Barkochba

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Barkochba, Sternessohn, auch: Bar­kosiba, oder: Benkosiba, Sohn Khesibs. Die große Nationalerhebung der Juden Palästinas unter der tapferen Anführung des Kriegshelden Barkochba gegen die römische Herrschaft in den Jahren 132 bis 135 n. gehört zu den bedeutendsten Abschnitten der jüdischen Geschichte. Sie tritt so überraschend und gewaltig auf, dass binnen Jahresfrist 5o feste Plätze und 945 Ortschaften von den Römern geräumt und von den Juden wieder zu einem jüdischen Staat umge­schaffen wurden, der sich 3 Jahre gegen die Übermacht Roms behauptete. Die Ursachen dieses Aufstandes, Barkoch­bas Auftreten und Anerkennung, seine Kriegsführung, der Fall Bethars, der Tod Barkochbas und die Besiegung des Aufstandes sind die Hauptpunkte, nach welchen wir die Geschichte dieser Volkserhebung zu beleuchten und dar­zustellen versuchen.

I. Die Ursachen. Nach den jü­dischen Quellen, welche Schilderungen der Zustände Palästinas in den ersten 5o Jahren nach der Zerstörung des Tempels enthalten, waren die Ursachen des Aufstandes:

a) die allmähliche Wiederkräfti­gung des Volkswohlstandes und mit ihr die Rückkehr der Sehnsucht nach nationaler Selbständigkeit und

b) die Zunahme der Bedrückungen von Seiten Roms, die den Hass gegen die Römerherrschaft vergrößerte. In den Artikeln: Arbeit, Ackerbau, Han­del, Schulen, Erziehung, Armut, Leiden u. a. m. haben wir die Tätigkeit der Ge­setzeslehrer des I. Jahrh. n. für die He­bung des Volkswohlstandes nachge­wiesen. Arbeit und Selbsthilfe stellten sie als die ersten Mittel zur Vernich­tung der Armut und des sittlichen Ver­falls auf. »Der Mensch«, lehrte R. Tar­phon, »stirbt nur in Folge des Müßigganges.« Ein anderer, R. Juda ben Bathyra mahnte: »Wer seine Ar­beit hat, was soll er tun? Hat er einen Hof zerstört, das Feld verwüstet, so stelle er alles wieder her, denn also heißt es: >sechs Tage arbeite und ver­richte dein ganzes Werk<, dein ganzes Werk, das bezieht sich auf die zerstör­ten Höfe und verwüsteten Felder.« »Die Arbeit«, meint ein Dritter, »ist gleich der Thora das Gottesbündnis mit dem Menschen; er liebe sie und hasse sie nicht.« Das Zweite ihrer Tä­tigkeit war die Erstrebung einer Einheit in der Lehre und dem Leben des Volkes. Unter dem Patriarchat R. Gamliel II. wurden die Synhedrialsitzungen zur Ausgleichung der Verschiedenheit in der Gesetzesauffassung gehalten, wo man nach Stimmenmehrheit entschied und denjenigen mit dem Bann belegte, der sich nicht den Majoritätsbeschlüs­sen fügte. Um das Partei- und Sekten­wesen in seinen Wurzeln zu zerstören, wurde der biblische Kanon wiederholt festgestellt, die Apokryphen ausge­schieden, die externen Schriften verbo­ten, der Umgang mit Judenchristen und gnostischen Sekten beschränkt u. a. m. Nach außen strebte man eine Aussöhnung mit den Nachbarvölkern anzubahnen. Bekannt ist der Beschluss des Synhedrions unter dem Vorsitze des R. Eliser b. A., man dürfe Prose­lyten auch von den Völkerschaften Ammon und Moab aufnehmen, ferner die Lehre des R. Josua, dass auch Hei­den, wenn sie tugendhaft sind, Teil am jenseitigen Leben, der Seligkeit haben; endlich die Anordnung, die Armen der Heiden gleich denen der Juden zu spei­sen, ihre Leichen zu bestatten u. a. m. So wurde das Volk unter der Leitung seiner Lehrer aus seiner Erniedrigung gehoben und der Einheit zugeführt. Bei diesen wieder gewonnenen Kräften wachte im Volke der alte Freiheitssinn