Chaber
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Chaber, Genosse; Chaberbund, Chabura, Genossenschaft,. auch: Kneseth, Versammlung, Gemeinde; Bne Kneseth, Gemeindemitglieder.
I. Name, Wesen, Arten und Klassen. In der Auffassung und Darstellung der unter diesem Namen auftretenden Genossenschaft in der nachbiblischen und talmudischen Zeit weichen die Forschungen unserer Gelehrten auffallend voneinander ab. Der eine hält den Chaberbund für eine Priestergenossenschaft, doch sieht derselbe sich bald genötigt, auch an einen solchen Bund der Pharisäer zu denken. Ein anderer sieht in dem Chaberbund den Verband der Essäer nach seinen verschiedenen Klassen, eine Annahme, zu der wir uns schon deshalb nicht bekennen, da bekanntlich die Essäer den Opferkultus mieden, den Tempel nur äußerst selten besuchten, beides jedoch bildete den Mittelpunkt der Reinheitsbestimmungen des Chaberbundes. Die Dritten denken bei den Chaberim nur an die Pharisäer, aber sie vergessen, dass die Pharisäer nur eine Klasse des Chaberbundes und zwar die niedrigste desselben ausmachten. Der Vierte endlich betrachtet die Chaberim als eine frömmere Klasse der Pharisäer, die Elite derselben. Ebenso unzutreffend ist die Angabe über den Zweck des Chaber bundes: »Die Übertragung der Heiligkeit des Priestertums auf das Volk, um dasselbe zu einem Abbild priesterlicher Heiligkeit zu erheben«, da sämtliche Bestimmungen desselben ihre Beziehungen auf Tempel und Opferkultus hatten, beide vor Profanierung, Verunreinigung, zu schützen. Wir sehen daher von diesen Annahmen ab und halten uns dafür an die Sache selbst. Der Name »Chaber«, Genosse, bezeichnet im talmudischen Schrifttum das Vereinsmitglied des Verbandes von Juden während des zweiten jüdischen Staatslebens zur Aufrechterhaltung der Zehntablieferung und der Beobachtung der Reinheitsgesetze in ihrer Beziehung auf den Opferkultus, der Reinhaltung von levitischer Verunreinigung nach vier Graden: a. für den Genuss der profanen Speisen in levitischer Reinheit;
b. für den Genuss der Hebe, Theruma; c. für den Genuss des Heiligen, der Opferstücke; d. für den Genuss vom Sündopfer, d. h. zur Aufnahme des Sprengwassers von demselben.
Der Zweck dieses Vereines war ein zeitlicher, die Beseitigung der durch die Syrerkriege in Palästina eingetretenen Zerrüttung in der Beobachtung der jüdischen Kultusgesetze. Schon während des Kampfes traf R. Jose ben Joeser, wohl als Vorsitzender des Synhedrions, die Anordnung, welche alles Ausländische für unrein erklärte. Wie zur Zeit Esras sollte dadurch die Absonderung von allem Heidnischen erzielt werden. Als eine fromme Tat wird diesem Gesetzeslehrer nachgerühmt, dass er von den oben genannten vier Graden der Reinheitsgesetze die ersten zwei beoachtet. Einige Jahrzehnte später kam ein Zweites hinzu. Hyrkan I. (135 v.) veranstaltete eine Landesvisitation, ob das Volk nach Vorschrift die Priester-, Leviten- und Armenzehnten ablieferte. Dieselbe ergab, dass nur die Hebe, Theruma, aber nicht die anderen Zehnten abgegeben wurden. Man beschloss darauf, sämtliche zehntpflichtige Fruchtgattungen bei dem Landvolke für zweifelhaft verzehnt, dmai, zu halten. Nur die Früchte desjenigen galten für verzehnt, der sich über seine Glaubhaftigkeit ausweisen konnte, was entweder durch den Eintritt in den Chaberbund oder durch Anlehnung an ihn geschah. Ersteres erwarb ihm den Namen »Chaber«, Genosse, durch letzteres hieß er: neeman, Beglaubigter. So entstand der Bund der Genossen, der Chaberbund, der, wie schon erwähnt, die Aufrechthaltung der Zehntablieferung und die Beobachtung der Reinheitsgesetze in seine Bestimmungen aufnahm. Derselbe bestand in zwei Abteilungen:
c. der Zehntbeobachtung und Reinhaltung von levitischer Verunreinigung für den Genuss der profanen Speisen;
2. der höheren Reinheitsgesetze für den Genuss der Hebe, Theruma, des Heiligen, d. h. der Opferstücke und des Sündopfers, d. h. der Aufnahme des Sprengwassers. Von diese, hieß die erste Abteilung: Kneseth, Versammlung, Gemeinde, oder: Khenaphaim, Flügel, Hände, oder »zu den Flügeln«, d. h. zu den Hände Reinigenden, die sich zum Genuss der Speisen die Hände waschen; die zweite: Teharoth, höhere Reinheitsbeobachtungen. Im Ganzen gruppierte sich der Chaberbund nach vier Klassen:
