Morgengebet
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Der Morgen, der Tagesanbruch, das Wiedererscheinen des Tageslichts übt eine gewaltige Macht auf das religiöse Gemüt aus, und »Gebet« ist die natürliche Stimmung des menschlichen Herzens. Sehr früh hat daher auch das Judentum diesem Gefühlsdrang Rechnung getragen und den Morgen als eine der drei Tageszeiten erkannt, die zum Gebet bestimmt sind. »Abends, morgens und mittags bete und klage ich, und er (Gott) erhört meine Stimme«, sind des Psalmisten Worte. »Dreimal des Tages«, heißt es von Daniel, »verrichtete er sein Gebet.« »Dreimal«, lehrte R. Samuel b. N., »ändert sich der Tag, und dreimal soll der Mensch im Gebet zu Gott sich erheben: Des Morgens spreche er den Dank aus für das wiedererlangte Tageslicht; des Mittags den Dank für das Volllicht, die Mittagshelle, mit der Bitte, auch den Abend zu erleben und des Abends die Bitte um Wiedererlangung des Morgenlichtes. Aber lange vor diesen drei Männern in ihren verschiedenen Zeiten hat der Mosaismus einen Morgengottesdienst, die Darbringung des täglichen Morgenopfers, an den sich der vorgeschriebene Priestersegen und wohl auch Gebet, wenn auch noch kein formuliertes, anschlossen, angeordnet. Aus dieser Anordnung entwickelte sich der Morgengottesdienst im salomonischen Tempel zu Jerusalem und nach Zerstörung desselben der in dem achtzig Jahre später wiedererbauten serubabelischen Tempel auf Zion. Die Synagoge, die nach der Zerstörung diese Heiligtums und dem Aufhören des Opferdienste die alleinige Stätte des jüdischen Kultus geworden, hat den Gottesdienst ohne Opfer, bestehend aus Gebet, zum Morgengottesdienst das Morgengebet. Dieses Morgengebet, wie es in dem Gebetbuch der Synagoge, Siddur, seine Zusammenstellung erhalten, besteht aus sechs Teilen: a) den das Morgengebet einleitenden Segenssprüchen, Benediktionen, ברכות השחר b) den Einleitungspsalmen, פסוקי דומרא; c) dem eigentlichen Pflichtgebet, תפילת חובה; d) den Andachtsergüssen, תחנו נים; e) der Thoravorlesung, קריאת התורה f) den Schlussgebeten: סיומי התפלה. Diese verschiedenen Teile des Morgengebets wollen wir hier der Reihe nach in ihrer geschichtlichen Entwicklung zu erörtern suchen.
1. Die Morgensegenssprüche. Sämtliche hier aufzuzählenden Benediktionen, wie dieselben im Gebetbuch, Siddur, ihre Zusammenstellung gefunden und das Morgengebet einleiten, haben den Zweck, den Menschen in allen seinen Werken in stetem Aufblick zu Gott zu erhalten, in der Erhebung zu ihm seine Lebensaufgabe vollbringen zu lehren. »Alle deine Taten vollziehe im Namen Gottes«; »Wer von dieser Welt ohne Benediktion genießt, hat veruntreut«; »Nicht die Welt ohne Gott und nicht Gott ohne die Welt!. sind die den Bestimmungen dieser Benediktionen unterliegenden Ideen. Aber sie gehören ursprünglich nicht dem öffentlichen Morgengottesdienst an, sondern sind für das häusliche Leben, für die verschiedenen Arten der Tätigkeit des Menschen im Hause bestimmt. Es protestiert noch Maimonides (im 12. Jahrh. n.) gegen ihre Einverleibung in den öffentlichen Morgengottesdienst als Teil des Morgengebets. Der Talmud hat darüber: »So der Mensch des Morgens erwacht, spreche er: אלהי נשמה, »Mein Gott! Die Seele, die du mir gegeben, ist rein, du hast sie gebildet und mir eingehaucht. Du bewahrst sie in mir, wirst sie von mir nehmen und sie mir in der Zukunft zurückgeben. So lange die Seele in mir ist, danke ich dir, Ewiger, mein Gott und Gott meiner Väter, Meister aller Welten, Herr aller Seelen. Gelobt seist du Herr, der die Seelen den toten Körpern wiedergibt!