wieder auf; der Schmerz, sein Heilig­tum, den Tempel zu Jerusalem, zerstört zu wissen, die jüdischen Religionsge­setze von den Griechen und Römern verhöhnt zu sehen, durchzuckte weh­mütig die Gemüter und alles sehnte sich nach baldiger Erhebung aus sol­cher Erniedrigung. Aber dieses hätte noch den Aufstand nicht hervorgeru­fen, wären nicht die harten Bedrückun­gen der römischen Herrschaft hinzugekommen, die sich unter Trajan und Hadrian bis zur Unerträglichkeit stei­gerten. Aus der Zeit Domitians nennen wir die Edikte der Güterkonfiskation gegen die Juden, die sich den auf ihnen lastenden Steuern zu entziehen wagten, ferner die Gesetze zur Verfolgung jü­discher Proselyten, die als Gottesleug­ner angeklagt, ihres Vermögens be­raubt, oft zum Tode verurteilt wurden. Härter müssen die Bedrückungen unter Trajan gewesen sein, da die Juden im Osten und Westen, Nordafrika und Asien, in Zyrene, Zypern, Alexandrien und in den Euphratländern in mehre­ren Aufständen gleich Löwen kämpften und wie Rasende gegen ihre Feinde wüteten. Dio Cassius (1. 69.) erzählt: »Die Juden haben sich überall empört und zusammengeschart, auch viele Völker machen mit ihnen gemein­schaftliche Sache.« Gegen die in Ägyp­ten, Zypern, Cyrene und Alexandrien rückte Turbo vor und gegen die in den babylonischen Ländern musste Lusius Quietus ziehen. Die Sache schien mehr einen religiösen als einen politischen Charakter angenommen zu haben, sie betraf die Juden aller Länder des rö­mischen Reiches. Der Talmud erzählt von einem Senatsbeschluss gegen die Juden des ganzen römischen Reiches, der eine Reise des Patriarchen R. Gam­liel II. mit anderen Gesetzeslehrern nach Rom zur Folge hatte. In der Mitte zwischen den Ländern der aufstän­dischen Juden des Ostens und Westens lag Palästina, das bei einer Bereinigung mit denselben einen furchtbaren Krieg gegen Rom hätte heraufbeschwören können. Mit der größten Vorsicht ver­traute Trajan die Statthalterschaft Syri­ens seinem Verwandten Hadrian an und sandte Lusius Quietus nach Paläs­tina. Aber letzterer, der schon gegen die Juden in Parthien gekämpft hatte, war bei den Juden in Palästina ver­hasst, es kam zu mehreren kleinen Auf­ständen, die jedoch bald unterdrückt wurden. Julianus und Pappus, die Häupter des Aufstandes, wurden ge­fangen und zum Tode verurteilt. Es waren dies kleine Vorspiele eines spä­teren, größeren blutigen Dramas, das nur verschoben wurde. Auch die Auf­stände der Juden der anderen Länder wurden, wenn auch mühsam, unter­drückt, so dass die Ruhe wieder herge­stellt zu sein schien. Befördert wurde dieselbe durch den plötzlichen Tod Trajans und die Thronbesteigung Had­rians, der im Jahre 118 n. den aufstän­dischen Provinzen eine Versöhnungs­politik ankündigte und sich auch den Juden günstig zeigte. Er rief den ihnen verhassten Lusius Quietus von Paläs­tina ab, setzte die gefangenen Julianus und Pappus auf freien Fuß und ver­sprach den Wiederaufbau Jerusalems und des Tempels. Groß war die Freude der Juden darüber, der Tag der Freilas­sung des Julianus und Pappus wurde als Halbfest unter dem Namen: »Tra­janstag« eingesetzt. Auch Jerusalem begann sich aus seinen Trümmern zu erheben. Akyles, der in den jüdischen Schriften als Proselyt und Übersetzer des Pentateuchs bekannt ist, wurde mit der Aufsicht des Wiederaufbaues von Jerusalem betraut. Schon ließen die Ju­den aus Dankbarkeit zu Ehren des Kai­sers Münzen prägen, welche auf der einen Seite Judäa als eine aufs Knie