Simon ben Asai
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Simon ben Asai, auch kürzer: »Ben Asai«, Volks- und Gesetzeslehrer der chassidäischen Richtung, gegen Ende des ersten Jahrhunderts und im Anfang des zweiten Jahrhunderts n., der seine Studien bei den bedeutendsten Gesetzeslehrern dieser Zeit gemacht hat, als z. B. bei R. Tarphon, R. Josua ben Chananja, u. a. m. In Betracht seiner halachischen und exegetischen Vorträge kennzeichnet er sich als Jünger R. Akibas, so dass er als solcher auch gehalten wurde. Dagegen bedauerte er selbst, nicht bei R. Akiba und R. Ismael seine Studien gemacht zu haben. Sein Eifer im Gesetzesstudium war so stark, dass er aus Liebe für dasselbe unverheiratet geblieben war, wenn er auch in seinen Vorträgen gegen die Ehelosigkeit, der sich viele Chassidäer, besonders die Essäer zugewandt hatten, kämpfte. In seinen Halachaforschungen wurden sein Scharfsinn und sein Fleiß bewundert; in beiden galt er bei den Späteren als Muster und Ideal. Ebenso suchte er Klarheit und Deutlichkeit in die halachischen Aussprüche seiner Vorgänger zu bringen. Im Übrigen leitete auch er gleich seinen Zeitgenossen die Halacha her: a. aus dem einfachen Schriftvers; b. der Aufeinanderfolge zweier Abschnitte; c. den doppelten Ausdrücken; dem Schluss der Vergleichung; der Aufstellung anderer Lesearten im Text u. a. m. In dieser seiner Halachatätigkeit erfreute er sich der Anerkennung der größten Gelehrten seiner und späterer Zeit. So lobte R. Elasar ben Asaria seine Gesetzesherleitungen und allgemein hieß es von ihm: Ein Schüler, der Gesetzesentscheidungen zu treffen verstehe, habe die Reife wie »Ben Asai«; ferner: »Seit dem Tod Ben Asais fehlten die Gesetzesexegeten«, und »die Gesetzesforscher«, u. a. m. Noch ein Gesetzeslehrer des vierten Jahrhunderts sprach, wenn er seine Autorität geltend machen wollte: »Ich bin hier wie >Ben Asai< auf den Lehrplätzen Tiberias.. Zu dieser, seiner Lehrtätigkeit wählte er die Stadt Tiberias, den späteren Wohnsitz R. Judas I. In seinem Verkehr mit seinen Zeitgenossen bewundern wir seine Verehrung R. Akibas. War er genötigt, seine Meinung gegen die des R. Akiba aufzustellen, so sprach er bescheiden: »Ich komme nicht, die Lehrmeinung R. Akibas zu widerlegen, sondern derselben die meinige hinzuzufügen.« Ebenso ehrte er die aus der Schule R. Akibas hervorgegangenen Gesetzesjünger R. Jose und R. Juda, mit denen er über manche Gesetzesentscheidung disputierte. Nicht minder wichtig erscheinen uns seine Aussprüche und Lehren auf dem Gebiete der Agada, die einen wichtigen Bestandteil seiner Volksvorträge bildeten. Wir nennen von denselben:
a. die, welche die Verteidigung der reinen Bibellehre von der Einheit, Unmittelbarkeit und Unkörperlichkeit Gottes gegen die Angriffe auf dieselbe von Seiten verschiedener Sekten inner-und außerhalb des Judentums zum Gegenstand haben. So lautet der eine Ausspruch von ihm: »Israel wurde nicht früher ins Exil geschickt, bis es die Einheit Gottes, die Beschneidung, die zehn Gebote und die fünf Bücher der Thora verleugnet hatte«, der allem Anschein nach gegen verschiedene Sektierer als z. B. die Paulinisten innerhalb der Judenchristen, die jüdischen Gnostiker u. a. m. gerichtet war. Eine andere Lehre, ebenfalls gegen die Annahme mehrerer neben Gott herrschenden Gottheiten oder gegen die Leugnung der unmittelbaren Weltregierung Gottes lautet: »Komme und überzeuge dich, die Thora nennt in den