß »Shabbath«, Ruhe, und wurde als Ruhetag gefeiert. Die anderen Tage der Woche hatten keinen bestimm­ten Namen, sie wurden bei genaueren Angaben durch die Ordnungszahlen, als z. B. der erste, zweite, dritte etc. Tag der Woche oder Tag des Monats be­zeichnet. Den Tag rechnete man von Abend bis Abend, oder von Sonnenun­tergang bis Sonnenuntergang, eine Be­stimmung, die auch bei den Athenern und Galliern üblich war. Eine weitere Teilung des Tages war die in Morgen, Mittag und Abend. Auch für den Nach­mittag hatte man eine besondere Benen­nung: »zwischen beiden Abenden«. Ebenso teilte man die Nacht in drei Teile zu je vier Stunden. Dagegen kommt die Einteilung des Tages in Stun­den erst in der Zeit der letzten Hälfte des Reiches Juda vor. Die Zeitrechnung wechselte zu verschiedenen Zeiten; sie war: 1. nach den Geschlechtern und Menschenaltern; 2. nach dem Auszuge der Israeliten aus Ägypten; 3. nach der Erbauung des salomonischen Tempels; 4. nach dem Regierungsantritt der Kö­nige; 5. nach der Zeit des Eintritts des Exils sowie nach dem Regierungsantritt der babylonischen Könige. Die Fest-und Feiertage wurden, wie bereits er­wähnt, nach dem Neumond und nach dem Stand der Ökonomie bestimmt, was eine Berücksichtigung des Sonnen­standes, des Sonnenjahres voraussetzt.

b. Die nachexilische Zeit, von der Wiederbegründung des zweiten jüdi­schen Staatslebens unter Esra und Ne­hemia bis zu seiner Reorganisation durch die Makkabäer (44o — 130). In dieser Periode kommen zu Obigen die neuen Benennungen der Monate und eine neue Zeitrechnung hinzu. Die al­ten hebräischen Monatsnamen ver­schwinden und andere, von den Juden nach ihrer Rückkehr aus den babyloni­schen Exilländern mitgebrachte treten an ihre Stelle. So kommen in dem nach­exilischen biblischen Schrifttum vor: 1. Nissan, Blumenmonat (April); 2. Jjar, Sonnenhelle (Mai); 3. Sivan, Wonnen­monat (Juni); 4. Tamus (Juli); 5. Ab (August), Skorpion- oder Schlangen­monat; 6. Elul (September), Trauben­monat; 7. Tischri (Oktober, Anfangs­monat), mit dem das bürgerliche Neujahr (siehe oben) begann; B. Mar­cheschwan (November), der Quellen­monat; 9. Kislev (Dezember), Monat der Kälte; 10. Tebet (Januar); 11. Scha­bat (Februar), Rutenmonat, Jahresan­fang für die Baumkultur (siehe weiter); 12. Adar (März), Adar I. und Adar II (in einem Schaltjahr). Auch in der Be­stimmung des Jahresanfanges, des Neujahrs, haben wir schon die Angabe des Neujahrsfestes am ersten Tag des siebenten Monats. So mögen auch die anderen Neujahrsanfänge der Land­wirtschaft, welche mit diesem Monat begannen, schon damals üblich gewe­sen sein. Der erste Tischri (Oktober) war der Jahresanfang für das bürgerli­che Jahr, die Erlass- und Jubeljahre, die Baumpflanzung und die Kräuter. Ne­ben diesem gab es für andere Zwecke noch andere Neujahrstage, als z. B. den ersten oder den fünfzehnten Schabat (Februar) für das Verzehnten der Früchte; den ersten Elul (September) zur Ablieferung der Zehnten vom Vieh und den ersten Nissan (April) zur An­gabe der Feste und der Regierungsjahre der Könige. Auch der Gebrauch der Zeitrechnung erhielt eine Änderung; man zählte nach den Regierungsjahren nichtjüdischer Könige, als z. B. nach Darius, Artaxerxes Longimanus, u. a. m. Später, nach den Siegen Antio­chus des Großen, wurde unter der Herrschaft der Seleuciden die seleuci­dische Ära üblich.

c. Die staatliche Periode, die Zeit des jüdischen Staates bis zur Zerstö­rung desselben durch Titus (130 — 70 n.). Aus derselben ist uns bis auf den Patriarchen Gamliel I. nur wenig be­kannt. Das Buch Sirach, das in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhun­derts v. schon abgefasst war, sagte in Kapitel 43 V. 6 — 8: »Der Mond dient allen zur Zeit, wenn er erscheint, zur Bestimmung der Zeiten und zur Be­zeichnung der Zeiträume (Jahreszei­ten). Nach dem Monde bezeichnet man die Feste; sein Licht nimmt ab, bis es sich ganz verliert. Von ihm hat der Mo­nat seinen Namen; er nimmt zu und verändert sich wunderlich.« Aus die­sem Zitat geht hervor, dass die Beob­achtung des Mondes die Grundlage des jüdischen Kalenders war; man rechnete nach Mondjahren. Wir bemerken schon jetzt, dass uns die Worte: »Von ihm hat der Monat seinen Namen; « (Jerach, Monat von Jareach, Mond) gleich einer Apologetik klingen, welche die Richtigkeit der Kalenderberech­nung nach den Mondphasen dartun und gewisse Angriffe auf dieselbe zu­rückweisen soll. Wir bringen damit mehrere Notizen aus dem Buche der Jubiläen, das als eine essäische Schrift von vielen alten Bestandteilen gegen das rabbinische Judentum bekannt ist, in Verbindungen, die eine nachdrückli­che Polemik gegen das Verfahren der pharisäischen Gesetzeslehrer mit den Jahres- und Neumondsbestimmungen nach der Beobachtung des Neumonds enthalten. Daselbst heißt es: »Und es wird Leute geben, welche Beobachtun­gen des Mondes anstellen, das verdirbt die Zeiten, jedes Jahr kommt um zehn Tage voraus. Sie werden in der Zukunft die Tage verderben und einen falschen Tag zum Tag des Zeugnisses, einen un­reinen Tag zum Festtag machen. Jeder wird heilige Tage mit Unreinen ver­wechseln, denn sie werden in den Mo­naten, Shabbathen, Festen und Jubel­jahren irren.« So entwickelt dieses Buch ein ganzes Kalendersystem nach dem Sonnenjahr. »Unter einem Fluch von Noach«, sagt es weiter, »wurde das Jahr von 364 Tagen eingesetzt.