« So er das Krähen des Hahnes vernimmt, bete er: » Gepriesen, der dem Hahne Verständnis gegeben, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden«; öffnet er seine Augen: »Gepriesen, der des Blinden Augen öffnet«; richtet er sich auf: » Gepriesen der, welcher die Gefesselten befreit«; kleidet er sich an: »Gepriesen der, der die Nacktern bekleidet«; richtet er sich auf: »Gepriesen, der die Gebeugten aufrichtet«; betritt er die Erde: »Gepriesen der, der die Erde auf das Wasser ausgebreitet«; geht er: »Gepriesen der, der die Schritte des Menschen bestimmt«; bindet er sich die Schuhe fest: »Gepriesen der, welcher mir alle meine Bedürfnisse verschafft«; umgürtet er sich: »Gepriesen der, der Israel mit Kraft umgürtet (ausrüstet)«; wäscht er seine Hände: »Gepriesen, der uns geheiligt und befohlen die Reinigung der Hände«; wäscht er sein Gesicht: »Gepriesen der, der die Fesseln des Schlafes von meinen Augen und den Schlummer von meinen Wimpern wegschafft« usw. Dieselben erhielten erst später, wohl als man mit der Verrichtung dieser Benediktionen im Hause lässiger wurde, ihre Einverleibung in den Morgengottesdienst, dessen Gebet sie einleiteten. Hier ist ihre Reihenfolge: i. die Benediktion nach dem Händewaschen; z. die über physische Bedürfnisse; 3. die über das Thorastudium mit ihren drei Formeln von den drei Lehrern im dritten Jahrhundert n., von Rabh, R. Jochana und Rab Hamnuna: a) die mit dem Schlusse: »sich mit den Worten der Thora zu befassen«; b) die mit dem Zusatz: »Mögen uns die Worte deiner Thora lieb sein«, und c) »Gepriesen, der die Thora gegeben.. Um auf diese Benediktion die Tat folgen zu lassen, ließ man darauf eine Stelle aus dem Pentateuch 4. M. 2. 24, die Schriftverse des Priestersegens, und ein Stück von dem mündlichen Gesetze, die erste Mischna des Traktats Pea, folgen, um dem Gesetz vom Thorastudium zu genügen. Diese sämtlichen Benediktionen hat der Ritus der Portugiesen nicht; er eröffnet seinen Morgengottesdienst mit dem oben genannten, in unserem Sid-dur jetzt folgenden Gebet: »Mein Gott! Die Seele...« Hieran schließen sich fünfzehn Benediktionen, von denen die drei ersten den Dank für die Bestimmung des Israeliten aussprechen und von den Lehrern des zweiten Jahrhundert n., von R. Juda und R. Mair schon genannt werden, die anderen haben wir schon oben kennen gelernt. In den Gebetbüchern, siddurim, der spanischen Juden bilden diese drei Benediktionen den Schluss derselben. Verbunden mit obiger letzten Benediktion, ist das darauf folgende Gebet: »Es sei der Wille... «, deren Schlussbenediktion verschieden bestimmt wird. In unserem Gebetbuch lautet dieselbe: »Gelobt..., der Wohltaten seinem Volke Israel erweist.« Dagegen haben Alphasi und Maimonides nicht die Worte: »seinem Volke Israel.« Andere setzen dafür: »Gelobt..., der Wohltaten seinen Geschöpfen erweist.« Es folgte nun ein zweites Gebet: »Es sei der Wille über die Entfernung böser Menschen. « Dasselbe wird dem Patriarchen R. Juda I. zugeschrieben, der es am Schlusse seines Gebetes gesprochen hat. Diesem schließt sich das mit mehreren Absätzen längere Gebet »Herr aller Welten!