Mischehe
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Mischehe. Die Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit einer Ehe zwischen zwei Personen, Mann und Weib, verschiedenen Glaubensbekenntnisses, hier zwischen Juden und Nichtjuden, kam im Judentum sehr früh zur Erörterung, und hat im Laufe der Zeit verschiedene Modifikationen erfahren. Das mosaische Gesetz stellt darüber auf: »Und du sollst dich nicht mit ihnen (den sieben kanaanitischen Völkern) verschwägern; deine Tochter gib nicht seinem (ihrem) Sohne und seine (ihre) Tochter nimm nicht für deinen Sohn. Denn man könnte deinen Sohn von mir (Gott) abführen, dass sie fremden Göttern dienen.« Reißt man dieses Gesetz nicht aus seinem Zusammenhange, sondern liest es mit den ihm vorausgehenden Versen 1 und 2: »So der Ewige, dein Gott dich in das Land bringt — und er vor dir verscheucht die vielen Völker: die Chitier, die Girgasiter, die Emoriter, die Kanaaniter, die Perisiter, die Chiviter und die Jebussiter, schließe mit ihnen keinen Bund«; so ergibt es sich, dass sein Verbot der Mischehe sich zunächst auf die sieben kanaanitischen Völkerscharen bezieht. Der Grund davon ist die abscheuliche Art ihres Götzendienstes, auf dessen Vernichtung abgezielt wird. Sehr richtig fügt das Targum Jonathan diesem Gesetze erklärend hinzu: »Denn jeder, der sich mit ihnen verschwägert, hat sich gleichsam mit ihren Götzen verschwägert.« Schärfer noch als hier im 5. B. Mos. ist ein ähnliches Gesetz im 2. B. Mos. 34. 16: »Dass du nicht mit dem Bewohner des Landes einen Bund schließest, so du nehmest von seinen Töchtern für deine Söhne, werden seine Töchter ihren Götzen nachbuhlen und deine Söhne zu ihren Götzen verführen.« Ob die Mischehe eines Israeliten mit anderen heidnischen Völkern mit-begriffen sei, ist eine Frage, die im Talmud von den Gesetzeslehrern des zweiten Jahrhunderts n. aufgeworfen und beantwortet wird. Wir greifen dieser späteren Verhandlung nicht vor und halten uns erst an der Bibel. Das mosaische Gesetz verbietet ferner die Aufnahme in die Religionsgemeinde, also auch die Ehe, von den Grenzvölkerschaften: mit Ammon und Moab bis das zehnte Geschlecht, und von den Ägyptern und den Edomitern bis das dritte Geschlecht. Dieser Ausschluss von der Religionsgemeinde, also auch von der Ehe mit ihnen, erstreckt sich jedoch, nach den Exegeten, nur auf die männlichen Individuen, sodass die Ehe mit den Töchtern dieser Völkerschaften gestattet ist. So wird im Buche Ruth die Ehe der Moabiterinnen Orpa und Ruth mit Machlon und Khilion, den Söhnen Elimelechs, ohne Tadel erwähnt, und die zweite Ehe Ruths mit Boas besonders rühmlich wegen Isai und David, die von ihnen abstammten, hervorgehoben. Wie es mit den Töchtern anderer Völker außer den genannten zu nehmen sei? Darüber gibt uns das Gesetz über die Kriegsgefangene 5. M. 21. 11 — 15, das die Ehelichung derselben gestattet und regelt, Aufschluss. Ob der Verehelichung mit einer Heidin von den anderen Völkern der Wechsel deren Religionsbekenntnisses vorauszugehen habe, so dass sie erst Jüdin werden müsse, ist nirgends angegeben, vielleicht dem erwähnten Gesetze von der Kriegsgefangenen zu entnehmen. Dasselbe lautet: »Und sie soll das Gewand ihrer Gefangenschaft von sich ablegen, in deinem Hause verweilen und ihren Vater und ihre Mutter beweinen; nachher kannst du zu ihr kommen und sie ehelichen, sie soll dir zur Frau sein.