Messianische Leidenszeit - Leiden der Messiaszeit
Posted 6 yrs ago
Die Lehren und Angaben in dem talmudischen Schrifttume über die messianische Leidenszeit, die Annahme, dass dem messianischen Reiche Kämpfe und Leiden vorausgehen werden, haben in den biblischen Weissagungen von einem Gottesgericht (Tag des Gerichts) vor dem Eintritt glücklicherer Zeiten ihre Begründung. Hier und dort ist die religiös-sittliche Läuterung des Menschen das Ziel desselben. Beide wurzeln in der biblischen Anschauung, dass Leiden die Geburtswehen des Guten sind, nicht die Vernichtung des Menschen, sondern seinen sittlichen Wiederaufbau erzielen sollen: Sie bilden die Vorboten der Erlösung, des Anbruches der verheißenen Zeit des Heils. Es war dies ein immer sich wiederholender Trostesruf an das jüdische Volk, der es in den Verfolgungszeiten aufrecht erhielt und der Boden seiner Verjüngung geworden. »Wenn du siehst«, lehrt R. Jochanan, ein Lehrer im dritten Jahrhundert n., »dass Israel in einer Zeit abnimmt, kleiner und weniger wird, so hoffe auf ihn (den Messias)«, denn also heißt es: »Dem bedrängten Volke stehst du bei« (2 S. 22. 28)« Ferner von demselben: »Wenn in einer Zeit über Israel viele Leiden gleich einem Strome einbrechen, harre seiner (des Messias)«, denn es heißt: »So da kommt Bedrängnis einem Strome gleich, den der Sturm des Ewigen angeschwellt. Und es kommt nach Zion der Erlöser.« (Jesaja 59. 19. 20) Ein anderer Lehrer, R. Janai, im zweiten Jahrhundert n. gibt an: »Wenn du ein Geschlecht nach dem andern in Gotteslästerung und Gottesverhöhnung siehst, so hoffe auf den Eintritt des Messias«, denn es heißt (Ps. 89. 52): »Da sie dich verhöhnen, o Herr! Da sie verhöhnen die Tritte deines Gesalbten! Gelobt sei der Herr ewig. Amen.« Solche Angaben und Lehren von der messianischen Leidenszeit waren im Judentume sehr früh da. Schon das Buch Daniel i z. i spricht von denselben, wenn auch in Bezug auf die syrischen Verfolgungen der makkabäischen Zeit; es heißt daselbst: »Und es wird eine Zeit der Not sein, die seitdem, da es (Israel) ein Volk geworden bis heute, nicht gewesen, und in dieser Zeit wird dein Volk gerettet werden.. Der Talmud hat uns ähnliche Aussprüche von den Gesetzes- und Volkslehrern der fünf Jahrhunderte n. aufbewahrt. Von R. Akiba wird erzählt, dass er seinem beim Anblick des zerstörten Tempels trauernden Kollegen tröstend zurief: »Wenn also die Weissagung von der Zerstörung in Erfüllung gegangen, so wird die der Wiederaufbauung und Erlösung sich sicherlich erfüllen.« Am häufigsten und am ausgebildetsten treffen wir die Schilderung der messianischen Leidenszeit bei den Lehrern der nachbarkochbaischen Zeit, wo über Israel in Folge des verunglückten Aufstandes gegen Rom eine schreckliche Leidenszeit (Hadrianische Verfolgung) hereingebrochen war und das Volk des Trostes zu seiner Aufrichtung bedurfte. So war es R. Juda (im 2. Jahrh. n.), der dem Volke tröstend die Leiden seiner Zeit als Vorboten des Messias verkündete. Sein Ausspruch lautete: »In der Zeit, wo der David kommt, wird das Lehrhaus eine Unzuchtstätte sein, Galiläa ist zerstört, Gaulan verwüstet und die Männer Gabalenas wandern von Stadt zu Stadt und finden keine Gnade, die Weisheit der Schriftgelehrten wird gemieden, man verachtet die Gottesfürchtigen, das Ansehen des Geschlechtes gleicht dem Ansehen eines Hundes usw.« Ein anderer derselben Zeit, R. Nehorai, entwirft folgendes Bild: »In der Zeit des David wird die Jugend das Ansehen der Alten verhöhnen, und die Alten stehen vor der Jugend auf, die Tochter widersetzt sich gegen die Mutter, die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter, das Ansehen der Männer der Zeit gleicht dem eines Hundes und der Sohn schämt sich nicht vor dem Vater.« Ein Dritter aus derselben Zeit, R. Nechemia, hat darüber: »Die Zeit des Daviden ist, wo die Frechheit zunimmt; das Teuerste wird nicht geachtet, der Weinstock gibt seine Frucht, aber der Wein ist hoch im Preise und das ganze Reich hat sich den Sektierern zugewendet, keine Zurechtweisung erhebt sich u. a. m.. Eine Boraitha, die dieser Zeit angehört, gibt an: »Denn Gott richtet sein Volk, so er sieht, dass dahin ist jede Macht, vernichtet das Befestigte und Wohlbewahrte (5. M. 32. 