« Das Jahr wurde in zwölf Monate von je dreißig Tagen geteilt. Von diesen heißt die Hälfte sechs Regenmonate (die Wintermonate). Weiter teilte es das Jahr in vier Jahreszeiten, vier Jah­reswenden, im ersten, vierten, sieben­ten und zehnten Monat (der Monat von je vier Wochen), doch so, dass das Jahr im Ganzen zweiundfünfzig Wo­chen hat. Aber auch gegen die Einset­zung von Schaltjahren eifert das Buch; da es sagt: »Also ist es eingegraben und festgesetzt auf den himmlischen Tafeln und es gibt keine Übergehung (Ein­schaltung) jedes Jahr, Jahr aus, Jahr ein.« Auch das äthiopische Henoch­buch, dessen Abfassung man in die vorchristliche Zeit setzt, hat in den Ka­piteln 72 — 75, in den Berichten von dem Umlauf der Himmelskörper, eine Kalenderberechnung nach dem Son­nenjahr, wovon sich Bestandteile noch in den späteren Midraschim erhalten haben. So bringen Midrasch Rabba 2. Moses Absch. 15 und der Talmud Jeru­schalmi Traktat Rosch Haschana Absch. 2 Halacha 5. die Notizen von den dreihundertfünfundsechzig Him­melsfenstern (Tagen), von denen der Mond nur dreihundertundfünfzig, aber die Sonne dreihundertfünfundsechzig hat. In Bezug auf diese Differenz zwi­schen Sonne und Mond von zehn Ta­gen heißt es, dass, was die Sonne in zwölf Monaten zurücklegt, der Mond dazu dreißig Tage braucht. Die Monate wurden demnach zu dreißig vollen Ta­gen gezählt. Weiter geht das Buch »Pirke de R. Elieser«, dessen Abfas­sung man zwar in das achte Jahrhun­dert setzt, das aber ältere Bestandteile aufgenommen und verarbeitet hat; es bringt eine Kalenderberechnung nach dem Sonnenjahr mit dem Ausgleich des Sonnen- und Mondjahres in einem Zy­klus von vierundachtzig Jahren. Wir sehen, dass die apokryphischen Schrif­ten, welche die aus dem Judentum ge­wiesenen Lehren enthalten und die Richtungen der sich gebildeten Sekten vertreten, eine Kalenderberechnung haben, die nichts von der Bestimmung der Neumonde und Jahre nach der Be­obachtung der Mondphasen weiß; es war also schon früh unter den Juden eine Kalenderberechnung bekannt. Von wo hatten sie dieselbe? Ich ver­mute, dass dieselbe unter der griechi­schen Herrschaft in der vormakkabäi­schen Zeit von Alexandrien unter den Ptolemäern, wo das Sonnenjahr der al­ten Ägypter die Grundlage der kalen­darischen Bestimmungen bildete, zu ihnen gelangt sei und bis zur Herr­schaft der Makkabäer (142 v.) zur Be­stimmung der Neumonde, Jahre und Feste verwendet wurde. Die Beobach­tung der Mondphasen, das einzige Mittel einer früheren Zeit zur Feststel­lung der Neumond mochte wohl als überflüssig angesehen und außer Wirk­samkeit gesetzt worden sein. Erst unter den Makkabäern, welche mit allem Hellenistischen gründlich aufräumten, wurde die alte Neumondsbestimmung nach der Beobachtung der Mondphasen wieder eingeführt und die in Ge­brauch gekommene hellenistische Ka­lenderberechnung abgeschafft, so dass sich dieselbe nur noch in den apokry­phischen Schriften erhalten konnte. Wenn daher von nichtjüdischer Seite behauptet wird, dass die Kalenderbe­rechnung des vierundachtzigjährigen Zyklus, dessen sich noch die ersten christlichen Kirchenväter bedient hat­ten, von Simon, dem Makkabäer ein­geführt wurde, was von jüdischen Ge­lehrten in Betracht der Nichterwähnung desselben in dem jüdischen Schrifttum in Abrede gestellt wird, so scheint mir diese Notiz in Bezug auf obige Zitate aus dem jüdischen apokryphischen Schrifttum dahin zu berichtigen, dass Simon der Makkabäer wohl eine Ka­lenderbestimmung eingeführt haben mochte, aber nicht die nach einer ka­lendarischen Berechnung, die nur in den apokryphischen Schriften und bei den Sekten ihr Heim hatte, sondern die alte, nationale nach der Beobachtung der Mondphasen, wie sie in der bibli­schen Zeit bis auf die griechische Herr­schaft bei den Juden üblich gewesen. Die nichtjüdischen Autoren von obiger Notiz haben von einer Änderung des Kalenderwesens unter den Makkabä­ern gehört, wussten jedoch nicht klar, welche. Sie bezogen dieselbe irrtümlich auf die bei den Synedristen außer Kraft getretene Kalenderberechnung des vier­undachtzigjährigen Zyklus. So blieb der vierundachtzigjährige Zyklus, nach seiner Ausweisung aus dem Judentum, nur noch bei dessen Sekten, bei den Hellenisten, Essäern und später auch bei den ersten Christen. Es ist nicht un­wahrscheinlich, dass sich desselben auch die Juden in Alexandrien, denen das Synhedrion in Palästina die Nach­richt von den Bestimmungen der Neu­monde und der Feste aus uns unbe­kannten Gründen nicht zusandten, vielleicht zuzusenden nicht nötig fan­den, bedient hatten. Nach der Rekons­tituierung des Synhedrions unter den Makkabäern war die Bestimmung des Neumondes und der Feste nach den Neumondsphasen und dem Ausgleich des Mondjahres mit dem Sonnenjahre durch Einschaltung eines Monats am Schlusse jedes dritten Jahres einzig und allein Sache dieses hohen Rates. Diese Einschaltung eines Monats wurde üb­rigens von den Späteren als eine alte Institution ausgegeben, die sie auf die Propheten, nämlich auf die ersten Männer der großen Synode zurück­führten. Man sieht, dass diese Befugnis des Synhedrions immer wieder begrün­det und verteidigt werden musste; sie wurde also noch immer angefochten und von den Gegnern als ein Übergriff der pharisäischen Gesetzeslehrer be­trachtet. Noch die Lehrer des ersten, zweiten und dritten Jahrhunderts n. sa­hen sich genötigt, neue biblische Be­gründungen für die von ihnen behaup­tete Autoritätsbefugnis zur Vollziehung der Kalenderakte aufzusuchen. »Dieses sind die Feste des Ewigen, die ihr ver­künden sollet, heilige Verkündigung, zu ihrer Zeit«, »die ihr verkünden sol­let«, d. h. »so ihr sie verkündet habt, sind es meine Feste, sonst sind es keine Feste«, lautete eine Lehre. Eine weiter Folgerung aus derselben war: »Ihr habt die Verkündigung der Feste, welche Gültigkeit hat, wenn auch sie irrtüm­lich gezwungen usw. geschehen.