« In den biblischen Berichten über die vormosaische und nachmosaische Zeit kommt bald herber Tadel gegen Mischehen, bald auch stillschweigendes Gutheißen derselben vor. So klagte Rebekka: »Meines Lebens bin ich überdrüssig wegen der Töchter Heths, wenn Jakob sich eine der Töchter Heths zur Frau nehmen sollte, sowie diese von den Töchtern des Landes, wozu da mir noch das Leben? « Dagegen wird ohne Anstoß erwähnt, dass Joseph die Tochter des heidnischen Priesters Potiphera, und später Moses die Tochter des Jithro, und die Esther den Ahasveros geheiratet haben. Starken Tadel wegen ihrer Verheiratung mit heidnischen Töchtern erfahren die Israeliten im Buche der Richter, Simson von seinen Eltern, im Buche der Könige: Salomo, Ahab wegen seiner Verheiratung mit Isebel, die den Baalkultus in Israel einführte. Mit Nachdruck wird hervorgehoben, dass Rheabeams Sünde in Folge seiner ammonitischen Mutter sich gebildet hatte; ferner, dass die Mörder des Königs Joas, Sobad, der Sohn einer Ammoniterin und Jehosobad, der Sohn einer Moabiterin gewesen. Eine andere Wendung nahm die Mischehefrage in der nachexilischen Zeit bei der Wiederbegründung des zweiten jüdischen Staates unter Esra und Nehemia. Nach der Zerstörung und Auflösung des jüdischen Staates durch Nebukadnezar waren die in Palästina zurückgebliebenen Judäer ohne jeden selbstständigen Halt, dass es ohne eine Vermischung mit den anderen unterjochten Völkern gar nicht bleiben konnte. Es erfolgten die Mischehen in großer Anzahl, die auch noch später, sogar von den aus Babylonien in Folge der Erlaubnis von Cyrus wieder eingewanderten Juden, nicht unterlassen wurden, und solche Dimensionen annahmen, dass dem Fortbestande des Judentums Gefahr drohte. Esra hat daher bei seinem Rufzuge auf die deshalb bei ihm eingegangenen Klagen in Gemeinschaft mit Nehemia und den Ältesten die strengsten und durchgreifendsten Maßregeln gegen die Mischehen ergriffen. In einer hierzu berufenen Volksversammlung setzte er durch, dass sämtliche Mischehen aufgelöst und die fremden Frauen weggeschickt wurden (im Jahre 458). Ein Verzeichnis ergab, dass vier Mischehen in den Familien des Hohenpriesters, bei den übrigen Priestern dreizehn, bei den Leviten zehn und bei den Judäern sechsundachtzig waren. Die Frauen der Mischehen waren von den sieben oben genannten kanaanitischen Völkerschaften und von den anderen drei Nachbarvölkern Ammon, Moab und den Ägyptern, doch sollten die getroffenen Maßregeln gegen alle heidnischen Frauen ausgeführt werden. Diese Maßregeln, wie sie sich selbst auf Ammoniterinnen und Moabiterinnen erstreckten, deren Eintritt in die Gottesgemeinde doch gestattet war (siehe oben) und von denen bekanntlich David abstammte, gingen über das mosaische Gesetz hinaus und riefen einen Protest von der Gegenpartei hervor, an deren Spitze Sabbathai Halevi, ein Mann, der mit hervorragenden Lehrämtern bekleidet war, stand. Aber es half nichts, die Notwendigkeit der Zeit erheischte es. Was hier nur eine vorübergehende Zeitmaßregel gewesen, das hat eine spätere Zeit zum festen Gesetz erhoben. Etwa 200 Jahre später, unter der Syrerherrschaft, erwachte unter den Juden die Sucht nach Mischehen in voller Stärke. Das erste B. Makkab. 1. 11 schildert diese um sich weithin gegriffene Stimmung. »Auf!«, sprachen sie, »lasset uns einen Bund schließen mit den Völkern, denn seitdem wir uns abgesondert haben, traf uns vieles Unglück! « So verbanden sie sich mit den Heiden. Es wird daher von einem hasmonäischen Gericht erzählt, dass dasselbe die Mischehe mit jeder heidnischen Frau ohne Unterschied ihrer Volksherkunft ein für allemal verbot. Wir sind bereits in der talmudischen Zeit, an der Arbeit der Gesetzesauslegung und Gesetzeserweiterung durch die Gesetzeslehrer, und wollen sehen, wie obige mosaischen Gesetze der Mischehe ihre Auffassung und weitere Entwicklung erhalten haben. Eine Zusammenfassung des Bisherigen ergibt folgende Klassen in dem Mischehegesetz:
a) Mit den sieben oben genannten kanaanitischen Völkerschaften in Palästina war das Eingehen einer Ehe wegen ihres gräulichen Götzendienstes ein für allemal streng verboten. Dieses Verbot erstreckte sich auf die Personen beiderlei Geschlechts, auf die Männer, sowie auf die Frauen. Auch ihr Übertritt zum Judentum befreite sie nicht von der Strenge dieses Gesetzes. Unter Josua schlossen die Gibeoniten ein Bündnis mit den Israeliten, nahmen ihre Religion an und wollten mit ihnen ein Volk bilden, da bestimmte sie Josua, weil es sich ergab, dass sie aus der Nähe von den kanaanitischen Völkern waren, zu Holzhauern und Wasserschöpfern für den Altardienst. So verblieben sie in ihrer Ausnahmestellung und durften nicht in die Religionsgemeinde aufgenommen werden. Besser war es mit:
b) den zwei Grenzvölkern Ammon und Moab. Ihr Eintritt in die Religionsgemeinde, somit auch in die Ehe eines Israeliten, war ebenfalls auf immer verboten, aber das Verbot erstreckte sich nur auf die männlichen Glieder, aber nicht auf die weiblichen derselben. Viel leichter war es mit zwei anderen Völkern:
c) mit den Ägyptern und den Edomitern. Der Eintritt derselben in die Religionsgemeinde und daher auch zur Eheschließung mit einem Israeliten war im dritten Geschlechte erlaubt. Ein Eheverbot mit den andren Völkern, außer den genannten, ist nachmosa isch, erst von Esra als Zeitmaßregel angeordnet und später von dem hasmonäischen Gericht wiederholt und für immer sanktioniert. In der talmudischen Gesetzesauslegung erhalten diese Bestimmungen nächst einer genaueren Präzision auch eine gewisse Umgestaltung nach den veränderten Zeitverhältnissen. So führte die Beantwortung der Frage, ob die Angabe der sieben kanaanitischen Völker im obigen Gesetz des Nichteintrittes in die Religionsgemeinde die anderen Völker ausschließe, sodass der Eintritt derselben, mithin auch die Ehe mit ihnen erlaubt wäre, bei den Lehrern des 1. Jahrh. n. zu divergierenden Meinungen. Der eine, R. Simon ben Jochai, macht die im Gesetze 5. M. 7. 3, 2. M. 34. 16 angegebene Ursache des Verbotes, »die Verführung zum Götzendienste« geltend und behauptet, dass ebenso dasselbe Gesetz auch die Ehe mit Personen anderer heidnischer Völker verbiete, wogegen die Rabanan die Aufzählung und Benennung der sieben kanaanitischen Völker in derselben Gesetzesstelle hervorheben und lehren, dass dieselbe andere Völker, als nicht in diesem Verbote mit enthalten, davon ausschließe. Wenn dennoch eine solche Mischehe für verboten gilt, so wird ein solches Verbot als nachbiblisch bezeichnet, das, wie bereits oben angegeben, von dem hasmonäischen Obergericht ausging und später gegen 8o n. in dem Kriege gegen Roms Oberherrschaft in Palästina unter die achtzehn Bestimmungen aufgenommen und erneuert wurde. Das Zweite, was hier erörtert wird, ist das Verbot der Mischehe mit einem von den Völkern Ammon und Moab, dass dasselbe in Betracht der Abstammung Davids von einer Moabiterin (Ruth) sich nur auf die Männer, aber nicht auf die Frauen beziehe. Diese Deutung wird als eine alte Tradition aus dem Lehrhause des Propheten Samuel zitiert. Mit demselben Rechte, behauptet ein Gesetzeslehrer, könnte man dieselbe Deutung auch auf das Gesetz des Nichteintrittes der anderen zwei Völker, der Edomiter und der Ägypter, anwenden und auch da das weibliche Geschlecht, als nicht mit begriffen, von demselben befreien. Es ist merkwürdig, dass die Karäer sich gegen diese Gesetzesdeutung erklären. Sollten auch die Sadducäer gegen dieselbe gewesen sein? Eine dritte Erörterung unter den Gesetzeslehrern betrifft die Frage, ob man eine Ehe eingehen dürfe mit einer Heidin oder mit einem Heiden ohne Unterschied aus welchem Volke, selbst von den oben im Gesetz genannten, wenn dieselben zum Judentum übergetreten sind. Diese Frage wurde im 1. Jahrh. in einer Synhedrialsitzung unter dem Vorsitze des R. Gamliel II. aufgeworfen und führte zu den heftigsten Debatten zwischen dem Patriarchen R. Gamliel II. und dem Gesetzeslehrer R. Josua. Ein ammonitischer Proselyt, wird erzählt, trat in das Lehrhaus und fragt an, ob er in die Religionsgemeinde aufgenommen werden könne. Der Vorsitzende, R. Gamliel II., verneinte diese Frage. Aber R. Josua erlaubte ihm den Eintritt in die Gottesgemeinde. Überrascht von diesem Widerspruch seines Kollegen, achte er auf das Gesetz aufmerksam: »Es soll kein Ammoniter oder Moabiter in die Gemeinde des Ewigen treten.« Da berief sich dieser auf Jesaja I O. 13: »Und ich verrückte die Grenzen der Völker«, und sprach: »Sind denn die Ammoniter und Moabiter noch in ihren alten Wohnsitzen, hat sie ja Sanherib bei seinen Eroberungen unter die anderen Völker verpflanzt?. »Aber es heißt ja von ihnen«, entgegnete er: »Und darauf bringe ich die Gefangenschaft der Söhne Ammons zurück« und sie sind sicherlich schon zurückgekehrt.