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Mechilta - Schrift aus der Nebenliteratur der Mischna

Posted 6 yrs ago

Schrift aus der Nebenlite­ratur der Mischna, mehr halachischen als agadischen Inhalts, ein überwie­gend halachischer Midrasch, der die Halacha nicht wie die Mischna aus­züglich, meist in festen Normen mit­teilt, sondern dieselbe noch in ihrem Zusammenhange mit dem Schrift­worte, aus dem sie hergeleitet oder mit dem sie in Verbindung gebracht wird, angibt und so mit den anderen Schrift­werken ähnlichen Inhalts, als z. B. Sifra, Sifri und Tosephta den großen Schatz des halachischen Midrasch ent­halten und die Arbeit der Gesetzesleh­rer, Tanaim, die Halacha aus der Schrift herzuleiten oder sie mit derselben in Einklang zu bringen, auch nur für sie in derselben Andeutungen und Anleh­nungen aufzufinden, darstellen.

I. Name, Bedeutung und Bezeich­nung. Der Name »Mechilta« als Be­zeichnung unseres oben genannten »Halachamidrasch« kommt im Talmud nicht vor, aber desto häufiger in dem nachtalmudischen Halachaschrifttum mit verschiedenen Nebenbezeichnun­gen. Im Talmud ist der Name »Me­chilta« gleich der Benennung »Bo­raitha« eine Kollektivbezeichnung für die verschiedenen aufgezeichneten und angelegten Midrasch-Halachasammm­lungen, die als ein neben der Mischna einhergehendes Schrifttum fortbestand. Unsere »Mechilta« ist eine der vielen Schriften dieser Art, die unter diesem allgemeinen Namen mit begriffen und von den späteren Gesetzeslehrern und Mischnasammlern gekannt waren. Be­weise dafür haben wir in den verschie­denen halachischen Bestimmungen und Schriftherleitungen, die im Talmud vorkommen und der Mechilta entnom­men zu sein scheinen. Ihre Namen, un­ter welchen sie im nachtalmudischen Schrifttum vorkommen, sind: 1. »Me­chilta«; 2. »Mechilta von Vaele sche­moth« (d. h. vom z. B. Moses); 3. »Mechilta de R. Ismael«; 4. »Mechilta de R. Simon ben Jochai«; 5. »Mechilta de R. Akiba«; 6. »Mechilta de Ben Asai«; 7. »Mechilta zum 2. B. M., 4. B. M. und 5. B. Moses«; B. »Mechilta zum 2., 3., 4. und 5. B. Moses«. Es gab sonach, wie wir schon bemerkt haben, mehrere Schriften halachisch-midra­schischen Inhalts unter diesem Namen, von denen unsere »Mechilta« eine ist. Die Nebenbezeichnungen: »R. Ismael«, »R. Akiba«, »Ben Asai« und »R. Si­mon ben Jochai« sind nicht die Namen ihrer Verfasser, da in denselben, wie dies bei unserer Mechilta zu ersehen ist, Namen von Lehrern späterer Zeit vorkommen, sondern stehen in ent­lehnter Form da, wohl wegen der vie­len Schriftherleitungen der Halacha, die in ihren Namen mitgeteilt werden. Fragen wir nach der Etymologie und der Bedeutung dieses Namens, so be­merken wir, dass Mechilta nicht hebrä­isch, sondern aramäisch ist und ur­sprünglich »Maß« bezeichnet. Erst in entlehnter Form kommt dieses Wort in der Bedeutung von »Beurteilung« vor, als ein Abmessen und Erwägen der Gedanken; daher es übertragen »Lehr­normen«, Schriftforschungs- oder Schriftherleitungsgesetze, auch die auf bestimmten Gesetzen beruhende Schrif­terklärung oder halachische Ableitung aus der Schrift, und endlich Abhand­lung dieser Art von Schriftforschung oder Halachaherleitung bedeutet. »Mechilta de R. Ismael zum zweiten Buch Moses«; der Name unserer Me­chilta, bezeichnet daher »die Abhand­lung der Schriftauslegung zum zweiten Buch Moses von R. Ismael. «