Opferabschnitten >Gott< nicht unter den Bezeichnungen: >El<, >Elohim<, >Schaddai<, >Zebaoth<, sondern nur unter dem Tetragammaton, damit die Minin (Sektierer) keinen Anhalt finden, ihren Abfall zu begründen.. Eine dritte Lehre von ihm war gegen die irrige Auffassung des Opferkultus, derselbe habe die Aufgabe, Gott uns durch dasselbe geneigter zu stimmen, ihn zu uns herabzuziehen, sondern im Gegenteil, den Menschen zu Gott zu erheben, uns mit ihm wieder zu vereinen. Von der Opferung eines Rindes sowie von der des Geflügels und der des Mehlopfers hat die Schrift den Ausdruck: »zum angenehmen Geruch«; sie macht zwischen einer großen oder kleinen Gabe keinen Unterschied, sondern lehrt: »Mag der eine viel, der andere weniger bringen, wenn dessen Herz sich nur dem Himmel zugewendet.« »Vielleicht glaubst du gar, Gott bedarf der Opfer zur Speise? Nicht doch! Es heißt: >Wenn ich hungerte, würde ich es dir nicht sagen, denn mir gehört die Welt mit dem, was sie füllt<; mir gehört alles Wild des Waldes, das Vieh auf den tausenden Bergen usw. >Ich sprach nie zu euch: >Opfert doch!< dass ihr sagt: >Ich habe seinen Willen vollführt, möge Gott meinen Wunsch erfüllen!< >Nicht meinetwegen sollt ihr opfern.< Er ging darin so weit, dass er sogar die von R. Akiba vorgetragene Lehre: »Die Schriftworte: >denn mich sieht kein Mensch und lebt.< (2. M.) beziehen sich auf die Chajoth, die Träger des Gottesthrones«, korrigierte und gegen dieselbe bemerkte: »Auch die Engel, die ewig leben, vermögen nicht Gott zu schauen..
b. Der Mensch und das Gesetz. Unter seinen vielen Lehren über dieses Thema heben wir rühmlichst den Ausspruch hervor: »Das Hauptgesetz der Thora ist der Mensch in seiner Entwicklung und Bildung.« Es war dies eine Lehre, die er der seines Zeitgenossen R. Akibas: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, ist das Hauptgesetz der Thora« entgegenstellte, um jeder Missdeutung des Begriffs »Nächster« vorzubeugen: »nicht der Nächste, sondern der Mensch ist das Hauptgesetz der Thora.. Ebenso klar ist ein anderer, ähnlicher Ausspruch von ihm: »Gott fürchte und sein Gebot beobachte, denn dies ist der ganze Mensch«, (Koheleth am Ende) »d. h. die ganze Welt ist nur für die Erfüllung des Gottesgebotes durch den Menschen geschaffen worden.. Über die Gesetzesbeobachtung lautete sein Spruch: »Eile der Erfüllung des geringsten Gebotes nach und fliehe die Sünde, denn ein Gebot zieht das andere nach sich und eine Sünde die andere; der Lohn für die Erfüllung des Gebotes ist das Gebot; ebenso der Lohn für die Sünde die Sande.« Auch diese Lehre war gegen die von vielen vorgenommene Auswahl und Aufstellung einzelner Gesetze aus der Thora als die allein für das Leben wichtigen und für den Israeliten verbindlichen, wie dies bei den Alexandrinern, Gnostikern und im Christentum geschah. Ähnlich ist sein anderer Spruch: »Verachte keinen Menschen und hebe keine Sache allzu sehr hervor, denn es gibt keinen Menschen, der nicht seine Zeit hätte und keinen Gegenstand, der nicht seinen Platz fände..
c. Weisheit, Geheimlehre und Mystik. Über seine Lehren darüber verweisen wir auf die Artikel: »Religionsphilosophie«, »Geheimlehre« und »Mystik«. Charakteristisch und zu- gleich nicht ohne geschichtliches Interesse ist sein hierher gehörender Ausspruch: »Wessen Sinn wegen seiner Weisheit zerrüttet wurde, gilt als gutes Zeichen, aber wessen Weisheit wegen seines Sinnes zerrüttet worden, ist ein böses Zeichen.«