« Ein anderer Lehrer, R. Ismael, weist diese Berechtigung aus dem Bibelvers: »Die­ser Monat sei euch der Anfang der Monate«, nach, der gleichsam angibt, dass Moses den Israeliten den Neu­mond in seiner Erneuerung gezeigt habe mit dem Zuruf: »Wie diesen da, sehet und heiliget, d. h. bestimmet den Neumond!« Später wurde diese Be­rechnung nach dem Monde mit zu den Gegenständen gezählt, die Israels Lehre gegenüber der der anderen Völker kennzeichnet. »Die Völker zählen nach der Sonne, aber ihr sollet nach dem Monde rechnen.« So wurde die Bestimmung der Monatsanfänge und der Feste nach der Beobachtung der neuen Sichel des ersten Mondviertels angeordnet. Die Wahrnehmung dieser Erscheinung musste durch Zeugen in einer hierzu anberaumten Synhedrial­sitzung angezeigt und nach Prüfung ihrer Aussagen festgestellt werden. Die Bestimmung des Neumondes war ein feierlicher Akt. Der Vorsitzende des Synhedrions rief: »Er (der Neumond) sei geheiligt! «, und das Volk, die Anwe­senden, wiederholte: »Er ist geheiligt!«, Er ist geheiligt!« Den Auswärtigen wurde die getroffene Neumondsbestimmung teils durch Boten, teils durch Feuersignale, Bergfeuer angezeigt. Wo­hin diese Anzeigen nicht gelangen konnten, wurden statt eines Neu-mondstages zwei (der dreißigste und einunddreißigste Tag) und statt eines Festtages zwei Festtage gefeiert (siehe Teil II hier). Als später die Gegner die­ser kalendarischen Bestimmung den Gerichtshof durch Absendung falscher Zeugen und das Volk durch Anzünden der Feuersignale zur unbestimmten Zeit irre machten, kam zu Obigen die Bestimmung hinzu, dass man nur von den ihnen bekannten Zeugen Aussagen empfangen und anstatt der Bergfeuer nur die Absendung von Boten stattfin­den soll. Weiter hat sich aus dieser Zeit der Bericht über die Bestimmung des Schaltjahres unter dem Patriarchen R. Gamliel I. erhalten. Die Bestimmung eines Schaltjahres geschah, wenn der Anbau auf den Feldern, die Früchte auf den Bäumen und die Frühlingswende zurückgeblieben u. a. m. Es wurde als­dann zu dem abgelaufenen Adarmonat noch ein Monat unter dem Namen Adar II. hinzugefügt. R. Gamliel I. ließ in einer Synedrialssitzung, wo ein sol­ches Schaltjahr bestimmt wurde, den Beschluss über das Schaltjahr durch Briefe nach Ober- und Untergaliläa, nach Babylonien, Medien und andere Exilsortschaften bekannt machen. Ob man dabei von jeder kalendarischen Berechnung Abstand nahm, und man sich einzig auf die Wahrnehmung äu­ßerer Zeichen, bei der Einsetzung des Neumonds nur auf die Erscheinung der neuen Mondsichel und bei der Ein­schaltung eines Monats auf den Rück­stand der Landwirtschaft und Jahres­wende, תקופה, verließ — war eine oft aufgeworfene und verschieden erör­terte Frage. Ich glaube, dass man schon in Betracht der nicht seltenen Fälle von falschen Zeugen, die von den Gegnern der synedrialischen Kalenderbestim­mung abgeschickt wurden, sich zur Aufstellung von gewissen Rechnungs­regeln veranlasst sehen musste, um sich annähernd der Wahrheit der Zeugen­aussagen zu vergewissern. Diese Ka­lenderregeln haben sie teils selbst auf­gestellt, teils traditionell von den Vorgängern erhalten, vielleicht auch durch Benutzung und Umarbeitung einzelner Gesetze aus der ausgewiese­nen kalendarischen Berechnung nach dem Sonnenjahre der Hellenisten re­sultiert. Und wirklich werden schon von R. Gamliel I. mehrere solche Ka­lenderregeln aufgestellt, die später ei­nen bedeutenden Ausschlag in unge­wissen Fällen gaben. So erzählt man von R. Gamliel II., dass er, als man ihn an einem bewölkten neunundzwan­zigsten Tage auf die Aussage eines Zeu­gen, die neue Mondsichel gesehen zu haben, bestimmen wollte, den Neu­mond zu heiligen, erklärte er sich dage­gen unter Berufung auf eine von seinem Großvater, dem Patriarchen R. Gamliel I., empfangene Kalenderregel: »Die Er­neuerung des Mondes geschieht nicht vor 29 1/2 Tage und 2/3 Stunden.. Eine andere Regel von demselben, die eben­falls von R. Gamliel II. zitiert wurde, war, dass die Aussage der Zeugen, sie haben die neue Mondsichel einmal des Morgens und einmal abends am neun­undzwanzigsten Tage gesehen nicht falsch zu sein brauche, weil der Neu­mond oft schon am Morgen gesehen werden könne, nach der Regel: »Bald nimmt der Mond einen kürzeren Weg, bald einen längeren.« Eine dritte Regel, die auch ein hohes Alter für sich hat und wohl dieser Zeit anzugehören scheint, war: »Wo man die Zeit des Neumondes nicht kennt, halte man ei­nen Monat von neunundzwanzig Ta­gen und einen von dreißig Tagen.. Eine vierte Bestimmung endlich lautete: »Die vollzähligen Monate (zu dreißig Tagen) sollen nicht weniger als vier und nicht mehr als acht sein, sodass das Mondjahr nicht kleiner als 352 Tage und nicht größer als 356 Tage werde.. Letzte Regel sollte in dem Fall aushelfen, wenn drei bis sechs Monate durch eingetretene Naturhindernisse die Neumondssichel nicht gesehen wer­den konnte. Eine weitere Entwicklung erhielt das Kalenderwesen in der jetzt folgenden vierten Periode.

