Messianische Leidenszeit - Leiden der Messiaszeit

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Die Lehren und Angaben in dem talmudischen Schrifttume über die messianische Leidenszeit, die An­nahme, dass dem messianischen Reiche Kämpfe und Leiden vorausgehen wer­den, haben in den biblischen Weissa­gungen von einem Gottesgericht (Tag des Gerichts) vor dem Eintritt glückli­cherer Zeiten ihre Begründung. Hier und dort ist die religiös-sittliche Läute­rung des Menschen das Ziel desselben. Beide wurzeln in der biblischen An­schauung, dass Leiden die Geburtswe­hen des Guten sind, nicht die Vernich­tung des Menschen, sondern seinen sittlichen Wiederaufbau erzielen sollen: Sie bilden die Vorboten der Erlösung, des Anbruches der verheißenen Zeit des Heils. Es war dies ein immer sich wiederholender Trostesruf an das jüdi­sche Volk, der es in den Verfolgungs­zeiten aufrecht erhielt und der Boden seiner Verjüngung geworden. »Wenn du siehst«, lehrt R. Jochanan, ein Leh­rer im dritten Jahrhundert n., »dass Is­rael in einer Zeit abnimmt, kleiner und weniger wird, so hoffe auf ihn (den Messias)«, denn also heißt es: »Dem bedrängten Volke stehst du bei« (2 S. 22. 28)« Ferner von demselben: »Wenn in einer Zeit über Israel viele Leiden gleich einem Strome einbrechen, harre seiner (des Messias)«, denn es heißt: »So da kommt Bedrängnis einem Strome gleich, den der Sturm des Ewi­gen angeschwellt. Und es kommt nach Zion der Erlöser.« (Jesaja 59. 19. 20) Ein anderer Lehrer, R. Janai, im zwei­ten Jahrhundert n. gibt an: »Wenn du ein Geschlecht nach dem andern in Gotteslästerung und Gottesverhöh­nung siehst, so hoffe auf den Eintritt des Messias«, denn es heißt (Ps. 89. 52): »Da sie dich verhöhnen, o Herr! Da sie verhöhnen die Tritte deines Ge­salbten! Gelobt sei der Herr ewig. Amen.« Solche Angaben und Lehren von der messianischen Leidenszeit wa­ren im Judentume sehr früh da. Schon das Buch Daniel i z. i spricht von den­selben, wenn auch in Bezug auf die sy­rischen Verfolgungen der makkabäi­schen Zeit; es heißt daselbst: »Und es wird eine Zeit der Not sein, die seit­dem, da es (Israel) ein Volk geworden bis heute, nicht gewesen, und in dieser Zeit wird dein Volk gerettet werden.. Der Talmud hat uns ähnliche Aussprü­che von den Gesetzes- und Volksleh­rern der fünf Jahrhunderte n. aufbe­wahrt. Von R. Akiba wird erzählt, dass er seinem beim Anblick des zerstörten Tempels trauernden Kollegen tröstend zurief: »Wenn also die Weissagung von der Zerstörung in Erfüllung gegangen, so wird die der Wiederaufbauung und Erlösung sich sicherlich erfüllen.« Am häufigsten und am ausgebildetsten tref­fen wir die Schilderung der messiani­schen Leidenszeit bei den Lehrern der nachbarkochbaischen Zeit, wo über Is­rael in Folge des verunglückten Auf­standes gegen Rom eine schreckliche Leidenszeit (Hadrianische Verfolgung) hereingebrochen war und das Volk des Trostes zu seiner Aufrichtung bedurfte. So war es R. Juda (im 2. Jahrh. n.), der dem Volke tröstend die Leiden seiner Zeit als Vorboten des Messias verkün­dete. Sein Ausspruch lautete: »In der Zeit, wo der David kommt, wird das Lehrhaus eine Unzuchtstätte sein, Ga­liläa ist zerstört, Gaulan verwüstet und die Männer Gabalenas wandern von Stadt zu Stadt und finden keine Gnade, die Weisheit der Schriftgelehrten wird gemieden, man verachtet die Gottes­fürchtigen, das Ansehen des Geschlech­tes gleicht dem Ansehen eines Hundes usw.« Ein anderer derselben Zeit, R. Nehorai, entwirft folgendes Bild: »In der Zeit des David wird die Jugend das Ansehen der Alten verhöhnen, und die Alten stehen vor der Jugend auf, die Tochter widersetzt sich gegen die Mut­ter, die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter, das Ansehen der Männer der Zeit gleicht dem eines Hundes und der Sohn schämt sich nicht vor dem Vater.« Ein Dritter aus derselben Zeit, R. Nechemia, hat darü­ber: »Die Zeit des Daviden ist, wo die Frechheit zunimmt; das Teuerste wird nicht geachtet, der Weinstock gibt seine Frucht, aber der Wein ist hoch im Preise und das ganze Reich hat sich den Sektierern zugewendet, keine Zu­rechtweisung erhebt sich u. a. m.. Eine Boraitha, die dieser Zeit angehört, gibt an: »Denn Gott richtet sein Volk, so er sieht, dass dahin ist jede Macht, ver­nichtet das Befestigte und Wohlbe­wahrte (5. M. 32. 