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Messias - Maschiach

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Die Lehren über den Mes­sias in dem jüdischen Schrifttume der nachbiblischen Zeit, den Messiasglau­ben und die Messiashoffnungen des jüdischen Volkes während seines zwei­ten Staatslebens und fünf Jahrhunderte nach demselben. Bevor wir jedoch an die Darstellung dieser Messiaslehren gehen, glauben wir zum klareren Ver­ständnis derselben Folgendes voraus­schicken zu müssen. Der Messiasglaube hatte im nachbiblischen Judentume zwei Gestalten, eine national-politische oder rationale und eine religiös-mysti­sche, die in den zwei Hauptrichtungen desselben, der mystischen und der rati­onalen, Verstandesrichtung, wurzelten. Zur ersteren gehörten die Chassidäer, wie sie sich in der makkabäischen Zeit zu einer Partei herausbildeten und spä­ter einen beträchtlichen Teil der Volks-und Gesetzeslehrer zu ihren Anhängern zählten; ferner die von ihnen sich ab­zweigenden Essäer. Die Zweite hatte zu ihren Vertretern die Hasmonäer, die Hellenisten, die Sadducäer und die an­gesehensten Volks- und Gesetzeslehrer. Die national-politische Gestalt in dem Messiasglauben ist die ältere, die rein biblische; sie hat die Weissagung der Propheten zu ihrer Grundlage und stellte die Erlösung Israels, die Samm­lung der zerstreuten Volksreste, die Wiederherstellung des jüdischen Rei­ches, die Erbauung des Tempels und die Wiederaufrichtung des davidischen Thrones mit einem König aus davidi­schem Hause in Palästina als ihre Hauptpunkte auf. Dagegen ist die reli­giös-mystische eine spätere, die ihre Entstehung in den Protesten der Chas­sidäer gegen das Vorgehen der Hasmo­näer in ihrer Bemächtigung des davidi-schen Thrones und der Annahme eines Fürsten- und Königstitels hat. I. Name, Bedeutung und Bezeich­nung. Schon in den Angaben über die Namen und die Bezeichnungen des Messias weichen die Mystiker von den Lehrern der Verstandesrichtung bedeu­tend ab, die uns wegen ihres Gegensat­zes auffallen. In des Weissagungen der Propheten heißt der vom Volke sehn­lichst erwartete Davide in Bezug auf seine Würde, Hoheit und Eigenschaf­ten »Gesalbter«, Maschiach, Messias, Gottgesalbter; Messias des Ewigen; König; Herrscher; Gerechter; Helfer; unser Gottgerechter; Wundervoller; Rat; Gottheld; Vater der Beute; Frie­densfürst; dagegen in Betracht seiner Abstammung: David; Bethlehemite; Spross; gerechter Spross u.a.m. Benen­nungen, die ihn durchaus nicht als ein übernatürliches Wesen, sondern als ei­nen Helden aus dem Hause Davids mit gewaltiger Geistesmacht und religiössittlicher Tatkraft darstellen. Damit be­gnügt sich auch die Verstandesrichtung im Judentum der nachbiblischen Zeit in ihren Messiaslehren. Dieselbe suchte zwar zur genauen Bestimmung der Per­son, der Eigenschaften, der Würde und Aufgaben nach neuen Namen, die je­doch nichts mit dem Metaphysischen, Übernatürlichen gemein haben. Sie nennt ihn: »David« als dessen Nach­kommen; Ben David; Messias oder: Messias, der Gerechte; König Messias; Messias der Israeliten; Messias Sohn Davids, unser Messias. Aber der Mys­tik genügten diese Namen nicht; ihr musste der Messias ein übernatürliches Wesen sein, und sie suchte für ihn an­dere Namen, die dessen Übermensch­lichkeit bezeichnen. Das Buch Henoch, eins der ältesten Bücher der Mystik (gegen Ende des 2. Jahrh. v.), spricht von der Prä-existenz, der Vorweltlich­keit des Messias. »Sein Name war schon genannt, ehe etwas da war«, (Henoch 48. 2-7) ist seine Lehre; es nennt den Messias »Sohn Gottes« (Das. 105. 2) und sagt von ihm: »Er weilt bei dem, der ein Haupt der Tage ist, (Das. 46. 1) er sitzt bei Gott auf dem Throne der Herrlichkeit (Das. 55. 4; 69. 29) und wird von allen angebe­tet werden (Das. 48. 5) und über alles herrschen.« (Das. 62. 6; 60. 29) Das Christentum geht weiter und hält sei­nen Messias als einen Gott, Gottes­sohn, der bei seiner Erscheinung auf der Erde leibliche Gestalt angenom­men. So weit hat sich die jüdische Mystik nicht verstiegen, aber einige oben angeführte Sätze aus dem Buche Hen- och finden sich auch bei ihr. Sie zählt den Namen des Messias unter die sie­ben Gegenstände, die vor der Welt­schöpfung geschaffen wurden, und lehrt die Präexistenz des Messias. R. Akiba deutete die in Daniel 7. 9 ge­nannten Throne, dass der eine für Gott und der andere für den Daviden, den Messias, sei, worauf ihm R. Jose Haga-lili mit Recht mahnend entgegenrief: »Akiba, wie lange wirst du die Gott­heit, Schechina, profanieren! « Ein Leh­rer des dritten Jahrhunderts n., R. Si­mon ben Lakisch, zitiert eine Tradition: »Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser (1. M. 1. 2.)«, das ist der Geist des Messias, denn also heißt es: »Und es ruht auf ihm der Geist Got­tes.« (Jesaja 11. 1) (Midr. Rabba 1. M. Abschn. 8) So deuteten die Mystiker mehrere Stellen im Pentateuch, in den Propheten Jesaja, Jeremia, Sacharia, Daniel, den Psalmen und Klageliedern auf den Messias, um ihn als ein im Himmel weilendes Wesen zu bezeich­nen und seine Übermenschlichkeit dar­zutun. So wird Daniel 7. 13: »Mit den Wolken des Himmels kam wie ein Menschensohn und gelangte bis zu dem Hochbetagten und vor denselben brachte man ihn« gegen die Auffassung der Verstandesrichtung, dass sich die­ses auf Israel beziehe, auf den Messias gedeutet, so dass er als vom Himmel zur Erde steigend dargestellt wird. (Sanhedrin 98a) Deutlicher ist ihre Angabe von der hohen Übermenschlich­keit des Messias in ihrer Erklärung der Stelle Jesaja 52. 13. 15; 53. 1-2, welche die Verstandesrichtung ebenfalls auf Is­rael bezieht: »Siehe, mein Knecht wird glücklich sein, er erhebt sich, wird er­höht und gar hoch sein«, d. h. fügt sie hinzu, »er wird höher sein als Abra­ham, erhabener als Moses und erhöh­ter als die Dienst tuenden Engel, ma­leache haschareth.« (Jalkut zur Stelle) »Größer sind die Gerechten als die dienst tuenden Engel.« (Sanhedrin 93a) Doch hüteten sie sich gar sehr, den Mes­sias als Gott oder als Gottessohn, als ein aus Gott geborenes Wesen, wie dies das Christentum getan, zu bezeichnen. Diese Messiasnamen der Mystik bezie­hen sich teils auf sein Wesen, das man sich übermenschlich dachte, teils auf seinen Beruf und seine Sendung. Die Namen der ersten Klasse sind: a. »Bar­kochba«, »Sternensohn«. So nannte der Mystizismus des zweiten Jahrhunderts n. unter Beziehung auf 4. M. 24. 17 »Es tritt ein Stern von Jakob hervor«, den Anführer des um 130 n. gegen Rom ausgebrochenen jüdischen Auf­standes und rief ihn gegen den Protest der Lehrer der Verstandesrichtung als »Messias« aus. b. Bar Napheli oder Bar Napheli, Wolkensohn, eine Benen­nung nach Daniel 7. 13 (Sanhedrin 96b). c. Anani, Wolkenbewohner, ebenfalls mit Beziehung auf Daniel 7. 3 (Targum zu 1. Chr. 3. 24). d. Adonai oder Adonai Zidkenu, »Herr« oder »Ewiger, unser Heil!« nach Jeremia 23. 6 (Midr. Rabba zu Klgld. 1); eine Be­zeichnung, die in der Bibel auch Städ­ten, Bergen u. a. m. in Bezug auf deren Größe, Stärke und Pracht beigelegt wird, ohne die so Genannten zu wirkli­chen Gottheiten zu erheben (vergl. Midr. Rabba zu Klgld. 1). e. Nehora, »Licht«, nach Daniel 2. 22. »das Licht weilt bei ihm (Midr. Rabba zu Klgld. Absch. I. Vergl. Midr. Rabba 1. M. Absch. 1). f. Jinon, Fortdauernder, im Sinne von »Vorweltlicher« nach Psalm 72. 17 »vor der Sonne dauert sein Name fort«. Zu den andern Namen, die dem Berufe und der von ihm vorzu­nehmenden Tätigkeit entlehnt sind ge­hören: T. Messias der Lehrer, der Lehre verbreiten soll (Targum Jonathan zu 4. M. 21. 27); 2. Schilo, Silo, Ortsname in Palästina in Bezug auf 1. M. 49. 10: »bis er (der Messias) nach Silo kommt, um den sich die Völker sammeln wer­den«, eine Bezeichnung wegen seines Berufes der Völkerbelehrung zum Got­tesglauben (Sanhedrin 98b und Midr. Rabba und Targum Jonathan und Je­ruschalmi); 3. Menachem, Trostbrin­ger nach Klgld. 1. 16: »denn fern hält er von mir den Tröster« (nach Sanhed­rin 98b) oder »denn der Ewige tröstet Zion« (Jesaja 58. 13); 4. Chanina, Gnadenverteiler in Bezug auf Jeremia 17. 13: »da ich nicht euch den Gna­denverteiler, Chanina, gebe« (Sanhed­rim 98b. Midr. Rabba r. 1. c.); Chi­vartha de be Rabbi, der Aussätzige des Lehrhauses d. h. der die Leiden des Lehrhauses trägt; Elijahu, nach Maleachi 3 »denn siehe, ich sende euch Eli­jahu, den Propheten, vor dem Eintritt des Tages des Ewigen.« (Der in dieser Stelle bezeichnete »Elijahu« wird von vielen nicht als »Herold« des Messias, sondern als »Messias« selbst gehalten.)

II. Abstammung, Eigenschaften, Person, Würde und Bedeutsamkeit. Viel schroffer ist der oben aufgestellte Gegensatz zwischen den Messiaslehren der Verstandesrichtung und denen der Mystik in den Berichten und den nähe­ren Bezeichnungen der hier angegebe­nen Punkte. In dem biblischen Schrift-turne ist der von den Propheten verheißene und zu erwartende Messias ein Davidide, aus Bethlehem, dem Stamm- und Geburtsort Davids, ein Mann von gewaltigem Geiste und ho­hen Eigenschaften, voll von Weisheit, Gotteserkenntnis, Gottesfurcht, Rechts­gefühl, Mut und Begeisterung, der als König, Herrscher, Friedensfürst und Herr der Gerechtigkeit bezeichnet wird, aber in allen Übrigen nur Mensch ist. Die Verstandesrichtung geht über diese biblischen Messiasbezeichnungen nicht hinaus. In dem Sirachbuche, der Septuaginta, den Sybillinen, bei Philo, Josephus, in den talmudischen Aus­sprüchen der Lehrer der Verstandes­richtung, wie wir dieselben im Teil V. zitieren und kennenlernen, ist kein Ab­weichen von derselben bemerkbar. Aber desto stärker treffen wir diesel­ben bei den Mystikern an. Das Buch Daniel, das wir als die älteste Quelle der jüdischen Mystik bezeichnen, bat schon den zweideutigen Ausspruch: »Siehe mit den Wolken kam wie ein Menschensohn und gelangte bis an den Hochbetagten, dem gegeben war Herr­schaft, Reich« usw., (Daniel 7. 14) der von der Mystik gegen die Auffassung der Verstandesrichtung auf den Mes­sias gedeutet wird, wonach der Mes­sias im Mystizismus, wie wir schon oben nachgewiesen haben, ein Himmelswesen ist. So bezeichnen ihn das äthiopische Henochbuch (Henoch Kap. 48 u. 61), das vierte Esrabuch (4. Esrabuch K. 2. u. 13. 26. 37. 52: »Sohn Gottes.«) u. a. m. »Er sitzt bei Gott auf dem Throne, vollzieht das Richteramt usw.« Das Christentum, als Ausläufer des Mystizismus, hat diese Zeichnung weiter entwickelt, den Messias zum Gottessohne gemacht usw. und die­selbe für die seines Messias ausgege­ben. Das Judentum hat zwar das He­nochbuch und das vierte Esrabuch nebst anderen ihm folgenden Schriften dieser Mystik als mit seiner Lehre un­vereinbar aus seiner Mitte gewiesen und sie mit ihren Lehren als Bücher der Sektierer »Minin« gebrandmarkt, doch ist auch die revidierte Mystik des Ju­dentums, wie sie sich im talmudischen Schrifttume vorfindet, nicht zu den Messiaslehren der Verstandesrichtung ganz zurückgekehrt, sondern hat vie­les, wenn auch schon umgebildet, von den Messiaslehren des ausgewiesenen Mystizismus wieder aufgenommen und weiter entwickelt. Wir rechnen hierher die Angaben der Mystik von der Vor­weltlichkeit des Messias, seinem Ver­weilen im Himmel, wo er verborgen gehalten wird, seinen überirdischen Ei­genschaften, von seiner unsterblichen Natur u. a. m.. Die Vorweltlichkeit des Messias wird an mehreren Stellen aus­gesprochen. (Pessachim 54a. Nedarim 39b. Midr. Rabba Abschn. 1. Pirke de R. Eleser kap. 3. Midr. Thillim zu Ps. 43. 1. Midr. Mischle 8. 3.) Der Name des Messias wird zu den Gegenständen gezählt, die der Weltschöpfung voraus­gingen d. h. die erst geschaffen wurden, (dieselben sind die Thora, die Buße, das Paradies, die Hölle, der Gottesthron, der heilige Tempel und der Name des Messias) oder nach einer anderen Stelle, deren Schöpfung in den Gedanken Got­tes kam, d. h. beschlossen wurde. In beiden Relationen können wir nur die Annahme von einer ideellen vorweltli­chen Existenz des Messias erkennen. Aber die späteren Midraschim nehmen keinen Anstand, von einer wirklichen persönlichen Präexistenz des Messias zu sprechen. In den kleinen Midraschim (in dem Midrasch Sefer Serubabel und im Midrasch R. Josua ben Levi) heißt es: »der Messias weilt im Himmel, im Paradiese, und wartet auf den Augen­blick, wo er herunter kann. « Im Tar­gum Jonathan zu Micha 4. 8 lesen wir darüber: »Du aber Israels Messias, der du wegen der Sünden der Gemeinde Zi­ons verborgen bist, dir wird das Reich wiederkommen.« Auch in dem Dialog Justins mit dem Juden Tryphon spricht dieser es aus, dass der Messias sich ver­borgen halte und aus dieser Verborgen­heit kommen werde. (Justin, Dialog contra 8.) Es ist hier dieselbe Lehre, wie wir sie in den aus dem Judentume ge­wiesenen Schriften, dem Henochbuch, dem vierten Esrabuch und in dem »Ge­sichte Jesajas« vorfinden. Im Henoch­buch Kap. 48 und 61 und im vierten Esrabuch 13. 26 ist der Messias schon ehe die Welt erschaffen wurde und weilt bei Gott verborgen. Nach dem Gesichte Jesajas ist der Messias im siebenten Himmel als Sohn des Höchsten, dem alle Heiligen Lob und Preis spenden. (Gesichte Jesajas 9. 27 6. 8; 8. 18) Von seinen Eigenschaften sprechen sie, dass er im Besitze des heiligen Geistes (Tar­gum Jonathan zu Jesaja 42. 1. 2.) oder des Geistes der Weissagung ist. (Das. zu Jesaja 11. 1) Ebenso wird seine Weisheit und seine Geistesüberlegenheit ge­rühmt, wie er als Lehrer der Heiden auftritt und im Gerichte den Frevler durch seine Geistesschärfe niederwirft. (Sanhedrin 93) Ein dritter Hauptpunkt der Mystik ist hier, dass sie den Tod für den Messias nicht kennt, sondern ihn ewig leben lässt. (Vergl. Jalkut zu Ps. 2 u. Midrasch Thillim; im Kommentar des Bachja zu 1. M. 11. 10 »Der Mes­sias wird nicht sterben, sondern ewig leben.« ) III. Erscheinen, Ankunft, Kämpfe, Leiden und Annerkennung. Mit Aus­nahme der Zeitbestimmung oder der Zeitberechnung der Erscheinung des Messias gehören die Erörterungen und Angaben über die andern Gegenstände hier der Mystik an. Die Männer der Verstandesrichtung begnügten sich mit der Hoffnung und dem Glauben an die einstige Ankunft des Messias, ein wei­teres Eingehen auf Schilderung seines Erscheinens, Einzuges usw. war nicht mehr ihre Sache.