II. Gestalt, Teile und Inhalt. Die »Mechilta« in ihrer heutigen Gestalt weicht bedeutend von der ab, die in den Schriften des Maimonides und der Gelehrten nach ihm genannt wird und sich über das 2., 3., 4. und 5. Buch Moses erstreckt haben soll. Die uns Vorliegende umfasst nur das zweite Buch Moses und zwar nicht alle Teile desselben. Sie beginnt mit der Erklä­rung von 2. M. 12. 1 und endigt nach Auslassung mehrere Kapitel mit 2. M. 35. 1 - 4. Die Angaben ihrer Teile und ihrer Einteilung überhaupt sind eben­falls verschieden, so dass die Herausge­ber dieses Buches bedeutend voneinan­der abweichen. Wir stimmen mit denen, welche die Einteilung der Me­chilta nach der des Sifra geben. Nach derselben zerfällt die Mechilta in drei Hauptteile, neun Traktate und sieben­undsiebzig Abschnitte und zwei Einlei­tungen. Von den drei Hauptteilen um­fasst der Erste: 2. M. 12. 1. bis 2. M. 13. 16; der Zweite: z. M. 13. 17 bis 2. M. 20. 23, und der Dritte: 2. M. 21 bis 2. M. 35. 4. Die neun Traktate werden bezeichnet durch den Inhalt des Bibel­textes, den sie erklären. So gehört zum ersten Traktat die Erklärung von 2. M. 1 - 13. 16, der Traktat über das Pessa­chahopfer und das Pessachfest; zum Zweiten von 2. M. 13. 17. bis 15. 1, der Traktat von Pharao; zum dritten: 2. M. 15.1 bis V. 23, der Traktat vom Liede am Meere; zum vierten: 2. M. 13. 17 bis 20. 1, Traktat vom Einzuge der Israeliten in die Wüste; zum fünf­ten: 2. M. 17. 9 bis Kapitel 19. 1, der Traktat von Amalek und der Traktat von Jithro; zum sechsten: 2. M. 20. 1 - 23, der Traktat vom dritten Monat; zum siebenten: 2. M. 21. 1 bis 23. 19, Traktat der Rechte, oder der Entschä­digung; zum achten: 2. M. 22. 24 bis 25. 18, Traktat von Geldsachen; zum neunten: 2. M. 32. 12 bis 7 und 25. 1 - 3, Traktat vom Shabbath. Diese Traktate zerfallen wieder in Abschnitte, und zwar zählt man siebenundsiebzig Abschnitte. Von denselben kommen auf den ersten Traktat achtzehn, den zweiten sechs, den dritten zehn, den vierten sieben, den fünften vier, den sechsten elf, den siebenten neunzehn, den achten und den neunten zwei. Die zwei Einleitungen sind: a) zu 2. M. 12. 1 und b) zu 2. M. 13. 17. Der Inhalt der Mechilta ist, wie bereits angegeben, mehr halachische als agadische Schrift­forschung. So behandeln der erste und die drei letzten Traktate wichtige hala­chische Themata, dagegen besprechen die anderen den Auszug aus Ägypten, die Speisung der Israeliten in der Wüste durch das Manna, den Sieg über Ama-lek, den Anschluss Jithros und die Ge­setzgebung auf Sinai. Letztere gehören mehr dem Gebiete der Agada an. Nicht besprochen wird der noch andre Inhalt des zweiten Buches Moses, als: die Be­drückung der Israeliten in Ägypten und deren Dauer; die Anfertigung des Zelt­heiligtums und seiner Geräte; das Ver­gehen durch die Anfertigung und Ver­ehrung des goldenen Kalbes usw. In der Bestimmung und in den Angaben der Halachoth hat die Mechilta wegen ihrer Behandlung einer Menge alter Halachoth für die Geschichte der Ha-lacha großen Wert. Sie bietet für die­selbe eine nicht geringe Ausbeute und interessante Aufschlüsse. In der Agada sind ihre Notizen geschichtlicher Ge­genstände wichtig, als z. B. die Erzäh­lung von der Anfertigung der Septua­ginta, von Juda ben Tabai und Simon ben Schetach über die Tötung eines überführten falschen Zeugen, die Op­ferung nach der Zerstörung des Tem­pels, die Märtyrer unter Hadrian, der Bericht von einer Feuersbrunst, die sich vom diesseitigen Ufer des Jordans bis an das jenseitige ausbreitete u. a. m.. Nicht unbedeutend sind die Stellen über die Behandlung der Anthropo­morphismen. Von den anderen Teilen der Agada sind: die Sage, das Gleich­nis, die Parabel, das Sprichwort u. a. m. gut bedacht. Von der Erörterung des mosaischen Gesetzes ist besonders die des Shabbathgesetzes und der Dispen­sation von demselben in Fällen einer Lebensgefahr als zur Lebensrettung nennenswert.

III. Verfasser, Zeit und Geschichte. Wer der Abfasser unserer Mechilta sei, die Beantwortung dieser Frage führte zu verschiedenen Resultaten. Unsere Mechilta kommt in dem nachtalmudi­schen Schrifttum, wie bereits in I. an­gegeben, unter den Namen »Mechilta«, »Mechilta de Veda schemoth« (zum 2. B. Moses) und »Mechilta de R. Ismael« vor. Man war daher geneigt, den Ge­setzeslehrer R. Ismael als Verfasser der­selben zu halten. Gegen diese Annahme sprechen die Namen späterer Gesetzes­lehrer, die in dieser Schrift genannt werden. Man setzte infolgedessen ihre Abfassung viel später herab und gab R. Chia, den Kenner und Sammler der Boraithas, als ihren Abfasser an. An­dere schrieben sie dessen Schüler, Abba Aricha (siehe: Rabh), zu. Derselbe hat von seinem Lehrer R. Chija die Bo­raithas traditionell erhalten und die­selben in mehreren Schriften zusam­mengetragen. Die Dritten halten die Mechilta in ihrer gegenwärtigen Ge­stalt als eine von späteren Lehrern durch Zusätze und Einschiebsel umge­staltete Schrift, so dass sie in ihrer ur­sprünglichen Beschaffenheit wohl den R. Ismael zum Abfasser gehabt haben konnte. Neuere schließen sich dieser letzten Ansicht an, indem sie nachwei­sen, dass eine Menge anonymer Lehren der Mechilta im Talmud den R. Ismael zum Autor haben. Gegen diese Anga­ben wird mit Recht bemerkt, dass die Mechilta auch eine Menge anonymer Aussprüche hat, die im Talmud im Na­men des R. Simon ben Jochai und des R. Juda zitiert werden. Es drängt daher zur Annahme, dass unserer Mechilta eine Sammlung von Aussprüchen und Lehren des R. Ismael und dessen Schule ist, welche die im dritten Jahrhundert n. aus Palästina nach Babylonien ein­gewanderten Lehrer mitgebracht und verbreitet hatten. Eine vermehrte Sammlung, Zusammenstellung und schriftliche Abfassung derselben ge­schah in Babylonien etwa im vierten Jahrhundert n. oder noch später.