36), der Davide kommt nicht früher, bis die Angeber sich mehren, die Schüler sich verrin­gern, das Geld geschwunden und man sich von der Erlösung losgesagt.. Ähn­liche Aussprüche werden noch im drit­ten und vierten Jahrhundert n. wieder­holt. Von R. Jochanan (im 3. Jahrh. n.) lautet derselbe: »Die Zeit des Daviden ist die, wo die Gelehrten sich verrin­gern, und die andern im Kummer und Seufzen dahin schmachten, viele Lei­den und schwere Verhängnisse (Religi­onsverfolgungen) sich erneuern, kaum hat man die ersten überstanden, folgen schon die andern.. Zu diesen Schilde­rungen fügen die Lehrer dieser Zeit eine neue hinzu, die Angabe gewaltiger Kriege mit den von weiter Ferne heran­ziehenden Völkerstämmen; man hatte Ahnung, dass Roms Macht einst durch rohe und wilde Völkerstämme unter­gehen werde und knüpfte daran die Hoffnung auf die Erlösung. Schon Eze­chiel Kap. 38 und 39 spricht von den Kriegen mit den aus dem Norden hena­nziehenden Völkerschaften des Gog Magog, die der Bildung des neuen Rei­ches vorausgehen werden. Diese Weis­sagung bildet vor der Zerstörung des Tempels bei den Juden Palästinas und Alexandriens nach dem Zeugnisse der Septuaginta zu 4. M. 7 einen Haupt­punkt ihrer Messiashoffnung. Im ers­ten Jahrhundert nach der Zerstörung des Tempels ist der Gesetzes- und Volkslehrer R. Akiba, der das Strafge­richt über Gog Magog in der messiani­schen Zeit nennt und dessen Dauer auf zwölf Monate angibt. Bei den Lehrern des zweiten Jahrhunderts n. kommt sie nicht mehr vor, der Grund davon war wohl der traurige Ausgang des bar­kochbaischen Aufstandes, wo die Völ­ker unter Roms Anführung den Mes­sias Barkochba besiegt hatten, gegen die Weissagung in Ezechiel 38. 39, die man auf Rom bezog und dessen Unter­gang erwartet hatte. Von den Lehrern des dritten Jahrhundert n. wird die­selbe wieder hervorgeholt und dem Volke in ihren Schilderungen der mes­sianischen Zeit verkündet. Noch R. Chia bar Abba, ein Lehrer am Ende des zweiten Jahrhunderts n., nennt nicht den Krieg mit Gog Magog, in dem die Frevler umkommen werden, sondern erzählt von einer Seuche, die dazu bestimmt sei. »Nahe den Tagen des Messias«, lehrte er, »wird eine große Seuche einbrechen, die Frevler kommen um; die Knospen des Wein­stockes verbreiten ihren Duft, das sind die Übriggebliebenen., von denen es heißt: »Und es wird sein der Rest in Zion und der Übriggebliebenen in Je­rusalem heilig dem Ewigen!. Aber schon Bar Kappara im Anfang des drit­ten Jahrhunderts n. spricht wieder von dem Kriege mit Gog Magog in den Messiastagen; er lehrt: »Wer da die drei Mahlzeiten am Shabbath (nach ih­rem mystischen Sinne) vollzieht, wird von drei Strafen gerettet: von den Lei­den der Messiaszeit, dem Strafgericht der Hölle und von den Kriegsstürmen des Gog Magog.. Nach ihm wurde dieses Thema auch von den andern Lehrern oft besprochen und in den Volksvorträgen verwendet. So schildert R. Jochanan die messianische Leidens­zeit nach folgenden Perioden. »Die Jahreswoche des Daviden wird sein, dass im ersten Jahre sich erfüllen wird: >Ich lasse über eine Stadt regnen und über die andere nicht (Amos 4)<; im zweiten Jahre werden die Pfeile der Hungersnot abgeschossen; im dritten Jahre wird eine große Hungersnot herr­schen, in der Männer, Frauen und Kin­der, die Frommen und die Männer der Tat (Chassidäer) umkommen, so dass die Thora von ihren Lehrern vergessen werden wird; im vierten Jahre ist die Zeit der Sättigung und Nichtsättigung, d. h. die Fruchtfülle wird nicht allge­mein sein; im fünften stellt sich eine große Segensfülle ein, man isst, trinkt, freut sich und die Thora kehrt zu ihren Lehrern zurück; im sechsten werden die Schofarstimmen zur Ankündigung der Messiasankunft vernommen; im siebenten finden die Kriege (die Kriege Gog Magog) statt, und am Ausgang desselben erscheint der Messias-Da­vide.« Bei einer andern Gelegenheit deutet R. Jochanan den Psalm 115: »Nicht uns, o Herr! Nicht uns, o Herr! Nur deinem Namen gib Ehre! « als Ge­bet- und Dankespsalm für die Kriegs­zeit des Gog Magog. Sein Zeitgenosse R. Elasar, der ebenfalls über die Leiden der Messiaszeit Vorträge hielt, weiß seinen Schülern keinen anderen Schutz vor denselben anzugeben, als: »Be­schäftigt euch mit der Thora und mit Liebeswerken, dadurch werdet ihr von den Leiden der Messiaszeit gerettet werden. « Die Furcht vor diesen Leiden war so stark, dass die angesehensten Lehrer, so sehr sie an die einstige Zu­kunft des Messias glaubten, nicht die Messiaszeit herbei wünschten, sie nicht erleben wollten. Zu denselben gehörte auch R. Jochanan, der den Ausspruch tat: »Mag er kommen, ich möchte ihn nicht sehen! « Dieselbe Äußerung hören wir von dem Lehrer Ulla und Rabba im vierten Jahrhundert n.