Die Vorzeichen bei der Ankunft des Messias. Die außerhalb des Judentums stehenden Schriften nennen Herolde, die dem Messias vorausgehen und das Volk auf seine Ankunft vorbereiten werden. Dieselben sind: 1. der Prophet Elias, Moses, der hierzu auferstehen werde; 2. der Prophet Jeremias und 3. der Prophet Jesaja. Auch von der Er­scheinung eines Sternes wird vielfach gesprochen. Die apokryphischen Schrif­ten »die Testamente« von Levi haben darüber: »Und des neuen Priesters Stern wird am Himmel aufgehen wie der Stern eines Königs«; von Juda (Kap. 24): » Darnach wird euch aufge­hen der Stern aus Jakob in Frieden, und es wird ein Mann aus Judas Samen sich erheben.« Von diesen kommen im jüdischen Schrifttume vor:

1. der Prophet Elias. (Targum Jona­than zu 2. M. 40. 10) Diese Bestim­mung Elias zum Herold des Messias wird im Zusammenhang mit seiner priesterlichen Herkunft von Pinchas gebracht, die mit zu diesem gemachten Bundesverheißungen gehörte. Zu 4. M. 25. 12 heißt es im Targum Jonathan: »Ich gebe ihm meinen Bund des Frie­dens und mache ihn zu einem fortwäh­ renden Engel, der für ewige Zeiten le­ben soll, um am Ende der Tage die Erlösung zu verkünden.« Sein messia­nisches Werk wird verschieden angege­ben. Nach dem einen, R. Josua, kommt er weder zu verbieten, noch zu erlau­ben, nicht »rein« oder »unrein« zu sprechen, sondern nur die gewaltsam Entfernten wieder zu nähern und die gewaltsam Genäherten zu entfernen. (Mischna Edajoth Abschn. 8. 7) Ein anderer, R. Juda, lehrte, er wird die einmal Aufgenommenen nicht wieder entfernen. Der Dritte, R. Simon, hält seine Sendung zur Schlichtung und Ausgleichung der Streitigkeiten, und die Vierten sagen: »Er kommt weder zu nähern, noch zu entfernen, sondern nur den Frieden herzustellen.. Mehr Angaben darüber haben die Midra-schim. Nach denselben wird er die Is­raeliten zur Buße auffordern (Pirke de R. Elieser cap. 43), sie erlösen, mit dem Messias Sohn Joseph die Zerstreuten Israels sammeln und sie nach Palästina führen, den gegen den Messias kämp­fenden Armilus töten, die Toten bele­ben, den Messias Sohn David bringen (Beth hamidrasch II. S. 50) dem wie­dererbauten Tempel die ihm von dem Propheten Jeremia bei der Zerstörung des Tempels übergebene Bundeslade und die Cherubim ausliefern (Josippon 1. 21)

2. Moses. Ebenso wird Moses als Herold des Messias bezeichnet, der als Lohn seines Märtyrertums für Israel hierzu mit Elijahu bestimmt ist. (Midr. Rabba 5. M. Abschn. 3 am Ende.) Wie sehr die Lehrer der Verstandesrichtung im Judentume gegen derartige Vorher­bestimmungen waren, ersehen wir aus den Worten des unsterblichen Maimo­nides: »Einige sagen, dass vor dem Ein­treffen des Messias Elijahu kommen werde; alle diese und ähnliche Sachen weiß niemand, wie sie sich gestalten werden, da auch den Propheten diesel­ben unbekannt gewesen. Auch die Wei­sen haben darüber keine Tradition, als nur was aus der Schrift sich herleiten lasse, daher die Differenzen in ihren Angaben. Sie gehören nicht zum Ge­setz, man beschäftige sich nicht mit den Hagados.« (Maimonides hilchoth melachim Abschn. 12. 2) Doch die Mystik ließ sich dadurch von ihren weiteren Angaben nicht abschrecken, sie spricht auch von den Vorzeichen und Wundern zur Zeit des Messias. In dem Artikel »Messianische Leidens­zeit« sind die Angaben des Mystizis­mus der dem Messias vorausgehenden Zeichen. Eine Zusammenstellung ha­ben die späteren Midraschim, von de­nen wir die der Pesikta Sutarta und die des Midrasch von den Zeichen des Messias (im Beth hamidrasch II.) nen­nen. Nach der Pesikta sind die Vorzei­chen des Messias: in dem ersten Jahre ist die Nahrung nicht hinreichend; in dem Zweiten beginnt die Hungersnot; in dem Dritten ist sie groß; im Vierten ist weder Hunger, noch Überfluss; im Fünften herrscht großer Überfluss. Es wird ein Stern fünfzehn Tage sichtbar am Morgen, der Stern des Messias. Im sechsten Jahre vernimmt man viel Ge­töse und hört viel Neues; im siebenten ist Krieg; erst am Ende des siebenten wird der Messias kommen. In dem andern werden folgende Vorzeichen an­gegeben: 1. Heuchelei, Gottesleugnung und Religionsverfolgung. Es werden drei Könige aufstehen, die vor Men­schen als Gottesverehrer erscheinen, aber innerlich Gottesleugner sein wer­den. In Israel herrscht Zerrüttung. Viele schließen sich den Gottesleugnern an, es wird seine Religionsübung ver­boten und schwere Verhängnisse sollen gegen dasselbe geschmiedet werden. Das zweite Zeichen ist der Eintritt un­erträglicher Hitze und eines Sonnen­brandes, die Seuchen und schwere Krankheiten zur Folge haben werden, so dass Tausende umkommen und nur die Gerechten gerettet werden. Das dritte Zeichen ist die Erscheinung von Bluttau, von dem viele trinken und sterben. Das Vierte ist der Tau des Heils, durch den Viele geheilt werden, die erst beschädigt wurden. Das Fünfte ist die Sonnenfinsternis von 3o Tagen, die viele zur Gotteserkenntnis bringen wird. Das Sechste die Weltherrschaft Roms von neun Monaten, schwere Verfolgungen gegen Israel, die Erschei­nung des Messias Sohn Josephs. Das Siebente das Auftreten des Armilus, des Antimessias, mit dem Krieg gegen den Messias Sohn Joseph. Das Achte das Ertönen des Schofars zur Ankunft des Messias Sohn Davids und zur Erlösung Israels. Nochmals der Krieg des Armilus gegen den Messias, der mit sei­nem Tode endet. Das Neunte der starke Schofarschall zur Belebung und Aufer­stehung der Toten. Das Zehnte der letzte mächtige Schofarschall beim Wi­dereinzug der zehn Stämme, geführt durch Gott. Auch von einer allgemei­nen Anerkennung und Huldigung des Messias wissen sie. Dieselbe erstreckt sich über Israel hinaus und geschieht zu Land und zu Meer. Ein Vorbild dafür ist die Huldigung des Königs Salomo. »Salomo und der König Messias«, heißt es, »breiten ihre Herrschaft über Land und Meer aus«. Der König Messias nach den Worten: »Und er herrscht von Meer zu Meer, vom Strome bis an die Enden der Erde« (Ps. 72.. 8); »vor ihm beugen sich alle Könige, alle Völker werden ihm dienen« (daselbst); ferner: »Siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels, und ihm ward die Gewalt gegeben« (Daniel 7, 12); »Der Stern, der das Bild zerschlug, wurde ein gro­ßer Stein, der die Erde erfüllte« (Das. z, 38). »Dem Salomo«, heißt es weiter, »brachten die Völker Geschenke«, ebenso werden sie dem König Messias Geschenke bringen: »Die Könige Ara­biens und Sabas bringen dem Könige Geschenke (Ps. 72, 10).« (Midr. Rabba 4. M. Abschn. 13 )

IV. Beruf, Tätigkeit und Werke des Messias. In den messianischen Verhei­ßungen bei den Propheten wird dem Messias keine politische Tätigkeit zu­geschrieben. Gott ist es, der die im Exil Zerstreuten Israels sammelt, Israel er­löst, Jerusalem und den Tempel neu aufbaut, den davidischen Thron wie­der aufrichtet, den Krieg gegen die ge­gen Jerusalem und Israel ziehenden Völkerschaften des Gog Magog führt und sie vernichtet, den Davididen zur Herrschaft einsetzt. (Vergl. Jesaja 11 ) Die Tätigkeit des Davididen ist keine andere als die des Friedensfürsten: »Er richtet nach Gerechtigkeit die Armen, er entscheidet nach Billigkeit für die Gedrückten des Landes, er schlägt die Erde mit der Geißel seines Mundes und durch den Geist seiner Lippen tötet er den Frevler. Und es wird die Gerechtig­keit zum Gurt seiner Lenden, die Treue der Gurt seiner Hüften.« (Jes. 11. 4-6) »Frohlocke Tochter Zions«, heißt es auf einer anderen Stelle, »jauchze Tochter Jerusalems, siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter, Siegrei­cher und Demütiger, auf dem Esel rei­tend, auf dem jungen Füllen der Eselin. Er verkündet Frieden den Völkern und seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer, von Strom zu Strom bis an das Ende der Erde.« (Sacharia 9. 9-11 ) Diese Lehren von der Tätigkeit des Messias waren auch die der Verstan­desrichtung im Judentume. In den mes­sianischen Gebetstücken der Schemone Esre und des Alenugebets ist es nicht der Messias, sondern Gott, der die im Exil Zerstreuten sammelt, in Jerusalem den davidischen Thron aufrichtet, den Sprossen Davids (den Messias) bringt, den Tempelgottesdienst in Zion wiederherstellt, die Völker zum Gottes­glauben und zur Gottesverehrung ver­einigt, und das messianische Reich, voll der Anerkennung und Verehrung Gottes, gründet. Diese Darstellung ha­ben wir noch in vielen Aussprüchen der beiden Talmude und der Midra-schim. Wir bringen von denselben: »In dieser Welt seid ihr erlöst worden durch Menschen, doch man unter­jochte euch wieder; aber in der Zu­kunft werdet ihr von Gott eine ewige Erlösung erhalten, der keine Unterwür­figkeit folgen wird, denn also heißt es: >Und die Erlösten des Ewigen kehren wieder zurück und eine ewige Freude ist auf ihrem Haupte,« (Jesaja 35, 10). (Jalkut 11. § 1095 am Ende) Ferner: »Mache dich auf mein Licht, denn dein Licht kommt!« (Jesaja 61, 1) Ein Wan­derer begab sich gegen Sonnenunter­gang auf den Weg. Es wurde finster, da kam einer und zündete ihm ein Licht an. Aber dasselbe leuchtete nicht lange, es erlosch. Er ging weiter und begeg­nete einem andern, der ihm das Licht wieder anzündete, aber auch darauf er­losch es bald. Verdrießlich sprach er: »Nun will ich nicht mehr auf eine Er­leuchtung von Menschen hoffen, son­dern den Morgen abwarten!« So spre­chen auch die Israeliten: »Eine Lampe zur Erhellung des Tempels errichteten wir in den Tagen Moses, sie erlosch; eine zweite in den Tagen Salomos, sie erlosch wieder. Von da ab warten wir nur auf Dein Licht, denn in deinem Lichte sehen wir Licht.« (Psalm 36, 3) (Jalkut II. zu Jesaja S 354); ferner: »Nicht auf die Erlösung eines Gideon hoffe ich, ebenso schaue ich nicht hin auf die Erlösung eines Simsons, denn ihre Erlösung war nur eine zeitliche, ich hoffe und warte nur auf deine Erlö­sung, denn diese ist eine ewige Erlö­sung« (Targum Jonathan zu 1. M. 49. 18); ferner: »Denn bei dir ist der Le­bensquell in deinem Lichte sehen wir Licht« (Ps. 36, 3). »In finsterer Nacht«, wird hier erklärend hinzugefügt, »ver­suchte jemand ein Licht anzuzünden, es erlosch; er versuchte es nochmals, aber es erlosch wieder, da wurde er dessen müde und nahm sich vor, lieber den Morgen abzuwarten, dessen Licht er sich erfreuen werde. So erging es den Israeliten. Sie wurden in Ägypten un­terdrückt, da erlöste sie Moses und Ahron; später wieder in Babylonien, sie wurden durch Hananja, Mischael und Asaria erlöst; bald auch durch die syrisch—griechische Herrschaft, es be­freiten sie die Makkabäer. Nun sind sie durch Rom unterjocht, und sie spre­chen: Wir sind dessen müde und möch­ten nicht mehr durch Menschen, son­dern durch Gott allein erleuchtet werden!« (Midrasch Schocher tob zu Psalm 36) Doch gab es auch unter den Lehrern der Verstandesrichtung viele, welche die Gott beigelegten messiani­schen Werke für die Tätigkeit des Mes­sias bezeichnen, d. h. die Gott durch den Messias vollziehen lassen werde. Es sind die Männer der Verstandesrich­tung, die dem Messias auch eine kriegerische und politische Wirksamkeit zuschreiben. Im Teil V. dieses Artikels, der die Geschichte der Messiaslehren darstellt, haben wir die Stellen aus der Septuaginta, aus dem dritten Buche der Sibyllinen und von Philo zitiert, die den Messias das Werk der Sammlung und Befreiung der Israeliten, der Kriegfüh­rung gegen die sich dagegen erheben­den Völker vollziehen lassen. In den Kriegsjahren gegen die römische Herr­schaft in Palästina gestalteten sich diese zwei Richtungen zu zwei Parteien, von denen zur ersteren die Friedenspartei gehörte, aber letztere die Kriegspartei bildete, aus deren Mitte die Messiasse, die Kanaim, die Eiferer für die Herstel­lung des Gottesreiches und die Ab­schaffung der menschlichen Königs­herrschaft hervorgingen (siehe weiter). Weiter als beide geht der Mystizismus. Den Mystikern ist der Messias ein übermenschliches, himmlisches Wesen, sie lassen ihn daher Zeichen und Wun­der gleich einem Himmelswesen voll­ziehen. Er erweckt die Toten, tötet die Heiden durch Feuer, sitzt zu Gericht über die Völker u. a. m. So hat das apokryphische Esrabuch darüber: »Den Rest meines Volkes wird er (der Messias) befreien in Barmherzigkeit und in Erbarmen und sie werden geret­tet auf den Berg meiner Herrlichkeit steigen, auf dessen Gipfel er selbst sein wird. Und es wird eine zahllose Menge versammelt werden, und er selber, mein Sohn, wird die Völker verklagen, die da erscheinen werden, wegen ihrer Ungerechtigkeit, er wird die ohne Mühe verderben durch die Strafe des Feuers; er wird rufen und um sich sammeln die zehn Stämme, die aus ihrem Lande in ein anderes weggeführt wurden.« (4. Buch Esra 12. 34; 13. 32.) Ebenso spricht der Psalter Salomonis in den Psalmen 17 und 18 von der Wiederher­stellung des davidischen Königtums, der Zurückführung der zerstreuten Is­raeliten und der Unterjochung der Hei­den durch den Messias. Auch nach christlichen Quellen erwarteten die Ju­den von ihrem Messias ihre Befreiung und die Wiederherstellung ihres Rei­ches. In denselben wird auch von einer Auferstehung der Toten durch den Messias, von seiner Höllenfahrt, sei­nem Brechen der Macht der Dämonen und dem Sturze der Herrschaft des Sa­tans durch ihn, von seiner Erlösung von den Sünden, seiner Vergebung und Versöhnung derselben, von seinem Herstellen, Reformieren und Verbrei­ten der Religion und des Gesetzes, sei­nem Tode, seiner Auferstehung, Him­melfahrt u. a. m. gesprochen. Wir wollen sehen, was davon die Lehre der Verstandesrichtung und des Mystizis­mus in dem nichtapokryphischen Schrifttume, in den Targumim, den beiden Talmuden und Midraschim ha­ben.