« an, mit dem Schma »Höre Israel!« und der Benediktion: »Gepriesen..., der du deinen Namen vor vielen (öffentlich) heiligst!« und mit dem letzten Absatz: »Du bist es Ewiger, unser Gott.« Dasselbe soll zur Zeit der Religionsverfolgungen entstanden sein, wo das Schma-Bekenntnis (von Gotteseinheit) verboten war und in anderer Reihenfolge gebetet wurde. Der Text desselben ist in verschiedenen Angaben abweichend. Maimonides u. a. m. haben nicht die ihm vorhergehende Mahnung »Stets sei der Mensch gottesfürchtig im Verborgenen«; auch im Gebet selbst sind mehrere Änderungen. Die Talmudlehrer, die einige Teile desselben zitieren, sind: R. Jochana und Samuel (im 3. Jahrh. n.), sie beteten zum Schluss, נעילה, des Versöhnungstages den ersten Teil desselben; das Stück mit dem Anfang »fürwahr! « befindet sich in der Mechilta und im Jalkut. Der Absatz: אתה הוא; ist im Jeruschalmi, dagegen hat das Buch Tana debe Elia das ganze Gebet in allen obigen Absätzen bis zu seinem Schlusse. Den Schluss dieses ganzen ersten Gebetsteils bilden die Bibelabschnitte 2. M. 30; 4. M. 23; 3. M. 1. 11; 2. M. 20. 34 über das tägliche Opfer u. a. m. mit den Opferabschnitten aus der Mischna (Sebachim 5) und mehreren Talmudstücken. Die zwei Hymnen אדון עולם und יגדל am Anfange unseres Morgengebets im Siddur sind jüngeren Datums, nach der Zeit des talmudischen Schrifttums. Letzteres enthält die dreizehn Glaubensartikel, wie sie von Maimonides zusammengestellt werden.
II. Einleitungspsalmen. Der diesem Gebetsteil zu Grunde liegende Gedanke, das Gebet mit Lob- und Danksprüchen einzuleiten, ist nach einem Ausspruch im Talmud: »Immer ordne der Mensch erst das Lob Gottes und bete nachher.« Dieselben beginnen mit einer Benediktion und schließen mit einer Benediktion. Die Eröffnungsbenediktion ist das Gebet: »Gepriesen, der da sprach, es werde die Welt!« und die Schlussbenediktion ist das Gebet: »Dein Name, unser König, werde ewig gepriesen.« erstere findet sich nicht im Talmud vor, aber sie war schon in der Gaonenzeit, im B. Jahrhundert, bekannt und vielfach im Gebrauch. Doch hat auch das talmudische Schrifttum ganze Sätze, die denen dieser Benediktion ähnlich sind. Auch die Schlussbenediktion ist nicht im Talmud, wenn auch da einige Anklänge zu derselben, besonders zur Schlussbenediktion angetroffen werden. Die Einleitungspsalmen beginnen mit dem Stück »Danket« in 1. Chronik 16. 8 - 37, ein Psalm, der bei der Darbringung der täglichen Morgen- und Abendopfer in zwei Teilen von den Leviten gesungen wurde. Darauf folgen verschiedene Psalmverse aus den Psalmen 94. 1. 2; 90. 5.; 78. 38.; Ps. 9. 12.; 25. 6.; 68. 35. 36.; 94. 1. 2.; 3. 9. 5.; 28. 9.; 33. 20. 21. 22.; 85. 8.; 74. 27.; 81. 11.; 174. 15.; 13. 6. Geschlossen wird dieser Teil mit dem Dankpsalm 100, aber nur für den wochentäglichen Morgengottesdienst. An Shabbathe und Festen fällt dieser Psalm weg, dagegen kommen andere Psalmen an die Reihe. Der Grund des Wegfalls dieses Dankespsalms ist, weil am Shabbath und Fest die freiwilligen Opfer (Dankopfer) nicht dargebracht wurden. Die Shabbath- Einleitungspsalmen sind: Psalm 19. 34. 90. 91. 