a) der Zehntbeobachter, die zugleich profane Speisen in levitischer Reinheit genossen;
b) der Reinheitsbeflissenen für den Genuss der Hebe;
c) der Reinheitsbeflissenen für den Genuss des Heiligen, der Opferstücke;
der Reinheitsbeflissenen für das Sündopfer, d. h. für das Sprengwasser. Die Männer der ersten Klasse waren die Pharisäer im Allgemeinen, zu den anderen drei gehörten die Leute höherer Frömmigkeit, die Frommen, die Chassidäer. Der Chaberbund war somit eine Vereinigung der Pharisäer und Chassidäer, so dass diese die extreme Richtung jener bildeten. Aufgenommen in denselben wurde von jeder Klasse der jüdischen Bevölkerung; er war kein Verband von Priestern allein, etwa einer Priesteraristokratie, wie man glaubte, sondern zählte Priester und Nichtpriester zu seinen Mitgliedern. Der Aufgenommene hieß: »Genosse«, Chaber, genauer: »Sohn der Versammlung«, »Gemeindeglied«, Ben hakhueseth, wenn er nur der ersten Abteilung angehörte. Der Zweck des Bundes war, das Heilige vor Profanierung zu schützen, Priester und Volk für dasselbe stets vorbereitet zu halten. Die Nichteingetretenen nannte man »Volk des Landes«, »vom Volke«, deren Früchte als zweifelhaft verzehnt und deren Speisen und Kleidung für unrein galten. Diese Benennungen »Chaber«, Genosse, und »Am Haarez«, Landvolk, in ihrer gegensätzlichen Bezeichnung erhielten später, wohl in Folge der immer größeren Kluft zwischen beiden, einen weiteren Begriff, man verstand unter »Chaber« auch den Gelehrten, und unter »AmHaarez« den Unwissenden, den nicht nach jüdischer Sitte Lebenden.
II. Bestimmungen und Aufnahme. Die Bestimmungen dieses Bundes werden uns erst von den späteren Lehrern, meist von denen des 1., z. und 3. Jahrh. n. mitgeteilt, wir wissen nicht, ob alle gleich anfangs festgesetzt wurden oder sie erst im Verlaufe der Zeit zugekommen sind. Nach denselben hatte der Aufgenommene ein Probe- und Lehrjahr zu bestehen; die Aufnahme desselben geschah zunächst für die erste Abteilung, die unterste Klasse der vier oben erwähnten, wo er sich bei Beobachtung der Zehntpflichten vor levitischer Unreinheit in Acht nehmen und die Speisen in levitischer Reinheit genießen soll. Später konnte er auch in die anderen Klassen der höheren Reinheitsbeobachtungen nämlich: a) der für den Genuss der Hebe, Tehruma; b) der für den Genuss des Heiligen und c) der für das Sündopfer eintreten. Das Versprechen, treu den Bestimmungen des Bundes zu leben, musste vor drei Genossen, Chaberim, abgegeben werden. Von demselben konnte keiner dispensiert werden, auch nicht der Gelehrte, nur der Gesetzeslehrer, der einer Akademie vorstand, war davon befreit. Die Aufnahme des Mannes galt für seine Frau und Kinder, später jedoch war die Anordnung des Patriarchen R. Simon ben Gamliel, dass jedes Familienglied extra einzeln aufgenommen werden müsse. Traten die Witwe, die Tochter, der Sklave eines Am Haarez, Nichtgenossen, in Dienst beim Genossen, so bedurften auch diese, um glaubhaft zu werden, der Aufnahme in den Chaberbund. Ebenso soll die Tochter eines Nichtgenossen, Am Haarez, wenn sie sich mit einem Chaber verheiratet, zuvor zur Erlangung ihrer Glaubhaftigkeit in den Chaberbund aufgenommen werden. Stirbt ein Genosse, so werden seine Frau und Kinder als Genossen, Chaberim, weiter angesehen, bis sie sich eines Verdachtes schuldig gemacht haben. Die Bestimmungen für den Genossen, Chaber, waren: von oder an einen Am Haarez, Nichtgenossen, weder Flüssiges noch Trockenes zu kaufen oder zu verkaufen, nicht bei ihm zu speisen oder ihn als Gast in seinen Kleidern aufzunehmen; ferner: keinen Begräbnisplatz zu betreten, keine Hebe, Theruma, und Zehnten eines Nichtgenossen, Am-Haarez, zu geben, vor ihm nichts vorzunehmen, was der Reinheitsbeobachtung bedarf u. a. m. Spätere Bestimmungen von R. Juda (im z. Jahrh. n.), die jedoch keine gesetzliche Kraft erhielten, waren: kein Kleinvieh in Palästina aufzuziehen, nicht oft Gelübde abzulegen, nicht viel zu lachen, an Toten sich nicht zu verunreinigen und das Lehrhaus zu besuchen.