a. Seine kriegerische, politische Tä­tigkeit. Hierher gehören mehrere Stel­len im Targum Jonathan: 1. die zu 1. M. 49. 11: »Wie schön ist der König Messias, der aus dem Hause Davids kommt; er umgürtet seine Lenden, be­fehligt Schlachtordnungen gegen den Feind, tötet Könige und Herrscher, so dass es keinen König oder Herrscher gibt, der vor ihm bestehen sollte; er färbt die Berge vom Blute der Getöte­ten«; ferner 2. die zu 4. M. 24. 17: »Ich sehe es — , wie einst ein mächtiger Kö­nig vom Hause Jakobs regiert, der Messias groß wird, ein starkes Szepter von Israel; er tötet die Fürsten Moabs, vernichtet die Söhne Seths, die Nach­kommen Gogs, die Krieg führen gegen Israel und vor ihm fallen werden«; fer­ner 3. die zu V. 19 daselbst: »Es erhebt sich ein Herrscher aus dem Hause Ja­kobs, er vernichtet und rottet aus den Rest, der übrig bleibt von Konstanti­nopel, der schuldbeladenen Stadt; er belagert und zerstört das widerspens­tige Cäsarea«; 4. die zu 4. M. 11. 16: »Am Ende der Tage ziehen Gog Magog und seine Heere gegen Jerusalem und fallen durch die Hand des Königs Mes­sias«; 5. die zu 4. M. 24. 24: »Und sie ziehen mit großen Kriegsheeren aus der Lombardei und Italien, sie verbinden sich mit Legionen aus Konstantinopel, befehden die Assyrer, unterwerfen sich alle Völker Ebers, doch ist das Ende dieser wie jener, durch die Hand des Königs Messias zu fallen und ewig un­terzugehen.« Die Midraschim haben diese kriegerische Tätigkeit des Mes­sias in weitern Umrissen geschildert und lassen dieselbe teils von dem Mes­sias Sohn Joseph, teils vom Messias Sohn David vollziehen.

b. Seine Sammlung und Zuführung der Zerstreuten Israels. Diese zweite Tätigkeit des Messias, die in der Bibel nur Gott zugeschrieben wird, ist eben­falls im Targum Jonathan zu 5. M. 30. 4 deutlich angegeben: »Wenn eure Zer­streuung an dem Ende des Himmels sein wird, von dort wird euch das Wort (Memra) des Ewigen, Eures Gottes, sammeln durch Elia, den großen Pries­ter, und von dort wird er euch heim­bringen durch den König Messias.. In den Midraschim wird die Sammlung der Zerstreuten auch dem Messias Sohn Joseph zugeschrieben, aus dessen Hand der Messias Sohn Davids sie er­halten und nach Jerusalem führen wird. (Jes. 41)

c. Seine Erbauung des Tempels. Darüber bringen wir den kurzen Satz: »Ich werde dich bringen von den äu­ßersten Enden des Nordens« (Midrasch Rabba 3. M. Abschn. 9) d. h. es kommt der König Messias aus dem Norden und erbaut den heiligen Tempel im Sü­den.

d. Seine Erlösung Israels. Dieselbe bezeichnet der Targum Jonathan zu 2. M. 11. 9: »Und du sollst es heiligen wegen der Krone des Königreiches des davidischen Hauses und in Betracht des Königs Messias, der am Ende der Tage Israel erlösen wird.

e. Sein Gericht und Richteramt. Es ist die Mystik allein, die den Messias Gericht über die Völker halten und den Satan Samuel vernichten lässt. Sie be­zeichnen ihn in dieser Tätigkeit als scharf gegen die Heiden und weich ge­gen Israel (Sifri Debarim 10. 1), er richtet die Heiden und den Samuel (Sa­tan). (Pesikta rabbathi)

f. Seine Auferweckung der Toten, seine Höllenfahrt und die Vernichtung der Herrschaft des Satans. Auch nach dem jüdischen Mystizismus geschieht die Totenerweckung durch den Mes­sias, aber nicht als sein ausschließliches Werk, da auch dies den Gerechten zu­geschrieben wird. Wir haben die be­treffenden Lehren in dem Artikel »Be­lebung der Toten« zitiert (vergl. Midrasch Mischle Kap. 3 ). Über die Höllenfahrt des Messias, um die lei­denden Sünder zu erlösen, haben wir zwei Stellen in den spätem Midra-schim. Die eine ist in dem kleinen Mi­drasch von R. Josua ben Levi, (Beth hamidrasch II. S. 50) wo letzterer in Begleitung des Messias, der hier »Licht« heißt, die Hölle aufsucht, und die Sünder beim Anblick des Messias rufen: »Der ist bestimmt, uns von hier herauszubringen!. Die andere ist im Jalkut, nach welcher Serubabel, Proto­typ des Messias, mit der Gottheit in die Hölle steigt und dort das Kaddischge­bet verrichtet, worauf die Sünder, wel­che »Amen« rufen, von den Höllen­strafen befreit werden. (Jalkut II) Die Vernichtung des Satans durch den Messias wird in dem Sinne von un­schädlich machen ausgesprochen. Es heißt: »Der Satan erblickt den Messias und ruft erschrocken aus: Der ist es, der mich in die Hölle werfen wird.« (Jalkut II) Dagegen gibt es keine Stelle, in der von einer Sündenvergebung oder Sündenversöhnung als Gnadenwerk des Messias gesprochen wird. Auch in der Mystik wird dies keinem Men­schen, sondern nur Gott allein zuer­kannt. Nur die Lehre, dass durch die Leiden des Messias, nämlich des Mes­sias Sohn Joseph, die Sünden Israels gesühnt werden sollen, wird mehrere Mal wiederholt. (Jalkut Jesaja § 359 u. Targum Jonathan zu Jesaja 53. 4) Auch von einer Wiederkehr der in Folge der Adamssünde eingebüssten Vollkom­menheit, die durch den Messias eintre­ten soll, wird gesprochen. »Sechs Ge­genstände wurden Adam in Folge seiner Sünde weggenommen, die durch Nachschons Sohn, den Messias, wie­derkehren werden. Dieselben sind: der Glanz, das Leben, die Natur, die Früchte der Erde, die Baumfrüchte und die Lichter.« (Midrasch Rabba 4. M. Abschn. 13. Vergleiche hierzu Midr. Rabba 1. M. Abschn. 12 und Tan­chuma zu 1. M. 2, wo sich derselbe Ausspruch wiederholt.) Eine größere Beachtung verdienen die Stellen, die

g. von einem Reformieren oder Herstellen und Verbreiten der Religion und des Gesetzes durch den Messias sprechen. Die Mystik hat darüber eine Menge Aussprüche, die wenn sie sich auch nicht widersprechen, doch ver­schiedene Meinungen über diesen wichtigen Punkt angeben. So nennen einige geradezu eine neue Thora, die Gott durch den Messias geben wird (Jalkut Jesaja § 296. Ebenso in Midr. Rabba zum Hohld. 2. 13, Targum Jo­nathan zu Jesaja 12. 3; ferner Jozeroth zu Sabbath Chanukka; ebenso Joze­roth zu Barascha. Hierzu vergl. Othoth de R. Akiba); dagegen wollen andere nur von einer Erneuerung der Thora mit teilweisen anderen Gesetzesausle­gungen (Midr. Rabba 3. M. Abschn. 13); die Dritten endlich sprechen von dem Aufhören vieler Gesetze zur Zeit der Zukunft als vom Opfer mit Aus­nahme des Dankopfers, Festen mit Ausnahme des Versöhnungstages (vergl. Pirke de R. Elieser Kap. 46) oder des Purimfestes, der Fasttage (Rosch haschana 18b), der unreinen Tiere (Midr. Thillim zu Ps. 146) u. a. m. Gegen diese und ähnliche Lehren erhe­ben die Lehrer der Verstandesrichtung entschieden Einspruch. Von Samuel (im 3. Jahrh. n.) ist die Lehre: »Zwi­schen der Gegenwart und den Messias-tagen ist kein anderer Unterschied, als die Aufhebung der Unterjochung Isra­els von Seiten der Regierung«, und R. Chanina (ebenfalls im 3. Jahrh. n.) lehrt: »Israel bedarf nicht der Thora des Messias, denn es heißt: »Nach ihm werden die Völker sich sehnen,« (Jesaja), die Völker, aber nicht Israel! Aber was wird denn der Zweck seines Erscheinens sein? Die Zersprengten Is­raels zu sammeln und ihnen (den Völ­kern) dreißig Gebote zu geben.« (Midr. Rabba 1. M. Abschn. 98. Ebenso im Jeruschalmi Aboda Sara Abschn. 2 mit Beziehung auf Sach. 11: »Und sie wogen mir meinen Lohn zu dreißig Silber­lingen. « Andere Stellen sprechen nur von drei Geboten: Laubhütten, Lulab und Tephilin Midr. Thillim zu Ps. 21, 1. Endlich gibt es auch welche, die da glauben, dass die Heiden alle Gesetze annehmen werden. Jeruschalmi Aboda Sara Abschn. z am Anfang). Andere Aussprüche nach dieser Richtung sind: »Die Thora wird nicht aufhören.« (Je­ruschalmi Megilla 1. 8) »Die Gesetze sind nicht auf Bedingung gegeben« (Mechilta Jithro Abschn. 2); »das sind die Gebote«, d.h. »dass kein Prophet von da ab etwas erneuern darf.« (Jorna 80a.) Die dreißig Gebote, die der Mes­sias nach obigem Ausspruch von da ab erneuern werde, werden nicht speziell angegeben, aber ein Lehrer gegen Ende des dritten Jahrhunderts n., Ulla, spricht von dreißig Geboten, welche die Noachiden freiwillig angenommen haben, aber von deneselben nur drei behielten. (Cholin 92a. Von Ulla)

h. Tod, Auferstehung und Himmel­fahrt. Sämtliche drei Gegenstände kennt die jüdische Mystik nicht. Vom Tode des Messias sprechen die Lehrer der Verstandesrichtung, aber nicht von einem gewaltsamen, sondern von ei­nem natürlichen Tode, der am Ende seiner Regierung eintritt. Man dachte sich den Messias nur als Menschen, gleich sterblich wie wir. So lehrt Mai­monides: »Der König Messias wird sterben und sein Sohn wird ihm in die Regierung folgen.« (In seinem Kom­mentar zur Mischna Sanhedrin Abschn. 11) Dagegen wollen die Mystiker, die den Messias übermenschlich zeich­nen, nichts von einem Tode des Mes­sias wissen und beanspruchen für ihn ewiges Leben. In den kleinen Midra-schim, wo von dem Tode des Messias Sohn Joseph gesprochen wird, heißt es, dass der »Messias Sohn David«, als er den Jammertod des Messias Sohn Jo­seph gesehen, sich erbeten habe, nicht zu sterben; es wurde ihm das Leben in Ewigkeit gewährt. In demselben Sinne sprechen sich die Mystiker des Mittel­alters aus: Bachja in seinem Kommen­tar zu Noach und zu 1. M. 11, 10: »Der Messias Sohn Davids wird nicht sterben.« (Abodath hakodesch in Che-lek Aboda Kap. 43) Nach dieser An­nahme kann auch von keiner Auferste­hung und Himmelfahrt des Messias die Rede sein.

