Semaja und Abtaljon

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Vorzüg­liche zwei Volks- und Gesetzeslehrer der älteren Zeit, das vierte Synhedris­tenpaar, welches das Präsidium im Synhedrion vom Jahre 63 — 35 v. führte. Von ihrer frühen Lebensge­schichte ist uns weder ihr Geburtsort, noch ihre Abkunft genau bekannt. Die Sage nennt beide Nachkommen von Proselyten; ihre Ahnen waren also Hei­den, die zum Judentum übertraten. Die Zeit ihrer öffentlichen Tätigkeit war eine der trübsten und verhängnisvolls­ten in der jüdischen Geschichte; es war die der Brüderkämpfe zwischen den Thronerben Aristobul und Hyrkan II. die mit dem Sturz und der Entthronung beider und der Thronbesteigung He­rodes I. endete. Semaja oder wie er bei Josephus heißt, »Sameas«, führte schon den Vorsitz in dem Synhedrion, das Herodes I. wegen der Hinrichtung des Freibeuters Ezekias mit seinem Anhang zur Verantwortung zog. Er war der Mutigste unter den Synhedristen, die sich über das trotzige, herausfordernde Erscheinen Herodes I. völlig entsetzten, der dem Vorgetretenen zurief: »Steht der auf den Tod Angeklagte nicht da, um uns sofort dem Tod zu überant­worten, wenn wir über ihn das >Schul­dig< aussprechen? Und doch kann ich ihn weniger tadeln, als euch und den König, dass ihr eine solche Schmähung der Gerechtigkeit duldet! Wisset, dass derselbe, vor dem ihr jetzt zittert, euch alle einst töten wird lassen!« Es war eine Art Weissagung, die seinem Mund entfahren ist und die Herodes sich gar sehr merkte. Dieselbe erfüllte sich. He­rodes wurde durch die Mithilfe der Römer auf den Thron gesetzt und nahm blutige Rache an den Synhedristen; er ließ sie alle töten, nur nicht den Sameas, den er nach der Bildung eines neuen Synhedrion in seiner Würde als Synhedrialpräsident weiter ließ; es mag sein, dass er dies seiner oben genann­ten Weissagung zu verdanken hatte. Dieser für Volk und Staat so verhäng­nisvolle Thronwechsel, begleitet von Verrat und Mord, der Hinwürgung der Glieder des hasmonäischen Königs-und Priesterhauses und des an ihm hängenden edelsten Volksteils, hatte eine schreckliche Resignation zur Folge. Die Besseren zogen sich von der Regierung zurück und überließen Staat und Volk ihren Geschicken, Semaja und Abtaljon, die abwechselnd dem neu gebildeten Synhedrion vorstanden, gehörten zu denselben; sie zogen nicht mehr das Staatliche und Politische in ihre Beratung und wiesen dem Synhed­rion unter anderen auch den Geset­zesausbau zur Haupttätigkeit zu. Diese neue Umstimmung ihrer Gesinnung sprechen beide in folgenden zwei Lehr­sprüchen aus. Der von Semaja lautet: »Liebe die Arbeit, hasse die Herrschaft und bekenne dich nicht zur Obrigkeit.« Nachdrucksvoller ist der von Abtaljon: »Ihr Weisen, nehmt euch in Acht mit euren Worten, vielleicht verschuldet ihr das Exil und ihr werdet an einen Ort böser Wasser gewiesen; es trinken die Schüler nach euch und sterben, so wird der Name Gottes entweiht.« In dem ersten Lehrspruch spiegelt sich die Verstimmung ob der Gegenwart ab, aber in dem zweiten haben wir mehr als dies, eine Mahnung zum Verhalten in dieser Zeit mit der Vorführung der Folgen einer Abweichung hiervon. Beide Lehrer erfreuten sich der allge­meinen Hochachtung. In Bezug auf ihre Gesetzeskunde nannte man sie: »Die zwei großen Gesetzesforscher« und »die zwei großen Weisen.« Die erste Ehrennennung zeigt auf eine neue Art des Gesetzesausbaus durch Schrift­herleitung (s. Exegese), die von ihnen kultiviert wurde. Eine zweite Anord­nung von ihnen war die Beschränkung des Studienkreises; man setzte einen Türwächter vor das Lehrhaus, der nur die hinein ließ, die eine Abgabe ent­richteten. Der Grund dieser Maßregel wird nicht angegeben, aber er war, um den Andrang zu den Lehrvorträgen ab­zuhalten, damit das Volk sich prakti­scheren Gegenständen zuwende. »Liebe die Arbeit«, lautete ja der Anfang des zitierten Lehrspruches Semajas. Von der Verehrung dieser zwei Lehrer beim Volk erzählte man: Es war am Abend am Schluss des Versöhnungstages, alles Volk begleitete wie immer den Hohen­priester nach Hause. Da erblickte es seine Lehrer Semaja und Abtaljon, die ebenfalls den Tempelplatz verließen. Alle wandten sich vom Hohenpriester ab und schlossen sich der Begleitung dieser ihrer Lehrer an. Der Hohepries­ter fühlte sich dadurch in seiner Ehre gekränkt und sprach: »Lasst doch jene Heidenabkömmlinge (s. oben) in Frie­den dahin gehen! « Ein Gegenruf wurde darauf aus der Mitte des Volkes laut: »Ja, die Heidensöhne, die Friedens­werke eines Priesters Ahrons vollzie­hen, mögen in Frieden dahin ziehen, aber nicht die Priester, die von Ahron abstammen, aber nicht Ahrons Werke vollziehen.« Möglich, dass diese Worte einen Vorwurf gegen Hyrkan II. ent­hielten, der treulos die Vereinbarung mit seinem königlichen Bruder Aristo­bul gebrochen und in dieser Zeit die Hohenpriesterwürde verwaltet haben konnte.