Schofarblasen

Posted 6 yrs ago

In dem Synagogen­kultus für das Neujahrsfest, Rosch Haschana, bildet das Schofarblasen ei­nen Teil der gottesdienstlichen Feier dieses Tages. Wir behandeln hier die­sen Kultusakt nach: a. seinem Gebot; b. der Form dessen Vollziehung und c. seiner Bedeutung.

a. Sein Gebot. Das Neujahrsfest hat in 3. M. 23. 24 und 4. M. 29. 1 die Bezeichnungen: »Tag des Lärmbla­sens« und »Gedächtnisblasen«, beide sind dem Akt des Blasens, der an die­sem Tage stattfindet, entnommen. So ist mit dem Gebot der Feier des i. Ta­ges des siebten Monats, des Neujahrs­festes, das des Blasens auf einem musi­kalischen Instrument mit angegeben. Der Name des Instruments ist in obi­gen Gesetzesstellen nicht angegeben. Dagegen wird in 4. M. 10. 5 — 6 das Instrument, worauf bei der Opferdar­bringung an Neumonds-, Fest- und Freudentagen geblasen wurde, aus­drücklich durch »Trompete« bezeich­net. Ebenso ist dasselbe in 4. M. 10. 2 angegeben: »Mache dir zwei Trompe­ten aus Silber zum Zusammenrufen der Gemeinde und zum Aufbruch des La­gers.« Ob auch hier dieses Instrument gemeint sei? Die Tradition verneint es und nennt dafür das »Schofar«, ein aus einem Widderhorn angefertigtes Blas­instrument. Sie erzählt, dass an diesem Feste im Tempel zu Jerusalem auf zwei Blasinstrumenten geblasen wurde, auf der Trompete und auf dem Schofar, von denen die Töne kürzer waren und früher endeten als die des Schofars, weil das Schofar mehr zur Tagesfeier gehörte. Auch dafür weist sie auf Ps. 98. 6: »Mit Trompeten und dem Schall des Schofars jauchzet auf vor dem Kö­nige, dem Ewigen.« Außerhalb des Tempels, in den Synagogen, da es kei­nen Opferkultus daselbst gab, wurde nicht auf der Trompete, sondern auf dem Schofar allein geblasen. Eine Stütze hat obige traditionelle Angabe des Schofars als des Blasinstruments für das Neujahrsfest in Ps. 81. 4. »Bla­set am Neumonde das Schofar, zur Zeit des Tages unseres Festes, denn so ist es Gesetz in Israel, Anordnung des Gottes Jakobs.« Der Neumond hier ist das Fest des 1. Tages des 7. Monats, unser Neujahrsfest, das auch als Tag unseres Festes bezeichnet wird. Aber die Tradi­tion begnügt sich damit nicht, sondern sucht den Nachweis in Pentateuch auf. Denselben findet sie in 3. M. 25. 8: »Und lasse das Schofar ertönen am siebten Monat, am 10. des Monats, am Versöhnungstage sollet ihr das Schofar ertönen lassen in eurem ganzen Lande.« Diese Angabe in dem Jobelgesetz soll auch für die Feier des Neujahrsfestes normativ sein, was die nachdrucksvol­len Worte »am siebten Monat« andeu­ten, nämlich, dass das Blasen am siebten Monat an allen seinen Festen gleich sei, immer auf dem Schofar zu geschehen habe.