ge­sunkene Frauengestalt, die der Kaiser aus ihrer gesunkenen Stellung aufrich­tet, abgebildet haben. Um diese Figur stehen drei Knaben mit Palmenzwei­gen, als Bild der drei Provinzen: Judäa, Galiläa und Peräa. Auf der anderen Seite der Münze wird der Kaiser mit Judäa opfernd dargestellt. Die Inschrift derselben war: »adeunti Aug (usto) Ju­daeae«, »dem Kaiser (diese Münzen) auf seiner Durchreise«. Mit der größ­ten Begeisterung wurden die Vorberei­tungen zum Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem betrieben. Julianus und Pappus, die Leiter des Aufstandes ge­gen Quietus, stellten Wechseltische in Galiläa und Syrien von Akko bis Antiochien auf, wo die ausländischen Mün­zen für den Tempelbau gegen inländi­sche umgewechselt wurden. Da änderte sich plötzlich die Gesinnung Hadrians. Den argwöhnischen Kaiser soll die An­schuldigung eines Samaritaners, der Wiederaufbau des Tempels habe einen Abfall von Rom zum Hinterhalte, ganz umgestimmt haben. Er wollte nichts von seinem Versprechen wissen und befahl zum Vorwand, den Tempel nach einem anderen Abriss auf einer ande­ren Stelle aufzubauen. Groß war die Bestürzung, als hiervon die Nachricht in Judäa eintraf. Im Tale Rimon, wo das Volk zusammenkam, wurde das kaiserliche Schreiben verlesen; alle bra­chen in Tränen aus. Da trat der Ge­setzeslehrer R. Josua ben Ch. auf und suchte das Volk durch ein Gleichnis zu beruhigen. »Man sollte froh sein«, schloss er, »den Kopf unversehrt aus dem Rachen des Löwen gezogen zu ha­ben.« Der Aufstand war nur verscho­ben. Annius Rufus kam als Statthalter nach Palästina, der wegen seiner Grau­samkeit gegen die Juden von ihnen nicht anders als »Tyrannos Rufus« ge­nannt wurde. Ein Verbot auf das an­dere erfolgte. Jerusalem, das im Wie­deraufbau war, sollte in eine Heidenstadt unter dem Namen »Aelia Capitolina« verwandelt und über die Tempelstätte als Zeichen ewiger Verwüstung der Pflug gezogen werden. Gegen die Volks­führer Pappus und Julianus wurde wie­der der Tod beschlossen; ebenso über den Patriarchen R. Gamliel II. Weiter wurde den Juden bei Todesstrafe ver­boten, sich auch nur der Ringmauer des neu erbauten Jerusalems zu nähern. Das war für die Juden mehr als sie er­tragen konnten. Indessen kamen diese Edikte nicht zur Ausführung. R. Gam­liel starb und Akyles verherrlichte die Bestattung seiner Leiche durch Ver­brennung kostbarer Gewänder. R. Jo­sua suchte in Alexandrien Hadrian auf, von dessen Unterredung mit ihm eine spätere Zeit uns einige Bruchstücke aufbewahrt hat. Aber schon bereiteten sich wieder die Juden über Palästina hinaus zum Aufstande vor. Auch die Gesetzeslehrer scheinen diesmal für denselben in ihren Vorträgen tätig ge­wesen zu sein. So lehrte R. Elieser: »Fünf Gegenstände brachten den Israe­liten in Ägypten die Erlösung: die Lei­den, die Buße, das Verdienst der Ahnen, die Barmherzigkeit Gottes und die zu Ende gegangene Zeit.« »Und sollte Is­rael«, bemerkte R. Josua seinem Freunde R. Elieser, »für seine Erlösung keine Buße tun, wird Gott ihm einen König wie Haman erstehen lassen, des­sen Verfolgungen es zur Buße stimmen werden.« »Senket tief meinen Sarg in die Erde«, sprach sterbend der sonst friedliche R. Jose ben Kismai, »denn es wird in Palästina keinen Sarg geben, der nicht zur Krippe für die Rosse Me­diens dienen werde.« Diese so für den Aufstand gereifte Zeit fand ihren Aus­druck in dem plötzlichen Auftreten des tapferen Volkssohnes und Revolutions­helden Barkochba.