d. Die nachstaatliche Zeit, von der Auflösung des jüdischen Staates durch Titus bis zur Besiegung des barkoch­baischen Aufstandes (von 70 — 140 n.). Die Männer, die in dieser Epoche an der Weiterentwicklung des Kalender­wesens tätigen Anteil nehmen, sind: R. Jochanan ben Sakai, R. Gamliel II., R. Josua, R. Jochanan ben Nuri, R. Dosa, R. Akiba u. a. m. Das Charakteristi­sche dieser Zeit ist die Loslösung von der staatlichen Gebundenheit, das Volk wird Träger aller Institutionen. Die veränderten Zeitverhältnisse nach der Zerstörung des Tempels und nach dem Aufhören des Opferkultus machten auch in den Anordnungen des Kalen­derwesens einige neue Bestimmungen notwendig. Die Tempelstätte war nicht mehr die Stätte der Synhedrialsit­zungen, und doch lautete eine alte Ver­ordnung, 1. dass nur das Synhedrion in Jerusalem die Bestimmung der Neu-mondstage und der Schaltjahre vor­nehmen kann; 2. dass das Synhedrion nur im Beisein und mit Wissen des Pa­triarchen, Nassi, das Schaltjahr einset­zen darf; 3. dass das Zeugenverhör nicht nachmittags wegen der darzu­bringenden Opfer vorgenommen wer­den soll u. a. m. R. Jochanan b. Sakai war der erste, der gut auszuhelfen ver­stand. Er traf mehrere neue Einrich­tungen; er erhob das Synhedrion in Jabne zur vollen Autorität gleich dem früheren in Jerusalem; er übertrug teil­weise die Heiligkeit Jerusalems auf Jabne; er bevollmächtigte das Synhed­rion zur Vornahme von Neumonds­bestimmungen und erlaubte ihm die Verkündigung derselben auch in Ab­wesenheit des Abbethdin, des Synedri­alsoberhauptes; er bestimmte, dass die Zeugen mit ihren Aussagen der gese­henen ersten Neumondsichel sich zur Stätte zu begeben haben, wo das Synhedrion tagt; ferner dass der ganze neunundzwanzigste Monatstag zur An­nahme von Neumondszeugen verwen­det werden kann und der Dispensation des Shabbathgesetzes für die Neu­mondszeugen nur für die Monate Nis­san und Tischri stattgegeben werden darf. So hatten diese Bestimmungen eine neue Ordnung in Bezug auf das Kalenderwesen geschaffen. Wie segens­reich dieselbe für die spätere Zeit geworden, werden wir bald sehen. Auf R. Jochanan ben Sakai folgte R. Gam­liel II. ins Patriarchat (8o — 116). Die­ser Mann mit seiner unbeugsamen En­ergie war ganz geeignet, den neuen Weg segensreich zu betreten. Er schuf das Kalenderwesen zu einem unsicht­baren starken Band, das alle Israeliten zu einer Gemeinde vereinigte und die Auswärtigen Jahrhunderte lang an Pa­lästina, ihr Heimatland, fesselte. Von obigen Anordnungen seines Vorgängers hob er die auf, dass man die Bestim­mung des Schaltjahres ohne Beisein des Synedrialoberhauptes vornehmen darf. Er verordnete dafür, dass im Falle der Abwesenheit des Synedrialoberhauptes seine Einwilligung nachgeholt werden müsse und die Bestimmung des Schalt­jahres als durchaus von derselben be­dingt sei. Mir großer Strenge wachte er darüber, dass der Kalenderrat nur aus vorher dazu bestimmten, befähigten und äußerst zuverlässigen Männern bestehe, so dass er keinen Anstand nahm, Gelehrte, die vorher von ihm nicht dazu berufen waren und sich dennoch eingeschlichen hatten, auszu­scheiden. Ein rühmlicher Fortschritt von ihm war die Anwendung von Mit­teln, sich der Wahrhaftigkeit der Zeu­genaussagen bei der Neumondsbestim­mung möglichst zu vergewissern. Er zog dabei seine astronomischen Kennt­nisse und gewisse Kalenderberech­nungen, die ihm teilweise traditionell von seinem Großvater, dem Patriarchen R. Gamliel I., überkommen waren, zu Rate. So hatte er auf den Wänden und auf Tafeln des Verhörzimmers Zeich­nungen der verschiedenen Mondphasen, die er bei dem Verhör der Neumonds-zeugen gebrauchte. Die verschiedenen Fragen, die er bei dieser Gelegenheit an sie richtete, zeigen die Benutzung sei­nes astronomischen Wissens. Er ge­langte dadurch zu solcher Selbststän­digkeit und fühlte sich in seinem Urteil so sicher, dass er energisch gegen jede gegen ihn abweichende Meinung auf­trat und sich von keinem Einwurf sei­ner Kollegen beirren ließ. Wie er durch die Berufung auf eine Kalenderberech­nungsregel von R. Gamliel I. die Zu­mutung des Volkes, an einem bewölk­ten neunundzwanzigsten Monatstage auf die Aussage der Neumondszeugen der gesehenen Neumondssichel den Neumond zu bestimmen, energisch zu­rückwiese, haben wir schon oben er­zählt. Ein andres Mal musste er gegen seine Kollegen in einem entgegenge­setzten Falle auftreten, wo er die Zeu­genaussage gegen ihre kalendarische Berechnung als wahr anerkannte. In einer Synhedrialsitzung erschienen zwei Neumondszeugen und sagten aus, dass sie am dreißigsten Neumondstage die neue Mondsichel gesehen hätten, ohne dass dieselbe an dem Abend vor­her sichtbar wurde. R. Gamliel nahm die Zeugenaussage derselben für wahr an und bestimmte darnach den Neu­mond. Aber R. Dosa ben Hyrkanos, der durch kalendarische Regeln die Unmöglichkeit der Wahrhaftigkeit die­ser Aussage erkannte, protestierte da­gegen und gewann den R. Josua für sich. Sofort ließt R. Gamliel zur Auf­rechterhaltung seiner Autorität dem R. Josua sagen, dass er sich an dem nach seiner Berechnung stattfindenden Ver­söhnungstage mit Stab und Reiseklei­dern zu ihm verfüge. Dieser war über solche Zumutung höchst entrüstet, da besannen sich seine Kollegen R. Akiba und R. Dosa noch zur Zeit; sie erin­nerten an das Gesetz, dass man in der Kalenderbestimmung dem Patriarchen auch bei einem Irrtume Folge zu leisten habe und suchten ihn zum Nachgeben zu stimmen. R. Josua verfügte sich zu ihm an dem bestimmten Tage und be­wahrte die Juden vor einer neuen Spal­tung. Einen zweiten Kampf hat R. Gamliel mit R. Akiba zu bestehen, der in Lydda vierzig Paare Neumondszeu­gen in Betracht des durch sie zu verlet­zenden Shabbathgesetzes zurückhielt, so dass sie nicht zur Zeit eintreffen konnten. Der Patriarch R. Gamliel II. war über diese Anmaßung empört und drohte ihm für die Zukunft mit dem Banne. »Akiba!«, ließ er ihm sagen, »du machst die Neumondszeugen für die Zukunft zu Sündern — und wer dies tut, verdiene den Bann! « Indessen traf gerade die Zeit ein, wo man von der Kalenderbestimmung nach der Beob­achtung des Neumondes abstehen und sich auf die Kalenderberechnung allein stützen musste. Der verunglückte bar­kochbaische Aufstand hatte die hadri­anischen Religionsverfolgungsedikte zur Folge — und ein großer Teil der Ge­setzeslehrer, die sich an den Aufständen beteiligten, musste nach dem Auslande. Zu diesen gehörte auch R. Akiba, das einzige noch lebende Synedrialmitglied, dem die Bestimmung des Kalenderwe­sens oblag. Er besann sich nicht lange und vollzog die Neumondsbestimmung und die Einsetzung eines Schaltjahres auf fremdem Boden, in Babylonien, wohl nach der von ihm gekannten Ka­lenderberechnung, da die Art durch die Zeugenaufnahme im Auslande unstatt­haft war. Später vollzog er den Akt der Einsetzung dreier nacheinander folgen­den Schaltjahre im Gefängnis nach ka­lendarischer Berechnung.

