Metatron - Mitatrou
Posted 6 yrs ago
Erzengel in der talmudischen Literatur, erster der vier Engel, welche als Lehrer, Meister der Weisheit, bezeichnet werden.
I. Name und Bedeutung. Der Name »Metatron« ist nicht hebräisch, stammt auch nicht aus dem dem Hebräischen verwandten chaldäischen oder aramäischen Dialekt, sondern gehört dem Fremdsprachlichen im talmudischen Schrifttum an. Wo ist seine Heimat? Von den Gelehrten werden nicht weniger als drei Sprachen angegeben, nach denen unser »Metatron« bald dieser, bald jener angehören soll. Der Aruch, Elia Levita, Buxtorf, Sachs, Cassel halten es für das lateinische »metator«, »Abgrenzer«, das gleichsam »Quartiermeister« bedeuten soll. Andre erkennen in »Metatron« eine Zusammensetzung der griechischen Wörter »Hinter-«, oder »Nach dem Gottesthron«, als »Gottnächster« oder von »Mitbesitzer des Thrones«, da auch die als Engel gedachte Weisheit als Mitteilhaberin des Gottesthrones gezeichnet wird, oder von »Nach dem Herrscher«, Stellvertreter, gleichsam Mitherrscher. Endlich wollen Neuere ihn mit dem persischen Mithra = Mithron, dem Namen des Gottes als Mittler zwischen dem Gotte des Lichtes und dem Gotte der Finsternis, zusammen bringen. Wir schließen uns aus verschiedenen Gründen der ersten Ansicht an. Metatron ist das lateinische Metator, Abgrenzer, Vorbestimmer. So wird von Metatron erzählt, er habe Moses Palästina gezeigt, sei dem Volke Israel in der Wüste voran gezogen, dem Moses die göttliche Offenbarungsstimme gewesen u. a. m. Auch von der als Engel gedachten Weisheit wird ausgesagt, dass sie in der Arche dem Noach geholfen, den fliehenden Jakob geleitet, Israel durchs Meer geführt und in der Wüste dessen Leiter gewesen. Es wird dem Metatron dasselbe zugeschrieben, was als Beruf des Propheten Elia in der Zukunft bezeichnet wird; daher die Kabbalisten beide für identisch halten.
II. Wesen, Aufgabe und Bestimmung. In der Darstellung des Wesens, der Aufgabe und der Bestimmung des »Metatron« haben wir die talmudische Zeit von der nachtalmudischen zu unterscheiden und die Verschiedenheit der Auffassung in denselben stark zu betonen. Um Gott in seiner höchsten Wesenheit und Geistigkeit nicht in unmittelbare Berührung mit der Welt treten zu lassen, hat die jüdische Theosophie Alexandriens ein Mittelwesen ausfindig gemacht, das als der eigentliche Weltschöpfer, Gesetzesoffenbarer an Moses und Weltleiter aufgestellt wird. Es sind dies die »Weisheit« oder der »Logos«, das göttliche Wort, beide kommen zwar schon in der Bibel als Schöpfer der Welt vor, jedoch nur bildlich als Abstrakta oder hypostasiert, aber als keine selbstständigen aus Gott selbst hervorgegangenen, wirklich schaffenden Wesen. Der jüdische Alexandrinismus ging darin so weit, dass er den »Logos« als einen Gotteingeborenen, einen zweiten Gott hielt. Das war eine Abirrung von dem alten reinen biblischen Monotheismus, gegen welche das talmudische Judentum Verwahrung einlegte und sie als einen Abfall bezeichnete. Es nennt statt des alexandrinischen »Logos« einen »Metatron«, der als höchster Engel die Verwaltung der Welt hat, aber in voller Abhängigkeit von Gott, der nur dessen Befehle erhält, um sie selbst auszuführen oder von anderen ausführen zu lassen. Wir bringen darüber folgende Talmudstelle: Ein Min, Sektierer, fragt den Rab Idi: Es steht 2. M. 24. 1. Und zu Moses sprach er: »Steige hinauf zu dem Ewigen«, aber sollte es nicht richtiger heißen: »Steige zu mir hinauf?