III. Geschichte und Würdigung. Für die Entstehung des Chaberbundes wird, wie schon oben bemerkt wurde, die Zeit Hyrkans I. (13 z v.) angegeben, er hatte jedoch in der Lebensweise des Chassidäers R. Jose ben Joeser und R. Jochanan ben Gudgeda seinen Vorläufer. Von ersterem wird nachgerühmt, er habe die höhere Reinheit für den Genuss der Hebe, Theruma, beobachtet. Letzterer ging noch weiter und befliss sich der Reinheit für den Genuss des Heiligen, der Opferstücke. Unter Hyrkan I. traten die Pharisäer, welche die Zehntpflichten wissen wollten, mit den Chassidäern, denen ebenso die höheren Reinheitsbestimmungen am Herzen lagen, zu einem engeren Bündnisse zusammen; es war »der Bund der Genossen«, der Chaberbund. Gegner des Bundes blieb das Landvolk. Und die Sadducäer. Eine andere Genossenschaft, die Essäer, lebte in stiller Zurückgezogenheit und trat aus jeder Beziehung zu den bestehenden religiösen Organen. Aus den uns erhaltenen Aussprüchen und Anordnungen der Gesetzeslehrer verschiedener Zeiten ergibt sich, dass der Chaberbund im Laufe der Zeit viele Modifikationen erlitten hat. R. Chanina ben Antigones teilt mit, dass man nach der Zerstörung des Tempels nicht mehr die höheren Reinheitsbeobachtungen jedem anvertrauen wollte. Die Auflösung des Staates durch Titus mit ihren traurigen Folgen hatte eine arge Verwirrung zurückgelassen. Schon früher bildete die Bestimmung der Probe- und Lehrzeit des Aufzunehmenden einen der Streitpunkte zwischen der Schule Samais und der des Hillel, von denen die eine dieselbe für Reinhaltung von Flüssigem auf 3o Tage und für die des Gewandes auf z Jahr festsetzte, aber die andre für beides I Jahr bestimmt haben wollte. Eine andere Erschwerung war die des R. Simon ben Gamliel (kurz vor der Zerst. d. T.), dass auch die Kinder des Genossen extra der Aufnahme in den Bund bedürfen. Eine weitere Anordnung will, dass man die frühere Führung des Aufzunehmenden, wie er gelebt, in Betracht ziehe. Eine dritte Verschärfung war die gegen den Genossen, wenn er aus dem Chaberbund ausgetreten und Zöllner geworden, er durfte nie wieder aufgenommen werden. Eine Ausnahme hiervon macht die Zeit kurz vor dem barkochbaischen Aufstande. Abba Saul lehrte, dass der Gelehrte nicht der Aufnahme vor drei Genossen bedürfe. Ähnlich hebt R. Simon ben Jochai die Bestimmung auf, dass man die frühere Führung des Aufzunehmenden in Betracht ziehen soll. Desto strenger waren wieder die Bestimmungen der Lehrer nach dem barkochbaischen Aufstande. R. Mair (im z. Jahrh. n.) will, dass die Tochter, die Witwe und der Sklave des Genossen, wenn sie sich mit dem Am-Haarez, Nichtgenossen, verheiraten, zur Beibehaltung ihrer Glaubhaftigkeit der Aufnahme in den Chaberbund bedürfen. Eine andere Anordnung von ihm verbietet die Wiederaufnahme der Abgefallenen. Letzteres stieß jedoch auf heftigen Widerspruch von Seiten R. Juda, R. Simon, R. Josua ben Korcha, welche den Wiedereintritt in den Bund des in reuevoller Besserung Zurückkehrenden erlaubten. Fragen wir nach den Verdiensten dieses Bundes, so scheint es uns, dass er, wenn wir von den Härten gegen den Am-Haarez, Nichtgenossen, absehen, im Ganzen für die Erhaltung des Judentums in den Jahrhunderten nach der Zerstörung des Tempels segensreich gewirkt hat. Er war es, der die Treuen enger aneinander schloss, und aus seinem Schoße gingen die bedeutendsten Lehrer hervor. Die Gesetzestreue hätte sich ohne ihn nie zu dem Heroismus eines Märtyrertums, wie er in der Zeit der hadrianischen Verfolgungen und später nötig geworden, erhoben. Der Genosse, Chaber, verrichtete an Shabbath und Fest die gottesdienstlichen Handlungen, beschäftigte sich mit Liebeswerken, sammelte und verteilte die Almosenspenden, sprach Trauernden und Leidtragenden Trost zu und wurde dadurch eine Stütze des Volkes. Mehreres siehe: Sadducäer.