II. Barkochbas Auftreten und Aner­kennung. Der Mann, der jetzt die Auf­merksamkeit Aller auf sich lenkt, ist eine bis dahin unbekannte Persönlich­keit. Man weiß nichts von dessen Ab­stammung, Heimat, Erziehung und Bil­dung. Auch sein Name ist dunkel und veranlasst verschiedene Deutungen. Er heißt: »Barkochba« Sohn Kokhabs und »Barkosiba oder Benkosiba« Sohn Khosibas, von denen der erste Name auf die Stadt »Kokhab« und der andere auf den seines Vaters bezogen wird. Andere leiten auch letzteren von der Stadt Khesib, Kedippa, her. Beide Be­nennungen lassen eine symbolische Deutung zu; es bezeichnet die eine »Barkochba«, »Sternessohn«, seinen Glücksstand und die andere: »Bar Ko­siba«, »Lügensohn«, seinen Fall. Von diesen zwei kommt in jüdischen Schrif­ten nur letztere: »Bar Kosiba« vor. Un­bestimmt bleibt es, ob der Name »Si­mon« auf den jüdischen Münzen aus dieser Zeit auf ihn sich beziehe, so dass er vollständig »Simon Sohn Khosiba« hieß. Von seiner Familie wird ein einzi­ger Verwandter genannt: R. Elieser aus Modein, ein berühmter Agadist, der um ihn in der Festung Bethar war und für den glücklichen Ausgang des Krie­ges fastete und betete. Aber desto mehr erzählt man von seiner gewaltigen Kör­perkraft, seiner Gewandtheit und sei­nem kriegerischen Mute, wie er das Vertrauen des Volkes für sich gewann und die Tausende zu den tollkühnen Unternehmungen entflammte »Bar­kochba, erzählt die Sage, konnte die Steine, die die Römer mittels Kriegsma­schinen auf das jüdische Heer schleu­derten, mit dem Knie zurückwerfen und soll öfter ausgerufen haben: »Herr, wenn du uns nicht helfen willst, so hilf doch auch nicht unserem Feinde!« R. Akiba rief ihm zu: »Das ist der König, der Messias!« und bezog auf ihn die Verheißung: »Es tritt ein Stern von Ja­kob auf und es ersteht ein Stamm aus Israel, welcher zerschmettert die Häup­ter Moabs und zertrümmert die Söhne Seths!« Ferner: »Nur ein Geringes, ich erschüttere Himmel und Erde, stürze den Thron der Reichen und vertilge die Macht der Heiden.« Er ging in dieser Huldigung so weit, dass er selbst sich ihm zur Verfügung stellte und sein Waf­fenträger wurde. Keiner größeren An­erkennung bedurfte es mehr; Barkochba wurde als der Erlöser Israels, der die Juden von dem Joche der römischen Herrschaft befreien werde, betrachtet. Indessen teilten nicht alle Gesetzesleh­rer diese Huldigung Barkochbas. R. Jochanan ben Torta rief: »Akiba! Eher wird Gras aus deinem Kinnbacken wachsen, ehe der Messias gekommen sein wird! « Es mochte sich eine Gegen­partei, wie im Kriege gegen Titus, gebil­det haben, die aber nicht durchdrang und dem starken Zeitsturme nachgeben musste. Wir haben schon oben den R. Josua genannt, der das Volk in seiner ersten Aufregung in der Ebene Rimon beruhigte und von einem Aufstande ab­riet. Ein Zweiter, R. Jose ben Kisma, erklärte sich offen für die Römer, deren Herrschaft er für eine von Gott einge­setzte hielt. Samuel, der Jüngere, sprach vor seinem Tode: »R. Simon, Sohn Gamliels II., beschleunigt den Ruin, das ganze übrige Volk wird der Plünderung preisgegeben, große Leiden werden fol­gen.« Ebenso weissagte R. Elieser, Sohn Hyrkanos, dem R. Akiba, als er ihn in seiner Krankheit besucht hatte, einen schrecklichen unnatürlichen Tod.