« Die Benennung »Zu dem Ewigen«, lautete die Antwort des Gefragten, »bedeutet hier >Metatron<, dessen Name gleich dem seines Herrn ist, denn also heißt es: Denn mein Name ist in ihm«. »Wenn dem so ist«, entgegnete dieser freudig, »so wollen wir ihn anbeten!« »Nicht doch!« erwiderte der Rabbi, »es heißt von ihm: אל תמר בנ, d.h. verwechsle ihn nicht mit mir!« »Aber wozu die Worte daselbst: Denn er wird euer Fehl nicht verzeihen?« »Das deutet ja auf eine Gottheit« — wiederholte jener die Frage, um die Richtigkeit seines Glaubens an ein göttliches Mittelwesen oder an eine zweite Gottheit, ähnlich dem Logos der Gnostiker oder dem Gottessohne im Christentum aus der Schrift darzutun. Darauf erhielt er zur Antwort: »Wir haben den Glauben, dass wir den Metatron nicht einmal als Mittler annehmen«, denn also sprach Moses: »Wenn deine (Gottes) Gegenwart nicht mitzieht, so ziehen wir nicht von dannen.« Wir sehen, wie sehr die Talmudlehrer ihren Metatron im Unterschied von dem Logos der Alexandriner oder der Gnostiker gezeichnet haben und ihm keine Göttlichkeit, kein Gotteswesen zuerkannten, viel weniger ihn gar als einen zweiten Gott hielten. Eine andere Talmudstelle erklärt sich darüber noch deutlicher, indem sie den Grund des Abfalls des Gesetzeslehrers Elisa ben Abuja in der Annahme des Metatron als einer selbstständig waltenden zweiten Gottheit angibt. Im Gegensatz hierzu wird er in derselben Stelle als ein von Gott durchaus abhängiger Engel gezeichnet, über den bei Überschreitung seiner ihm abgegrenzten Funktionen gleich einem anderen Strafen verhängt werden. »Acher (Elisa ben Abuja), heißt es daselbst, erkannte, dass Metatron erlaubt war, die Verdienste Israels aufzuzeichnen; er fragte sich, wie sei dies möglich, es heißt ja, dass es im Himmel kein Sitzen, keinen Eifer, keine Müdigkeit usw. gibt, jede Vermenschlichung fern sei, gewiss, es gibt zwei Gewalten, zwei Gottheiten.« Wir wiederholen und betonen nochmals, dass es im Talmud als eine Häresie, als ein Abfall galt, Metatron für eine zweite Gottheit zu halten. Eine weitere Zeichnung kennt ihn als großen Weisen, der dem Moses Geheimnisse offenbart, die Kinder, die in den Sünden ihrer Eltern ohne Unterricht in der Religion gestorben, von Gott und seiner Lehre unterrichtet. Nach einer späteren Angabe ist Metatron als der Fürst der Welt, dem die Leitung der Welt übergeben ist, und der deshalb auch: »Knabe«, »Kleiner«, heißt. Von dieser einfachen, noch immer nüchternen Darstellung weicht die nachtalmudische Mystik und die Kabbala bedeutend ab. Sie nennt ihn anstandslos den kleinen Gott, gibt auch ihm siebzig Namen, wie Gott selbst und macht ihn zum Fürsten der Engelsfürsten, zum Oberen aller himmlischen Schätze, dessen Thron von der Majestät des Gottesthrones und dessen Herrlichkeit von der Majestät Gottes hat. In Bezug auf seine Tätigkeit sind ihm alle untertan, er sitzt auf dem Thron außerhalb der Gotteshalle um Gericht zu halten. Sein Verhältnis zu Gott wird mit dem von Joseph gegen Pharao verglichen, von dem es heißt: »Nur durch meinen Thron will ich größer als du sein.« Er wird ausdrücklich als »Stellvertreter des Königs« genannt. Wir erkennen in diesen Angaben eine Hinneigung zu der vom Talmud als minäisch verworfenen Zeichnung des Metatron als Mittlers und Stellvertreters Gottes, ähnlich dem Logos der Alexandriner. Doch bleiben die Mystiker darin auf halbem Wege stehen, indem sie Meta-tron immerhin nur als »Diener Gottes« zeichnen, der von selbst den Willen und die Befehle Gottes vollzieht. Das monotheistische Bewusstsein ließ sie doch nicht weiter gehen. Mehreres siehe »Mystik«.