V. Geschichte. Wir beginnen hier mit der geschichtlichen Darstellung desselben seit seinem Wiederaufleben in der Zeit der syrischen Religionsver­folgung unter Antiochus Epiphanes bis nach dem Schluss des Talmud (von 170 v. bis 550 n.). Die Prophetenverhei­ßung von der Wiederherstellung des jüdischen Staates, der Rückkehr der Exulanten, der in den Ländern zer­streuten jüdischen Volksreste, der Er­richtung des davidischen Thrones, der Wiedererbauung des Tempels, des Ein­trittes einer Zeit der allgemeinen Gotte­serkenntnis und des Friedens unter den Völkern, die von der Sehnsucht nach dem Gotteslichte in Jerusalem getragen, zum Gottestempel auf Zion wallfahren werden, hatte sich bei der Wiederbe­gründung des jüdischen Staates nur schwach erfüllt. Die Rückkehr der zer­streuten jüdischen Volksreste geschah unter sehr geringer Beteiligung; das jüdi­sche Staatsleben hatte nur ein Schatten­dasein unter der Oberhoheit der persi­schen Könige; dem Daviden, jetzt dem zurückgekehrten Serubabel, der an der Seite des Hohepriesters an der Spitze des neuen Staates stand, fehlte jede Selbst­ständigkeit; er war ohne jedes Ansehen und verschwand auch bald vom Schau­platz seiner Tätigkeit. Hierzu kam, dass auch dem Tempel und dessen Kultus so­wie dem Repräsentanten desselben, dem Hohepriester, mehrere Gegenstände fehlten, die das Ansehen und die Heilig­keit desselben erhöhten. Der Hohepries­ter hatte nicht das Urim und Thumim, die Bundeslade schmückte nicht das Al­lerheiligste, das Himmelfeuer verzehrte nicht das Opfer u. a. m. Da bemäch­tigte sich des Volkes eine tiefe Resigna­tion, von dem ein Teil gegen Opfer und Altar gleichgültig wurde und sich den heidnischen Grenzvölkern anschloss, der andere sich mit dem gegenwärtigen Zustand begnügte und jede Hoffnung auf Erfüllung der Prophetenverheißung aufgab. Nur ein geringer Volksanteil mit den Propheten Haggai, Sacharia, Maleachi, Esra und Nehemia waren die Treuen und die unerschütterlich Ausharrenden; sie betrachteten den ge­genwärtigen Zustand als Anfang der Erfüllung jener großen Verheißung, deren weitere Verwirklichung allmählich erfolgen werde. So rief der Prophet Haggai denen zu, welchen die gegen­wärtigen Zustände in Betracht der Herrlichkeit des ersten Tempels armse­lig erschienen und an eine Erfüllung der Verheißung nicht mehr glaubten: »Denn, so spricht der Ewige, Zebaoth, nur ein Weniges, und ich lasse Himmel und Erde erbeben, das Meer und das Festland. Ich lasse erbeben alle Völker, und es kommt das Kostbare aller Völ­ker, und ich erfülle dieses Haus mit Herrlichkeit. Groß wird die Herrlich­keit dieses Hauses sein, des Letzten größer als des Ersten, spricht der Ewige, Zebaoth, an dieser Stätte gebe ich Frieden.« (Haggai 2. 1-10) Auch dem gegenwärtigen Davididen, dem Serubabel, wird eine Erfüllung der göttlichen Verheißung für das Haus Davids geweissagt. »Und an diesem Tage, spricht der Ewige, Zebaoth, nehme ich meinen Diener Serubabel und mache ihn wie ein Siegel, denn dich habe ich erwählt, spricht der Ewige.« (Das. 2, 23) Auf gleiche Weise weissagt der Prophet Sacharia dem Volke das Eintreffen des Davididen, den er »Spross«, zemach, nennt, mit der Verheißung, dass es unter ihm »sprossen werde« (Sach. 6, 12); auch Jerusalem werde sich einer großen glücklichen Bevölkerung erfreuen. (Das. 8, 4. 5) Eine dritte Weissagung spricht von einem Tag des Gerichts über alle Völker bei ihrem Kampfe vor Jerusalem, der die Ausbreitung der reinen Gotteserkenntnis und des wahren Gottesglaubens zur Folge haben wird. (Das. 14, 1-15) »Und es wird der Ewige König über die ganze Erde sein, an demselben Tage ist der Ewige eins und sein Name eins. (Das. V. 9) Der Rest der Völker zieht alsdann von Jahr zu Jahr nach Jerusalem, um sich vor dem Könige, dem Ewigen Zebaoth, zu ver­beugen und das Laubhüttenfest zu fei­ern.« (Das. V. 16) Eine solche Gottes­gerichtsverkündigung wird auch von dem Propheten Maleachi zur Läute­rung der Gotteserkenntnis und Erneue­rung des Gottesglaubens wiederholt, jedoch mit einer ganz neuen Verhei­ßung, der Voraussendung des Prophe­ten Elijahu, um die Einheit zwischen Eltern und Kindern herzustellen. »Das Herz der Väter werde sich den Kindern und das der Kinder den Vätern zuwen­den.« (Maleachi 3, 19-24) Die Bücher Esra und Nehemia sprechen von der Zeit, wo ein Priester mit Urim und Thumim dastehen werde, um über Zweifelhaftes zu entscheiden. (Esra 3, 63; Nehemia 7, 65) Es suchte jeder Prophet und Volkslehrer den Bestand des zweiten jüdischen Staatslebens bei seinen noch so großen Mängeln als den Anfang der Erfüllung der Propheten­verheißungen darzustellen, dem bald mehr folgen werde; man sah in ihm den Grundstein gelegt, auf dem der weitere Bau des messianischen Reiches aufgeführt werden soll. Man hat in diesen Verkündigungen eine Abschwä­chung des Messiasglaubens finden wollen; wir sehen in ihnen eine Wiederauf­nahme desselben, ein Wiederanknüpfen an die Messiashoffnung älterer Zeiten, eine Verheißung dessen, was sich in dem wiedererstandenen jüdischen Staate von den Prophetenverheißungen noch nicht erfüllt hatte, eine Hoffnung auf endliches Eintreffen des noch nicht Gekommenen. In diesem Sinne sind auch die messianischen Erwartungen in den Schriften der nun folgenden Zei­ten zu nehmen. Dieselben haben mehr reflexiven Charakter, man hält an den Prophetenverheißungen als etwas Ge­gebenem fest und spricht von ihnen, soweit dieselben sich in dem jüdischen Staate noch nicht erfüllt haben; sie sol­len den Glauben und die Hoffnung auf weitere Erfüllung des Begonnenen we­cken und stärken. An der Schwelle des zweiten Jahrhunderts v. steht das Buch, welches die Messiasidee nach dieser Darstellung gibt; es ist das Buch Sirach. Dasselbe spricht von der Verkündigung des Gottesgerichts über die Heiden (Si­rach 32, 17; 33, 6), der Sammlung und Wiedervereinigung der zwölf Stämme (Das. 33, 11 ), der Ewigkeit der davidi-schen Herrschaft (Das. 47, 11), die Wiederkunft des Propheten Elia. (Das. 48, 4; 10, 12, »wie wir zum Teil schon sahen, Elia sei bestimmt, den Zorn [des Weltrichtenden Gottes in Bezug auf Is­rael] im Voraus zu besänftigen, und das Herz des Vaters dem Sohne zuzu­wenden, die Stämme Jakobs herzustel­len. Selig sind, die dich sehen und die in Liebe Entschlafenen. Denn wir werden wieder leben. Vergl. Edajoth 8, 7, wo diese Mission der Sammlung der Stämme auch Elia zugeschrieben wird.) Im Zusammenhange werden diese mes­sianischen Erwartungen in zwei Ge­betsstücke (Diese Gebetstücke sind im Sirach 33, 1-19; 36, 16-22. Als Ganzes befinden sich beide Stücke im. syrischen Sirachbuch und in der Vulgata 36, 1­19), ähnlich dem messianischen Gebet in unserer Schemone Esre, vorgetragen. Wir lassen hier von denselben die Hauptstücke folgen. Sie bringen schon jetzt den Gesamtinhalt des Messias­glaubens der Synagoge, auch der späte­ren Zeit zum Ausdruck und bilden die Messiaserwartungen der Verstandes­richtung (siehe weiter) in ihrem Gegen­satze zum Mystizismus im Judentume. Dieselben lauten: »Erbarme dich unser, Herr, allmächtiger Gott! Und nimm Rücksicht auf uns ... Lasse deine Furcht über alle Heiden ... kommen, damit sie deine Macht erfahren. (Vergl. hierzu das Gebet in der Schemone Esre zum Neujahrsfeste, das ähnlich lautet.) Wie du vor ihren Augen bei uns gehei­ligt wirst, so zeige dich bei ihnen in dei­ner Größe vor unseren Augen. Auf dass sie erkennen, wie wir es erkannt haben, dass außer dir, Herr, kein anderer Gott ist ... Beschleunige die Zeit und denke an deinen Eid, damit deine großen Ta­ten gepriesen werden ... Zerschmettere die Häupter der feindlichen Fürsten, die da sprechen: >Niemand ist uns gleich!< Versammle alle Stämme Ja­kobs, lasse sie wieder dein Eigentum sein, wie in den Tagen der Vorzeit. Er­barme dich, Herr, deines Volkes, das nach deinem Namen genannt ist, und Israel, das du wie einen Erstgeborenen gehalten. Erbarme dich, Herr, Jerusa­lems, der Stadt deines Heiligtums, der Stadt deiner Wohnung. Erfülle Zion mit deinen herrlichen Verheißungen, dein Volk mit deinem Ruhm. Lasse ein­treffen die Prophezeiung derer, die in deinem Namen gesprochen ...« (Nach dem Buch Sirach in der Vulgata 36, 13-­16) Einen neuen Abschnitt in der Ge­schichte der messianischen Erwartun­gen bildet das Buch Daniel, das die Zeit der syrischen Religionsverfol­gungen unter Antiochus Epiphanes (160 v.) abspiegelt und mit seinen Weissa­gungen derselben angehört. Die mysti­sche Richtung, wie sie damals in dem Schoße des Chassidäismus gepflegt wurde, hat in ihm seine erste Vertre­tung; sie tritt hier zum ersten Male vor die Öffentlichkeit. Es bringt den Be­drängten und Verfolgten im Bilde eines Menschensohnes, der auf den Wolken einherfliegt, die Trostverheißung eines vom Himmel niedersteigenden messia­nischen Reiches. (Daniel 2, 1-44) Dieses messianische Reich ist das, wel­ches nach dem vierten Reiche, dem des Eisens, kommen soll; es ist das Reich, das in Ewigkeit nicht zerstört wird, und dessen Herrschaft keinem andern Volke überlassen wird. Ein zweiter Hauptpunkt ist seine Zeitangabe des Eintrittes dieses Reiches. In allgemei- nen Umrissen wird die Zeit vorher als die einer schrecklichen Drangsal be­zeichnet mit dem Gräuel der Verwüs­tung, der Entweihung des Brandopfer-altars durch einen darauf gebauten heidnischen Götzenaltar. (Daniel 9, 27) Aber der Verfasser begnügte sich damit noch nicht und gibt dieselbe genauer an. Die in Jeremia 25, 11; 29, 10 ange­gebenen siebzig Jahre, die über die Ver­ödung Jerusalems hingehen werden, werden hier zu siebzig Jahrwochen, Jahrsiebenten umgedeutet. (Das. 9, 24) Auf einer andern Stelle spricht er von dreieinhalb Zeiten, Moadim, wenn die Zerstörung vollendet sein wird (Das. 12., 7) oder von 12.90 Jamin, Tage, von der Zeit der entsetzlichen Gräueltaten und Aufhören des Opferdienstes. Man hat in diesen Zeitangaben eine Bezie­hung auf die Unterdrückung des Ju­dentums unter der Syrerherrschaft und die Erhebung der Makkabäer gefun­den, do dass dreieinhalb Moadim = dreieinhalb Jahre = 1290 Tage ausma­chen, aber die Mystiker in der talmu­dischen Zeit und nachher knüpfen an diese Zeitangaben die Berechnung der Zeit für den Eintritt des Messiasreiches. Einen dritten Punkt macht die Angabe der Auferstehung in der messianischen Zeit aus. Die Sünder werden zum Ge­richt, zur Schmach und Verstoßung auferstehen, aber die Frommen zum ewigen Leben. (Das. 12, 1. 3) Es sind völlig neue Gegenstände, die in dieser messianischen Weissagung aufgestellt werden. Das Vom—Himmel— Nieder­steigen des messianischen Reiches, die Zeitberechnung, das Gericht mit der mit demselben in Verbindung gesetzten Auferstehung der Toten u. a. m. Wir erkennen in denselben, wie schon oben angegeben, die chassidäische, mysti­sche Richtung in ihrem Anfange, und halten das Danielbuch als eine von einem Chassidäer gegen die Makka­bäer verfasste Schrift, welche den Her­vorgang des Gottesreiches nicht durch Menschenhände, durch Kämpfe und blutige Siege, sondern durch Gott selbst am Ende der Tage, zur Zeit der Erfüllung gleichsam vom Himmel ur­plötzlich kommend, dartun soll. Wir vernehmen hier eine Stimme, die wir bis jetzt noch nicht gekannt haben; sie ist die Gegnerin der Verstandesrich­tung, verwirft jede Angabe und Lehre nach menschlichem Verstande und lehrt, dass alles durch Gott ohne menschliches Hinzutun sich vollführe. Wir werden in zwei noch hierher gehö­renden andern Schriften, in dem Buche Henoch und dem vierten Esrabuch Ge­legenheit haben, diese Messiasideen des Chassidäismus oder des Mystizis­mus im Henochbuche kennen zu ler­nen. Das Alter des Henochbuches ist dadurch verbürgt, dass in ihm nichts von den Römern und von ihrer Ober­hoheit in Palästina vorkommt; ebenso spricht es noch nicht von der Zerstö­rung des Tempels und Eroberung Jeru­salems durch Titus; auch trägt es noch keine Lehren, wie das Buch Daniel, in Traumgesichten vor. Es gehört wohl, seinem Inhalte nach, der Hasmonäerzeit an, kann jedoch seine Zusammen­stellung erst gegen die Hälfte des ersten Jahrhunderts v. erhalten haben. Der Messias wird hier zum ersten Male als vorweltlich dargestellt, sein Name war schon genannt, ehe etwas da war (He­nochbuch 48, 2. 6. 7), eine Angabe, die wir auch in der talmudischen Mystik (siehe weiter) wieder finden. »Er weilt bei dem, der ein Haupt der Tage ist (Gott), und sitzt neben ihm auf dem Throne der Herrlichkeit.« (Das. 55, 4; 69, 29) Auch diese Angabe wird im Talmud als die Lehre R. Akibas zitiert, die ihm den Verweis eines andern Leh­rers zuzog. »Er wird von allen angebe­tet werden und herrscht über alles.« (Henochbuch 62, 2; 69, 29) Von sei­nen Eigenschaften heißt es: »In ihm wohnt der Geist der Weisheit, der Ein­sicht, der Lehre und der Kraft sowie der Geist derer, die entschlafen sind (der Propheten). (Das. 49, 3. vergl. hierzu Jesaja u, wo diese Eigenschaf­ten einem Davididen zuerteilt werden.) Er kennt die verborgenen Dinge. (Das. 49, 3) »Vom Throne der Gottesherr­lichkeit herab wird er Asasel und die gefallenen Engel richten.« (Das. 55, 4) Seine Namen, die seiner Person, seiner Würde und seinen Eigenschaften ent­lehnt werden, sind: Menschensohn (Das. 46, I), Auserwählter (Das. 40, 5; 45, 3. 4), Gerechter (Das. 38, 3), Ge­salbter (Das. 48, 10), Weibessohn (Das. 62, 5), Mannessohn (Das. 69, 29) u. a. m. Nebenher wird auch von einem Tage des Gerichts gesprochen, wo die Sünder zu Höllenstrafen verdammt und die Frommen zur ewigen Seligkeit eingehen. (Das. 90, 20-27; 58, 3; 56, 8; 22., 13) Zu den Gütern des Messiasrei­ches gehören: die Gottesverehrung bei allen Völkern (Das. 10, 10), der tau­sendfache Bodenertrag (Das. 11, 2), ein neuer Tempel mit einem neuen Je­rusalem vom Himmel (Das. 90, 29), auch von einem himmlischen Palästina, das niedersteigen wird, wird gespro­chen. (Das. 36-39) Ebenso verheißt es eine Totenauferstehung aller zum Ge­richt. (Das. 60, 1. 5. Auf einer andern Stelle 91, 10; 92, 3 verheißt es die Auf­erstehung nur für die Gerechten.) Auch hier bildet die Zeitangabe des Eintrit­tes des messianischen Reiches einen Hauptgegenstand. Die siebzig Jahre bei Jeremia (siehe oben) werden als die Zeit der siebzig Hirten oder der siebzig Herrscherzeiten angegeben. Von diesen kommen bis auf die Perserzeit zwölf Hirten, auf die Perserherrschaft selbst dreiundzwanzig Hirten usw. (Das. 90, 14-22) Auf einer andern Stelle (Das. 91) wird die ganze Weltdauer in zehn Wochen zu je sieben Geschlechtern ge­teilt, so dass bei Ende der zehnten Wo­che siebzig Geschlechter verlaufen, gleich den siebzig Jahren in Jeremia. Von diesen ist am Ende der ersten Wo­che die Geburt Henochs; in der zwei­ten Woche der Engelabfall; in der drit­ten die Geburt Abrahams und Israels; in der vierten die Gesetzgebung von Moses und der Bau der Stiftshütte; in der fünften der Tempelbau Salomos; in der sechsten der Abfall Israels und die Bekehrung durch Elijahu; in der sie­benten die Abtrünnigkeit, die Auferste­hung der Frommen u. a. m.; in der ach­ten die Weltherrschaft der Heiden zerstört und die Erbauung des neuen wahren Tempels; in der neunten großes Gericht zur Vernichtung der Frevler, und in der zehnten die Zeit der Zu­kunft, der himmlischen Seligkeit (vergl. diese Angaben über das Weltende mit den talmudischen Zitaten weiter) .Hieran schließen wir eine dritte Schrift, welche den Messiasglauben des Mystizismus hat, nämlich das schon oben genannte vierte Esrabuch, dessen Verfasser wohl hundert Jahre vor der Eroberung Jerusalems gelebt haben mochte. Der Messias wird hier, bald vom Himmel kommend, bald der Erde angehörend dargestellt. »Der Mes­sias«, heißt es, »wird von Gott im obern Paradies aufbewahrt, in Gesell­schaft mit Henoch, Moses und Elia bis zur Zeit seines Erscheinens«, eine Lehre, die wir auch im spätern Mysti­zismus, besonders in der Kabbala wie­der finden (siehe weiter). Ferner: »Er steigt aus dem Meere und schwebt auf den Wolken. Alles zittert vor ihm, alles kämpft gegen ihn. Flammen brechen aus seinem Munde, seine Zunge speit Feuer, alles schmilzt wie Wachs, was seine Stimme hört. Er siegt durch den Hauch seines Mundes, der wie Feuer und Geist aus ihm fährt. (4. B. Esra 13, 41. 45) Die Menschen des Friedens sammeln sich um ihn. Er erhebt sich auf den Berg Zion, erweist sich dort als >Sohn Gottes< und hält Gericht nach Maßgabe des Gesetzes. Die gefangenen Juden kehren unter seinem Schirm in die Heimat zurück.« (Das. und Esra 13, 41. 45) Das Messiasreich dauert vierhundert Jahre, worauf der Tod für ihn und die Seinigen erfolgt. (Das. 4, 6) Auch die Zeit seines Eintrittes kommt zur Erörterung. Es heißt darüber: »Die von Adam in die Menschheit gebrachte Sünde müsse erst ihre Vollreife erhal­ten. « Weiter wird angegeben: »Wenn die Zahl der Seelen erfüllt ist«; »Der Behälter der Seelen der Unterwelt gleicht einem Mutterleib, der zur be­stimmten Zeit seine Frucht entlässt.« (Das.) Beide Angaben werden auch im Talmud von den Lehrern des dritten und vierten Jahrhunderts n. angegeben (siehe weiter). Auf einer andern Stelle (Kap. 11) spricht er von der Erschei­nung, in welcher er einen Adler mit zwölf Fittichen und drei Häuptern sieht (das römische Weltreich mit sei­nen Kaisern von Cäsar bis Piso), die durch einen siegreichen Löwen (den Messias) vernichtet werden (das. 11, 37; 12., 31). Fassen wir diese Messias-lehren des Mystizismus zusammen, so haben wir in denselben zwar noch nicht die spätere Darstellung des Mes­sias im Christentume, aber zu vielen Missverständnissen führt die Benen­nung des Messias »Sohn Gottes« im Henochbuche (Henoch 105, 2) und im vierten Esrabuche (4. B. Esra 13, 41. 45) sowie die Angaben von dessen Vorweltlichkeit, Aufenthalt im Paradiese, sitzen auf dem Throne bei Gott, Voll­ziehung des Gerichts u. a. m.. Diese Bücher wurden daher in Folge ihrer mystischen Zweideutigkeit aus dem Judentume verwiesen. Die reine bibli­sche Gottesidee sollte den Israeliten ungetrübt erhalten bleiben. Einen strengen Gegensatz zu diesen wunder­lichen mystischen Messiaserwartungen bilden die in den Schriften der Verstan­desrichtung verzeichneten aus dieser Zeit. Zu denselben rechnen wir die Septuaginta, das 1. Buch der Makka­bäer, das Buch Baruch, das Buch Ju­dith, das Buch Tobiä. In der Septua­ginta wird der Messias ausdrücklich und nicht ohne Nebenabsicht nur als »Mensch« bezeichnet. Abweichend vom Texte übersetzt sie 4. Mos. 24, 7: »Es wird ein Mensch hervorgehen aus seinem Stamme und viele Völker be­herrschen, und höher als Gog wird sein Reich sein.. Weiter übersetzt sie Vers 17 daselbst: »Und es wird ein Mensch aufstehen aus Israel, er wird plündern alle Söhne Seths.« Über dessen Wirk­samkeit haben wir in ihrer Übersetzung von 1. Mos. 49, 10: »Bis kommt, dem es beschieden ist, und er ist die Erwar­tung der Völker.« Noch nüchterner sprechen sich die Messiashoffnungen in den andern Schriften aus. Im 1. Bu­che der Makkabäer 2, 57 redet Matis­jahu: »David hat den Thron in aller Ewigkeit bekommen.. Weiter heißt es: »Judas Makkabi hat die Theokratie nur geordnet (1. Macc. 4, 46) und Simon das Fürstentum nur angenommen, bis der zuverlässige Prophet kommt.,, (Das. 14, 14) Mehr darüber hat das Buch Baruch; es spricht von der einsti­gen Rückkehr der Zerstreuten, der Be­strafung ihrer Feinde und der darauf eintretenden glücklichen Tage. (Baruch 4, 21 bis 5 — Ende) Ebenso das Buch Tobia: »Er wird uns von allen Völkern sammeln. Viele Völker kommen im Namen Gottes mit Geschenken in den Händen und mit Spenden für den Kö­nig des Himmels. (Tobia 13, 5-17) Je­rusalem wird von Saphir und Smaragd aufgebaut werden.« (Das. 14, 5. 6) Im Buche Judith wird ein strenges Gericht gegen die Heiden angedroht. (Judith 16, 1-7) Stärker noch tritt dieser Ge­gensatz zwischen den messianischen Erwartungen des Mystizismus und de­nen der Verstandesrichtung in den Schriften der Juden Ägyptens, speziell Alexandriens hervor. Wir bringen von denselben die uns erhaltenen Frag­mente der alexandrinischen Sibyllinen (»Sibylle« heißt »Rat Gottes«, »Rat der Gott verkündenden Frauen«. Man fingiert eine uralte Prophetin, die zu den Völkern gesandt wurde, um ihnen die Zukunft zu verkünden, diese unsere sibyllinischen Weissa­gungen haben das Gepräge des Mo­notheismus, sie sprechen im Namen des höchsten Gottes. Solche Sibylli­nen sind uns in zwölf Büchern erhal­ten, die Juden und Christen zu Ver­fassern haben; es gibt sonach jüdische und christliche Sibyllinen. Letztere kennzeichnen sich durch die Verkün­digung des Stifters der christlichen Religion etc. und gehören dem zwei­ten und dritten Jahrhundert n. und noch später an. Dagegen erkennt man die jüdischen daran, dass sie mehr von der Messiaszeit als vom Messias sprechen. Von diesen ist das dritte Buch entschieden jüdisch, das einen Juden zum Verfasser hat. In dem­selben scheinen V. 371 bis V. 42.6, V. 715 und V. 775 von christlicher Hand eingeschoben zu sein. Dieses dritte Buch zerfällt in zwei Weissagungen aus zwei verschiedenen Zeiten und besteht im Ganzen aus vier Frag­menten. Die ältesten Bestandteile hat das zweite Fragment von V. 97 bis V. 2.94 und das vierte Fragment von V. 489 bis V. 825. Im Fragment II. gehö­ren V. 171 bis V. 174 und V. 190 bis V. 195 der Zeit kurz nach den ersten Makkabäern, V. 608 der vormakka­bäischen Zeit. Im Allgemeinen nimmt man an, dass sie gegen 170-160 von Alexandrinern verfasst, aber später verschieden umgearbeitet wurden, wo altes und Neues durcheinander kam, was heute schwer zu trennen ist.), von denen das 3. Buch unstreitig einen Juden zum Verfasser hat. Aus demselben bringen wir seine Verkündi­gung: 1. des Gottesgerichts; 2. der Sen­dung des Messias und 3. der Verbrei­tung einer allgemeinen Gotteserkenntnis und 4. der glücklichen Messiastage. Das Fragment 4, V. 500 bis V. 520 hat die Verkündigung des Gottesgerichts.

