Keduscha
Posted 6 yrs ago
Keduscha, aramäisch: Heiligung.
Bekanntes Gebet der Gottesheiligung, der Anerkennung der Heiligkeit Gottes, eines der ersten Stücke des Achtzehngebetes, Schemone Esre, sowie ein Bestandteil zweier anderer Gebete des Morgengottesdienstes, des um Erleuchtung und des um Erlösung. Es ist das Gebet, das die Gottesheiligkeit, wie sie in der heiligen Schrift als Ur-und Vorbild für die Heiligkeit, die heiligende Erhebung des Menschen, das Prinzip des Religiössittlichen im Judentum gelehrt wird, zum Ausdruck bringt und somit zu einem der wichtigsten Gebete der synagogalen Liturgie wird. Ein heiliger Gott, der Glaube an einen heiligen Gott, diese Zeichnung der in der Weltleitung und Weltregierung sich offenbarenden Gottesgestalt, die Gott in einer höchst sittlichen Vollendung dem Menschen vorführt und ihm zuruft: »Heilig sollet ihr sein, denn heilig bin ich, der Ewige, euer Gott! «, bildete so sehr den Grundzug des Judentums, wurzelte so tief in dem religiösen Bewusstsein seiner Anhänger und wurde von ihnen so hochgehalten, dass sie denselben als einen Engelruf, eine Gottespreisung der Himmelsmächte bezeichneten. Es ist die höchste Darstellung, die sie dafür hatten, die größte Zeichnung, die sie für dieselbe entwerfen konnten. Der Prophet Jesaja wird zum Propheten geweiht: Die erste Erscheinung, die er hat, das erste Wort, das er vernimmt, ist der Ruf der Seraphim: »Heilig, heilig, heilig ist der Ewige Zebaoth, voll ist die Erde seiner Herrlichkeit! « Die Vision der Gottes-und Himmelsmächte des Propheten Ezechiel schließt mit dem Preis der Engel: »Gepriesen sei die Herrlichkeit Gottes von ihrer Stätte!. Dieselbe ist nicht der Heiligkeitsruf der Seraphim, wie bei Jesaja, aber sie schließt sich demselben eng an und ergänzt ihn. Die Idee von der Herrlichkeit Gottes als Ausdruck der in der Welt sich offenbarenden Gottesgestalt, von der der Prophet Jesaja durchdrungen ist, und die er als einen die ganze Erde erfüllenden Heiligkeitsruf schildert, wird in der Engelerhebung bei Ezechiel zu einer Gottespreisung, zu einem in Lob und Preis überströmenden Dank für die gewordene Gotteserkenntnis, Gottesanerkennung. So hat Jesaja die Erkenntnis, die Anerkennung des Gotteswaltens in der Welt, Ezechiel den Dank und den Preis für dieselbe. Es fehlt noch das Dritte, der Wunsch nach der weitesten Ausbreitung dieser Gottesanerkennung, dass sie sich der ganzen Menschheit bemächtige. Aber dasselbe ist nicht so sehr Sache des Propheten, als des Psalmisten. Der in den Psalmen oft wiederkehrende Ausruf: »Ewig wird der Herr regieren, dein Gott, Zion, von Geschlecht zu Geschlecht, Halleluja!« bringt das Dritte, ergänzt, was gleichsam hier fehlt. Sinnig hat daher die Liturgie für den Synagogen-Gottesdienst diese drei sich so ergänzenden Schriftstellen über die Anerkennung des Gotteswaltens in der Welt zusammengestellt und zu einem Gebet formuliert. Es ist das Gebet unter dem Namen »Gottesheiligung«, Keduscha, das von uns hier besprochen wird. Die Benennung Gottesheiligung, »Keduscha«, als Bezeichnung dieses Gebetstückes, kommt im talmudischen und nachtalmudischen Schrifttum mit mehreren Nebenbestimmungen vor, die dieselbe genauer angeben. a. »Die Heiligung des Gottesnamens«, auch: »Die Heiligung des großen Gottesnamens«, (Targum Jonathan), als eine der drei Benediktionen des Achtzehngebetes (s. Schemone Esre); b. »Die Heiligung des Tages«, die tägliche Gottesheiligung; c. »Die große oder hohe (himmlische) Heiligung,« eine Bezeichnung, die ihre Wichtigkeit ausspricht; d. »Die Heiligung der Ordnung«, eine Benennung dieses Gebetstückes in aramäischer Sprache, welches eine Paraphrase zu den drei betreffenden Stellen hat, die für die des Hebräischen Unkundigen abgefasst war und in unserem Gebetbuch dem Gebete um Erlösung angehört; e. »Die Heiligung im Stehen«, d. h. die stehend verrichtet wird, als die Keduscha im Achtzehngebet; f. »Die Heiligung im Sitzen«, die auch sitzend gebetet werden kann, es ist die Keduscha in dem Gebet um Erleuchtung. Der Ursprung dieses Gebetes wird als sehr alt erklärt, es soll von der Tätigkeit der großen Synode herrühren, also noch der vormakkabäischen Zeit angehören. Im Talmud wird dasselbe als schon vorhanden von den Lehrern des zweiten und dritten Jahrhunderts n. erwähnt. Die mystische Agada hat sich dessen sehr früh bemächtigt und in vielen Stücken bearbeitet, sodass von derselben schon in Sifri (zu 5. M. 33. 