e. Die nachbarkochbaische Zeit oder die rabbinische bis zum Schluss des Talmud (14o — 500). Die Männer dieser Periode sind: der Patriarch R. Si­mon ben Gamliel, R. Mair, R. Cha­nanja, Neffe des R. Josua, R. Jose I., R. Juda I., Bar Kappara, R. Jochanan, Sa­muel, Rabh, R. Juda II., R. Nathan, R. Jizchak Nafcha, R. Josua ben Levi, R. Juda III., R. Abbahu, R. Jose II., Rab Ada, Hillel II., Seira Abaji, Raba, Ra­bina und Rab Aschi u. a. m. Die Zeit ist eine sehr zerrüttete und die Nach­wehen des besiegten barkochbaischen Aufstandes und der teilweise schon aufgehobenen hadrianischen Verfol­gungsedikte machen sich überall, also auch auf dem Gebiete des Kalenderwe­sen recht fühlbar. Die Bestimmung der Neumondstage und der Schaltjahre, die früher nur auf palästinensischem Boden vorgenommen werden durfte, geschah jetzt im Auslande. R. Mair vollzog die Bestimmung eines Schalt­jahres in der lydischen Hauptstadt Sar­des (Aria genannt), und Chananja, der Neffe R. Josuas, tat dasselbe in Baby­lonien, in der Stadt Nahar Pakor, wo er hierzu ein eigenes Synhedrion konsti­tuierte und sich bei diesem Verfahren auf R. Akiba berief, der, wie bereits an­gegeben, ebenfalls in den parthischen Ländern die Bestimmung der Neu­monde und der Schaltjahre vorgenom­men hatte. Es bedurfte wieder eines energischen Mannes, der dem Heimat­lande, Palästina, sein altes Vorrecht zu­rückerobern und so das Einheitsband herstellen sollte. Derselbe war der Pa­triarch R. Simon b. Gamliel II. Die zer­sprengten Gesetzeslehrer fanden sich wieder in Palästina ein und bildeten ein Synhedrion, das seine Sitzungen vor­erst in Uscha hielt; R. Mair war in ih­rer Mitte. Der Patriarch brauchte da­her nicht mehr gegen ihn wegen seiner Schaltjahrbestimmung im Auslande einzuschreiten. Dagegen erforderte es einer größeren Strenge und Umsicht, dem Neffen R. Josuas in Babylonien seine Neumonds- und Schaltjahresbe­stimmung zu verbieten. Zwei Depu­tierte, R. Isaak und R. Nathan, sandte er an ihn nach Babylonien ab mit dem Auftrage, ihm die Kalenderbestim­mung unter Androhung der strengsten Maßregeln zu verbieten. Auf geschickte und kluge Weise verstanden dieselben sich ihres Auftrages zu entledigen. R. Chanina sah sich genötigt, sein Vorha­ben aufzugeben, wozu ihm auch sein Amtsgenosse R. Juda ben Bathyra in Nisibis, dem er den Vorfall erzählt hatte, riet. Chanina schickte darauf ei­lig Boten nach den Städten, um die ge­troffene Festordnung zu widerrufen. Doch war die alte Zeit dahin; die Au­torität eines Nassi, wie sie früher seine Ahnen besessen, war gebrochen. Der Patriarch musste auch in dieser Amts­handlung der Neumonds- und Festbe­stimmung nachgeben. Mehrere Land­wirte (Rinderhirte) in Palästina ver­einigten sich, auf eigene Faust die Bestimmung eines Schaltjahres vorzu­nehmen, weil die Vegetation noch sehr zurück war. Der Patriarch vermochte nicht anders als sich ihrem Vorhaben zu fügen. Auch in Babylonien gab es noch mehrere Gemeinden, welche sich um den Widerruf ihres Meisters R. Chanina nicht kümmerten und an des­sen bestimmte Festordnung festhielten. Hierzu kam, dass die Kalenderberech­nungsnormen um diese Zeit bedeu­tende Fortschritte machte und immer größere Dimensionen in ihrer Verbrei­tung annahm. Ihre Pfleger und Anhän­ger mehrten sich von Tag zu Tag. Meh­rere Gelehrten unter dem Namen »Acherim«, Andere, wohl Schüler des R. Mair, stellten die Regel auf: »Die zwölf Monate des Jahres sollen ab­wechselnd aus sechs vollen (zu je drei­ßig Tagen) und in sechs fehlenden (zu je neunundzwanzig Tagen) bestehen; dagegen hat man den Schaltmonat nur zu neunundzwanzig Tagen zu berech­nen.« Eine andere Norm derselben Gelehrten war in Bezug auf die Be­stimmung des Schaltjahres: «So die Te­kuphat Nissan die in der Frühlingsä­quinoktionatpunkt über den fünfzehn­ten Tag des Monats Nissan hinausgeht, müsse man einen Schaltmonat einset­zen.. Auf den Stand der Vegetation und der Witterung braucht weiter keine Rücksicht genommen zu werden. Damit war gewissermaßen die Grund­lage zur eigenen Kalenderberechnung gegeben und die bisherige Weise, auf Beobachtung der Neumondssichel die Neumundstage zu bestimmen, verlor dadurch immer mehr von ihrem Anse­hen. Noch strengte sich der Patriarch R. Simon an, durch neue Gesetze die Autorität derselben zu erhalten. Viel nützlicher war es für diese alte Kalen­derbestimmung unter dem Patriarchen R. Juda I. (137 — 194), wo die Neu­mondsberechnung vervollständigt und erweitert wurde und sich schon an­schickte, ihre Schwester, die alte Kalen­derart zu verdrängen. Der Patriarch selbst legte sein großes Gewicht mehr darauf, in eigener Person den Akt der Neumondsbestimmung zu vollziehen und ließ sich bei demselben oft durch seinen Schüler R. Chija I. vertreten. Auch zur Zeugenschaft, die früher nur von gekannten Männern angenommen wurde, ließ er Leute zu, die in andern Sachen nicht glaubhaft waren, und verlegte die Synhedrialsitzungen Nach Entab. Seine Jünger, Bar Kappara und R. Jochanan, forderten zum Studium der Astronomie und der Kalenderbe­rechnung auf und