»... darum wird er

Schrecklich züchtigen sie mit Schlä­gen über die ganze

Erde, es sendet der Herr über sie das grause Verderben,

Wenn er von Grund aus verbrennet die Städte und viele Gebäude.

Wehe dir, Kreta! Wehe mit Schmerz Beladenes, dich wird

Treffen ein schrecklicher Schlag, der wird dich auf immer verwüsten.

Und es wird dich nachher die sämt­liche Erde in Rauch sehen,

Und das Feuer verlässt dich nie, sondern gänzlich verbrennst du.

Wehe dir, Thrazien ... «

Wie hier von dem Gottesgericht, so wird im Fragment I. V. 80-90 von einem Gottesgericht, verbunden mit dem Weltuntergang, geweissagt:

»... dann werden der Welt Ele­mente

alle verödet sein, wenn Gott, der den Äther bewohnt,

Rollt den Himmel zusammen, rollt wie ein Buch zusammen,

Und auf die göttliche Erde wird dann der vielförmige Himmel

Stürzen, auf das Meer, und strömen des schrecklichen Feuers

Unerlöschlicher Guss, der verbrennt die Erde, die Meere.

Dann wird das Gericht des großen Gottes erscheinen

Für die lang dauernde Zeit der Welt, wenn das alles sich zuträgt.

Hieran schließen wir die Verkündi­gung des Eintreffens eines Davididen und der Erbauung des Tempels im Fragment II. V. 268:

»Und vom Himmel herab wird Gott einen König dann senden,

Der wird jeglichen Mann in Blut mit glänzendem Feuer

Richten. Und ein Königsstamm ist, dessen Geschlecht wird

Nimmermehr wanken, und in den rings umlaufenden Zeiten

Wird es herrschen und neu Gotte­stempel zu bauen beginnen.

Und die Könige all der Perser wer­den herzu dann

Tragen Gold und Erz und wohlge­schmiedetes Eisen,

Und selbst Gott wird nächtliche, heilige Gesichte verleih'n

Und es wird dann wiederum der Tempel sein wie er vorher wat«

Endlich zitieren wir noch aus Frag­ment V., V. 616-620, von der Bekeh­rung der Heiden:

»Und dann werden sie vor dem großen unsterblichen König,

Gott, das schimmernde Knie zur Erde, der nährenden, beugen,

Und in des Feuers Glut stürzt jegli­ches Gebilde der Hände..

Vorher hat V. 573 darüber:

»Später jedoch wird ein heilig Ge­schlecht gottesfürchtiger Menschen

Da sein, die sich dem Rat und dem Sinn des Höchsten ergeben,

Welche verherrlichen rings den Tempel des mächtigen Gottes,

Auf den großen Altar darbringen im heiligen Sinn..

Unerschöpflich sind die Verse 619­625, 743-770, 785-793 in der Schilde­rung des darauf folgenden glücklichen messianischen Reiches:

»Und es wird dann auch Gott große Freude dem Menschen verleihen,

Denn auch das Land und die Bäume und große Herden von Schafen

Werden untadelhafte Früchte geben den Menschen,

Reich an Wein und süßem Honig, an blendender weißer

Milch und an Weizen, der ist für Menschen das Beste von allem..