2) und in dem Targum Jeruschalmi und Targum Jonatahn zu 5. M. 32. 3 und Jesaja 6. 3, Ezechiel 3. 15 vorkommt. Bestandteile dieser mystischen Agada von der Keduscha haben Pirke de R. Elieser (Absch. 4 am Ende) die kleinen Midraschim, als z. B. der Midrasch Kanen; der Midrasch Hechaloth, ein Midrasch in Jalkut § 83o und zu Jecheskel § 34o, auch im Rokeach zu halachoth Berachoth und im Tania Rabbathi § 4. In denselben wird der Ruf: »Heilig, heilig, heilig!« in diesem Gebet als eine göttliche Krönung bezeichnet. Die Formel und der Text dieses Gebetes haben viele Bearbeitungen erlitten und liegen uns in verschiedenen Rezensionen vor. Wir kennen fünf Abfassungen desselben, die bald mehr, bald weniger voneinander abweichen. Hierher gehören drei unseres Gebetbuches: 1. die des täglichen Gottesdienstes; 2. die des Morgengebetes zu Shabbath und Fest, und 3. die des Mussafgottesdienstes zu Shabbath und Fest; ferner 4. die von Maimonides und 5. die im Gebetbuch der Sephardim, der Chassidäer unserer Zeit. Von diesen scheint die Keduscha zum täglichen Morgengottesdienste unseres Gebetbuches die einfachste und ursprüngliche Form zu haben, welche in den hier genannten anderen Formularen dieses Gebetes durch Zusätze und Einschiebsel verschieden erweitert wurde. Die Keduscha des täglichen Morgengottesdienstes in unserem Gebetbuch kommt, wie schon erwähnt, in drei Gebeten vor: 1 in dem Gebet um Erleuchtung; 2. in dem Achtzehngebet und 3. in dem Gebet um Erlösung, die ebenfalls, wenn auch nicht in der Hauptform, voneinander abweichen. Die Hauptform der Keduscha hat, außer dem sie einleitenden Vers, drei Teile: 1. die Heiligkeitsrufe, als die Anerkennung der Gottesgestalt von ihrem Walten in der Welt; 2. das Gottespreisen, als den Dank für diese Erkenntnis, und 3. die Verheißung des Wachstums und der Ausbreitung dieser Gottesanerkennung, des Gottesreiches. Der Text derselben besteht aus der Zusammenstellung der schon oben zitierten drei Schriftstellen aus Jesaja 6. 3, Ezechiel 3. 12 und Psalm 115. 10, der mit den Einleitungen zu denselben in deutscher Übersetzung lautet: 1. »Lasset uns deinen Namen in der Welt heiligen, wie man denselben in den Himmelshöhen heiligt«; nach dem Prophetenworte: »Der eine rief dem andern zu und sprach: >Heilig, heilig, heilig ist der Ewige, Zebaoth, voll wird die ganze Erde seiner Herrlichkeit!<« 2. Und die ihnen gegenüber stehen, rufen: »Gepriesen sei die Herrlichkeit des Ewigen von ihrer Stätte! « 3. In deinen heiligen Worten heißt es: »Ewig wird der Herr regieren, dein Gott, Zion, von Geschlecht zu Geschlecht, Halleluja!« Diese Gebetsformel ist die der Keduscha in dem Achtzehngebet des täglichen Gottesdienstes. Von dieser weicht die Formel der Keduscha in dem Gebet um Erleuchtung, המאיר לארץ, ab, wo der dritte Teil ganz fehlt, auch die Einleitungen zu 1 und 2 lauten anders. Ebenso ist die Keduscha in dem Gebet um Erlösung, ובא לציון, völlig anders. Der dritte Teil hat nicht den obigen Psalmvers, sondern den aus 2. M. 15. 18: »Der Ewige wird regieren, immer und ewig! « Die anderen zwei Teile haben mehrere Einschiebsel aus der chaldäischen Paraphrase des Targum zu Jesaja 6. 3. und Ezechiel 3. 12 ad 1 lautet der Zusatz: »Es nehmen die einen das Wort von den anderen und rufen: >Heilig in den oberen Himmelshöhen, der Stätte seiner Schechina; heilig auf der Erde, wo seine Allmacht wirkt und heilig in aller Welten ewig.