betrachteten das­selbe als die Erfüllung eines Gottesge­botes. »Wer da versteht, die Zeit der Jahreswenden und den Lauf der Pla­neten zu berechnen und es unterlässt«, von dem heißt es: »Das Werk des Herrn schauen sie nicht, seine Händearbeit sehen sie nicht«, lautete die Mahnung des Bar Kappara. Auf gleiche Weise lehrte R. Jochanan: »Es ist ein Gottes­gebot, die Zeit der Jahreswenden, The­kuphoth, und den Lauf der Planeten zu berechnen, denn es heißt: Bobachtet und vollziehet es, denn sie ist eure Weisheit und eure Vernunft in den Au­gen der Völker« (5. M. 11). Man sieht aus diesen Lehren, welches Gewicht man auf das Studium der Kalenderbe­rechnung legte. Die Zeit drängte dazu gewaltig. R. Juda I. selbst stellt die Re­gel auf, dass seit Efra der Monat Adar nie vollzählig (d. h. immer zu neun­undzwanzig Tagen) gewesen. Es wur­den den Gemeinden in Babylonien Konzessionen gemacht. Dem Oberrichter Mar Ukba In Kafri überlieferte das Synebrion in Palästina die Norm: »Die zwei Monate Elul und Adar, als die Monate vor den Festen, sollen immer zu neunundzwanzig Tagen berechnet werden.« Von dieser Regel sollte nur dann Abstand genommen werden, wenn der Shabbath und der Versöh­nungstag unmittelbar nach einander folgen würden. In diesem Falle habe man aus Rücksicht für die Babylonier einen Tag einzuschieben. Eine systema­tische durchgreifende Bearbeitung der Kalenderberechnung lieferte nicht lange darauf ein babylonischer Jünger des Patriarchen R. Juda I.; es war Mar Samuel, genannt »Samuel Jarchinae«, Samuel der Sternkundige, zu Naarda, Nehardea, in Babylonien. Er konnte von sich rühmen: »Bekannt sind mir die Bahnen (der Planeten) am Himmel wie die Straßen Nehardeas. « Er stellte ein fertiges System der Kalenderberech­nung auf und behauptete, dass er auf eigene Faust, unabhängig von dem Pa­triarchen R. Juda II., die Bestimmung der Feste vorzunehmen im Stande wäre. Ob ihm damit Ernst war, ob er eine Losreißung der babylonischen jü­dischen Gemeinden von Palästina be­absichtigte? — vermögen wir nicht zu beurteilen. Aber eine Stelle bringt das Volksurteil: »Die zwei Töchter Samu­els wären nur in Folge der Sünde des Chananja, des Nessen Josuas, durch die Vornahme der Bestimmung des Schaltjahres in Babylonien so jung ge­storben«, was deutlich auf seine Absicht mit der Feststellung der Kalender­berechnung anspielt, als wollte er durch sie die Festtage für Babylonien allein bestimmen. Indessen verstanden ihn seine gelehrten Zeitgenossen be­scheidener zu stimmen. Abba, der Va­ter des später berühmten Agadisten Simlai, verfügte sich zu ihm und über­zeugte ihn bald, dass er noch lange nicht die im Kalenderrat des Patriar­chen in Palästina geltenden Kalender­regeln zu enträtseln verstände und eine Festordnung nur nach einer auf mitt­lere Berechnung sich stützende Bestim­mung zu entwerfen im Stande sei. »Verstehst du«, rief er ihm zu, »die Re­gel von Neumond vor »Mittag« oder nach »Mittag?« d. h. die Zeit zwischen der Konjunktion und dem Sichtbar-werden des Neumondes zu bestim­men?« Samuel gestand seine Unwissen­heit in diesem Punkte ein. Darauf fuhr dieser fort: »So gibt es Mehreres in der Kalenderwissenschaft des Synhedrions in Palästina, welches du nicht ver­stehst! « Nichtsdestoweniger ließ sich Mar Samuel einschüchtern. Er arbei­tete einen Festkalender auf sechzig Jahre aus und sandte ihn seinen Kolle­gen R. Jochanan nach Palästina zur Approbation ein. Dieser ließ denselben in seiner Theorie gelten, aber sprach ihm jede praktische Bedeutung ab. Die Festbestimmung sollte, wie früher, nur vom Synhedrion in Palästina ausgehen. Trotz dieser Abweisung nahm man all­mählich von den Kalendernormen Sa­muels Notiz und suchte sie zu verwerten. Die Eine, welche die Dauer des Sonnenjahres auf 365 1/4 Tage bestimmt und dasselbe in vier Jahreswenden, Te­kupoth (siehe Teil I dieses Artikels), zu je 91 Tagen und 7 1/2 Stunden teilt. Diese Angabe kommt in den Schriften späterer Gelehrten unter dem Namen »Tekupat de Mar Samuel« vor. Eine andere gibt die Eintrittszeit jeder der vier Jahreswenden, Tekupoth, an: 1. für die Frühlingswende, Tekupat Nis­san, auf die vier Abteilungen des astro­nomischen Tages: den Tagesanfang (= 6 Uhr morgens), den Nachtanfang (= 6 Uhr abends), den Mittag (= 12 Uhr morgens) und auf Mitternacht (= 12 nachts); 2. für die Sommerwende, Te­kupat Tamus, entweder 1 1/2 Uhr (= 7 1/2 Uhr) oder 7 1/2 Uhr (= 1 1/2 Uhr) des Tages oder der Nacht; 3. für die Herbst­wende, Tekupat Tischri, entweder 3 Uhr (= 9 Uhr) oder 9 Uhr (= 3 Uhr) des Tages oder der Nacht, und 4. für die Winterwende, Tekupat Tebeth, 41/2 Uhr (= 10 1/2 Uhr) oder 10 1/2 Uhr (= 4 1/2 Uhr) des Tages oder der Nacht. In einer dritten rechnet er das Mondjahr zu 353 bis 356 Tagen je nachdem mehr oder weniger die Monate vollzählig oder mangelhaft gewesen. Eine vierte belehrt uns, dass der Rückstand der Sonnenwende (Tekupha), der die Ein­setzung eines Schaltjahres zur Folge haben soll, aus der größeren Hälfte des Monats bestehen muss. Übrigens wird ihm auch das Verständnis der geheim