« »Doch nicht«, antwortete dieser, »da auch die Israeliten eine solche Prophetenverheißung erhielten, und dennoch sind sie noch nicht zurückgekehrt. « Die Mehrheit, heißt es weiter in diesem Berichte, entschied sich für die Meinung des R. Josua und man erlaubte ihm, dem Ammoniter, den Eintritt in die Religionsgemeinde. Dieser Beschluss hatte eine bedeutende Tragweite, nach demselben waren die oben genannten harten Bestimmungen des mosaischen Gesetzes von da ab außer Kraft getreten; es gab keinen Unterschied mehr unter den Völkern: Edo-miter, Ammoniter, Moabiter usw., alle konnten, wenn sie zum Judentum übertraten, in die Religionsgemeinde aufgenommen werden und sich mit Israeliten verheiraten. Ein vierter Punkt betrifft die Erklärung des schon oben zitierten Gesetzes über die Kriegesgefangene, deren Verehelichung mit einem Israeliten dasselbe erlaubt. Das Ablegen der Gewänder ihrer Gefangenschaft und das Beweinen ihres Vaters und ihrer Mutter wird als Ablegen der heidnischen Sitten, die Reue über den bisherigen Götzendienst im Elternhause erklärt und als Symbol ihrer Bereitwilligkeit zum Eintritt ins Judentum angegeben. Nur unter diesen Bedingungen ist ihre Verheiratung mit einem Israeliten gestattet. Der fünfte Gegenstand ist die Erörterung des Falles, wenn die Heidin oder der Heide nicht völlig ins Judentum tritt, sondern nur dem Götzentum entsagt, die noachidischen Gesetze zu beobachten sich verpflichtet, ob sie sich mit einem Israeliten verheiraten dürfen. Der auf solche Weise bekehrte Heide ist ein Halbproselyt und heißt im talmudischen Schrifttum »Proselyt als Einsasse«. Die Entscheidung ging dahin, dass derselbe volle Glaubwürdigkeit gleich den Juden in allen Sachen habe, aber in Bezug auf religiöse Ritualien immer als Nichtjude zu betrachten sei. Maimonides hält daher eine Ehe mit einem solchen Halbproselyten für verboten. In dem Gesetze über die Kriegsgefangene stellt er folgenden Satz auf: »Wenn die Kriegesgefangene nicht zum Judentum übertritt, soll sie die Beobachtung der sieben noachidischen Gesetze auf sich nehmen und sie erhält darauf ihre Freiheit; sie ist eine Halbproselytin.« »Ein Israelit darf mit ihr keine Ehe schließen, weil es verboten ist, ein heidnisches Weib zu heiraten, das nicht >Jüdin< geworden.. Nach dieser Bestimmung soll auch die Mischehe zwischen Christen und Juden, so jene nicht zum Judentum übergetreten sind, nach mosaisch—rabbinischem Gesetz nicht erlaubt werden. Das in Paris im Jahre 1807 zusammenberufene Synhedrion hat dem Drange der Zeitverhältnisse nachgegeben und die Frage, ob das Judentum die Verheiratung der Juden mit Christen verbiete, dahin beantwortet, dass das jüdische Gesetz eine solche Ehe, wenn dieselbe nach den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches geschlossen ist, nicht verdamme, aber nicht einsegnen lassen könne. Bedenkt man, dass, wenn die Trauung keine leere Form sein soll, die Anerkennung der jüdischen Zeremonie von beiden Seiten vorausgesetzt werden muss, was durchaus nicht von einem Christen in Wahrheit geschehen könnte, so wird man, abgesehen von dem rabbinischen Gesetz, das eine Mischehe nicht gestattet, die Nichtzulassung einer Mischehe zu einer jüdischen Trauung auch von rationellem Standpunkte gerecht finden. Ebenso lässt sich gegen die Mischehe überhaupt ein rationales Bedenken aufstellen: »Die Ehe hat ein gehobenes Familienleben zu schaffen, die Mutter soll ihren Kindern nicht bloß eine Ernährerin der Kinder, sondern auch eine Erzieherin und Bildnerin ihres Herzens werden, aber beides erleidet Einbuße durch die Differenz der Religionsbekenntnisse zwischen den Eheleuten, durch religiöse Verschiedenheit zwischen Vater und Mutter, deren Anschauungen sich im Leben geltend machen und früh oder spät eine Dissonanz der Herzen bewirken.