135, 136, ein Psalm mit sechsundzwanzig Aufrufen zum Dank, der als das große Hallel im Talmud bezeichnet wird; ferner Psalm 33, Psalm 92, der eigentliche Shabbathpsalm טוב להודות, den die Leviten bei der Darbringung des Morgenopfers am Shabbath gesungen hatten; Psalm 93, ein Schöpfungspsalm, der die Reihe der Shabbathpsalmen schließt. Ein zweiter Teil der Einleitungspsalmen beginnt nun mit dem Eingangsstück: יהי כבוד'; 135. 13.; 103. 19.; 1. Chr. 16. 31.; 33. 10.; Spr. Sal. 19. 2.1.; Ps. 33. 11.; 33. 9.; 135. 4.; 94. 14.; 78. 35. Die Psalmen selbst sind: Ps. 84. 5. als Aufschrift zu Ps. 145, ein Psalm, von dem gesagt wird, dass dessen Beherzigung des Menschen Seligkeit begründe; ferner Ps.146; 147; 148; 149 und 15o. Es folgen nun Schlussverse vom Ende des 3. Psalm-buches; 135.; 42. 18. mit einem doppelten Amen; darauf die Benediktion ויברך דוד aus 1. Chr. 29. 10 - 14, das mit dem Liede am Meere von 2. M. 14. 30. bis 15. 18, wozu noch die Verse Ps. 22. 9. von Obadja am Ende Sacharia 14. 9. und der שמע Vers hinzukommen. Dieser ganze Gebetsteil wird mit dem schon genannten ישתבח und dem kleinen Kaddisch, Halbkaddisch beendet.
III. Pflichtgebete, תפילת חובה.
Dieser Teil umfasst das eigentliche pflichtmäßige Morgengebet. Dasselbe besteht aus drei Hauptstücken: a. die Aufforderung zur Benediktion; b. das Schema mit den ihm vorausgehenden und folgenden Benediktionen und c. das Achtzehngebet, Schemone Esre.
a. Die Aufforderung zur Benediktion. Wenn die Gemeinde vollzählig geworden, d. h. wenigstens aus zehn Personen im Alter von mindestens dem zurückgelegten dreizehnten Jahre besteht, richtet der Vorbeter nach dem Halbkaddisch, als Schluss der Einleitungspsalmen, die Aufforderung zur Benediktion an die Gemeinde. Die Formel dafür ist das übliche Borchu, mit seinen zwei Teilen: der Aufforderung und der Antwort. Erstere lautet: »Preiset den Ewigen, der gepriesen ist!«; letztere als Antwort der Gemeinde: »Gepriesen sei der Ewige immer und ewig!« Eine solche Aufforderung zur Benediktion bei Eröffnung des Morgengottesdienstes war schon beim Tempelgottesdienst üblich, sie ging von dem Obersten der Priester aus, aber die Lehrer am Ende des 1. Jahrh. n. differieren noch in ihren Angaben dieser Fromel: R. Akiba kennt nicht das Schlusswort: gepriesen, dagegen ist die Formel des R. Ismael wie die unsrige. Die Dezisoren haben die Angabe des letzteren als die gesetzliche anerkannt, doch gab es noch im 4. Jahrh. n. Gemeinden, die an der Formel des R. Akiba festhielten. Anklänge für diese Aufforderung zur Benediktion in ähnlicher Formel haben wir in Nehemia 9. 5; Psalm 135. 19. 20. 21. »Haus Israel preise den Ewigen!« Der andere Teil dieser Aufforderungsformel, die Antwort der Gemeinde (s. oben), dokumentiert sich ebenfalls als sehr alt. Die Mischna erzählt, dass auch sie gegen die Annahmen der Sadducäer mit dem Zusatz ער עולם geändert wurde. Ähnliche Anklänge haben wir auch für sie in Ps. 41. 14; 72. 18; 89. 52; 106. 48. Die ganze Formel in ihren zwei Teilen hat auch die Thorabenediktion (s. oben); zur Unterlage derselben wird die Schriftstelle in 5. M. 32. 3: »So ich den Namen des Ewigen anrufe, gebet Größe unsrem Gotte!« angegeben. Zu derselben wurde später noch eine Benediktion, die aus mehreren Bibelversen zusammengesetzt ist, hinzugefügt, die während des Vortrages des ברכו, Borchu, von der Gemeinde gesprochen werden soll, was jedoch von den bedeutendsten Gelehrten getadelt und verworfen wird.