<« Der Ewige, Zebaoth, füllt die ganze Erde von dem Strahl seiner Herrlichkeit. Es ist eine Erklärung der drei Heiligkeitsrufe. Der zweite Teil bringt in hebräischer und chaldäischer Sprache den Bibelvers aus Ezechiel 3. 12. Das Chaldäische desselben ist die Paraphrase des Targum zu derselben Stelle. Der Grund dieser dreimaligen Wiederholung des Keduschagebetes in den Morgengebeten ist: 1. in Bezug auf die Keduscha in dem Gebet um Erleuchtung als Protest gegen den Unglauben oder die Leugnung der Weltleitung durch Gott und 2. betreffend ihre Widerholung in dem Gebete um Erlösung, damit diejenigen, welche bei zu spätem Besuch des Gottesdienstes die Keduscha des Achtzehngebetes verabsäumt haben, noch dieses Gebet verrichten können. Andere glauben den Ursprung der Zitierung der Keduscha in diesem Gebet auf die Verfolgungszeiten in Babylonien zurückzuführen, wo die Verrichtung der Keduscha im Achtzehngebet bei Todesstrafe verboten war. Eine völlig veränderte Gestalt hat das Keduschagebet für Shabbath und Fest. Dasselbe hat in dem Achtzehngebet des Morgengottesdienstes als Einleitung ad 2 den Zusatz: »Alsdann lassen sie in dem Getöse eines großen, starken und mächtigen Sturmes ihre Stimme hören, sie erheben sich gegenüber den Seraphim und rufen gegeneinander: » Gepriesen sei die Herrlichkeit des Ewigen von ihrer Stätte! « Ein zweiter Zusatz bildet ebenfalls die Einleitung ad 3: »Von deiner Stätte, unser König, strahle und regiere über uns, denn wir hoffen deiner. Wann du in Zion regierst, bald in unseren Tagen weilst du dort immer und ewig usw.« Viel erweiterter noch ist die Keduscha zu dem Mussafgebet. Schon die Einleitung ad I ist eine andre, sie lautet: »Lasset uns dich (Gott) verherrlichen und dich heiligen nach der geheimen Sprach der heiligen Seraphim, die deinen Namen im Heiligtum heiligen usw.« Sodann hat sie nicht drei Teile, sondern fünf Teile; es sind hier zwei neue Teile eingeschoben, der eine mit dem Schema, als Bekenntnis des Glaubens an einen Gott: »Höre Israel, der Ewige, unser Gott ist Gott der Eine! «, der andere mit dem Zuruf: »Ich bin der Ewige, euer Gott!. Hierzu kommen am Shabbath drei Zusätze und zum Fest vier Zusätze. Die drei Zusätze am Shabbath sind die Einleitungsstücke ad 2, 3 u. 4 der Mussafkeduscha, zu denen am Fest noch der Einleitungszusatz ad 5 hinzukommt. Das Einleitungsstück ad 2 lautet: »Seine Herrlichkeit erfüllt die Welt, dass seine Diener fragen: Wo ist denn ausschließlich die Stätte seiner Herrlichkeit.« Das ad 3 heißt: »Von seiner Stätte wolle er sich in Barmherzigkeit (uns) zuwenden, dem Volke Gnade schenken, das täglich zweimal, Abend und Morgen, in Liebe das Schema spricht.« Das ad 4: »Einer ist unser Gott; er ist unser Vater, unser König, unser Helfer; er wird uns in seiner Barmherzigkeit zum zweiten Male vor den Augen aller Lebenden vernehmen lassen: Ich bin der Ewige, euer Gott!. Das ad 5 endlich am Feste: »Unser Mächtiger, Ewiger, unser Herr, wie herrlich ist dein Name auf der ganzen Erde. Der Ewige ist König über die ganze Erde, an demselben Tage wird der Ewige einzig sein und sein Name eins.. Ursache der eingeschobenen neuen Teile bringt man auch hier mit den Religionsverfolgungen gegen die Juden in Babylonien im dritten Jahrhundert unter Jesdigert in Verbindung, welche ihnen bei Todesstrafe die Verrichtung des Schemagebetes verboten. Man schob daher den ersten Vers des Schemagebetes in die Keduscha ein und sprach dasselbe an dieser Stelle. Auffallend ist die Keduscha bei Maimonides, die mit geringer Variation dieselbe des Shabbathmorgens unseres Gebetsbuches ist, die von ihm für jeden Gottesdienst am Wochentage, Shabbath und Fest bestimmt wird; er kennt also nur die eine Keduscha. Am Schlusse bringen wir noch die Bestimmungen über die Vortragsweise. Nach denselben sollen vom Vorbeter allein sämtliche Einleitungsstücke zu den einzelnen Teilen der Keduscha gesprochen werden. Die Gemeinde betet nur die betreffenden Verse als die eigentliche Keduscha in ihren verschiedenen Teilen.