gehaltenen Kalenderregeln des Synhed­rions in Palästina zugeschrieben. Samuel soll seine Kalenderregeln und die kalendarische Berechnung in eine Schrift niedergelegt haben, die unter dem Namen: »Boraitha de Mar Sa­muel« noch den jüdischen Gelehrten des Mittelalters bekannt war und von ihnen zitiert wurde. Diese Bemühun­gen Samuels blieben nicht auch auf R. Jochanan ohne Erfolg. Die ganze Zeu­genaussage über die gesehene Neu­mondssichel wurde als Nebensache betrachtet, der Hauptgegenstand, der im Kalenderrat den Ausschlag gab, war die Berechnung so dass er oft, wo diese mit jener in Widerspruch stand, zu der Maßregel griff, die Zeugen bei ihren Aussagen so lange einzuschüch­tern, bis ihre Angabe mit seiner Kalen­derberechnung übereinstimmten. Doch war durch dergleichen Maßregel die Autorität der ganzen kalendarischen Bestimmung untergraben, so dass R. Jochanan viele Mühe und Kämpfe hatte, dieselbe aufrecht zu erhalten. So begaben sich in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts zwei ordinierte Gesetzeslehrer, R. Chia b. S. und R. Si­mon b. J. wie es früher R. Mair getan hat, nach Sardes und nahmen dort die Bestimmung eines Schaltjahres vor. Ebenso wuchsen in Babylonien die Verwirrungen, wo in einigen Gemein­den die Feier des zweiten Festtages und in den anderen wieder nicht gehalten wurde. Es kam sogar vor, dass man in Babylonien an manchen Orten den Tag, an welchen in Palästina der Ver­söhnungstag gefeiert wurde, aus Mangel jeder gehörigen Nachricht, gleich einem Wochentag beging. Noch auffal­lender war es, dass die Gemeinden selbst ohne jedwede Einheit und gegen­seitige Nachricht oder Übereinstim­mung den Versöhnungstag an verschie­denen Tagen feierten, so dass es nicht selten geschah, dass Gewissenhafte zwei Tage nacheinander den Versöh­nungstag hielten. R. Jochanan sah sich daher zu der Anordnung genötigt, dass die Gemeinden, zu denen die Sendbo­ten im Monat Tischri nicht gelangen konnten, bei allen Festen, mit Ausnah­men des Versöhnungstages, zwei Fest­tage zu feiern haben. Doch griff auch diese Maßregel nicht durch und man traf noch immer Gemeinden, die nur einen Festtag feierten. Andererseits fehlte es auch nicht in Palästina an Ge­meinden, als z. B. in Nimrin, wo man sogar zwei Versöhnungstage nachein­ander in der Meinung der Ungewissheit des Tages hielt, was später Rab Chasda zu einem gerechten Vorwurf gegen sie veranlasste, dass sie sich nicht einer solchen Lebensgefahr aussetzten dür­fen. Nach dem tode R. Jochanas (278) erhielt R. Elasar b. Pedath den Vorsitz im Synhedrion. Die Ordnung in den babylonischen Gemeinden war noch immer nicht hergestellt. In denselben feierten die Einen den zweiten Festtag, von dem die Andern nichts wissen wollten; sie behaupteten, in Folge der Kalenderberechnung nicht mehr in Be­zug auf die Festtage im Ungewissen zu sein. R. Elasar b. Pedath sah sich genötigt, zur Aufrechterhaltung der alten Ordnung Schreiben nach Babylonien zu senden, worin er die Neuerer mahnt, nicht von der Sitte der Väter zu ändern, denn es könnten im Falle einer Religi­onsverfolung Verwirrungen entstehen und wir wären, wie früher, im Zweifel. Ob dieselben sich des Erfolges bei den Nenitenten zu erfreuen hatten? — ist zweifelhaft. Die Gemeinden waren und blieben darin geteilt. Von R. Hai Gaon kommen in den karäitischen Schriften Berichte vor, dass ganz nebeneinander liegende Ortschaften die Feste nicht gleich feierten. R. Seira, ein strenger Verteidiger des zweiten Festtages, tut einen Schritt weiter und erklärt, »da wir, trotz unserer kalendarischen Kenntnis, den zweiten Festtag beibe­hielten, so haben beide Festtage gleiche Heiligkeit.« Nach ihm gab es noch An­dere, welche behaupteten, sie befänden sich noch in Unkenntnis der Neu­mondsbestimmung, also von den neuen Theorien nichts wissend wollten. Auch in Alexandrien, das in dieser Zeit mit Palästina wieder in Verkehr trat und wo der zweite Festtag nicht gehalten wurde, versuchte R. Jose II., zur Feier desselben zu bewegen. Er schrieb da­hin: »Obwohl man Euch die Festord­nung, den Festkalender, aufsetzte, ihr demnach nicht mehr über die Festtage im Zweifel seid, ändert doch nicht an der Sitte Eurer Väter. « Aber auch dieses Schreiben schien nicht den besten Er­folg zu haben. R. Abbahu kam nach Alexandrien und sah die Juden am ersten Festtag des Laubhüttenfestes, der auf den Shabbath gefallen war, dass sie sich des Lulabs bedienten, was sie nicht tun dürften, wenn sie auch den zweiten Festtag gefeiert hätten. So sah es in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhun­derts aus. Die Geister waren durch die neuen Kalendertheorien aufgeregt, und man schwankte, ob nicht die mühseli­ge Neumonds- und Festbestimmung durch Beobachtung der Neumonds­phasen ganz zu entbehren sei. Die Ge­schichte des Kalenderwesens hat diese Frage im Drange der Zeit und in Folge der jetzt auf die Juden Palästinas ein­stürmenden Leiden endlich bejaht. Es war ein Glück fürs Judentum, dass es seine Verjüngungskraft sich zu erhalten wusste und in allen schweren Tagen sich