b. Das Schema mit der Benediktion vor und nach demselben. Indem wir für das »Schema« einen eigenen Artikel haben, kommen hier nur die Benediktionen vor und nach demselben zur Besprechung. Dem Schema gehen zwei Benediktionen vor. Die Erste ist eine Dankbenediktion für das wiedererschienene Tageslicht und heißt: die Benediktion über die Schöpfung des Lichts; sie lautet in ihrem Anfange: »Gepriesen sei der Ewige, unser Gott, König der Welt, Bildner des Lichtes und Schöpfer der Finsternis, der Frieden macht und alles erschaffen hat«, eine Formel, die Jesaja 45. 7 entnommen zu sein scheint, und wird gleich dieser Schriftstelle als gegen den Glauben im Parsismus an zwei Gottheiten, die des Guten, des Lichtes, Ormuzd, und die des Bösen, der Finsternis, Ahriman, gehalten. Der Schluss derselben nach den in unserem Gebetbuch eingeschobenen Gebetstücken lautet: »Gepriesen seist du Ewiger, Schöpfer der Lichter.« Im Tempelmorgengottesdienst wurde während der Darbringung des täglichen Morgenopfers vor dem Schema eine Benediktion gesprochen, welche mit der obigen eins gehalten wird. Von dieser Benediktion kommt, wie schon erwähnt, der Anfang und das Ende im Talmud vor. Die Zwischenstücke: a) das המאיר לארץ mit den darin eingestreuten Bibelversen, Psalm 104. 14, stammt in seiner kürzeren Form aus sehr alter Zeit. Dagegen ist b) das תתברך mit der sich daran schließenden Keduscha viel jüngeren Datums. Das Ganze hat einen mystischen Inhalt und gehört der Gaonenzeit an (s. Mystik). Die Unterlage desselben ist die mystische Lehre, dass täglich Engel aus dem Feuerstrom, neu geschaffene Engel, emporsteigen. Die hier eingestreute Keduscha, welche קדושא דעמידא heißt, rührt wohl aus der Zeit der Religionsverfolgungen gegen die Juden her, wo wie das Schema auch die Keduscha verboten und deshalb an eine andere Stelle in erzählender Form gesetzt wurde. Später, da man die Ursache dieser Keduscha vergessen hat, erhoben Maimonides und andere gegen ihre Zitierung an dieser Stelle bei Verrichtung dieses Gebetes ohne zehn Anwesende Bedenken und verboten sie. Diese Meinung wurde jedoch nicht beachtet. Das dritte Stück endlich, c) לאל ברוך נעימות bringt die Schlussbenediktion und stammt ebenfalls aus der Gaonenzeit. Nur haben die Gebetbücher der spanischen Juden und der Siddur des Rab Amram Gaon nicht die messianische Stelle: »Ein neues Licht lasse über Zion leuchten, sodass wir alle bald dessen teilhaftig werden!. Der Grund hiervon ist nach vielen, weil man keine Benediktion über das, was noch nicht da ist, sprechen darf. Andere erklären sich für die Beibehaltung dieser Stelle und weisen auf die mystischen Midraschstellen hin, nach denen die für die Zukunft verheißene Lichtfülle schon geschaffen ist, aber bis zur Zeit aufbewahrt wird. Die zweite Benediktion vor dem Schema wird im Talmud in zwei verschiedenen Formeln angegeben, die eine, bekannt mit den Anfangsworten אהבה רבה und die andere: עולם