b. Die Vollziehungsform. Zur Form des Schofarblasens gehören die zwei bi­blischen Bezeichnungen: »Tekoa« und »Haria«, aus denen sich die nachbibli­schen »Tekia« und »Terua« gebildet ha­ben. In 4. M. 10. 7 heißt es: »So ihr die Gemeinde versammelt, sollet ihr das Horn ertönen lassen, aber nicht Lärm blasen. « Hier wird das Blasen nach dem Ausdruck »Tekoa« von dem durch »Haria« unterschieden. Erstere oder das nachbiblische »Tekia«, ist der durch anhaltendes Blasen hervordringende ununterbrochene Ton, der Rufton, das Signal zur Sammlung und Zusammen­kunft. Der zweite »Terua«, der in kür­zeren oder längeren Stößen hervorgebrachte gebrochene Ton; er war das Signal zum Ab- und Aufbruch des La­gers der Israeliten in der Wüste, der Ton der eiligen schnellen Bewegung, wie er aus der in solcher Zeit herr­schenden Gemütserregung hervorbricht. Es war den Gesetzes- und Volkslehrern späterer Zeit nicht mehr gewiss, ob »Terua« den aus kürzeren oder den aus längeren Tonstößen sich zusammenset­zenden gebrochenen Schofarton be­deute; daher sie beides annahmen; sie nannten die erstere Art »Terua«, »Auf­schreistöße« und die zweite Form »Schebarim«, »Bruchstöße« und beide zusammen: »Schebarim Terua«, d. h. der aus kürzeren und längeren Stoßtö­nen bestehende Schofarton. Während also der Tekiaton als der langgestreckte, ununterbrochene Schofarton bezeich­net wird, hat man zur Angabe des Tones der »Terua« drei Formen: i. den aus kürzeren und längeren Tonstößen bestehenden gebrochenen Schofarton; z. den aus kürzeren Tonstößen sich zu­sammensetzenden Schofarton, und 3. den aus längeren Tonstößen sich bil­denden gebrochenen Schofarton. Wir machen schon jetzt auf diese Verschie­denheit der Schofartonarten aufmerk­sam, weil uns dieselbe bald die ganze Form des gegenwärtig in den Synago­gen üblichen Ritus des Schofarblasens erklären hilft. Die Talmudstelle über die Teruatöne lautet: »Die Länge des Tekiatones sei gleich drei Teruatönen und die des Teruatones gleich drei Stoßseufzern.« Eine andere Relation gibt drei Bruchstöße als die Länge der Terua an. So versteht man nach der ersten Bezeichnug unter »Terua« Stoß­seufzer, und nach der anderen »Stoß­klagen«. Endlich bestimmt eine dritte Tradition, dass jede »Terua« von zwei Tekias (eine vor und eine nach) beglei­tet werden soll. Nachweise dafür findet sie in 3. M. 25. 9 in den zwei Ausdrü­cken: »Ihr sollet den Schofarruf erge­hen lassen«, das dem darauffolgenden »Terua« vor- und nachfolgt mit der Be­merkung, dass was für den Jobeltag gilt, auch für das Neujahrsfest Geltung habe; ferner in 4. M. 10. 6 in den Aus­drücken »Und blaset ihr Lärm« und »Lärm sollen sie blasen« nach obiger Erklärung, dass Tekia und ***Terua, zwei verschiedene Tonarten bezeich­nen, somit eine Tekia vor und eine Te­kia nach der Terua. Fügen wir hierzu noch eine vierte Tradition, nach der die Terua dreimal geblasen werden soll, so ergibt sich folgende Aufstellung als Verzeichnis der Tonarten für das Scho­farblasen: a. wo der Teruaton in seiner doppelten Erklärung als drei kürzere und längere gebrochene Tonstöße »Schebarim Terua« mit einer Tekia vor und einer Tekia nach dreimal geblasen wird; b. wo der Teruaton nach der An­gabe als drei längere gebrochene Stoß­töne »Schebarim«, begleitet von den zwei Tekias ebenfalls dreimal geblasen wird und c. wo dieselben sich wieder­holen, aber mit drei kürzeren Tonstö­ßen, »Terua«. Es sind demnach drei Absätze, von je neun Tonarten, zusammen 39 Tonarten. Es ist dies das Ver­zeichnis für das Schofarblasen vor dem Mussafgebet. Unabhängig hiervon ist das Schofarblasen bei den drei Gebets­stücken des Schemone-Esre-Gebetes des Mussafs dieses Festes, die unter den Namen: »Malchioth« (Anerken­nung Gottes als des Königs aller Wel­ten); Sichronoth (von der göttlichen Fürsorge und Weltregierung) und »Schoferoth« (von der Offenbarung Gottes und seiner verheißenen Erlö­sung), bekannt sind. Dasselbe findet am Schlusse jedes dieser Gebetsstücke statt und besteht aus einem Schebarim­Terua-Ton mit einer Tekia vor und ei­ner Tekia nach.

c. Die Bedeutung. Zur Angabe dar­über nennen wir erst die Schriftstellen: »So ihr Lärm blaset auf den Trompe­ten, ihr werdet vor dem Ewigen Eurem Gott gedacht werden und Euch wird von eurem Feinde geholfen werden«; ferner: »Und an euren Freuden- und Festtagen, an euren Neumondstagen, so ihr blaset in die Trompeten bei eu­ren Ganzopfern und euren Friedensop­fern, wird es für euch zur Erinnerung vor dem Ewigen eurem Gott sein.« Hier wird das Schofarblasen in seinen verschiedenen Tonarten als Bild der im Menschen rege werdenden verschiede­nen Gemütsstimmen, Herzenswünsche, an diesem Tage, die vor Gott treten und da gehört werden. Im talmudi­schen Schrifttum wird zunächst das Schofarblasen als Mahnruf zur Buße und Besserung unserer Lebensweise aufgefasst. Es heißt: »So ihr das Scho­far zum Blasen nehmet, erneuert eure Werke und tut Buße.« Ferner: »Habt ihr eure Handlungsweise gebessert, werde ich mich vom Throne des Rechts auf den der Barmherzigkeit erheben. « Eine andere Auffassung sieht in den Schofartönen das Bild des menschli­chen Verlangens nach der göttlichen Barmherzigkeit. »Warum wird am Neujahrsfest Schofar geblasen? Damit Gott sie in Barmherzigkeit richten und sie rein sprechen möge.« Endlich erin­nert nach einer dritten Erklärung das Schofar, das aus dem Horn eines Wid­ders angefertigt ist und bei den Prophe­ten als das Erlösungshorn gekannt wird, an den Widder in der Opferungs­geschichte Isaaks, an das Mätyrertum Israels in den Jahrhunderten seines Ge­schichtslebens, dem endlich eine Erlö­sung werden wird. »Wie der Widder bei der Opferung Israels mit seinen Hörnern im Dickicht verwickelt war, so werden die Israeliten in Sünden und Leiden verwickelt werden, aber Gott verzeiht ihnen die Sünden und sendet ihnen die Erlösung.« Saadja Gaon (im 9. Jahrh.) hat folgende zehn Punkte zur symbol. Bedeutung aufgestellt. Die Schofartöne sollen den Israeliten erin­nern an: 1. die Weltschöpfung durch Gott; 2. den ersten der Bußtage, von Neujahr bis zum Versöhnungstag; 3. die Gesetzesoffenbarung auf Sinai; 4. die Prophetenverheißungen; 5. die Zer­störung des Tempels in Jerusalem; 6. die Opferung Isaaks; 7. die Demut vor Gott; 8: das Weltgericht; 9. die Samm­lung der Zerstreuten Israels und deren Erlösung und 10. die Auferstehung.