III. Kriegsführung, Siege, Nieder­lage, Fall Bethars, Barkochbas Tod und Folgen. Von den Anordnungen Barkochbas zu den Kriegsrüstungen wer­den besonders drei genannt: er befahl, dass jeder, welcher sich in das Heer aufnehmen lassen will, als Beweis der Tapferkeit sich zuvor einen Finger ab­hauen müsse; dass alle, welche früher aus Furcht die Beschneidung unkennt­lich gemacht haben, dieselbe wieder durch eine neue Operation herstellen sollen und endlich, dass mehrere Städte befestigt und kriegstüchtig gemacht. werden. Von diesen stieß die erste auf starken Widerspruch bei den Gesetzes­lehrern, man warf ihm die Verstümme­lung der Jugend vor. Sie schlugen ihm ein anderes Mittel vor, die Ausreißung einer Zeder auf dem Libanon, und er willigte ein. So brachte Barkochba ein Heer von 200 000 Mann mit abgehau­enen Fingern zusammen und eins von zoo 000 Mann, die durch Ausreißen der Zedernbäume auf dem Libanon ihre Tapferkeit erwiesen hatten. Von den Städten, die befestigt und in wehr­haften Zustand gesetzt wurden, nen­nen wir erst die feste Stadt: Bethar oder Bettar. Die Lage derselben war in Ju­däa, auf dessen Gebirge, das eine Menge von Burgen auf sich hatte, un­ter denen Bethar als die größte und stärkste hervorragte. Sie -hatte eine zahlreiche Bevölkerung, war von unge­heurem Umfange, unweit Jerusalem und vom Meere 4o Mil = 5,95 preußi­sche Meilen entfernt. Schon vor der Zerstörung Jerusalems war sie bedeut­sam, sie hatte ein Synhedrion, zählte mehrere hundert Kinderschulen und schien nun Mittelpunkt der jüdischen Bevölkerung geworden zu sein. Außer Bethar wird von dem ganzen »Königs­berg« Tur Malka, gleich wie von einer Festung gesprochen. Es ist dies ein Teil des Gebirges Juda, auf welchem schon die Hasmonäer und die Herodäer un­zählige Burgen und Festungen hatten. Der Name »Berg Simons«, den es auch führt, bezieht sich auf Simon, den Has­monäer, den ersten Makkabäerfürsten. Außer diesen werden noch drei feste Plätze namhaft gemacht, die von den Römern nach dem Falle Bethars ge­nommen und ganz verwüstet wurden: Kefar Bisch in Idumäa, Kefar Dichrin, ebenfalls eine Stadt im Süden Judäas, in Norden von Eleuthropolis und Ke­far Schichlaim, auch im Süden Palästi­nas. Im Ganzen zählt Dio Cassius 50 feste Plätze und 985 Ortschaften, wel­che die Juden innehatten. R. Jochanan, ein Lehrer im z. Jahrh., berichtet, dass von Gebath, der Grenzstadt Judäas im Süden, bis Antipatris, der nördlichen Grenzstadt Judäas, Tausende von Städ­ten waren, die durch Hadrian zerstört wurden. Viel mochten R. Akibas Rei­sen, der, wie schon erwähnt, eine fast schwärmerische Hingebung für Bar­kochba an den Tag legte, zu dieser Kriegsvorbereitung beigetragen haben, so dass Kriegsmannschaften und Sub­sidien von nah und fern zuströmten. So war Judäa der Schauplatz der kriegeri­schen Bewegungen Barkochbas; noch einmal standen die jüdischen Heere den römischen gegenüber, die großen Makkabäertage schienen wiederge­kehrt zu sein. Über die Kriegsoperation fließen die Berichte nur spärlich. Den Ausbruch des Kampfes sollen geringe Gegenstände hervorgerufen haben, wie dies bei vorbereiteten Aufständen der Fall ist. Die Verspottung und Störung gewisser jüdischer Volksbräuche durch römische Soldaten waren das Signal für die Juden, zu den Waffen zu greifen. Vor einem Brautpaar am Hochzeitstage trug man nach Sitte ein Paar Hausvögel bei­derlei