36), der Davide kommt nicht früher, bis die Angeber sich mehren, die Schüler sich verringern, das Geld geschwunden und man sich von der Erlösung losgesagt.. Ähnliche Aussprüche werden noch im dritten und vierten Jahrhundert n. wiederholt. Von R. Jochanan (im 3. Jahrh. n.) lautet derselbe: »Die Zeit des Daviden ist die, wo die Gelehrten sich verringern, und die andern im Kummer und Seufzen dahin schmachten, viele Leiden und schwere Verhängnisse (Religionsverfolgungen) sich erneuern, kaum hat man die ersten überstanden, folgen schon die andern.. Zu diesen Schilderungen fügen die Lehrer dieser Zeit eine neue hinzu, die Angabe gewaltiger Kriege mit den von weiter Ferne heranziehenden Völkerstämmen; man hatte Ahnung, dass Roms Macht einst durch rohe und wilde Völkerstämme untergehen werde und knüpfte daran die Hoffnung auf die Erlösung. Schon Ezechiel Kap. 38 und 39 spricht von den Kriegen mit den aus dem Norden henanziehenden Völkerschaften des Gog Magog, die der Bildung des neuen Reiches vorausgehen werden. Diese Weissagung bildet vor der Zerstörung des Tempels bei den Juden Palästinas und Alexandriens nach dem Zeugnisse der Septuaginta zu 4. M. 7 einen Hauptpunkt ihrer Messiashoffnung. Im ersten Jahrhundert nach der Zerstörung des Tempels ist der Gesetzes- und Volkslehrer R. Akiba, der das Strafgericht über Gog Magog in der messianischen Zeit nennt und dessen Dauer auf zwölf Monate angibt. Bei den Lehrern des zweiten Jahrhunderts n. kommt sie nicht mehr vor, der Grund davon war wohl der traurige Ausgang des barkochbaischen Aufstandes, wo die Völker unter Roms Anführung den Messias Barkochba besiegt hatten, gegen die Weissagung in Ezechiel 38. 39, die man auf Rom bezog und dessen Untergang erwartet hatte. Von den Lehrern des dritten Jahrhundert n. wird dieselbe wieder hervorgeholt und dem Volke in ihren Schilderungen der messianischen Zeit verkündet. Noch R. Chia bar Abba, ein Lehrer am Ende des zweiten Jahrhunderts n., nennt nicht den Krieg mit Gog Magog, in dem die Frevler umkommen werden, sondern erzählt von einer Seuche, die dazu bestimmt sei. »Nahe den Tagen des Messias«, lehrte er, »wird eine große Seuche einbrechen, die Frevler kommen um; die Knospen des Weinstockes verbreiten ihren Duft, das sind die Übriggebliebenen., von denen es heißt: »Und es wird sein der Rest in Zion und der Übriggebliebenen in Jerusalem heilig dem Ewigen!. Aber schon Bar Kappara im Anfang des dritten Jahrhunderts n. spricht wieder von dem Kriege mit Gog Magog in den Messiastagen; er lehrt: »Wer da die drei Mahlzeiten am Shabbath (nach ihrem mystischen Sinne) vollzieht, wird von drei Strafen gerettet: von den Leiden der Messiaszeit, dem Strafgericht der Hölle und von den Kriegsstürmen des Gog Magog.. Nach ihm wurde dieses Thema auch von den andern Lehrern oft besprochen und in den Volksvorträgen verwendet. So schildert R. Jochanan die messianische Leidenszeit nach folgenden Perioden. »Die Jahreswoche des Daviden wird sein, dass im ersten Jahre sich erfüllen wird: >Ich lasse über eine Stadt regnen und über die andere nicht (Amos 4)<; im zweiten Jahre werden die Pfeile der Hungersnot abgeschossen; im dritten Jahre wird eine große Hungersnot herrschen, in der Männer, Frauen und Kinder, die Frommen und die Männer der Tat (Chassidäer) umkommen, so dass die Thora von ihren Lehrern vergessen werden wird; im vierten Jahre ist die Zeit der Sättigung und Nichtsättigung, d. h. die Fruchtfülle wird nicht allgemein sein; im fünften stellt sich eine große Segensfülle ein, man isst, trinkt, freut sich und die Thora kehrt zu ihren Lehrern zurück; im sechsten werden die Schofarstimmen zur Ankündigung der Messiasankunft vernommen; im siebenten finden die Kriege (die Kriege Gog Magog) statt, und am Ausgang desselben erscheint der Messias-Davide.« Bei einer andern Gelegenheit deutet R. Jochanan den Psalm 115: »Nicht uns, o Herr! Nicht uns, o Herr! Nur deinem Namen gib Ehre! « als Gebet- und Dankespsalm für die Kriegszeit des Gog Magog. Sein Zeitgenosse R. Elasar, der ebenfalls über die Leiden der Messiaszeit Vorträge hielt, weiß seinen Schülern keinen anderen Schutz vor denselben anzugeben, als: »Beschäftigt euch mit der Thora und mit Liebeswerken, dadurch werdet ihr von den Leiden der Messiaszeit gerettet werden. « Die Furcht vor diesen Leiden war so stark, dass die angesehensten Lehrer, so sehr sie an die einstige Zukunft des Messias glaubten, nicht die Messiaszeit herbei wünschten, sie nicht erleben wollten. Zu denselben gehörte auch R. Jochanan, der den Ausspruch tat: »Mag er kommen, ich möchte ihn nicht sehen! « Dieselbe Äußerung hören wir von dem Lehrer Ulla und Rabba im vierten Jahrhundert n.