Ganz im biblischen Geiste geschieht darauf die Zeichnung des ewigen Frie­dens, der Sittlichkeit und der Religion, die alsdann herrschen werden, dass auch die wilden Tiere ihre Wildheit verlieren und ihre Raubgier aufgeben werden. Wir haben in diesen Angaben nichts von einem himmlischen Messias, einem »Sohn Gottes«, einem himmli­schen Jerusalem, einem vom Himmel herabkommenden Tempel u. a. m., al­les wird hier rein nach den messiani­schen Angaben in der Bibel wiederge­geben. Einen neuen, fast unerwarteten Aufschwung nahmen die messiani­schen Erwartungen in den Jahren nach 63 vor bis 70 n., von der ersten Inva­sion der Römer unter Pompejus bis zur Zerstörung des Tempels durch Titus. Dieselben erreichten in dieser Periode ihren Gipfelpunkt, alles Spätere in ih­nen hat hier seinen Ursprung, bildet nur eine Modifikation des in diesen Jahren zum Ausdruck Gekommenen. Die Blüte der Makkabäerzeit war ver­nichtet, die frühere Selbstständigkeit des Staates stand am Rande ihres Un­terganges, bald erhob sich der römi­sche Adler über das freie Jerusalem. Die letzten Sprossen der Hasmonäer, jener Makkabäerhelden, die Volk und Staat zur Freiheit und Unabhängigkeit erhoben hatten, mussten unter Hen­kershand ihr Leben aushauchen. Ein Idumäer (Herodes) und Rom teilten sich die Beute, bemächtigten sich der Herrschaft und ließen das Volk, das sich nicht derselben fügen wollte, die ganze Wucht derselben fühlen. Da schauten die Bedrängten zum Himmel empor, man erinnerte sich vergangener Zeiten, die Herrlichkeit Jerusalems frü­herer Jahre weckte neuen Patriotismus und die messianische Hoffnung be­mächtigte sich wie nie zuvor der Ge­müter. Dieselben sollten nicht bloß, wie früher, das Bestehende ergänzen und an demselben weiter bauen, son­dern von Grund auf alles neu schaffen und herstellen. War ja durch des Idumäers grausamen Arm alles Jü­dischnationale vernichtet, die Treuen hingewürgt, das Heilige geschändet. Auch in dieser Periode sehen wir das Volk, wie zur Zeit der Makkabäer, in zwei Gruppen geteilt: die der Chassidäer und die der Verstandesrichtung, der Gesetzesgerechten. Von ersteren weiß die Geschichte, dass sie am Shab­bath, als Pompejus Jerusalem bela­gerte, nicht kämpfen wollten; sie glaub­ten auch da noch, dass auch ohne Kampf vom Himmel herab der Feind vernichtet und Jerusalem gerettet wer­den wird. Gegen dieselben standen die andern, die Nationalen der Verstandes­richtung, die mit den Waffen in der Hand sich die alte Freiheit zu erkämp­fen unternahmen. Nach diesen zwei Richtungen gestaltete sich auch in die­ser Periode die Messiaserwartung. Die der Chassidäer oder der Mystik erken­nen wir in dem apokryphischen Buche »Psalter Salomos«, sie wird auch hier durch die Verhimmelung des Messias erkannt. Derselbe heißt hier Rindloser, ein Mächtiger, heiliger Geist, Gesalb­ter, Gottesgelehrter, der Israel von der heidnischen Unreinigkeit befreien, nach Palästina sammeln wird u. a. m. Er ist der Gesegnete, der die Menschen Werke der Gerechtigkeit lehrt, seine Worte sind feuriger als kostbares Gold, seine Reden sind wie die der Heiligen in der Mitte geheiligter Scharen. Wie stechen von dieser Überschwänglichkeit die einfachen, nationalen messianischen Erwartungen der Männer der Verstan­desrichtung ab. In dem Gebete Sche­mone Esre, das den Männern der gro­ßen Synode zugeschrieben wird, aber inhaltlich mit Ausnahme der drei ersten und der drei letzten Benediktionen wohl zum größten Teil dieser Zeit angehört, sind drei Benediktionen, welche die messianischen Erwartungen derselben in würdiger und entsprechender Weise vorbringen. Die Wiedererbauung Jeru­salems, die Aufrichtung des davidischen Thrones, die Sendung des Davididen und die Wiederherstellung des Tempel­gottesdienstes in seiner früheren Herr­lichkeit machen die Wünsche in den­selben aus. Diese drei Gebetsstücke sind unter den Anfangswörtern: a. »Und nach Jerusalem«, b. »Deinen Sprossen Davids«, und c. »Habe Wohl­gefallen« bekannt und lauten nach ih­rer gegenwärtigen Fassung, die aller­dings nicht mehr die ursprüngliche ist, aber doch inhaltlich derselben gleicht, in deutscher Übersetzung: a. »Und nach Jerusalem, deiner Stadt, kehre mit Barmherzigkeit zurück, weile in ihr, wie du verheißen; erbaue sie bald in unsern Tagen, ein ewiges Bauwerk; und den Thron Davids errichte gleich in ihr. Gepriesen seist du Ewiger, Er­bauer Jerusalems! b. »Den Sprossen Davids, deines Dieners bringe bald hervor (lasse bald hervorsprossen), sein Horn erhebe durch dein Heil, denn auf deine Hilfe hoffen wir immerdar. Ge­priesen seist du, Ewiger, du lässest her­vorwachsen das Horn des Heils.« c. »Habe Wohlgefallen, Ewiger, unser Gott, an Israel, deinem Volke und an dessen Gebet. Bringe wieder deinen Dienst in die Halle deines Hauses, und nimm liebevoll und gnädig die Feuer­opfer Israels mit seinem Gebete auf, dass stets dir der Dienst Israels, deines Volkes, wohlgefällig sei. Möchten es unsere Augen schauen, wie du nach Zion in Barmherzigkeit zurückkehrst. Gepriesen seist du, Ewiger, der seine Schechina Zion wiedergibt! « Ebenso einfach, ohne jede wunderliche Über- spannung, treffen wir diese Messiaser­wartung bei dem etwa fünfzig Jahre vor der Zerstörung des Tempels leben­den jüdischen Philosophen Philo in Alexandrien. Er spricht: a. über die verheißene Erlösung; b. über den zu er­wartenden Messias und c. über die messianische Zeit oder das Messiasreich.

a. Über die den Israeliten verhei­ßene Erlösung spricht er am Schluss seiner Erklärung zu 3. M. 26 und 5. M. 28: »Doch wenn sie diese Strafen zu ihrer Besserung aufnehmen, wird Gott ihnen wieder gnädig sein. Sind sie auch bis an die äußersten Enden zer­streut, werden sie, wie auf ein verabre­detes Zeichen, alle an einem Tage be­freit werden. Ihre einmütige Bekehrung zur Tugend wird ihren Gebietern Furcht einjagen; sie werden nicht wa­gen, zu herrschen über die, welche bes­ser sind als sie. Und dann werden die in Griechenland und auf dem Fest­lande und auf den Inseln der Barbaren Zerstreuten sich auf einmal erheben, angeführt von einer mehr göttlichen als menschlichen Erscheinung (im Tal­mud bezeichnet es Elijahu der Prophet, der die zerstreuten Reste Israels sam­melt, siehe weiter, und Teil II. hier), die andern unsichtbar, aber den Geretteten sichtbar wird. So werden sie in das väterliche Land einziehen, die zerstör­ten Städte auf den verwüsteten Gefil­den aufbauen, und die unfruchtbare Erde wieder fruchtbar werden. « (Philo, de Execration S. 936)

b. Vom Messias hören wir ihn auf einer andern Stelle: »Es wird ein Mensch kommen, der als ihr (der Isra­eliten) Herrscher und Feldherr viele und große Völker unterwerfen wird, da Gott den Frommen die verheißenen Hilfstruppen sendet. Dieselben sind: die unerschütterliche Seelenstärke und große Körperkraft, von denen jede den Feinden Furcht einjagt, wo aber beide sich vereinen, kann niemand widerste­hen. So werden die Frommen unblutige Siege erringen, weit und breit die Herr­schaft über die Völker ausdehnen durch Schrecken, Beschämung und Güte.« (Das. S. 935) Gleich der Septu­aginta zu 4. M. 24. 6 lässt auch der Bi­leam weissagen: »Einst wird aus euch ein Mann hervorgehen und über die Völker herrschen; fortschreiten wird seine Herrschaft jeden Tag und sich hoch erheben.« (Philo, de proem. et poen. S. 925)