Geschlechts einher. Ein Trupp rö­mischer Soldaten begegnete dem Braut­zuge und nahm ihm gewaltsam das Hühnerpaar weg, worauf die Juden über sie herfielen und sie töteten. Had­rian erhielt hiervon Nachricht und ließ seine Legionen in Tur Simon einrücken. Der Kampf brach aus und der römi­sche Feldherr Annius Rufus war von der Menge der gut bewaffneten jüdi­schen Kriegscharen überrascht. Seine Legionen waren diesen von Rache ent­brannten Kriegern nicht gewachsen, die römischen Soldaten überließen den Juden einen festen Platz nach dem Platz, so dass sie im Laufe des Jahres an 5o feste Plätze und 945 offene Städte in ihrem Besitz hatten. Auch die von Hadrian nachgesandten Verstär­kungen mit den besten Feldherren an ihrer Spitze richteten nichts aus. Bar­kochba blieb Sieger und Palästina war fast ganz von den Römern geräumt. So berichtet uns Dio Cassius. Hiermit ha­ben wir die talmudischen Nachrichten von den barkochbaischen Münzen in Verbindung zu setzen, die zum Anden­ken dieser ersten Siege geprägt wurden. Zwei und ein halbes Jahr dauerte die Zeit der glücklichen Kämpfe der Juden, bis Hadrian noch einen Versuch wagte und den tapferen und schlauen Feld­herrn Severus mit den besten Truppen aus Britannien zur Bekämpfung der Ju­den nach Palästina sandte. Über den Verlauf des zweiten und letzen Teiles des Kampfes haben die jüdischen Quel­len ziemlich ausführliche Schilderun­gen, die uns einen tieferen Einblick in die weitere Geschichte dieses Aufstan­des eröffnen. Zweiundfünfzig Schlach­ten, erzählt man, haben die römischen Heere den jüdischen geliefert, bevor sie wieder Herren des Landes werden konnten. Als Grund der plötzlich un­glücklichen Wendung der letzten Kämpfe werden die Überschätzung der eigenen Kräfte und die Abnahme der höheren Begeisterung, die nur im star­ken Glauben an den Beistand Gottes Wunder tut. Barkochba mit seinem Heere in Bethar, Bardroma, der Ver­teidiger der Festung Tur Simon und die zwei tapferen Brüder in Kefar Charuba fielen, heißt es, weil sie frevelnd aus­riefen: »Gott hilf nur nicht den Fein­den, uns brauchst du nicht zu helfen!« Hierzu kam noch eine Parteispaltung im Inneren der Judenheit, die von unberechenbaren verhängnisvollen Folgen waren. Die schon erwähnte Mi­norität gegen die Anerkennung Barko­chbas schien am Ende des Kampfes zu einer starken Gegenpartei herangewachsen zu sein, die den Barkochba im Stillen beobachtete, um in rechter Zeit gegen ihn auftreten zu können. Barko­chba, so erzählt eine Stelle, regierte 21/2 Jahre und forderte die allgemeine An­erkennung als Messias. Da riefen ihm die Rabbiner zu: »Von dem Messias heißt es: >Gottesfurcht atmet aus ihm, er richtet nicht nach Augenschein<, wir wollen sehen, ob du auf diese Weise richtest!« Als er dies nicht zu tun im Stande war, beschlossen sie über ihn den Tod. Eine Beleuchtung dieser Stelle haben wir in folgender Erzählung: R. Elasar aus Modein, der Verwandte Barkochbas, ein wegen seiner Fröm­migkeit hoch geachteter Volkslehrer, der während der Belagerung Bethars für die Rettung dieser Stadt fastete und betete, wurde plötzlich des Verrats ver­dächtigt. Ein Samaritaner, ein Spion der Römer, schlich sich durch einen unterir­dischen Gang in die Stadt und flüsterte R. Elasar etwas ins Ohr, um ihn, da er als Schutzgeist der Festung galt, bei dem Volke verdächtig zu machen und so den Glauben an ihn zu erschüttern. Barko­chba erhielt hiervon Nachricht und be­schied den Samaritaner vor sich. Zum Verhör sprach er arglistig die den obi­gen gelehrten verdächtigenden Worte: »Wenn ich die Wahrheit sage, tötet mich mein Herr, verheimliche ich sie, so wirst du mich töten; ich sterbe lieber durch deine Hand, als ich die Geheimnisse meines Herrn verrate.