auszuhelfen verstand. So war es nach der Zerstörung des Tempels, als der Opferkultus eine Unmöglichkeit geworden, so in den Jahren der hadria­nischen Verfolgungen und so um diese Zeit, wo neue Prüfungen drohten, die den Synedrialakt der Neumondsbe­stimmung nicht vollziehen ließen. Un­ter dem Kaiser Konstantin (337 — 35o), durch dessen Eintritt in das Christentum die christliche Religion die Welt­herrschaft erlangte, wurden die alten hadrianischen Verfolungsdelikte gegen die Juden erneuert, welche unter Andern auch die Neumonds- und Festbe­stimmungen bei Todesstrafe verboten. Keine Nachricht konnte mehr aus dem Patriarchenhause und vom Synhedrion über die Bestimmung der Neumonde und der Feste zu ihnen gelangen. Heim­lich wagte man es noch in rätselhaf ten Ausdrücken dem Schuloberhaupte Raba zu Mechusa in Babylonien das im Synhedrion beschlossene Schaltjahr schriftlich anzuzeigen. Das merkwür­dige Schriftstück lautete: »Nachschons (d. i. der Patriarch) Nachkommen be­absichtigten einen Monatspfleger (ei­nen Schaltmonat) einzusetzen, aber der Aramäer (Römer) gestattete es nicht! Trotzdem versammelten wir uns und setzten den Monatspfleger in den To­desmonat Aarons, des Priesters ein.. Für die Zukunft konnten solche Not­behelfe nicht ausreichen, man ent­schloss sich daher zu anderen Mitteln. Die bisher geheim gehaltenen Kalender­regeln wurden den Babyloniern mitge­teilt, damit sie nach denselben die Neu­monds- und Festbestimmungen selbst vornehmen sollen. So teilte R. Huna bar Abin dem eben genannten Lehrer Raba in Mechusa mit: »So du siehst, dass die Winterwende (Thekupat Te­beth) sich bis in den sechszehnten des Monatas Nissan erstreckt, mache ohne weiteres das Jahr zum Schaltjahr.« Eine Hauptregel war somit angegeben. R. Seira folgte diesen Beispiele und über­lieferte den Babyloniern eine andere Hauptregel. »Die Regel«, lehrte er, »die Abba, der Vater Simlais, dem Sa­muel vorgelegt und er sie nicht zu er­klären verstanden hatte (siehe oben), sagt nicht anders, als dass Nacht und Tag dem (neuen) Monat angehören müsse, d. h. tritt der Neumond vor der Mittagsstunde ein, so wird er nahe dem Sonnenuntergange gesehen werden, aber tritt er nicht vor der Mittagszeit ein, so kann er auch nicht nahe am Sonnenuntergange gesehen werden.« Hierher rechnen wir noch die andern Kalenderregeln, die um diese Zeit, vor­her oder nachher, verkündet wurden. So teilte R. Jose II. mit, dass Purim we­der auf Montag, noch auf Shabbath fallen könne, weil sonst der Versöh­nungstag auf Sonntag oder Freitag fiele; eine Regel, welche an die spätere Verschiebungsregeln (siehe Teil II) er­innert. Ein Anderer, R. Simon, stellt die Lehre auf, das Neujahrsfest und der Hosanatag, dürfen nie auf einen Shab­bath kommen und wo dies untunlich erscheine, bestimme man das Neu­jahrsfest, aber nicht den Hosanatag auf einen Shabbath. In demselben Sinne lautet die Erklärung eines Bar Hadia, dass nie der Hosanatag auf den Shab­bath fallen dürfe. Von dem Schebuoth­feste heißt es, dass dasselbe immer auf denselben Tag der Woche fallen müsse, an dem der zweite Pessachtag (der sechzehnte Nissan) gefeiert wurde. Ein Vierter endlich sagt von dem Wochen­feste, dass es, je das Jahr 355, 354 und 353 Tage gezählt, auf den fünften, sechsten und siebenten Sivan bestimmt werden kann. So tut schon der be­rühmte Kalenderberechner Rab Ada bar Ahaba, dem man die genauere Be­rechnung des Sonnenjahres von 365 Tagen, 5 Stunden, 997 Teilen und 48 Augenblicke (= 365 Tage, 5 Stunden, 55 Minuten und 25 Sekunden) unter dem Namen »Tekupath de Rab Ada« zuschrieb, in seiner Entgegnung an Raba (in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts) den wichtigen Aus­spruch: »Es ist nicht mehr nötig, die Neumondsbestimmung auf Grund der Beobachtung der Neumondssichel vor­zunehmen.« Ob in dieser Zeit die Ein­führung eines festen Kalenders durch den Patriarchen Hillel II., wie dies von Vielen behauptet und dafür das Jahr 3 59 angegeben wird, bleibt, trotz aller Bemühung der Gelehrten in der Gegen­wart, ungewiss, weil sowohl in Paläs­tina, als auch in Babylonien noch lange nachher, als zur Zeit Ullas, Seiras, Ra­bas, Rab Nachmans (Rosch Haschana 19. 20. 21 und Sanhedrin 12), also ge­gen die Hälfte des vierten Jahrhunderts die alte Weise der Neumondsbestim­mung auf Grund der Beobachtung der Neumondssichel üblich gewesen, so dass nach Rab Aschi in den Erörterun­gen der dahin gehörenden Bestimmun­gen seinen Ausspruch geltend macht. Wir sind daher geneigt, denen beizu­stimmen, welche für die Veröffentli­chung und Einführung eines solchen Kalenders die Zeit nach dem Jahre 500 n., also nach dem Schluss des Talmud, angeben. Doch lässt sich mit ziemlicher Gewissheit nachweisen, dass verschie­dene Teile dieses festen Kalenders als z. B. die Verschiebungsgesetze, Dechioth, u. a. m. den Talmudlehrern Jahrhun­derte vorher bekannt gewesen und von ihnen angewendet wurden, so dass man mit guten Grunde sagen kann, das nachtalmudische Kalenderwesen habe sich teilweise aus den Kalendernormen der talmudischen Zeit ausgebaut.