c. Von der messianischen Zeit. Auch bei Philo ist die messianische Zeit, wie in der Bibel, die des Friedens zwischen den Völkern, des Schwindens jeder tie­rischen Wildheit, des Aufhörens der Leiden und Schmerzen, des wahren Kindersegens u. a. m. (Das. S. 924) Di­ese Verheißungen werden von ihm in verschiedenen poetischen Bildern ähnlich Jesaja 11 geschildert. Resümieren wir diese messianischen Erwartungen nach den beiden Anschauungen, denen der Verstandesrichtung und denen des Mystizismus, so ergeben sich schon jetzt die unterscheidenden Merkmale der einen und der andern. Die Messias­erwartungen der Männer der Verstan­desrichtung sind strengbiblisch, sie be­stehen aus den von den Propheten ausgesprochenen Verheißungen ohne jede Zugabe des Wunderlichen und Abenteuerlichen. Den Messias denken sie sich als einen Menschen mit hoher geistiger Begabung, voll Weisheit und Gottesfurcht, mit Macht und Ansehen ausgerüstet, einen Sprossen davidischer Abkunft. Die Erlösung und Zurück­führung der Zerstreuten geschieht durch Gott und zwar nicht durch Kämpfe und blutige Siege, sondern durch die Waffen des Geistes und der Tugend, der weithin sich ausbreitenden Gotteserkenntnis und der Macht des Rechts. Die messianische Zeit ist die des Friedens und der allgemeinen Got­teserkenntnis und Tugendherrschaft unter den Völkern, wo Jerusalem sei­nen Gottestempel, als Verehrungsstätte für alle Völker, zurück erhalten und der davidische Thron wieder aufge­richtet sein wird. Mit dieser Darstel­lung der Messiaslehre begnügte sich nicht der Mystizismus. Wundertuerei, die Erscheinung von himmlischen Mächten, die mit hineingreifen und mithelfen, schreckliche Kämpfe und blutige Siege mit der Niederlage und Vernichtung der Heiden, ein neues, vom Himmel herab kommendes Jeru­salem mit einem Tempel, die Totenauf­erstehung u. a. m. waren die Bestand­teile ihrer Messiashoffnung. Der Messias tut Wunder, um seine Messia­nität zu bewahrheiten; er war schon vor der Weltschöpfung da und ist mehr göttlicher (aber kein Gott) als mensch­licher Natur. Die Erlösung Israels, die Erbauung des Tempels, die Sammlung der Zerstreuten usw., alles geschieht durch ihn. Indessen gingen die Wogen der Messiaserwartungen immer höher und drängten von der Theorie zur Pra­xis. Die Zeit, seitdem die Römer auf palästinensischen Boden ihren Fuß setzten, gestaltete sich immer trüber und verhängnisvoller für die Unabhän­gigkeit des Volkes und des Landes. Das heldenmütige Königshaus der Hasmo­näer war in kaum sechzig Jahren ver­nichtet. Herodes I. ein Idumäer von Abkunft, hatte sich mit Hilfe Roms des hasmonäischen Thrones bemächtigt und mordete schonungslos die Reste des hasmonäischen Königsgeschlechts hin, von denen nicht einmal seine ei­gene Frau, die schöne Mariamne, mit ihren zwei Söhnen und deren Vater, der greise Hyrkan II. und dessen Frau, die Königin Mutter Salome, verschont blieben. Das Volk hatte nicht mehr seine Freiheit, der Staat nicht mehr seine Selbstständigkeit, das Synhedrion und die Volksoberhäupter, die Geset­zeslehrer und die Richter, die Religion, das Gesetz, das Heiligtum, die Hohepriester — waren der Spielball dieses Idumäers; sie mussten sich seiner Macht fügen. Der Wille Roms, ver­schärft durch die Tyrannei seiner Or­gane, der in Palästina herrschenden Scheinkönige und Stadthalter, drückte das Volk bis zur verzweiflungsvollen Gegenwehr. Es häuften sich die Auf­stände, die bald zu einem Kriege gegen die Herrschaft Roms und seiner Tyran­nen in Palästina heranwuchsen. »Kei­ner menschlichen Macht, sondern Gott allein gebührt die Herrschaft! Kein Mensch, sondern Gott soll über den Gottesstaat, Palästina, König sein!« war der begeisternde mächtige Ruf, der die Tausende und Tausende von ihrem friedlichen häuslichen Herd zu den Waffen rief, war das große Feldgeschrei der heldenmütigen jüdischen Freischa­ren, die den durch Rom in Palästina aufgerichteten Thron der Idumäer um­stürzten und der Fremdherrschaft da­selbst ihr Garaus machen sollten. Alles war in höchster Spannung und Aufre­gung ob des Kommenden, alle glaub- ten dem Anbruch der verheißenen mes­sianischen Zeit nahe zu sein. Wie teilten sich die Parteien in diesen Erwartungen? Wie verhielten sich die Chassidäer, Pha­risäer und Sadducäer zu dieser messia­nischen Volkserhebung, die Erfüllung der messianischen Hoffnung selbst her­beizuschaffen; an die Errichtung eines Messiasreiches, Gottes- oder Himmels-reiches, selbst Hand anzulegen? Wir wissen von den Chassidäern, dass sie sich in zwei Gruppen teilten, von denen die eine zu den Pharisäern sich zählten und deren äußerste Spitze bil­dete, aber die andere von ihnen ge­trennt, den Bund der Essäer ausmach­ten. Eine solche Teilung der Chassidäer kennt auch der Talmud und bezeichnet sie durch: »Die Chassidim und die Männer der Tat«, von denen erstere die Chassidäer unter den Pharisäern und letztere die Essäer sind. Die Messi­aserwartung der Essäer haben wir in den apokrypischen Büchern, im Buche Henoch, dem vierten Esrabuch und in dem Psalter Salomonis kennen gelernt (s. oben), sie wurden von den Pharisä­ern als nicht mit den Lehren des Juden­tums vereinbar gehalten und ausgewie­sen, d. h. für apokryp oder nach dem späteren Ausdruck für »minäisch«, »sektiererisch« erklärt. Dagegen ka­men die messianischen Erwartungen der Chassidäer unter den Pharisäern, wie wir sie oben, besonders in dem Bruchstücke des Targum Jonathan, kennen gelernt haben in Aufnahme und regte das Volk auf. Die Messias­hoffnungen der Saduccäer und der Männer der Verstandesrichtung, zu de­nen wir die Gesetzesgerechten, die Hel­lenisten in Palästina und die Alexand­riner in Ägypten (s. oben) zählen, unterschieden sich wenig voneinander. Wir haben auch diese schon oben cha­rakterisiert. In der Zeit der oben ange­gebenen messianischen Bewegungen, die unter der Regierung Herodes I. be­gannen, waren es erst die Essäer oder die Chassidäer außerhalb der Pharisäer, die tätig eingriffen und zwei Mes­siasse aussandten, von denen der eine Johannes der Täufer und der andere Jesus von Nazareth oder Nazara war. Wie die Essäer sich von den weltlichen politischen Kämpfen und Bewegungen fern hielten und ihre einzige Arbeit dem Aufbau der religiös-sittlichen Welt, der Ausübung von Werken der Frömmigkeit und Brüderlichkeit, ge­widmet war, um so das Himmelreich herbeizuführen, so waren auch ihre Messiasse keine Kämpfer für politische und weltliche Unabhängigkeit, keine Empörer gegen die römische Oberherr­schaft in Palästina, keine Wiederher­steller des jüdischen Reiches in seiner nationalen Freiheit und Unabhängig­keit, sondern wollten nur die Begrün­der eines Himmelreiches sein, das nichts mit dem weltlichen Reiche, nichts mit der weltlichen Herrschaft gemein hat. »Mein Reich ist nicht von dieser Welt! « war ihr Losungswort. So hat ersterer mit dem Rufe zur Buße das Volk an den Jordan geführt, um da die für das Himmelreich Gewonnenen nach jüdischem Gesetz und Brauch das Reinigungsbad als Bild der religiös—sittlichen Reinigung und Erneuerung nehmen zu lassen. Den Zweiten kennt die Geschichte; er hat sich als den ver­heißenen »Messias«, den »Sohn Got­tes«, den Erlöser von der Sünde, den Vernichter des Satans, den Begründer eines Himmelreiches ausgegeben und so das Christentum begründet. Seine Lehren wurzeln in dem aus dem Judentume gewiesenen Mystizismus, er ist ganz dessen Jünger, der zur Verwirkli­chung dessen messianischer Lehre sich berufen fühlte. Im schneidenden Ge­gensatz hierzu sehen wir die Tätigkeit der Messiasse aus der Mitte der phari­säischen Chassidäer. Die Wiederher­stellung eines jüdischen weltlichen Rei­ches, die Wiedergewinnung Israels staatlicher Freiheit und Unabhängig­keit, die Erlösung der im Exile zerstreu­ten jüdischen Volksreste und die Her­beiführung der Zeit wahrer und allgemeiner Gotteserkenntnis und Got­tesverehrung, wo Gott als König von allen anerkannt und verehrt wird — , bilden die Ideale, die sie begeisterten und für deren Verwirklichung sie er­glüht waren. Unter dem Namen »Ka­naim«, Eiferer, standen sie, gleich den Hasmonäern früherer Zeit, als Frei­heitshelden an der Spitze der Aufstän­dischen, voll der Überzeugung, dass die Erfüllung der Messiaserwartung nahe sei. So kennt die Geschichte den Juda Gaulanitis oder Juda Galiläer, den Stifter des Bundes der Kanaim; er ist der Sohn des durch Herodes hingerich­teten Ezekias, der gegen die heidnischen Bewohner Palästinas und der Umge­gend vernichtende Guerillakriege un­ternahm; ferner einen Tholomai, der Idumäa verwüstete; einen Elasar ben Dinai und einen Alexander, welcher die Römerlinge brandschatzte; später einen Elasar ben Jair, einen Menachem u. a. m. Von einem Theudas wird er­zählt, dass er mit seinen 400 Anhängern in die Wüste zog, um gleich Mo­ses Offenbarungen zu empfangen. Er versprach dem Volke als Beweis seiner Messianität den Jordan zu spalten, aber hatte das Unglück, von Fadus, dem römischen Statthalter, auf diesem Zuge verfolgt und (46 n.) getötet zu werden. Ein anderer, der als Messias anerkannt sein wollte, war ein Simon aus Zypern, vielleicht der Simon Ma­gus, der sich ebenfalls als Messias aus­gab. Von einem Dritten, einem ägypti­schen Juden, wird erzählt, dass er 3 000 Gläubige hatte, die er zum Ölberge be­rief und ihnen versprach, mit dem Hauche seines Mundes die Mauern Je­rusalems einstürzen zu lassen und die Römer zu besiegen. Noch zur Zeit des Sturmes der Römer auf den Tempel versammelte ein Prophet, Messias, 6 000 Menschen in der äußersten Tem­pelhalle und gab vor, dass in dieser Zeit die Zeichen des messianischen Reiches sichtbar werden. Fragen wir, aus welcher der beiden oben genann­ten Richtungen die Kanaim mit ihren Messiassen hervorgingen. Waren es die messianischen Erwartungen der Verstandesrichtung oder die des Mysti­zismus, die sie zu solchen Taten anfeu­erten? Der jüdische Geschichtsschrei­ber Josephus, der selbst an dem Kampfe beteiligt war, erzählt von Judas Theu­das, dass er die Lehre der Pharisäer praktisch durchzuführen beabsichtigte. Auf einer anderen Stelle berichtet er, dass von den Zeloten falsche Prophe­ten ausgesandt wurden, die das Volk beredeten, auf die Hilfe Gottes zu bauen und in den Leiden des Kampfes auszuharren. Vergleicht man hiermit eine dritte Stelle in Josephus, in der er sagt, dass das Danielbuch das Lieb­lingsbuch seiner Zeit gewesen, und bezieht hierher die Angabe von den Wunderwerken dieser Messiasse, so unterliegt es keinem Zweifel, dass die Zeloten mit ihren Messiassen dem Mystizismus angehörten, da die Ver­standesrichtung ihren Messias durch keine Wunder bewahrheitet wissen wollte. Dass diese Kämpfe gegen Rom in den überspannten messianischen Er­wartungen des Mystizismus, wie wir sie oben kennen gelernt haben, ihren Hintergrund hatten, erkennen wir auch aus den Berichten nichtjüdischer Quel­len. So erzählt Tacitus hist. 5. 13: »Den meisten wohnte die Überzeugung bei, in den alten Schriften der Priester stehe, zu derselben Zeit werde geschehen, dass der Orient aufblühen und von Judäa die Weltherrschaft ausgehen werde.« Sueton Vesp. IV. berichtet: »Im ganzen Orient hatte ein alter und fester Glaube allgemeine Verbreitung gewonnen, dass nach einem Schicksals­schlusse um diese Zeit Leute, die von Judäa ihren Ausgang nehmen, sich der Weltherrschaft bemächtigen werde.« Wie sich Josephus selbst zu diesen Weissagungen und zu den Messiaser­wartungen verhielt; er, der selbst erst die Waffen gegen Rom führte? Die Be­antwortung dieser Frage ist keine leichte, da er Römer zu lesen hatte und in seinen Äußerungen als Günstling Vespasians und Titus sehr behutsam sein musste, um nicht als jüdischer Pa­triot zu erscheinen. Seine zweideutige Stellung, aus der er nie herauskam, spiegelt sich daher auch hier ab, und wir sind darauf angewiesen, mehr hin­ter den Zeilen als in den Zeilen zu le­sen, seine Messiaserwartungen nicht nach dem, was er geschrieben, sondern nach dem, was er absichtlich ver­schwiegen hatte, zu messen. Josephus deutet die messianischen Weissagungen auf Vespasian. Dass er nicht bei dieser Deutung geblieben und in ruhigern Stunden dieselbe gar sehr bereut hatte und sicherlich von derselben abgegan­gen war, ersehen wir aus den Äuße­rungen an mehreren Stellen, wo er in seinen Schriften auf messianische Bi­belstellen stößt. So fügt er der Verhei­ßung Bileams (4. B. M. 24, 16.17) hinzu: »Das jüdische Volk, dem be­stimmt sei, über die ganze Erde sich auszubreiten, werde auch Sieg und Macht erwerben, auch gegen die, wel­che gewöhnt waren, siegreich heimzu­kehren. « Deutlicher ruft er, nicht ohne schmerzlicher innerer Erregtheit: » Viel­leicht magst du einst wieder zu Ehren kommen, wenn du (Jerusalem) Gott, der dich vernichtet hat, versöhnt hast!. Doch bald fügt er hinzu, wohl aus Furcht vor den Römern: »Mir kommt es nicht zu, die Heimat zu betrauern, sondern die Ereignisse zu erzählen.. Wie sehr er dennoch den Messiaser­wartungen anhing, erkennen wir ferner aus der lobenden Hervorhebung des Buches Daniel. Er sagt: »Diese Schrift verheißt nicht bloß, wie andere Pro­pheten, eine Zukunft, sondern gibt auch genau die Zeit an, wenn ihre Verkündigungen eintreffen werden. So erlangte sie beim Volke Glauben und göttliche Verehrung in gleichem Maße.« (Das. Anstt. 10. 10. 7.) Ein weiteres Eingehen auf dieses Thema lehnt er in Bezug auf seine Lage sehr vorsichtig ab. »Er sei«, sagt er, »ein Geschichtsschreiber des Vergangenen, aber nicht des Zukünftigen.« (Das. 10. 10. 4.) Wir erkennen in Josephus den Anhänger der messianischen Erwar­tungen, wie sie von den Männern der Verstandesrichtung ausgingen; dage­gen ist er ein entschiedener Gegner der­jenigen des Mystizismus. Er, wie viele seiner Zeitgenossen, die einen R. Jocha­nan ben Sakai zu den ihrigen zählten, verwarfen, als Gegner des Mystizis­mus, aus dem die Kanaim hervorge­gangen waren, jedes Mittel, um selbst und gewaltsam den Messianismus her­beizuführen. Josephus mit den anderen Männern dieser Richtung bildeten da­her die Friedenspartei, die den Kampf mit Rom mieden und Gott die Erfül­lung der messianischen Verheißungen überlassen zu müssen glaubten. Jerusa­lem fiel und wurde mit seinem Tempel von den Römern zerstört (70 n.), aber mit dieser Zerstörung waren die messi­anischen Erwartungen in ihren beiden Gestalten und nach ihrer praktischen Bedeutung noch nicht vernichtet. Ägypten, besonders Alexandrien, Heli­opolis und die verschiedenen von Ju­den stark bewohnten Inseln des mittel­ländischen Meeres: Cypern, Ceylon u. a. m., wohin sich die Aufständischen aus Palästina geflüchtet hatten, wurden jetzt die Stätten, wo die messianischen Aufstände gegen Rom neu aufloderten. Es waren die Flammen aus dem Brande Jerusalems, die verheerend durch die fliehenden Zelotenführer, diese angeb­lichen Messiasse, jetzt in die wichtigs­ten Plätze der römischen Herrschaft in Asien und Afrika hineingeschleudert wurden und sie zur Wüste machen sollten. Stellten sich diese Aufstände als traurige Nachspiele von Jerusalems Fall heraus, die überall missglückten, Unglück und Verwüstung hinter sich zurückließen, so war es doch der Lö­wenmut derselben, wie einer gegen Tausende kämpfte, der lange dem Volke in unerlöschbarer Erinnerung zurückblieb. Kaum fünfzig Jahre spä­ter brach der Kampf gegen Rom auf palästinensischem Boden wieder aus. Die Erinnerung an die Löwenkämpfe der Kanaim hat schon bei der dritten Generation neue Kämpfer, nicht un­ähnlich ihren Vorgängern, den Kanaim, erweckt, die sich noch einmal mit Rom messen und Israels Freiheit und Unab­hängigkeit mit dem Schwerte in der Hand erkämpfen wollten. Es war der große Aufstand unter Barkochbas An­führung. Die einzige Partei, die keinen Messias aus ihrer Mitte aussandte und die streng gegen das Auftreten der Messiasse war, ihr Tun stark kontrol­lierte und sie von der Nichtigkeit ihres Vorhabens abzubringen suchte, bilde­ten die Männer der strengen Gesetz­lichkeit, die Gesetzes- und Volkslehrer der Verstandesrichtung, in Verbindung mit den Sadducäern und Hellenisten. Wir erkennen sie in dem jüdischen Krieg gegen Vespasian und Titus als die Friedenspartei, die alle Gewaltmit­tel zur Herbeiführung messianischer Zustände entschieden verwarf und Gott allein dieselbe überlassen zu müs­sen lehrte. Von der Tätigkeit des R. Jochanan ben Sakai wissen wir, dass er die Schriftdeutungen der messianischen Sekten als mit denen des Judentums unvereinbar hielt und letzteres vor demselben geschützt wissen wollte. Weiter arbeiteten in diesem Sinne seine Jünger R. Elieser und R. Josua. Von ersterem kennen wir den Ausspruch: »Wenn Israel Buße tut, wird es erlöst werden, aber wenn diese fehlt, wird es nicht erlöst werden.