« Dies war genug, um R. Elasar des Einverständnisses mit dem Feinde zu verdächtigen. Auch er wurde vorgeführt und befragt. Aber er beteuerte, er wisse von nichts. Da ge­riet Barkochba in Zorn und versetzte ihm einen Stoß mit dem Fuß, dass er tot hinfiel. Über diese verruchte Tat er­scholl eine Gottesstimme (Bathkol): »Du hast den Arm Israels gelähmt und sein Auge geblendet, darum wird dein Arm gelähmt und dein Auge geblen­det!« So wurde Bethar erobert und Barkochba getötet. Ein Heer von 8o 000 Mann belagerte Bethar ein gan­zes Jahr ohne etwas auszurichten. Da bahnte Verrat von Seiten der Samarita­ner dem Feinde den Weg in die Festung, Bethar war in den Händen der Römer. Die Stadt war sehr groß und zahlreich an Bewohnern, die besonders während des Krieges von allen Landesteilen hier Zuflucht suchten. Die Sage spricht von 400 Synagogen, von ebensoviel Kin­derschulen, von denen jede ebensoviel Schüler zählte, alle diese, erzählt R. Si­mon Sohn Gamliel II., vernichtete das Feuer nach der Eroberung der Festung. Erschreckend ist das Bild des Blutba­des, das nach späteren Berichten nun die Römer anrichteten. 8o 000 Mann drangen in Bethar ein und töteten ohne Schonung Mann, Frau und Kind, bis das Blut in Gestalt eines Flusses ins Meer sich ergoss. Zwei Ströme in der Tiefebene (bikath jadaim) schwollen vom Blute der Gefallenen an, die nach einer Sage die schwersten Steine mit sich fortrissen und 7 Jahre waren die Weinberge von dem Blute der Erschla­genen gut gedüngt. 300 Kindergehirne fand man an einem Felsen, die ganze Jugend Bethars war vernichtet, von der nur R. Simon Sohn Gamliels I. allein gerettet wurde. Von den gefallenen Leichen ließ Hadrian um seinen 18 Mil großen Weinberg eine Mauer zie­hen, er gönnte den Toten nicht die Ruhe. Die Zahl der Gefallenen soll nach Dio Cassius über eine halbe Mil­lion betragen haben. Barkochba selbst fand man, von einer Schlange umwun­den, über den der Sieger in den Worten ausbrach: »Hätte ihn Gott nicht getö­tet, Menschen vermochten ihn nicht zu töten!« Noch grauenhafter wird von dem Gemetzel in der eroberten Festung Tur Simon, die von Bardroma verteidigt wurde, erzählt. 300 000 Mann drangen in sie ein, drei Tage und drei Nächte dauerten die Mord­taten in ihr. Die Stadt war so groß, dass, während in dem einen Stadtteile das Röcheln der Hingemordeten alles übertönte, in dem anderen nichts als von Musik und Tanz zu hören war. Mit dem Fall dieser beiden Festungen war der Krieg noch nicht zu Ende. In Kefar Charuba unterhielten zwei Brü­der noch lange den Kampf. Er wurde mit Glück fortgesetzt, da sich hier die zersprengten jüdischen Heere wieder zusammenfanden. Man war entschlos­sen, sie an die Stelle Barkochbas zu Königen auszurufen, aber auch von ih­nen wendete sich das Glück. Sie wur­den in einer Schlacht geschlagen. Die Sage lässt auch sie tot, von Schlangen umwunden, finden und gibt das frevlerische stolze Selbstvertrauen als Grund ihres Falles an. So verhängnisvoll en-dete der Aufstand, der im Ganzen 3 Jahre gedauert hat.