אהבת. Die Talmudlehrer des dritten Jahrh. n. differieren noch in ihren Angaben, welche von diesen hierher gehöre. Samuel und nach ihm Rab Juda geben erstere hierzu an, aber die Rabbanan letztere. Alphasi und Maimonides nehmen letztere als die Richtige an, dagegen sind die Gaonen und andere für erstere. So differieren die Gebetbücher der spanischen Juden. Welche אהבת עולם als zweite Benediktion vor dem Schema in dem Morgen- und Abendgebet haben, von denen der deutschen Juden, welche erstere für das Morgengebet und letztere für das Abendgebet bestimmten. Doch soll auch diese Formel אהבה רבה nicht mehr die ursprüngliche sein, d. h. wie sie im Tempelgottesdienst bei der Darbringung des Morgenopfers gesprochen wurde. Der Satz: והביאנו, wo für die Sammlung der Israeliten aus allen vier Weltenden, um sie nach Palästina zu bringen, gebetet wird, passt nicht als Gebet für die Zeit des Bestandes des jüdischen Staates in Palästina. Nach dem Schema ist nur eine Benediktion. Dieselbe beginnt mit: אמת ויציב und schließt mit der von גאל ישראל. Auch diese Benediktion gehörte zum Tempelmorgengottesdienst. Eine zweite Formel אמת ואמונה wurde für das Abendgebet bestimmt. Die Benediktion אמת ויציב schließt sich auch in ihrem Inhalt eng dem Inhalt des Schemas an. So entspricht der Satz: »In Wahrheit, er ist König der Welt« dem ersten Abschnitt des Schemas von der Unterwerfung unter das Reich Gottes; der Satz: »Heil dem Manne, der deinen Geboten gehorcht« entspricht dem zweiten Schemaabschnitt von der Anerkennung der Gesetzespflichten und der Satz: »Aus Ägypten hast du uns erlöst« dem dritten Abschnitt. Das talmudische Schrifttum hat darüber: »In der Benediktion von Emes wejaziv erwähnte man von dem Auszug aus Ägypten, dem Gottesreich, dem Wunder am Meere, der Erstgeburtsstrafe und der Erlösung Israels.« Die Schlussformel: »Gepriesen, er erlöst Israel« ist als alt bekannt und oft wiederholt.
c) Das Achtzehngebet oder die Schemone Esre. Auch für das Achtzehngebet haben wir der Ausführlichkeit wegen einen eigenen Artikel »Schemone esre«, auf den wir hier verweisen.
V. Andachtsergüsse. Die hierher gehörenden Gebete sind im Gegensatz zu den vorhergehenden die freiwilligen Herzensergüsse. Dieselben stehen in direkter Verbindung mit dem Achtzehngebet, mit dem sie ein Ganzes bilden, sodass das Kaddisch, mit dem die Andacht dieses Gebetsteils schließt, erst nach diesen Andachtsergüssen, Tachnunin, folgt. Den Charakter dieser freiwilligen Andachtsergüsse tragen sämtliche Gebetsstücke, welche nach dem Achtzehngebet von einzelnen Talmudlehrern gesprochen wurden und im Talmud sich erhalten haben. Hierher gehören: a) das אלהי נצור; b) das Gebet am Fasttage: רבון, wovon verschiedene abweichende Texte zitiert werden; c) das Gebet והוא רחום für Montag und Donnerstag, das in der Gaonenzeit schon bekannt gewesen, aber nach verschiedenen Angaben noch älteren Ursprunges sein soll. Das ei¬gentliche Tachnu-Gebet ist das in un-seren Gebetbüchern mit dem Schrift-vers 2. S. 24. 14 ויאמר דוד beginnende; es gehören hierher Ps. 6 oder nach an-deren Angaben Ps. 25, womit früher ein Fallen aufs Angesicht verbunden war, aber jetzt nur ein Neigen auf eine Seite üblich ist. Daran schließen sich noch mehrere Gebete, als das ה' אלהי ישראל, das שומר ישראל dem ואנחנו לא נדע u. a. m.. Mit einem Kad¬disch, das jetzt folgt, schließt dieser ganze Gebetsteil.