« Letzterer dämpfte die Messiaserwartungen noch mehr, er lehrt: »Die Erlösung ist von der Gnade Gottes und der Zeitfülle abhängig.« (Jeruschalmi Taanith Absch. 1; Midr. Rabba 5. M. Absch. 2; Sanhedrin 97b) In einem andern Ausspruch legte R. Jo­sua Verwahrung gegen den Mystizis­mus, der für die Messiaszeit und das Messiasreich eine neue Thora verheißt (1. oben Teil IV.) ein, wo er sagt: »Eli­jahu, der Prophet kommt weder Ver­bote zu erlassen, noch Erlaubnis zu er­teilen, nicht >rein< oder >unrein< zu erklären, sondern die gewaltsam Ent­fernten wieder zuzuführen und die ge­waltsam Zugeführten auszuscheiden. « (Edajoth am Ende. Vergl.) Bei einer andern Gelegenheit verwies er die Nasi­räer, die in Erinnerung der Zerstörung Jerusalems sich des Fleischgenusses entsagten und keinen Wein trinken mochten, dass dafür Erinnerungszei­chen genügen und man sich keine solch schweren Entsagungen aufzulegen nö­tig habe. Um dem Treiben der Targu-misten, die in ihren Übersetzungen der beim Gottesdienste vorgelesenen Bibel­stücke die messianischen Stellen belie­big paraphrasierten und dem Volke übertriebene Messiashoffnungen bei­brachten, ein Ende zu machen, ließen sie neue Bibelübersetzungen anfertigen, die sich streng an den Text hielten und demselben nichts hinzufügen durften. Der Bericht eines Spätem lautet darü­ber: Der Prophetentargum stammt von Jonathan ben Usiel her, der ihn nach den Traditionen der letzten Propheten anfertigte. Es erzitterte Palästina, es brachen die messianischen Unruhen aus (wörtlich: Palästina erbebte in sei­ner ganzen Ausdehnung 400 Parsa). Da erscholl ein Bathkol und rief: »Wer hat solch Geheimnis meinen Kindern offenbart! « Jonathan ben Usiel erhob sich und rief: »Ich tat es, damit die Par­teien mit ihren Streitigkeiten in Israel sich nicht mehren.« Er wollte darauf noch die Kethubim übersetzen, da rief es ihm zu: »Genug!« »Weil«, wird hin­zugefügt, »darin das Ende, die Zeit der Ankunft des Messias angegeben ist. « (Megilla 3a) Eine weitere Dämpfung der Messiashoffnung durch R. Elieser erkennen wir in seiner Angabe, welche die Dauer der Messiaszeit, des Messi­asreiches, von dem man sich so vieles versprach, nur auf vierzig Jahre be­stimmte. (Sanhedrin 98b. Seine Angabe ist die kleinste.) Ein dritter Lehrer, der sich dieser Richtung anschloss, war der Römerfreund R. Jose ben Kisma, der auf die Frage über die Zeit der Messia­sankunft antwortete: »Bis dieses Tor (Rom) einstürzt, erbaut wird, aber wie­der einstürzt, sodass bei seinem noch­maligen Wiederaufbau der Messias eintreffen werde! « womit er dem Volk von jeder politischen messianischen Bewegung gegen Rom abriet. (Sanhed­rin 98a) Ein vierter Lehrer gleicher Richtung in dieser Zeit war R. Jocha­nan ben Torta, der R. Akiba bei seiner feierlichen Anerkennung des Messias — Barkochba zurief: »Akiba, Gras wird aus deinen Kinnbacken wachsen, und der Messias wird noch nicht gekom­men sein! « (Midr. Rabba zu Klgld. 2. 2; Sanhedrin 97) Nicht so dachten die Mystiker dieser Zeit, zu denen wir rechnen: Pappus, R. Akiba, Ben Soma, Ben Asai u. a. m. Von Ben Soma ist der Ausspruch, dass man in den Messiasta­gen nicht mehr an den Pessachabenden von dem Auszug Israels aus Ägypten erzählen wird, denn es heißt: »Siehe, es kommen Tage, wo man nicht mehr sprechen wird: So wahr der Ewige lebt, der herausgeführt und gebracht die Nachkommen des Hauses Israels aus dem Lande des Nordens und den Län­dern, wohin ich sie verstoßen habe.« (Jerem. 23) R. Akiba war von seinen Messiaserwartungen so erfüllt, dass er den Schmerz seiner Zeitgenossen über das zerstörte Jerusalem und den nie­dergebrannten Tempel gar nicht verste­hen konnte und ihnen, als sie mit ihm vor den Ruinen derselben vorüberzo­gen, erwartungsvoll und freudig zurief: »Hat Gott die Prophetenverheißungen zum Bösen erfüllt, wird er die des Gu­ten, der Wiedererbauung und Wieder­aufrichtung, doch sicherlich bald in Erfüllung gehen lassen! « Ein anderes Mal, als sie mit ihm auf einer Reise nach Rom nahe bei dieser Weltstadt von dem Lärm und dem geschäftigen Treiben in derselben überrascht und in Erinnerung an das zerstörte Jerusalem bis zu Tränen gerührt wurden, rief er ihnen ebenfalls zu: »Wenn es also de­nen ergeht, die Gott erzürnen, wie de­nen, die seinen Willen erfüllen! « (Mac­coth am Ende). Er blieb bei dergleichen Reden und Trostlehren nicht stehen, sondern machte sich daran, aus der Theorie zur Praxis überzugehen. Er er­kennt Barkochba, der sich an die Spitze des neuen gegen Rom ausgebrochenen Aufstandes gestellt hatte, öffentlich und feierlich als Messias an und sah in ihm die Erfüllung: »Es tritt ein Stern aus Jakob, und es steht ein Stamm von Israel auf, der zerschmettert die Häup­ter Moabs und zertrümmert die Söhne Seths« ; (4. M. 24. 17; Jeruschalmi Taanith IV. 7) »Nur ein Geringes, ich er­schüttere Himmel und Erde, stürze den Thron der Reichen und vertilge die Macht der Heiden.« (Haggai 2. 20; Sanhedrin 97b) Diese Messiasanerken­nung war ihm so wichtig und eilig, dass er auf die Rückkehr der zehn Stämme, die nun eintreten und ein Zeugnis der Wahrhaftigkeit des Messi­astums Barkochbas sein sollten, ver­zichtete und gegen die Lehre seines Zeitgenossen R. Elieser erklärte: »Die zehn Stämme werden nicht zurückkeh­ren.« (Sanhedrin 110b) Eine Abspan­nung trat nach der blutigen Niederlage des barkochbaischen Aufstandes ein. Dieser Zeit gehören jene im Teil IV die­ses Artikels zitierten Aussprüche an, in denen von einer Erlösung durch Men­schen abgesehen und Gott allein die­selbe anheim gestellt wird. Es treten jene traurigen Jahre der hadrianischen Verfolgungsedikte ein (vom Jahre 135 bis 138 n.). Von den Lehrern der nach­barkochbaischen Zeit bis auf R. Juda I. sind nur wenig messianische Lehren bekannt, dieses Thema trat einstweilen in den Hintergrund. Man hatte zuviel mit den zerrütteten Zeitverhältnissen zu tun, und die Lösung verwickelter praktischer Fragen nahm die ganze Kraft der Volkslehrer in Anspruch. Von denselben nennen wir: R. Juda, R. Mair, R. Jose, R. Elieser Sohn des R. Jose Haglili, R. Nechemia, R. Simon ben Jochai, R. Elieser ben Jakob, R. Jo-san Sohn Korcha, R. Simon ben Gam­liel, R. Nehorai u. a. m. Es waren unter diesen nur wenige, die in ihren Volks­vorträgen die Messiaslehren berührten. R. Elieser, Sohn des R. Jose Haglili, hatte allein noch den Mut dem Volke zuzurufen: »Die Stimme meines Lie­ben, sie kommt (Hohld. 2. 8), das ist der König Messias!« (Midr. Rabba zum Hohld. 8) Ein anderer, R. Jose wagt mit Ankündigung an die trau­rigen Verhältnisse seiner Zeit das Thema kaum zu berühren: »In Ruinen Jerusalems«, lehrte er, hörte ich eine klagende Stimme: »Wehe den Kindern, in deren Sünden ich mein Haus zer­stört, meinen Tempel niedergebrannt und sie unter die Völker vertrieben habe! Wehe dem Vater, der seine Kin­der vertrieben hat, wehe den Kindern, die vom Tische ihres Vaters verwiesen sind! « (Berachoth 3) In einem andern Ausspruch kommt er auf die Schilde­rung der Messiaskriege gegen Gog Ma­gog, einen Gegenstand, der bisher noch nicht zur Besprechung gekommen (Aboda sara 3b), und macht die Lehre des Mystizismus, dass die Heiden das jüdische Gesetz zur Zeit des Messias annehmen werden, lächerlich. »In der Zukunft«, lehrte er, »werden die Völ­ker kommen, um sich ins Judentum aufnehmen zu lassen. Sie werden Philakterien an Kopf und Hand anle­gen, Schaufäden an ihren Gewändern tragen, Mesusoth an ihren Türpfosten befestigen u. a. m. Da zieht Gog Ma­gog gegen Gott und seinen Messias, sofort schließen sie sich demselben an, jeder wirft das Gesetz von sich und alle sprechen: »Lasset uns zerreißen seine Fesseln, von uns werfen seine Bande, aber Gott im Himmel lacht, der Herr spottet ihrer!« (Aboda sara 3 b) Ebenso protestiert er gegen die Lehre der Mys­tik, dass die Erlösung durch den Mes­sias die Erlösung von der Erbsünde bringen wird: »Israel empfing die Thora am Sinai, damit der Todesengel keine Herrschaft über dasselbe habe.« (Aboda sara 5) Ein Dritter, R. Jehuda, geht schon weiter; er betrachtet die Zerrüttungen und Verwüstungen sei­ner Zeit als Vorboten des Messias. »Die Erlösung ist«, lehrte er, »wenn das Bethaus zum Aufenthalt der Lust­dirnen geworden, Galiläa zerstört, Gaulan verödet sind, die Lehrer Gali­läas von Stadt zu Stadt wandern ohne Erbarmen zu finden, auch die Weisheit der Gelehrten Widerwillen erregt, die Gottesfurcht verachtet wird u. a. m.« (Sanhedrin 98a) Eine andere Wendung nimmt die Messiaslehre in den Agada­vorträgen des R. Jose ben Halephta, der, gleich den Lehren der vormak­kabäischen Zeit, die innere Selbster­lösung, die Buße, als Bedingung der äußeren Erlösung aufstellt. Mit An­knüpfung an 5. M. 7, 12. »Und der Ewige, dein Gott wird dir bewahren den Bund und die Liebe., lehrte er: »Ein König vermählte sich mit einer Matrone, die ihm als Unterpfand ihrer Liebe und Treue zwei Geschenke mit­brachte und dafür als Gegengeschenk ebenfalls zwei Kleinodien erhielt. Da traf es sich, dass sie ihre zwei Unterpfänder verlor, worauf der König auch die seinigen wieder zurücknahm. Nach längerer Zeit jedoch besserte sie sich und brachte ihrem Gemahl ihre zwei Unterpfänder zurück, denen auch der König die seinigen wieder zustellte mit dem Rufe: Aus beiden lassen wir eine Krone für die Königin anfertigen!« »So hat Abraham«, schließt der Vortrag, »Israel, seinem Nachkommen, zwei Kleinodien hinterlassen: die Übung des Rechts und die der Wohltätigkeit (1. M. 18, 19), zu denen auch Gott zwei andere, die Liebe und das Erbarmen, verhieß (5. M. 7, 12). Aber Israel ver­lor die ersteren (Amos 6, 12), daher entzog ihm Gott die zwei letztem (Jere­mia 16, 5). Doch, so es sich bessert und seine zwei verlorenen Kleinodien wie­der findet (Jesaja 1, 16), wird es auch von Gott die zwei ihm entzogenen zu­rückerhalten«, denn also heißt es: »Denn siehe, sollten auch die Berge weichen, die Hügel wanken, meine Liebe weicht nicht von Dir, der Bund meines Friedens wird nicht zerstört, so spricht dein Erbarmer der Ewige.. (Jesaja 54) Aus beiden, ruft Gott, lasset uns eine Krone machen und sie auf Is­raels Haupt setzen nach der Verhei­ßung: »Ich verbinde mich mit dir ewig; ich verbinde mich mit dir in Recht und Gerechtigkeit, in Liebe und Erbarmen; ich verbinde mich mit dir im Glauben und du erkennst den Ewigen.« (Hosea 2; Midr. Rabba 5. M. Absch. 3) Einen lebhafteren Aufschwung nahm die Messiaslehre von der letzten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. ab unter dem Patriarchat R. Juda I.. Von ihm selbst ist der Ausspruch über Barkochba als den vermeinten Messias: »Nennt ihn nicht >Barkochba — Sternensohn<, ein Name der ihn als Messias bezeichnet, sondern >Barkosiba — Lügensohn!<« Es war ein Geständnis der Verirrung, der sich R. Akiba (siehe oben) hingegeben. (Midr. Rabba zu Klgld. 1) Das Aufhö­ren des letzten Restes der Hadria­nischen Verfolgungsedikte und die all­mählich sich bessernden Verhältnisse der Juden in Palästina haben die Volks­lehrer mit neuem Mut beseelt, die in den kleinen Anfängen den allmählichen Anbruch des Erlösungsmorgens sahen. So befand sich ein Lehrer dieser Zeit, R. Chia, mit seinen Söhnen an einem Morgen auf der Ebene von Arbel als die Morgenröte hervorbrach. »Sehet«, sprach er, »so ist die Erlösung Israels; erst gering und wenig, wie diese Mor­genstrahlen erst klein sind und allmäh­lich sich da und dort ausbreiten, bis sie ganz da sein wird!« (Jeruschalmi Bera­choth Absch. I; halacha I) Wieder regte sich der Mystizismus, die Män­ner der Mystik beschäftigten sich mit der Berechnung der Zeit der Ankunft des Messias, trugen ungescheut die Re­sultate derselben in ihren öffentlichen Volksvorträgen vor und suchten das Volk aufzuregen. Da rafften sich die Lehrer der Verstandesrichtung gegen dieses Gebaren noch zur rechten Zeit auf. Wir nennen von denselben R. Jo­nathan, der einen Fluch gegen die Berechner der Erlösungszeit aussprach. (Sanhedrin 97b) Neue Angaben in der Messiaslehre bringen die Lehrer des dritten Jahrhunderts n., es sind die von einem Messias Sohn Joseph, der der Ankunft des Messias Sohn David vo­rausgehen soll, und von den Leiden des Messias, die hier zum Unterschied vom Christentum nicht auf den Messias, Sohn David, sondern auf den Messias Sohn Joseph bezogen werden. Die Leh­rer, die diese neuen Angaben vortragen, sind: Barkappara [Sabbath 118a], R. Dosa [Sukka 52a], die Rabbanan [Sukka 52a], u. a. m.. Eine dritte neue Angabe in der Messiaslehre dieser Zeit ist die von der Präexistenz des Messias, die in mehreren Boraithas zu den Ge­genständen gerechnet werden, die vor der Weltschöpfung geschaffen wurden. (Siehe oben Pesachim 57) Der Lehrer R. Simon ben Lakisch hat darüber den Ausspruch: »Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser,« (1. M. 1. 2) d.i. der Geist des Messias!« (Midr. Rabba 1. M. Absch. 2) Hierher gehört auch die Annahme von der Verborgen­heit des Messias, der der Sünde Israels wegen an verborgener Stelle sich auf­halten muss und des Augenblickes un­geduldig wartet, wo er erscheinen kann. Andere Lehrer erschöpfen sich in der Schilderung der glücklichen Tage und der Fülle allen Überflusses in der Messiaszeit und des Messiasreiches. Indem wir ausführlich diese Darstel­lung der glücklichen Messiaszeit in dem Artikel »Messiaszeit« und »Messiasreich« geben, bemerken wir hier, dass sämtliche neue Angaben von den Mystikern herrühren und der Mystizis­mus deren Quelle ist, die von den Leh­rern der Verstandesrichtung entschie­den bekämpft und aus dem Judentume gewiesen werden. Samuel tut gegen den Mystizismus den Ausspruch: »Zwischen dieser Welt und den Tagen des Messias macht nur die Dienstbar­keit des Exils, die Unterwürfigkeit un­ter den verschiedenen Regierungen den Unterschied aus.« (Sabbath 151) Ein anderer Lehrer, R. Elasar, beschränkt die ganze Dauer dieser glücklichen Messiaszeit auf nur vierzig Jahre. (San­hedrin 99a) Endlich ging ein Lehrer des vierten Jahrhunderts n., namens Hillel, so weit, dass er dem Mystizis­mus gegenüber die Behauptung auf­stellte: »Für Israel gibt es keinen Mes­sias mehr, denn man hatte ihn längst in den Tagen Hiskias«, oder wörtlich: »Sie haben ihn in den Tagen Hiskias genossen.« (Sanhedrin 98b, 99a. Ob Hillel unter »Chiskia« nicht an den »Ezekias«, das Stammoberhaupt der Zeloten in dem jüdischen römischen Kriegen vor und zur Zeit der Zerstö­rung Jerusalems durch Titus dachte, bedarf einer Erörterung.) Er hat damit der Mystik gleichsam den Boden ihrer weitgehenden Messiaslehre entzogen, und mancher spätem Verirrung auf diesem Gebiete wäre dadurch vorge­beugt worden; die falschen Messiasse, welche die kabbalistischen Auswüchse großgezogen als z. B. Sabbatai Zevi u. a. m., existierten nicht, hätten Tau­sende im Judentum nicht zum Abfall geführt. Aber die Lehre Hillels hatte große Anfechtung zu erdulden. Man erklärte sich gegen sie und die Messias-lehre feierte ihre schönsten Triumphe. Rab Joseph, ein Lehrer dieser Zeit, rief als er von diesem Ausspruch hörte: »Der Herr verzeihe es dem Hillel. Der König Hiskia lebte zur Zeit des ersten Tempels und der Prophet Sacharia pro­phezeite beim zweiten Tempel von dem Messias: Frohlocke sehr, Tochter Zi­ons; jauchze auf, Tochter Jerusalems, siehe, dein König kommt, ein Gerechter und Helfer!« (Sacharia 3; Sanhedrin 99a) Ein zweiter Lehrer, R. Gidal, zi­tiert einen Ausspruch von Rabh als Ge­generklärung: »Die Israeliten werden die Tage des Messias noch genießen«, d. h. die Messiaszeit ist noch nicht vor­über, sie steht ihnen noch bevor. (San­hedrin 98b) Auch Rab Juda, ein dritter Lehrer dieser Zeit, beruft sich auf ei­nen andern ähnlichen Ausspruch von Rabh: »Gott wird den Israeliten einen andern David erstehen lassen«, denn es heißt: »Und sie dienen dem Ewigen ih­rem Gott und David ihrem Könige, den ich ihnen einsetzen werde.« (Jeremia 30 Sanhedrin 98b) Andere Lehrer aus dem dritten und vierten Jahrhundert n. ergehen sich in Schilderungen der dem Messias vorausgehenden Leiden und Verfolgungen, so dass ihnen oft der Seufzer entfährt: »Mag er kommen, aber ich möchte ihn nicht sehen! « (Das. als Ausruf von R. Jochanan, Ulla und Rabbah) Weiter beschäftigt sich die Mystik mit Aussuchen von neuen Na­men für den Messias, die zugleich seine Würde, Eigenschaften und Präexistenz, bezeichnen sollen; ebenso vieles über die Ankunftszeit des Messias, das Mes­siasreich, Aussprüche und Lehren.